Dokument 1.pdf - ELBA: Das elektronische BASt-Archiv - hbz
Dokument 1.pdf - ELBA: Das elektronische BASt-Archiv - hbz
Dokument 1.pdf - ELBA: Das elektronische BASt-Archiv - hbz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
66<br />
9 Ausblick<br />
Maßnahmen<br />
Im Rahmen des Expertenworkshops wurden Mittel<br />
und Wege zur wirksamen Vermeidung müdigkeitsbedingter<br />
Unfälle diskutiert. Die genannten Maßnahmen<br />
werden nachfolgend erläutert. Betont<br />
wurde die besondere Relevanz, dem gesamtgesellschaftlichen<br />
Problem der Fahrermüdigkeit auf mehreren<br />
Ebenen zu begegnen. Zielführende Maßnahmen<br />
in den Bereichen Education, Engineering und<br />
Enforcement müssen den Fahrer, das Fahrzeug<br />
und die Umwelt mit berücksichtigen. Auch bedarf es<br />
weiterer Forschung, um die Eignung von Müdigkeitsmessverfahren<br />
und Gegenmaßnahmen zu<br />
prüfen.<br />
Obwohl Fahrer ihre Müdigkeit meist selbst erkennen,<br />
müssen sie sich bewusst sein, dass sie den<br />
Zeitpunkt ihres Einschlafens nicht adäquat einschätzen<br />
können. Notwendig ist daher eine umfassende<br />
Aufklärung von Fahrern über die Müdigkeitsfolgen,<br />
die daraus resultierenden Gefahren und<br />
mögliche Verhaltensoptionen zur Gefahrenvermeidung.<br />
Dazu zählen derzeit nur die Einnahme koffeinhaltiger<br />
Mittel und eine Ruhepause (bei Erschöpfung)<br />
bzw. Schlaf (bei erhöhtem Schlafdruck).<br />
Fahrer müssen von der alleinigen Verwendung der<br />
weitaus beliebteren Gegenmaßnahmen (z. B.<br />
Radio hören, Fenster öffnen etc.), die keine Fahrtunterbrechung<br />
verlangen, Abstand nehmen. Wünschenswert,<br />
doch aus Fahrersicht nur eingeschränkt<br />
umsetzbar, wäre eine gezielte Fahrtenplanung<br />
zur vorausschauenden Vermeidung von<br />
Müdigkeit (z. B. keine Nachtfahrten).<br />
Bei Berufskraftfahrern regelt zwar die EU-weit verpflichtende<br />
Lenkzeitverordnung die wöchentlichen<br />
und täglichen Lenk- und Ruhezeiten, doch ist die<br />
Einhaltung der Vorschriften nicht ausreichend gewährleisten.<br />
Hier gilt es, den Einfluss arbeitsorganisatorischer<br />
Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.<br />
Allein beim Fahrer ansetzende Maßnahmen<br />
wären im Vergleich zu einem umfassenden Risikomanagement<br />
nur eingeschränkt wirksam.<br />
Zusätzliche Möglichkeiten bietet die Gestaltung der<br />
Autobahnumgebung über die Einführung von Rüttelstreifen,<br />
die den Fahrer beim Verlassen der Spur<br />
zumindest kurzfristig wieder aktivieren. Ein früheres<br />
Setzen der Raststättenbeschilderung gibt dem<br />
Fahrer mehr Zeit für die Entscheidung, eine Fahrpause<br />
einzulegen.<br />
Dem flächendeckenden Einsatz von Müdigkeitswarnsystemen<br />
ist nach dem derzeitigen Wissensstand<br />
weder zu- noch abzuraten. Eine umfassende<br />
Evaluierung der Systeme steht noch aus, die Ergebnisse<br />
der hier durchgeführten Nutzerbefragung<br />
legen jedoch nahe, dass Verbesserungen der Müdigkeitsdetektion<br />
und des Fahrerfeedbacks wünschenswert<br />
sind.<br />
Neben der Erkennung von Müdigkeit und der Warnung<br />
bei Müdigkeit ist es wichtig zu diskutieren, wie<br />
Fahrer zu einem Verhalten bewegt werden können,<br />
das Gefahren durch Müdigkeit vermeidet. Dies ist<br />
nicht allein eine Frage der Compliance im Falle<br />
einer Warnung. Vielmehr müssen gefahrenvermeidende<br />
Verhaltensweisen entwickelt und etabliert<br />
werden, die gleichermaßen individuell wie gesellschaftlich<br />
akzeptiert werden. Was soll ein müder<br />
Fahrer tun, der noch mehrere Stunden Fahrt vor<br />
sich hat, die er voraussichtlich auch durch ein<br />
20-minütiges Nickerchen nicht gefährdungsfrei<br />
überstehen wird? Wie lässt sich das Nutzen-<br />
Kosten-Verhältnis zugunsten der (auch längeren)<br />
Fahrtunterbrechung oder gar des Verzichts auf den<br />
Fahrtantritt verschieben? Ein kontinuierliches<br />
Fahrermonitoring (z. B. Black Box zur Erfassung<br />
von Fahrzeug- und Fahrerzuständen) ist im<br />
Forschungskontext umsetzbar. Ein verpflichtender<br />
Einsatz mit entsprechenden Sanktionen und<br />
haftungsrechtlichen Konsequenzen erscheint aus<br />
unterschiedlichsten Gründen derzeit nicht als<br />
gesellschaftlich akzeptierter Weg.<br />
Forschungsbedarfe<br />
Müdigkeitswarnsysteme in Pkw bieten schon aufgrund<br />
ihrer zunehmenden Verbreitung prinzipiell<br />
ein erhebliches Potenzial zur Vorbeugung müdigkeitsbedingter<br />
Unfälle. Auf die hier berichtete<br />
Nutzerumfrage sollte eine umfangreichere und repräsentative<br />
Nutzerbefragung folgen, um die dargestellten<br />
Ergebnisse auf eine fundierte Basis zu<br />
stellen.<br />
Die Entwicklung und Optimierung von Müdigkeitswarnsystemen<br />
durch Automobilhersteller und Zulieferer<br />
sollten durch eine stetige Evaluierung begleitet<br />
werden, sodass Nutzen und Risiken der Systeme<br />
objektiv bewertet werden können. So gilt es, die<br />
Sensitivität und Spezifität der Systeme auf Basis<br />
objektiver Daten zu prüfen, die Wirksamkeit des<br />
Fahrerfeedbacks auszubauen.