spektrum_201310.pdf (11.592 KB) - TUHH
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Campus Wissenschaftlerinnen 65<br />
Sie haben es in die Spitze geschafft und arbeiten im Wissenschaftsbetrieb dort, wo besonders für Frauen die Luft<br />
dünner wird. Im oberen Segment des akademischen Mittelbaus angekommen, sind Dr. Anja Carstensen und Dr. Meike<br />
Schröder. Als Forscherinnen sind die Soziologin und die Betriebswirtin auch Vertreterinnen ihrer vorgesetzten Professoren<br />
– und Rollenmodell für Studentinnen und Schülerinnen. <strong>spektrum</strong> stellt – in einer loser Reihenfolge seit Mai<br />
2013 – Frauen in der Wissenschaft vor – und zu guter Letzt die Frauenfrage: „Diskriminierung auf dem Campus –<br />
Fakt oder Fiktion?“<br />
Die Soziologin an der TU Hamburg<br />
Dr. Tanja Carstensen<br />
Foto: Dörthe Hagenguth<br />
Dr. Tanja Carstensen ist eine Vordenkerin. Als zum Ende<br />
ihres Soziologie-Studiums 1998 an der Universität<br />
Hamburg das Internet immer mehr an Bedeutung gewann,<br />
entschied sich die Studentin, ihre Diplomarbeit über die Motive<br />
feministischer Internet-Gestalterinnen zu schreiben.<br />
Heute ist Tanja Carstensen wissenschaftliche Mitarbeiterin in<br />
der Arbeitsgruppe Arbeit-Gender-Technik unter Leitung von<br />
Professor Gabriele Winker – und das Internet unverändert<br />
ihr großes Thema.<br />
„Mitte der 90er-Jahre gab es kaum Forschungen über Frauen<br />
im Internet“, sagt die Nachwuchswissenschaftlerin. Dabei ist<br />
das Netz auch für feministische Bewegungen zunehmend<br />
wichtig geworden. Inzwischen ermöglichen soziale Netzwerke<br />
wie Twitter und Facebook einen schnellen Austausch<br />
zwischen den verschiedenen feministischen Projekten und<br />
Initiativen. „Diese Diskussionen im Internet gewinnen zunehmend<br />
an öffentlichem Einfluss“, sagt die 42-jährige Mutter<br />
einer sechsjährigen Tochter.<br />
Bereits im ersten Semester ihres Studiums hatte Tanja Carstensen<br />
die Frage motiviert, welchen Einfluss das Geschlecht<br />
auf den Alltag von Frauen und Männer ausübt. Bis heute beschäftigt<br />
sie, warum es trotz Frauenbewegung und Emanzipation<br />
immer noch ein Unterschied ist, ob eine Frau eine<br />
Sache macht oder ein Mann. „Die Geschlechterverhältnisse<br />
sind nicht naturgegeben. Trotzdem erweisen sie sich als sehr<br />
starr. Anders gesagt: Es besteht weiterhin eine Ungleichheit<br />
zwischen den Geschlechtern.“ Für die Wissenschaftlerin<br />
Grund auf diesem interdisziplinären Gebiet weiterhin zu forschen<br />
– und zu lehren.<br />
In ihren Seminaren führt sie den Ingenieurstudierenden vor<br />
Augen, wie es historisch zu der männlichen Dominanz in der<br />
Technik gekommen ist. Obwohl Frauen heute anders als<br />
noch vor hundert Jahren studieren und in ihrem Beruf arbeiten,<br />
sind Studentinnen an technischen Universitäten immer<br />
noch in der Minderheit. „In unseren Köpfen lebt noch das<br />
Vorurteil, dass Technik Männersache ist. Deshalb hat es trotz<br />
vieler Förderprojekte in Schulen und Universitäten noch keinen<br />
Durchbruch gegeben,“ stellt Dr. Carstensen nüchtern<br />
fest.<br />
Als Forscherin ist es ihr wichtig, nah an der Praxis zu arbeiten,<br />
um so direkt zur Gestaltung der Gesellschaft beizutragen.<br />
Zurzeit beschäftigt sie sich mit der Frage, wie das Internet<br />
unser Arbeitsleben verändert. „Arbeit 2.0. Neue Anforderungen<br />
an Beschäftigte und ihre Interessensvertretungen im<br />
Umgang mit Social Media,“ heißt das von der Hans-Böckler-<br />
Stiftung mit 160 000 Euro geförderte Forschungsprojekt, ihr<br />
erstes eigenes Drittmittelprojekt. Welche neuen Qualifikationen<br />
sind erforderlich im Umgang mit den Sozialen Medien?<br />
Wie verändert sich die Kommunikation im Alltag der Beschäftigten?<br />
Haben Twitter und Facebook Einfluss auf die betrieblichen<br />
Hierarchien? Antworten auf diese Fragen ermittelt<br />
die Soziologin in Umfragen in verschiedenen Betrieben bundesweit.<br />
Am Ende des zweijährigen Projekts hofft die ehemalige<br />
Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung auch Personalund<br />
Betriebsräten Empfehlungen geben zu können.<br />
Auf diesem Feld der Forschung will sich Tanja Carstensen habilitieren.<br />
Wie damals in ihrer Doktorarbeit an der Universität<br />
Hamburg über den öffentlichen Diskurs zum Internet, ist<br />
auch bei dieser akademischen Arbeit ihr Ziel, Mythen über<br />
das Netz zu entzaubern. Als sich das Internet verbreitet hat,<br />
gab es anfänglich eine sehr polare Diskussion über die Auswirkungen<br />
der weltweiten Vernetzung auf die Gesellschaft.<br />
Hinter diesen Debatten hätten meist aber ganz andere Themen<br />
gestanden, beispielsweise die Angst vor Veränderungen<br />
und Statusverlust. „Ich wollte den extremen Hoffnungen und<br />
Befürchtungen, die mit dem Internet in der Öffentlichkeit verbunden<br />
waren, ein differenzierteres Bild entgegensetzen“,<br />
sagt die Internetforscherin.<br />
„Persönlich habe ich bisher keine Diskriminierung erlebt; die<br />
Zahlen über Frauen in der Wissenschaft zeigen aber deutlich,<br />
dass noch lange keine Gleichberechtigung erreicht ist.“<br />
www.tuhh.de/agentec/team/carstensen.html