26.12.2013 Aufrufe

Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte

Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte

Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zerrspiegel des 20. Juli 67<br />

um viel Menschliches auch im Kreise des Widerstands, und niemand, der es mit der<br />

Aufgabe der Geschichtswissenschaft ernst nimmt, kann wünschen, daß das verschwiegen<br />

werde. Wir wissen um Versagen, Zögern und Lauheit, auch um persönliche<br />

Spannungen und sachliche Gegensätze zwischen Generationen und Lagern,<br />

auf die in den Berichten viel Aufmerksamkeit gerichtet ist, wenn auch in einer<br />

übertreibenden „Kerenski"-Perspektive. Es ist in diesem Zusammenhang noch einmal<br />

zu sagen, daß aus dem dargebotenen Material <strong>für</strong> den kritischen Leser durchaus<br />

Erkenntnis gewonnen werden kann. Der kriminalistische Scharfsinn, der - vom<br />

Standpunkt des Regimes - im großen so kläglich versagt hatte (vgl. die Rechtfertigungsversuche<br />

S. 104, 113, 521), hat sich im Detail nicht ohne Erfolg betätigt.<br />

So wird <strong>für</strong> die Wanderungen des Sprengstoffs eine ganzseitige graphische Darstellung<br />

geboten. Gespräche und Begegnungen zwischen den Gruppen werden aufgedeckt,<br />

wenn auch in verwirrender Anordnung und ermüdender Wiederholung<br />

und nicht ohne daß die Kommissare wohl auch an der Nase herumgeführt werden<br />

(etwa von Trott, S. 356).<br />

Aufs Grundsätzliche gesehen jedoch besteht die Gefahr, daß die ständig wiederholte,<br />

als authentisch sich gebende und so durchaus tendenziöse Deutung der Persönlichkeiten,<br />

der Fakten und der Motive des Widerstands sich in zwei Richtungen<br />

bedenklich auswirkt. Einmal in einer Wiederbelebung der im Ausland so lange<br />

gängig gewesenen und nie ganz verschwundenen These, nach der sich Opposition in<br />

Deutschland erst geregt habe, als der Krieg offenbar verloren war. Das trifft objektiv<br />

nicht zu, aber die immer erneute Betonung des Defaitismus als eines Grundmotivs<br />

der Verschwörung könnte, wenn unwidersprochen, dieser Fehldeutung starken<br />

Auftrieb geben. In der Tat fällt in den Gestapoberichten - abgesehen von der<br />

Fritsch-Krise und ihrem Einfluß auf die „Verärgerung" des Militärs - kaum ein<br />

Lichtstrahl auf die Opposition vor dem Krieg, geschweige denn auf die Versuche,<br />

seinen Ausbruch zu verhindern. Die andere Fehldeutung, die aus der Gestapoargumentation<br />

willkommene Nahrung ziehen könnte, ist die Legende vom Dolchstoß,<br />

der dem Führer den sicheren Sieg entriß, wie man ohnehin schon in einigen<br />

publizistischen Organen lesen kann, sowie die Legende von der Klassenbefangenheit<br />

und dem reaktionären Charakter des Widerstands, wie sie (gelegentlich mit Aussparung<br />

Stauffenbergs) von jenseits des Vorhangs so eifrig verbreitet wird. Als bare<br />

Münze genommen, stellen die Kaltenbrunner-Berichte kein Spiegelbild, sondern<br />

einen Zerrspiegel dar. So muß denn im Namen der Wahrheit und im Gedanken an<br />

die Menschen, die ihr Leben eingesetzt haben, um den deutschen Namen von<br />

Schande zu reinigen, gegen die verantwortungslose Art dieser Veröffentlichung<br />

energisch Einspruch erhoben werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!