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Dokument 1.pdf - ELBA: Das elektronische BASt-Archiv - hbz

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20<br />

Blickverhalten<br />

Bei Müdigkeit werden Blicksprünge (Sakkaden) seltener<br />

und dauern länger (SCHLEICHER et al.<br />

2008). Wohl auch aufgrund der ungleich höheren<br />

Anforderungen an die Messtechnik (Tracking der<br />

Pupille, hohe zeitliche Auflösung) werden sakkadenbasierte<br />

Maße nur selten zur Müdigkeitsdetektion<br />

verwendet (SCHLEICHER et al. 2008). Eine<br />

Studie berichtet eine Zunahme von Fixationen mittlerer<br />

Länge (150 bis 900 ms) und eine Abnahme<br />

von sehr kurzen „Expressfixationen“ und langen<br />

Fixationen (SCHLEICHER et al. 2008). Doch bislang<br />

gelten Veränderungen des Blickverhaltens<br />

nicht als belastbar belegt (KECKLUND et al. 2006).<br />

Nach dem aktuellen Forschungsstand liefern die<br />

unterschiedlichen Parameter des Lidschlussverhaltens<br />

eine valide Erfassung der Fahrermüdigkeit.<br />

<strong>Das</strong> Blickverhalten hingegen bietet bei deutlich geringerer<br />

Validität keine Vorteile hinsichtlich der Ökonomie<br />

oder Effizienz bei der Erfassung. Keiner der<br />

12 Experten der Delphi-Studie nannte die Blickerfassung<br />

als validen Müdigkeitsindikator. Im Rahmen<br />

der Delphi-Studie wurden daher ausschließlich<br />

die Vor- und Nachteile der Erfassung des Lidschlussverhaltens<br />

diskutiert. <strong>Das</strong> entsprechende<br />

Bewertungsprofil samt Diskussion wird dargestellt<br />

in Kapitel 6.3.4.<br />

3.5.2 EEG­basierte Messverfahren<br />

Bei Müdigkeit treten Veränderungen der Gehirnwellenaktivität<br />

auf, die mithilfe des Elektroenzephalogramms<br />

(EEG) erfassbar sind. Folgende Indikatoren<br />

und Testverfahren werden herangezogen, um<br />

entsprechende Müdigkeitskorrelate abzubilden:<br />

• ­ Ereigniskorrelierte Potenziale (EKP),<br />

• ­ Frequenzbänder,<br />

• ­ Spindeln (Bursts) im Spontan-EEG,<br />

• ­ standardisierte Testprozeduren.<br />

Ereigniskorrelierte Potenziale (EKP) sind Spannungsschwankungen,<br />

die im EEG infolge sensorischer<br />

Reize auftreten. Ab ca. 100 ms nach Reizbeginn<br />

bilden positive und negative Komponenten die<br />

Informationsverarbeitung (Aufmerksamkeitsänderungen,<br />

Vergleichsprozesse und Erwartungsänderungen)<br />

des Probanden ab. Die ausgelösten Spannungsschwankungen<br />

werden zur besseren Erkennung<br />

summiert und gemittelt, daher ist trotz häufiger<br />

Signaldarbietung nur eine geringe zeitliche Auflösung<br />

der Müdigkeitserfassung möglich. Die müdigkeitsbedingten<br />

Veränderungen in Latenz und<br />

Amplitude des Potenzials gelten als belegt (ZHAO<br />

et al. 2010; SCHMIDT et al. 2009), auch wenn Studien<br />

sie nicht immer für beide Indikatoren nachweisen<br />

konnten (vgl. OKEN et al. 2006).<br />

<strong>Das</strong> EEG ist in Frequenzbänder (Hz) eingeteilt, die<br />

Aussagen zum Aktivierungsgrad ermöglichen. Eine<br />

Erhöhung der Aktivität in niedrigen Frequenzen<br />

spiegelt z. B. eine verringerte Aktivierung wider.<br />

Eine klare und eindeutige Einteilung der unterschiedlichen<br />

EEG-Frequenzbänder ist nach Sichtung<br />

der einschlägigen Literatur nicht gegeben, allerdings<br />

sind die Unterschiede marginal. Zur Müdigkeitserfassung<br />

verwendet werden die Frequenzbänder<br />

Alpha, Beta, Theta und selten auch<br />

Delta:<br />

• ­ Alpha (ca. 8-13 Hz) tritt auf bzw. steigt bei Müdigkeit<br />

(MACCHI et al. 2002; EOH et al. 2005).<br />

Nach LIU et al. (2009) stellt es ein frühes Anzeichen<br />

von Müdigkeit dar. Der Indikator bildet jedoch<br />

nicht allein Müdigkeit, sondern insbesondere<br />

Entspannung ab (KECKLUND et al. 2006).<br />

• ­ Bei Beta (ca. 14-35 Hz) handelt es sich um das<br />

neurophysiologische Korrelat geistiger Aktivität.<br />

Bei Müdigkeit geht die Beta-Aktivität zurück<br />

(JAP et al. 2011; EOH et al. 2005).<br />

• ­ Theta (ca. 4-8 Hz) tritt auf bzw. steigt bei Müdigkeit<br />

und gilt vorrangig als Indikator für schwerere<br />

Müdigkeit (CAMPAGNE et al. 2004; LIU et al.<br />

2009). Auch die vergleichsweise selten untersuchte<br />

Deltaaktivität (0,5-3 Hz) tritt bei Müdigkeit<br />

vermehrt auf (LAL & CRAIG 2002).<br />

Mitunter werden zusätzliche Ausdifferenzierungen<br />

getroffen, wie z. B. schnelles Theta bzw. langsames<br />

Alpha (6-9,75 Hz), das ebenfalls bei Müdigkeit<br />

steigt (MACCHI et al. 2002).<br />

Die Aggregation valider Einzelindikatoren bietet<br />

eine vielversprechende Möglichkeit, die Validität<br />

der Detektion weiter zu verbessern. So wurden für<br />

unterschiedliche Kombinationen der Frequenzbänder<br />

müdigkeitsbedingte Veränderungen nachgewiesen,<br />

z. B. für Theta/(Alpha + Beta) oder (Alpha<br />

+ Theta)/Beta (JAP et al. 2011; CAMPAGNE et al.<br />

2004; EOH et al. 2005). Doch ist weder die Überlegenheit<br />

einzelner Frequenzbänder noch die einer<br />

bestimmten Kombination überzeugend belegt. Am<br />

gängigsten war bislang die Erfassung von Alpha

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