Die nationale Ehre - welcker-online.de
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niedrigen Scherzen über höhere Dinge — ob sie nun Gott o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Menschen,<br />
Kunst o<strong>de</strong>r Natur, Liebe o<strong>de</strong>r Leid betreffen — Tantiemen zu erstreben. Einer<br />
Sozial<strong>de</strong>mokratie, die sich <strong>de</strong>m Unterfangen als Hort zur Verfügung stellt und<br />
die Libertinage ohne Prüfung geistiger Befugnis protegiert, seien die Sätze zitiert,<br />
die die 'Vossische Zeitung' sonst die Zuflucht aller Linksbüberei, über<br />
ein Werk <strong>de</strong>s Herrn Hasenclever und <strong>de</strong>s in Wien beson<strong>de</strong>rs goutierten Toller<br />
schreibt, über <strong>de</strong>n Film »Menschen hinter Gittern«, und zwar unter <strong>de</strong>m Titel<br />
»Zuchthaus und Happy end«:<br />
<strong>Die</strong> Dialoge sind freilich ein Kapitel für sich. Daß sie als Papier<strong>de</strong>utsch<br />
bestehen, wäre eine zu geringe Charakterisierung für diesen<br />
unwahrhaftigen, leeren und geschmacklosen Gallert, <strong>de</strong>n wir<br />
zwei Stun<strong>de</strong>n lang zu hören bekamen. Da sitzt kein Wort richtig,<br />
und je<strong>de</strong>r Ton ist unecht. Bald schmalzige Hel<strong>de</strong>npose — bald unerträglicher<br />
»Humor«. Um nur ein einziges Beispiel zu nennen: da<br />
sagt ein Häftling über <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn, er sei doch eigentlich gar kein<br />
gewalttätiger Kerl, <strong>de</strong>nn er habe zwar seiner Mutter <strong>de</strong>n Hals<br />
durchgeschnitten, aber hinterher habe es ihm leid getan! Wenn<br />
Walter Hasenclever einen solchen Dialog mit seinem Schriftstellernamen<br />
<strong>de</strong>ckt, so ist das seine Sache. Daß aber auch Ernst Toller,<br />
<strong>de</strong>r doch das Leben <strong>de</strong>r Gefangenen aus eigener qualvoller Erfahrung<br />
kennt, jetzt Witzchen darüber im Stil von »3 Tage Mittelarrest«<br />
reißt — wie soll man solche Wandlung wohl begreifen?<br />
<strong>Die</strong> Wandlung, die keine geistige Persönlichkeit berührt hat, war schon eingetreten,<br />
als Herr Toller sein Erlebnis für Mosse gebrauchsfertig machte. In<br />
Berlin kommen die Chefs <strong>de</strong>r Warenhäuser allmählich dahinter. In Wien wird<br />
man noch lange die Hasenclever, Toller, Tucholsky und Kästner, die kaum das<br />
Feuilletonmaß haben, wegen ungenierten Betragens für Freiheitskämpfer halten.<br />
*<br />
<strong>Die</strong> Kompagnone <strong>de</strong>s Films »Menschen hinter Gittern« erklären, daß sie<br />
gegen die Verunstaltung ihres Geisteswerks protestiert und die Weglassung<br />
ihrer Dichternamen durchgesetzt haben. Bis zu <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Vorführung<br />
scheint ihnen dies nicht gelungen zu sein. Der Vollständigkeit halber müßten<br />
sie nun auch erläutern, worin sich die Filmleute, <strong>de</strong>nen sie ihren Text anvertrauten,<br />
an diesem vergriffen haben und wie er ursprünglich beschaffen war.<br />
In so glaubhaftem Maße wie bei Brecht erscheint bei <strong>de</strong>n Herren Hasenclever<br />
und Toller eine Reduzierung <strong>de</strong>s geistigen Niveaus kaum durchführbar.<br />
Wien, 12. Juni<br />
An die Funk—Stun<strong>de</strong><br />
Berlin—Charlottenburg<br />
Wir bestätigen mit <strong>de</strong>m besten Dank <strong>de</strong>n Empfang <strong>de</strong>r Mitteilung,<br />
daß Sie für das im Rahmen einer Feierstun<strong>de</strong> zum Vortrag gelangte<br />
Gedicht »Zum ewigen Frie<strong>de</strong>n« eine Lizenzgebühr überwiesen<br />
haben. Wir möchten Sie nur grundsätzlich ersuchen, uns in etwaigen<br />
künftigen Fällen vorher <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Vortragen<strong>de</strong>n bekanntzugeben,<br />
weil wir nach vielen üblen Erfahrungen die Lizenz<br />
als solche nicht je<strong>de</strong>m Vortragen<strong>de</strong>n erteilen können und manchem<br />
auch schon entzogen haben. Es ginge nun also doch wohl<br />
nicht an, daß etwa ein Vortragen<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>m wir selbst die Erlaubnis<br />
schon verweigert haben, gleichwohl eine Arbeit in sein Funkpro-<br />
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