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Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte

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Polizeiakten zur Judenverfolgung vor 1938 71<br />

Ausschreitungen weitergab, bestätigt den gleichen Sachverhalt, und es bedurfte<br />

vielfach, wie eine Anordnung des Stellvertreters des Führers vom 11. April 1935<br />

zeigt, energischer Ermahnungen an die Parteimitgliedschaft, um zu verhindern, daß<br />

diese mit der Polizei in Konflikt kam 14 .<br />

Das Motiv <strong>für</strong> die Zurückhaltung der sonst <strong>für</strong> terroristische Methoden hinlänglich<br />

bekannten Politischen Polizei Heydrichs und Himmlers in der Judenverfolgung lag<br />

zum wenigsten in dem gleichwohl anfänglich noch vorhandenen Gefühl da<strong>für</strong>, daß<br />

derartige Exzesse den Grundsätzen jeder geordneten und wenigstens formell gesetzlich<br />

verankerten Verwaltung zuwiderliefen. Entscheidend war vielmehr die Überlegung,<br />

daß hierdurch die tatsächliche Ausschaltung der Juden erschwert und ein<br />

unnötiger Prestigeverlust hingenommen wurde. Derartiges ließ sich viel „fachmännischer"<br />

und reibungsloser abwickeln. Für die Repräsentanten des Polizei-<br />

Staates war es ein abwegiger Gedanke, durch die Vortäuschung spontaner Aktionen<br />

die Massen des Volkes gegen die Juden einnehmen und sie dadurch indirekt dem<br />

Regime verbinden zu können - sie steuerten bewußt, wenngleich ohne klaren Plan<br />

auf diejenige „Lösung" der Judenfrage hin, welche in der damaligen Situation allein<br />

als gangbar erschien: die möglichst rasche und vollständige Auswanderung der<br />

deutschen Juden. Nicht bloß außenpolitische Rücksichten ließen ein Verbot der gesamten<br />

jüdischen Organisationen als unratsam erscheinen, sondern auch der simple<br />

und gerade deshalb diabolische Gedanke, die jüdischen Verbände selbst zum Träger<br />

der Auswanderung zu machen. Da<strong>für</strong> war es notwendig, das Betätigungsverbot <strong>für</strong><br />

jüdische Organisationen, das am 19. Juli 1933 ergangen war 16 , teilweise zu widerrufen.<br />

Die polizeilichen Eingriffe waren daher von der Absicht getragen, die zionistischen<br />

Organisationen, die die Auswanderung in besonderem Maße unterstützten<br />

und sich intensiv mit der beruflichen Umschulung und Umschichtung der jüdischen<br />

Bevölkerungsgruppe befaßten, gegenüber den deutschbewußten Gruppen, insbesondere<br />

dem „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten", dem „Nationalverband der deutschen<br />

Juden" und der „Erneuerungsbewegung der jüdischen Deutschen" indirekt<br />

zu fördern. Daß dies keine Anerkennung des zionistischen Programms bedeutete,<br />

liegt auf der Hand, und man vermied es, sich in dieser Hinsicht offiziell festzulegen.<br />

Eine solche indirekte Steuerung setzte indessen die Fiktion eines einigermaßen ungehinderten<br />

innerjüdischen Vereinslebens voraus und widersprach einem generellen<br />

Verbot der deutschjüdischen Verbände. Die Anweisung Heydrichs vom 20. März<br />

1934 (Dokument Nr. 1) trägt diesem Gesichtspunkt Rechnung und führt zugleich<br />

zur besseren polizeilichen Kontrolle die ausschließliche Verantwortlichkeit des<br />

Vereinsvorsitzenden sowohl gegenüber den Aufsichtsbehörden wie gegenüber der<br />

Mitgliedschaft, also gewissermaßen das Führerprinzip, ein.<br />

Insbesondere legte man den zionistischen und staatszionistischen Jugendorganisationen,<br />

die maßgebend die Umschichtung betrieben, keine Hindernisse in den<br />

Weg und gestattete ihnen Ausnahmen bezüglich der <strong>für</strong> jüdische Vereine getroffenen<br />

Anordnungen (Dokument Nr. 2). Die Geldsammlungen innerhalb der zionistischen<br />

14 Anordnung Nr. 63/35 a. a. O. Bd. I, S. 97ff.<br />

15 Vgl. Dokument Nr. 1.

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