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Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte

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14 Hans Raupach<br />

gewesen wären, dann kann die Sowjetwirtschaft als ein Gesamtoikos aufgefaßt<br />

werden, der diese Aufgabe zu lösen unternahm und die als raumadäquat bezeichneten<br />

vorhandenen Betriebsformen zum allgemein verbindlichen Leittypus erklärte.<br />

Dies geschah um der politischen Systemeinheit willen auch dort, wo der<br />

dekretierte Großbetrieb den Bedingungen des Milieus widersprach. Das ließe sich<br />

<strong>für</strong> gewisse Randzonen des Sowjetimperiums an den dort bestehenden Widersprüchen<br />

von Betriebsform und Milieu leicht nachweisen.<br />

Die Ort-Zeit-Präferenzen der Sowjetwirtschaft sind - was ausdrücklich bemerkt<br />

sei -nicht aus der Wirtschaft innewohnenden Gesetzen, sondern als von politischen<br />

Entschlüssen bestimmt zu erklären, deren Deutung eine Aufgabe der Historie und<br />

der politischen Wissenschaft ist. Der Nationalökonom hat die bescheidenere Aufgabe,<br />

diesen Wissenschaften die jeweils gegebenen materiellen Grundlagen <strong>für</strong><br />

Alternativen wirtschaftspolitischer Entscheidungen bereitzustellen und damit zum<br />

Verständnis der ökonomischen Ratio des politischen Systems beizutragen. Er wird,<br />

um dem Problem der wirtschaftlichen Determinanten eines politischen Systems<br />

näherzukommen, die Vergleichsbasis möglichst weit ziehen. So legt eine Diskussion<br />

der sowjetischen Aktionsbedingungen und Alternativen es nahe, die ebenfalls in<br />

einem großen und „autarkiebegabten" (Klinkmüller) Raume vollzogene ökonomische<br />

Expansion in Nordamerika vergleichend zu betrachten. Die Gemeinsamkeiten,<br />

wie „die Weite der Räume mit der Möglichkeit zu großzügiger kulturtechnischer<br />

Gestaltung der Landschaft und die Dynamik der Wirtschaftsentwicklung" 20 ,<br />

sind beachtlich groß. So sind die Betriebsformen und Techniken der Landwirtschaft,<br />

denen wir <strong>für</strong> die Systemwahl in Rußland konstitutive Bedeutung zugesprochen<br />

haben, in Nordamerika westlich des 90. Längengrades den sowjetischen ähnlich<br />

und haben <strong>für</strong> diese vielfach das Vorbild abgegeben.<br />

Aber zum Unterschied vom eurasiatischen Raum sind diese Formen in Nordamerika<br />

nicht dominierend; sie sind Randerscheinungen, genauer gesagt, Organisationsformen<br />

von Grenzbetrieben auf Grenzböden. Sie bestimmen deshalb das<br />

Gesamtsystem nicht. Dieses beruht in seiner Struktur, Leistungsfähigkeit und Dynamik<br />

in den den Ozeanen zugewandten Regionen auf dichter Standortballung der<br />

Industrie und intensiver Landwirtschaft, in deren Bereich die individualwirtschaftliche<br />

Wettbewerbswirtschaft die höchsten Wirkungsgrade der Welt erreicht hat.<br />

Dem eurasiatischen Raum fehlen solche naturgegebenen Wohlstandsmetropolen<br />

von ausreichender Tragkraft. Die nachholende politisch gelenkte Industrialisierung<br />

hatte dort deshalb den ganzen zur Verfügung stehenden Raum möglichst gleichzeitig<br />

zu erschließen 21 . Wäre der Versuch unternommen worden, zuerst die alten<br />

Regionen und Industriezentren des europäischen Rußland zu intensivieren und<br />

dann erst zu expandieren, wäre der Wettlauf mit der politischen Zeit sowie mit<br />

20 So H. Schienger, Die Vereinigten Staaten von Nordamerika und die Sowjetunion. Beiträge<br />

zu einem länderkundlichen Vergleich in „Abhandlungen der Akademie <strong>für</strong> Raumforschung<br />

und Landesplanung", Bd. 28, Bremen 1954.<br />

21 Vgl. Henri Chambre, Espace économique et Union Soviétique, in: Cahiers du Monde<br />

Russe et Soviétique (Paris) 1959, H. 1, S. 25.

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