Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte
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10 Hans Raupach<br />
Standard und die Marktferne der Produzenten, im japanischen die fehlende Rohstoffgrundlage.<br />
Bei der Entwicklung des vom russischen Zentrum aus organisierten eurasiatischen<br />
Raumes waren aber noch besondere Hindernisse der industriellen Wohlstandsentwicklung<br />
zu überwinden; nämlich die wachsenden Kosten der Raumerschließung<br />
und die nachteiligen Wirkungen extremer klimatischer Verhältnisse.<br />
Diese Umstände können, wie im folgenden dargelegt wird, sowohl <strong>für</strong> die Durchsetzung<br />
des Systems zentralistischer Verwaltungswirtschaft wie <strong>für</strong> die Bevorzugung<br />
großer Betriebseinheiten als wesentlich mitbestimmend angesehen werden. Aus<br />
ihnen resultieren auch wesentliche Unterschiede zu Japan im Hinblick auf die<br />
betriebliche Struktur im einzelnen und auf das System im ganzen.<br />
Die Probleme, die bei der Überwindung der genannten Hindernisse zwischen<br />
Weichsel und Amur einst und jetzt zu lösen sind, lassen sich aus einigen wirtschaftsgeographischen<br />
Daten leicht ableiten.<br />
Das Staatsgebiet erstreckt sich in west-östlicher Richtung über mehr als 9000,<br />
in nord-südlicher Richtung über mehr als 4500 km. Reiche Bodenschätze sind über<br />
den ganzen Raum verteilt, während das nutzbare Agrarland nur etwa 14% des<br />
Staatsgebiets ausmacht und in der Weizen-Mais-Zuckerrüben-Zone in einem nach<br />
Osten immer schmäler werdenden Bande verläuft.<br />
Die aus dieser mikro- und makroökonomischen Verteilung von Landwirtschaft<br />
und Industrie sich ergebenden durchschnittlichen Transportentfernungen sind sehr<br />
groß. Sie betragen <strong>für</strong> jede Ware nach dem Stande von 1959 810 km (darunter<br />
<strong>für</strong> Koks 710 km, <strong>für</strong> Holz 1500, <strong>für</strong> Getreide 1200 km). 80 v. H. dieser Transporte<br />
sind mit der Eisenbahn zu bewältigen 10 . Wenn man das Verhältnis der naturalen<br />
Transportkosten zu Wasser und zu Lande nach nordamerikanischer Erfahrung<br />
mit etwa 1: 5 ansetzt, so läßt sich ermessen, mit welchem Transportaufwand diese<br />
kontinentale Volkswirtschaft der Sowjetunion belastet ist. Diese Belastung trifft<br />
insbesondere die gewaltige Transportmassen bewegende Eisen-Stahl-Produktion<br />
und -Verarbeitung. In der atlantischen Welt ist sie standortoptimal an Küsten und<br />
Wasserstraßen gelegen, während die Stahlzentren Eurasiens mit großen Landtransport-Radien<br />
<strong>für</strong> die Ausgangsmaterialien und <strong>für</strong> den Absatz der Fertigprodukte<br />
vom Donez bis zum Amur verteilt sind.<br />
Das ungünstige Klima der eurasiatischen Landmasse war in der Landwirtschaft<br />
stets ein Hemmnis der Wohlstandsbildung auf individualwirtschaftlicher Grundlage.<br />
Die Temperaturextreme zwischen den Jahres- und Tageszeiten und eine<br />
häufig ungünstige jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge engen die Vegetationsperiode<br />
ein und drängen die Arbeitszeitspitzen in der Landwirtschaft auf<br />
kurze Fristen zusammen. Diese Umstände setzen auch dem Fruchtwechsel und<br />
der Viehzucht als wichtigen Voraussetzungen einer familienwirtschaftlichen,<br />
marktorientierten Intensivkultur enge Grenzen. Um Überschüsse <strong>für</strong> die Städte<br />
und den Export, nicht zuletzt auch <strong>für</strong> die Bildung von Vorräten zum Ausgleich<br />
10 Die Volkswirtschaft der UdSSR im Jahre 1959. Ein statistisches Jahrbuch (russ.).<br />
S. 487 ff.