Die nationale Ehre - welcker-online.de
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DER REPORTER<br />
wie ihn, nach <strong>de</strong>m Amerikanischen, aber doch auch für österreichische Verhältnisse<br />
Salten schaut:<br />
— — Einmal noch kommt er in <strong>de</strong>n Justizpalast, in das Pressezimmer,<br />
um seine Habseligkeiten mitzunehmen, um <strong>de</strong>n Kollegen die<br />
Hän<strong>de</strong> zu schütteln, einmal noch, für wenige Minuten. Und ist verloren.<br />
<strong>Die</strong> Ereignisse stürzen über ihn her, reißen ihn mit, bringen<br />
sein Blut zum Sie<strong>de</strong>n, seinen Reportergeist zur Raserei. Nichts<br />
kann ihn halten. Nicht die Braut, die er warten, die er verzweifeln<br />
läßt, die er anlügt, die er sich vom Hals schaffen möchte, um zu<br />
arbeiten. Er schaut zu, wie man seine künftige Schwiegermutter<br />
knebelt, sie gewaltsam hinwegschleppt. — — »Ich bin kein Bürger!«<br />
schreit Hildy Johnson, wenn er die Braut, die Zukunft, die<br />
ruhige Stellung beiseite schleu<strong>de</strong>rt, um sich <strong>de</strong>m <strong>Die</strong>nst am Ereignis<br />
hinzugeben. Wer ein richtiger Zeitungsmann ist, muß sein Leben<br />
lang ein Zeitungsmann bleiben. — — Den Beruf eines Journalisten,<br />
eines Reporters kann man nicht erwählen, dazu muß man<br />
geboren wer<strong>de</strong>n. Sitzt einem dieser satanisch himmlische Beruf<br />
im Blut, dann gibt's keine Rettung. <strong>Die</strong>ser Beruf ist eine innere<br />
Mission, ist Besessenheit, ist Er<strong>de</strong>nsendung und Schicksal.<br />
Dämonisch, ohne Zweifel. Aber vielleicht brächte dann und wann ein Hinauswurf<br />
Erlösung?<br />
SO IST ES!<br />
<strong>Die</strong> Leute, die im schäbigen Journalistenzimmer <strong>de</strong>s Gerichtsgebäu<strong>de</strong>s<br />
von Chikago herumlungern, je<strong>de</strong>n Augenblick sprungbereit,<br />
um das Ereignis an <strong>de</strong>r Gurgel zu packen und zur Strecke zu<br />
bringen, sind Reporter — — <strong>Die</strong> Luft, mit Spannung, Tabakqualm,<br />
Speisengeruch, schlechter Ausdünstung und Flüchen gela<strong>de</strong>n,<br />
birgt Sensationen im Rohzustand, ungeborene Neuigkeiten, die<br />
nur darauf warten, unter die Leser zu kommen. — — Eine Pokerpartie<br />
ist im Gange; man plau<strong>de</strong>rt und raucht bei offenem Fenster,<br />
wirft die Speisereste einer kärglichen Mahlzeit in <strong>de</strong>n trostlosen<br />
Lichthof — — Unweit von diesem Zimmer wartet ein unschuldig<br />
Verurteilter auf seine Hinrichtung — —<br />
ODER SO?<br />
— — Für <strong>de</strong>n Appetit <strong>de</strong>r Zeitung, die alles verträgt und <strong>de</strong>r nichts<br />
genug fett ist, passiert noch immer zu wenig, und <strong>de</strong>r Reporter ist<br />
<strong>de</strong>r Jäger mit Pfer<strong>de</strong>kräften hinter <strong>de</strong>r Meldung her, die er wahr<br />
o<strong>de</strong>r falsch zur Strecke bringt. Es muß etwas geschehen fürs<br />
Blatt, und eine Hinrichtung wird (in Chikago natürlich) so angesetzt,<br />
daß sie noch ins Morgenblatt kommt. — —<br />
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