Die nationale Ehre - welcker-online.de
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se zu rehabilitieren, aber sie machte mir einen Strich durch die Gol<strong>de</strong>nberg.<br />
Gewiß mochte nicht ihr eigener Antisemitismus <strong>de</strong>r Grund sein, wohl aber die<br />
Rücksicht auf die groß<strong>de</strong>utsche Partei wie speziell auf Schober, <strong>de</strong>r für Zitate<br />
ein Auge hat. <strong>Die</strong> Zuschrift erschien also lei<strong>de</strong>r unter C. L. G., was aber die<br />
Gol<strong>de</strong>nberg nicht abhielt, <strong>de</strong>r Neuen Freien Presse für <strong>de</strong>n Abdruck aufrichtig<br />
zu danken und sie zu bitten, jenen sinnstören<strong>de</strong>n Druckfehler zu korrigieren<br />
und <strong>de</strong>n Ahnenwert wie<strong>de</strong>rherzustellen. <strong>Die</strong>se Bitte blieb, wiewohl es sich<br />
doch um einen Goethe—Spruch han<strong>de</strong>lte, unbeachtet. Ich versuchte, ehe ich<br />
selbst auf <strong>de</strong>n Plan trat, noch durch Vermittlung eines Literarhistorikers auf<br />
die Neue Freie Presse einzuwirken. Sein Ballon d'essai hatte <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />
Wortlaut:<br />
11. Juni 1931.<br />
Sehr geehrter Herr Redakteur!<br />
Ich gestatte mir die Mitteilung, daß die in Ihrer Nummer vom 11.<br />
Juni enthaltene Zuschrift von C. L. G. bei aller Erfreulichkeit <strong>de</strong>s<br />
Inhaltes (Stellung <strong>de</strong>r heutigen Jugend zu Goethe) einen schweren<br />
Irrtum enthält. Abgesehen davon, daß es in <strong>de</strong>n zitierten und Goethe<br />
zugeschriebenen Versen nicht »ahnenswertes Ahner«, son<strong>de</strong>rn<br />
»Ahnenwertes Ahner« heißen muß (<strong>de</strong>r Epigone ahnt <strong>de</strong>n<br />
Wert <strong>de</strong>r Ahnen), so möchte ich darauf hinweisen, daß es sich bei<br />
diesem Zitat bloß um einen in <strong>de</strong>r Literaturgeschichte lange eingewurzelten<br />
Irrtum han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>n die Goetheforschung bereits vor<br />
<strong>de</strong>r großen Weimarer Ausgabe beseitigt hat und über <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong><br />
ich in meiner Schrift über zeitgenössische Goethe—Polemik (Pustkuchen,<br />
Menzel, Kotzebue und Börne) abgehan<strong>de</strong>lt habe. Der<br />
Spruch stammt nicht von Goethe, stellt keine Antwort an Pustkuchen<br />
wegen <strong>de</strong>r Angriffe auf die lphigenie dar, son<strong>de</strong>rn ist im Gegenteil<br />
die parodistische Vorwegnahme einer nie erteilten Antwort<br />
Goethes, erschienen unter <strong>de</strong>m Titel »Bekenntnis« in <strong>de</strong>m<br />
von Wieland herausgegebenen »Deutschen Merkur«, aus jener<br />
Zeit, wo Goethe sich gegen Wieland (»Götter, Hel<strong>de</strong>n und Wieland«)<br />
gestellt hat. Das Gedicht, anonym gedruckt, wur<strong>de</strong> lange<br />
Goethe selbst zugeschrieben, eine Version, die doch schon wegen<br />
<strong>de</strong>r polemischen Stellung Goethes gegen Wieland, in jener Zeit,<br />
unhaltbar war. Es fin<strong>de</strong>t sich tatsächlich in keiner einzigen Ausgabe,<br />
die bei Lebzeiten Goethes o<strong>de</strong>r seit <strong>de</strong>r großen Weimarer erschienen<br />
ist, vor allem nicht in <strong>de</strong>r Cotta'schen Jubiläumsausgabe.<br />
Es ist bemerkenswert, daß die Satire Pustkuchens an <strong>de</strong>n Eingangsworten<br />
<strong>de</strong>s Gedichtes<br />
»Ich bin nur einer von <strong>de</strong>n Epigonen,<br />
die in <strong>de</strong>m alten Haus <strong>de</strong>r Sprache wohnen«<br />
erkannt wur<strong>de</strong>, und daß Burkhardt (Repertorium zu Wielands<br />
Deutschem Merkur 1873) es war, <strong>de</strong>r als <strong>de</strong>r erste auf die Absurdität,<br />
Goethe ein solches Bekenntnis zuzuschreiben, hingewiesen<br />
hat.<br />
Mit vorzüglicher Wertschätzung und <strong>de</strong>m Dank dafür, daß Sie in<br />
so tatkräftiger Weise die Jugend zu Goethe führen helfen<br />
Dr. Josef Vesthoff<br />
Graz, Jakoministraße<br />
zzt. Wien<br />
<strong>Die</strong>ser Wunsch, die Neue Freie Presse in einen Germanimathias son<strong>de</strong>rgleichen<br />
zu verstricken, war nicht nur Stichelei, son<strong>de</strong>rn Übermut. Gleichwohl<br />
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