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Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte

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Zerrspiegel des 20. Juli 63<br />

ein schonungsloses Bild von den Gründen gegeben werden solle, die zum Attentat<br />

geführt hatten... Es seien so viele Männer von hervorragenden beruflichen und<br />

charakterlichen Qualitäten in die Verschwörung verwickelt, daß Hitler durch diese<br />

Erkenntnis hoffentlich den Schock erlebe, der notwendig sei, ihn zu den zwingenden<br />

Änderungen zu veranlassen..." Diese Version wird von K. H. Peter in seinem -<br />

knapp drei Seiten langen - Vorwort zur Abschirmung benutzt, wobei das Kiesel-<br />

Zitat aus der Goerdeler Biographie Gerhard Ritters stammt. Er hat die Kaltenbrunner-Berichte<br />

als erster kennen gelernt und - wie sich versteht - mit kritischer<br />

Besonnenheit benutzt. Er hat auch, wenngleich mit starkem Vorbehalt, die Kiesel-<br />

Version aufgenommen. Sie hat in der Tat erklärenden Wert <strong>für</strong> die letzte Phase in<br />

Goerdelers Leben, als der zum Tod Verurteilte mit dem Doppelspiel des Gestapochefs<br />

durch belehrende Denkschriften ko-operierte, in unerschütterlichem Vertrauen<br />

auf den Sieg der Vernunft, aber doch wohl auch, um sein Leben zu fristen.<br />

Hingegen ist <strong>für</strong> die Kaltenbrunner-Berichte eine Absicht der Belehrung oder gar<br />

der Schockwirkung in keiner Weise bezeichnend, geschweige daß sie von hervorragenden<br />

charakterlichen Qualitäten der Widerstandskämpfer Zeugnis ablegen<br />

wollen.<br />

Zur Stütze seiner „Sensations"-These schlägt denn auch der Rezensent in „Christ<br />

und Welt" ein eigentümliches Verfahren ein. Es finden sich in dem ganzen Band<br />

von 550 Seiten nur Kaltenbrunnersche Begleitschreiben zu den Ergebnissen der<br />

Sonderkomission. Sie alle umfassen nur je zwei bis vier Zeilen, mit einer Ausnahme,<br />

einem Schreiben vom 30. August 1944, das eine Druckseite füllt. Aus diesem alleinstehenden<br />

Stück und den dazugehörigen Anlagen bringt „Christ und Welt" bezeichnende<br />

Teile, in denen der Widerstand mit der Empörung über den Abfall der<br />

Partei von ihren erklärten Idealen, insbesondere über das Luxusleben von Göring,<br />

Goebbels, Ley, überhaupt über Korruption und Bonzokratie begründet wird. Für<br />

Hitler kann das kaum eine Überraschung, sicher kein Schock gewesen sein, er liebte<br />

bekanntlich die Diadochenkämpfe. Und daß die Gestapo hier vornehmlich einen<br />

indirekten Angriff gegen Konkurrenten im Machtkampf vortrug und nicht eine<br />

quasi-Rechtfertigung der Verschwörer, ist um so wahrscheinlicher, als gegen deren<br />

„Lebenswandel" immer wieder genau entsprechende Vorwürfe in den Berichten<br />

sich finden. Ihre Hauptlinie ist ohne allen Zweifel die bewußter Diffamierung. Das<br />

ist denn wohl auch der Grund, warum Hitler sie, wie wir hören, „verschlang".<br />

Aber nicht nur die Berichte sind diffamierend, es besteht aller Anlaß anzunehmen,<br />

daß die Absicht des Herausgebers es nicht minder ist. Schon in dem kurzen Vorwort<br />

fehlt es nicht an Belegen da<strong>für</strong>. Inzwischen ist bekannt geworden, daß K. H. Peter<br />

Mitarbeiter des Plesse-Verlags neonazistischer Färbung und der DRP mindestens<br />

gewesen ist. Wenn der Verleger, nachdem das Buch ausgedruckt vorlag, die Zusammenarbeit<br />

mit P. strikt abgeleugnet hat, so mag das aus einem plötzlichen Erschrecken<br />

über diese Bundesgenossenschaft resultiert haben, ist aber auf einer<br />

anderen Ebene, der des verlegerischen Ethos, nicht minder gravierend. Die publizistischen<br />

Stimmen der Verteidigung gehen über all das mit auffallender Unempfindlichkeit<br />

hinweg.

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