Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte
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66 Hans Rothfels<br />
methoden der Gestapo, die von Schlabrendorff (Offiziere gegen Hitler, S. 165ff.) in<br />
ihren einzelnen Phasen genau beschrieben worden sind. Er selbst ist vom Volksgerichtshof,<br />
allerdings erst nachdem Freisler bei einem Luftangriff ums Leben gekommen<br />
war, freigesprochen worden, da „Aussageerpressung vorliege". Kein Wort<br />
des Herausgebers hilft der Schärfung des kritischen Sinnes nach, der dann wohl<br />
auch in den Dokumenten selbst die Spuren der Erpressung und Folterung entdecken<br />
könnte. So heißt es (S. 395): „Irgendeine Kenntnis der Absichten Tresckows<br />
hat Schlabrendorff zunächst gegen jeden Vorhalt hartnäckig geleugnet. Erst nach<br />
mehrtägiger Pause in den Vernehmungen gab Schlabrendorff offen Einblick in das<br />
Verhalten Tresckows ..." Und dann folgt die Zusammenfassung einer Aussage, die<br />
mit den Worten beginnt: „Ich habe mich entschlossen, nunmehr über die Dinge, die<br />
ich im Zusammenhang mit Tresckow gesehen und erlebt habe, ungeschminkt zu<br />
sprechen." Ähnliche Hinweise auf „Pausen" finden sich S. 263 („Die erforderliche<br />
Klärung wird erst durch die sicherheitspolizeilichen Vernehmungen herbeigeführt<br />
werden.") und S. 407 („Canaris besinnt sich inzwischen..."). Hier sprechen in der<br />
Tat die Dokumente einmal „<strong>für</strong> sich selbst". Aber kann der unvorbereitete Leser<br />
diese Sprache verstehen? Statt ihm mit kritischen Hinweisen zu dienen auf die Natur<br />
der Quellen, auf die Art der Vernehmungen — bei denen es nahe lag, die Last auf<br />
nicht mehr Lebende abzuschieben, oder der Versuch gemacht werden konnte, mit<br />
Selbstbezichtigungen und der Aussicht auf weitere Geständnisse den Kopf aus der<br />
Schlinge zu ziehen —, insbesondere statt ernsthaft die Tendenz der Gestapoberichterstattung<br />
zu untersuchen, hüllt sich der Herausgeber in eine Scheinobjektivität, die<br />
nicht, wie das letzte Wort des Vorworts lautet, „der Erforschung der historischen<br />
Wahrheit", sondern ihrer Verzerrung dient.<br />
III.<br />
Auf den Inhalt der Dokumente braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden.<br />
Die Gestapo gab weiter und deutete aus, was in ihr Bild paßte oder - in den<br />
Hauptzügen — dem des Führers entsprechen mochte. So ist denn eines der Leitmotive<br />
das, welches Hitler selbst schon am Abend des 20. Juli ausgegeben hat: eine<br />
kleine Clique ehrgeiziger und ehrvergessener Offiziere. Wie schon gesagt, die ganz<br />
überwiegende Linie der Berichterstattung ist die der Diffamierung („gangsterhaft"<br />
- „Jargon der Ringvereine aus der Systemzeit" - „Gesinnungslump"). Entsprechend<br />
ist die Skala der Motive, aus denen die Gestapo, insbesondere in den zusammenfassenden<br />
Betrachtungen, den Widerstand erklären will: Persönlicher Ehrgeiz,<br />
arrogante Besserwisserei, individuelle Verärgerung, defaitistische Grundhaltung,<br />
dekadente Geistigkeit, deutsche Neigung zum Objektivitätsfimmel und zur Selbstzerfleischung,<br />
gesellschaftlicher Hochmut, eine um sich selbst kreisende „Wehrmachtsideologie"<br />
oder das Machtstreben eines überalterten „Gewerkschaftsklüngels",<br />
der nur wieder ins Spiel kommen will.<br />
Es ist nicht die Absicht dieser Zeilen, dem allem ein Bild der Wirklichkeit entgegenzusetzen<br />
und ganz gewiß nicht einer idealisierten Wirklichkeit. Wir wissen