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Die nationale Ehre - welcker-online.de

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te Herrn <strong>Die</strong>bold nachträglich zur Reue gereichen und ihn in seinem<br />

Vorhaben befestigen, bei nächster Gelegenheit wie<strong>de</strong>r publizistisch<br />

seinen Mann zu stellen, damit nebst allem an<strong>de</strong>rn Verdruß<br />

auch <strong>de</strong>r private faux pas wettgemacht sei, in<strong>de</strong>m ja doch<br />

jeglicher Umstand, <strong>de</strong>r sonst einen Kritiker befangen machen<br />

müßte, Herrn <strong>Die</strong>bold zu animieren scheint, seine Unbefangenheit<br />

zu zeigen. <strong>Die</strong>se Gelegenheit ergab sich nun durch die Aufführung<br />

<strong>de</strong>r von Karl Kraus übersetzten Offenbach'schen »Perichole« am<br />

Berliner Staatstheater, wiewohl darüber bereits <strong>de</strong>r zuständige<br />

Fachreferent, und zwar in etwas auffälligem Gegensatz zu <strong>de</strong>n enthusiastischen<br />

Urteilen zweier Wiener Korrespon<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r<br />

Frankfurter Zeitung geurteilt hatte, welche freilich die Chance<br />

hatten, aus <strong>de</strong>r weit lebendigeren Vorführung durch <strong>de</strong>n Bearbeiter<br />

selbst <strong>de</strong>n berechtigten Schluß auf die Lebendigkeit <strong>de</strong>s Werkes<br />

ziehen zu können. Wie es aber im publizistischen Leben so<br />

geht, mußten Offenbach und <strong>de</strong>r Autor <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Textes für<br />

eine unzulängliche Aufführung büßen, <strong>de</strong>ren Unzulänglichkeit in<br />

<strong>de</strong>r Premiere ja auch von <strong>de</strong>r gesamten Berliner Kritik mit einem<br />

schöpferischen Übel verwechselt wur<strong>de</strong>. Aber dieser Kontrast <strong>de</strong>s<br />

Berliner Musikreferats <strong>de</strong>r Frankfurter Zeitung zu <strong>de</strong>m Eindruck,<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ren Wiener Korrespon<strong>de</strong>nten (einer war <strong>de</strong>r Musiker Kienek)<br />

von <strong>de</strong>m Vortrag <strong>de</strong>s unvergleichlich lebendigen Werkes<br />

empfangen hatten, schien Herrn <strong>Die</strong>bold beiweitem noch nicht<br />

stark genug, und obgleich ihn die Berliner Aufführung <strong>de</strong>r i»Perichole«<br />

ressortgemäß nicht das Geringste anging, benützte er die<br />

Gelegenheit <strong>de</strong>r Berliner Totmachung von Nestroys »Lumpazivagabundus«,<br />

über die er zu referieren hatte und für die er nicht<br />

min<strong>de</strong>r das blutlebendige Original verantwortlich machte, um<br />

Herrn Karl Kraus wegen <strong>de</strong>r Belebung <strong>de</strong>r »Perichole« zu attackieren.<br />

Schon das Referat über »Lumpazivagabundus« als solches<br />

wimmelt von versteckten Angriffen auf <strong>de</strong>n Mann, <strong>de</strong>r die<br />

Schuld hat, am meisten zur Ehrung Nestroys durch die Gegenwart<br />

beigetragen zu haben, und <strong>de</strong>ssen positiver Anteil darum ebenso<br />

schlecht wegkommt wie die aufgeführte Schändung, durch welche<br />

<strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>s Lumpazivagabundus eine Auffrischung etwa im<br />

Geiste <strong>de</strong>s entwichenen Imre Bekessy erfuhr, in<strong>de</strong>m nicht die<br />

Lumpen Knieriem und Zwirn <strong>de</strong>m Feenkönig auf <strong>de</strong>n Leim gehen<br />

und sich bessern, son<strong>de</strong>rn dank <strong>de</strong>m Sieg <strong>de</strong>s bösen Prinzips <strong>de</strong>r<br />

Leim von ihnen zur Lumperei bekehrt wird. Herr <strong>Die</strong>bold, <strong>de</strong>ssen<br />

theaterkritische Autorität sich <strong>de</strong>r Bühnenerfahrung verdankt, die<br />

er als Komparse <strong>de</strong>s Burgtheaters in <strong>de</strong>ssen Verfallszeit erworben<br />

hat, ent<strong>de</strong>ckt bei dieser Gelegenheit vor allem, daß <strong>de</strong>r Lumpazivagabundus<br />

»einmal als heute kaum verständliche Parodie von<br />

Raimunds 'Verschwen<strong>de</strong>r' lebte« — Raimunds, »<strong>de</strong>s Wienerischen<br />

Klein—Fausts«, wie Herr <strong>Die</strong>bold <strong>de</strong>kliniert — , und er ist so gebil<strong>de</strong>t,<br />

Hebbels Rachewort über Nestroy von <strong>de</strong>r stinken<strong>de</strong>n Rose<br />

falsch zu zitieren. Hauptsächlich aber rechnet er ohne Nennung<br />

eines Namens mit <strong>de</strong>n Nichtswürdigen ab, die »seit zwanzig Jahren<br />

mit erhobenem Finger« für die Be<strong>de</strong>utung Nestroys einzutreten<br />

wagen. <strong>Die</strong>s wäre nun, da es ja <strong>de</strong>m Referat <strong>de</strong>s Herrn <strong>Die</strong>bold<br />

zugehört, inappellabel wie alles, was im Gebiet einer »Fachkritik«<br />

vor sich geht, in <strong>de</strong>r doch je<strong>de</strong>r Mangel an Kompetenz<br />

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