Februar 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...
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POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />
Das verwirrende Wahlergebnis<br />
in israel lässt auf den ersten<br />
Blick nicht erkennen, was der israelische<br />
Wähler wirklich will. Erst ein Ver -<br />
gleich der früheren Zusammen set -<br />
zungen der Knesset läßt klare Trends<br />
erkennen.<br />
Die Kadima-Partei wurde von Ariel<br />
Scharon aus dem nichts geschaffen,<br />
um 2005 den Rückzug aus Gaza<br />
durch zusetzen. Scharon ist nicht aus<br />
dem Likud Block ausgetreten, sondern<br />
hat eigentlich seine Partei vor<br />
die Tür gesetzt. in die Kadima-Partei<br />
wechselten im Gefolge Scharons Po li -<br />
ti ker wie Zipi Livni, Zachi Ha neg bi und<br />
Andere aus dem rechtskonservativen<br />
Lagers. Ebenso gab es eine Abwan de -<br />
rung aus dem sozialistischen Lager<br />
der Arbeitspartei in Scharons neue<br />
Rück zugspartei. Der prominenteste<br />
war Schimon Peres. Vom Likud abgespalten<br />
hatte sich letztlich auch Avig -<br />
dor Liberman, der mit seiner „israel –<br />
Beiteinu“ Partei jetzt mit 15 man -<br />
daten in die Knesset einzieht.<br />
Wenn man Kadima, Likud und is -<br />
rael Beiteinu <strong>als</strong> nicht-religiöse Partei -<br />
en mit nationalistisch jüdischer Aus -<br />
rich tung definiert, hat es zwar wegen<br />
der Abspaltungen innerhalb dieses<br />
Blocks interne Verschiebungen gegeben,<br />
insgesamt aber einer gewaltiges<br />
Anwachsen. in der 16. Knesset 2003<br />
wa ren diese drei Parteien nur mit 45<br />
Ab geordneten vertreten, 52 im Jahr<br />
2006, und wuchsen jetzt zur gewaltigen<br />
mehrheit von 70 Abgeordneten<br />
in der neuen Knesset. Der Likud war<br />
2003, vor Scharons Weggang, mit 27<br />
Abgeordneten in der Knesset, sank<br />
we gen der Entstehung von Kadima<br />
auf 12, und hat sich jetzt wieder auf<br />
27 Abgeordnete erholt. Einen steten<br />
Aufwärtstrend erlebte Avigdor Liber -<br />
mann, von 4 auf 15 mandate.<br />
Der gewaltige Aufwärtstrend des<br />
na tionalen Lagers der mitte ging auf<br />
Kosten des sogenannten linken Frie -<br />
denslagers. Die Arbeitspartei bewegte<br />
sich bei den letzten drei Parla ments -<br />
wahlen stetig in Richtung Abgrund,<br />
von 21 Abgeordneten auf nur noch<br />
11. israels Linkspartei meretz halbierte<br />
ihren Einfluss von 6 auf 3 Abge ord -<br />
nete. Dabei war es meretz, die die be -<br />
rühmte „Genfer Friedensinitiative“ ins<br />
Leben gerufen hatte. Diesem antireligiösen<br />
„liberalen“ Lager könnte man<br />
auch noch die weltlich ausgerichtete<br />
Schinui-Partei hinzurechnen, die 2003<br />
Ein Trend zum<br />
Pragmatismus<br />
von Ulrich W. Sahm<br />
mit 12 Abgeordneten in der Knesset<br />
vertreten war und 2006 in Luft auflös -<br />
te. ihre (Protest-) Wähler stimmten für<br />
die Rentner, die 2006 wie ein Phönix<br />
aus der Asche aufstiegen und mit 7 Ab -<br />
geordneten in die Knesset einzogen.<br />
in der Wahlnacht am Dienstag er litten<br />
sie ihrerseits die totale Bruch landung<br />
und kratzten nicht einmal von unten<br />
die 2 Prozent Hürde, wie es ein Kom -<br />
men tator ausdrückte. Dies mal haben<br />
die Wähler nur für „ernsthafte“ Par -<br />
teien ge stimmt. Die Befürwor ter des<br />
Hanfge nus ses, die Gegner ho her Bank -<br />
ge büh ren und et was weltfremde<br />
„Grü ne“ blieben außen vor.<br />
So wie das rechtskonservative La ger<br />
steten Zulauf von 45 auf 70 Ab ge ord -<br />
ne te verzeichnete, entwickelte sich der<br />
stete Abwärtstrend des linken La gers<br />
von 39 auf nur noch 16 man da te. Vom<br />
Untergang gezeichnet waren auch die<br />
klassischen Siedler parteien, die na tio -<br />
nalreligiöse Partei und ihre Abspal -<br />
tun gen. Sie halbierten sich von 14 auf<br />
nur noch 7 man date. im religiösen<br />
Block gab es ein auf und ab von 29 auf<br />
37 und jetzt 30.<br />
Das Schlusslicht bilden drei arabische<br />
Parteien mit kommunistischer<br />
oder islamistischer Ausrichtung. Sie<br />
erhielten jeweils drei oder vier man da -<br />
te. Doch Zusammengenommen wuch -<br />
sen sie stetig von 8 auf 11 Ara ber sind<br />
durchaus auch mitglieder in jüdischzionistischen<br />
Parteien, sogar im Li kud,<br />
doch ihr Zuwachs ging vor Allem auf<br />
Kosten der Arbeitspartei.<br />
Aus diesen Zahlen lassen sich mehrere<br />
Trends in der israelischen Ge sell -<br />
schaft ablesen. Der jüdische wie der<br />
arabische Sektor wählt mit nationalistischer<br />
Ausrichtung, wobei beide<br />
Volks gruppen auseinander driften.<br />
Von den rund 7 mio. Einwoh nern sind<br />
etwa ein Fünftel, 1,2 mio. nicht-Ju den:<br />
Beduinen, Christen, mos lems, Drusen<br />
und Andere. Ein merk mal der gesellschaftlichen<br />
Spal tung ist jüdischer Zu -<br />
lauf zu Liber mans anti-arabischer Par -<br />
tei und arabischer Zu lauf zu den „an-<br />
ti-zionistischen“ arabischen Parteien,<br />
während sich die „versöhnliche“ is ra e -<br />
lische Linke seit fünf Jahren auf einem<br />
absteigenden Ast befindet. Dazu beigetragen<br />
haben die blutige intifada<br />
und die Suche der Ara ber nach einer<br />
eigenen identität. Da mit einher geht<br />
auch der nieder gang der ideologischen<br />
Siedlerpar tei en, deren Kraft<br />
sich seit 2003 halbiert hat.<br />
Der israelische Patriotismus drückt<br />
sich bei den Juden <strong>als</strong> pragmatische<br />
Rück besinnung auf die jüdische iden -<br />
tität ihres Staates aus und nicht <strong>als</strong><br />
Sied lungsbegeisterung in biblische Ge -<br />
filden im Westjordanland. Die 1,2 mio.<br />
Araber hingegen kritisieren im mer<br />
lau ter den Zionismus und lehnen jü di -<br />
sche Symbole ihres Staates ab. Spie gel -<br />
bildlich zu dem jüdischen Pa tri otis mus<br />
entwickelte sich so ein ara bischer Pa -<br />
trio tismus, was sich durch das Wach -<br />
sen der arabischen Parteien ausdrückt.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 23