Die nationale Ehre - welcker-online.de
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Dagegen muß sie die Neue Freie Presse kennen. Und zwar aus <strong>de</strong>m einfachen<br />
Grund, weil sie von <strong>de</strong>m kulturellen Drang beseelt ist, Autoren zu zitieren,<br />
die sie so wenig kennt wie mich, und zugleich von <strong>de</strong>m Naturtrieb, mich<br />
aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Erscheinungen auszumerzen. Da es sich nun doch einmal ergeben<br />
könnte, daß sich die Kreise dieser und meiner Welt in einem Punkte<br />
<strong>de</strong>r Anschauung berühren, und also unter <strong>de</strong>n Autoren, <strong>de</strong>ren Zitate ihr ein<br />
Wohlgefallen verursachen, ich Platz zu fin<strong>de</strong>n hätte, so ist das Terrain für<br />
einen zielbewußten Grubenhund gegeben, <strong>de</strong>r in Einem <strong>de</strong>n kulturellen Ehrgeiz<br />
und die naturhafte Ranküne ad absurdum führt. Einer ihrer Mitarbeiter<br />
hat ihr einmal die Bosheit angetan, die Verse:<br />
Man färbt jetzt die Bäume,<br />
wir töten die Träume<br />
in irgen<strong>de</strong>inem Zusammenhang einzuschmuggeln. Als ich, <strong>de</strong>r Anregung <strong>de</strong>s<br />
Reimes folgend, die Gelegenheit wahrnahm, auf diese prophetische Vorwegnahme<br />
eines chemischen Verfahrens wie zugleich <strong>de</strong>r Psychoanalyse durch<br />
<strong>de</strong>n Dichter Seume in einer kleinen Schmonzette hinzuweisen, wollte sie sich<br />
in kein Gedränge einlassen, und so ging ich <strong>de</strong>r Chance verlustig, festzustellen,<br />
daß jene Verse nicht von Seume, son<strong>de</strong>rn von einem an<strong>de</strong>rn seien. Eine<br />
günstigere Gelegenheit ergab sich durch die »Jugendbeilage«, die ja für solche<br />
Experimente wie geschaffen ist. In ihr frönt — nebst aller sonstigen Unvorstellbarkeit<br />
— die Neue Freie Presse seit langem <strong>de</strong>m Hang, die Jugend,<br />
die sie sonst crawlen lehrt o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig praktisch beschäftigt, gra<strong>de</strong>nwegs<br />
zu Goethe zu führen. Ich habe nun gegen die Verbindung <strong>de</strong>r Sphäre, in<br />
<strong>de</strong>r schon an leiten<strong>de</strong>r Stelle die Prosa <strong>de</strong>r Wirkwarenfirma Ittner zur Geltung<br />
kommt, mit Goethesätzen starke Be<strong>de</strong>nken, ich sage mir, die Neue Freie Presse<br />
soll Goethe nicht in <strong>de</strong>n Mund nehmen, und überhaupt, ich hab gern über<br />
allen Gipfeln Ruh (darin mit <strong>de</strong>m alten Biach d'accord). Da fand ich — am 5.<br />
Juni — die Zuschrift einer jungen Dame, in <strong>de</strong>r versichert war, »irgendwann«<br />
sei »doch je<strong>de</strong>r von uns einmal zu Goethe gekommen«, <strong>de</strong>r »jung und uralt«<br />
sei, aber er zwinge nieman<strong>de</strong>n zu sich, er sage ja doch selbst:<br />
Ich hindr' euch nicht, wo's euch beliebt zu wei<strong>de</strong>n:<br />
Denn ihr seid jung und ich bin alt geboren.<br />
Doch wer es tue, <strong>de</strong>r wer<strong>de</strong> überreich dafür belohnt. Zu solchen wollte nun<br />
auch ich gehören. Glücklicherweise stand daneben die Zuschrift eines Jünglings,<br />
<strong>de</strong>r, mit andrem Zeichen auf mich einwirkend, mehr die Goethe—<br />
Fremdheit <strong>de</strong>r jungen Generation betonte und meinte, die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Werke<br />
wür<strong>de</strong>n »in <strong>de</strong>r Schule gelesen — und nie wie<strong>de</strong>r«. Wonach eine vielsagen<strong>de</strong><br />
Geste <strong>de</strong>r Redaktion zum Ausdruck kam:<br />
(? Anm. <strong>de</strong>r Red.)<br />
Kurzum, es hatte ihr die Red verschlagen, und sie gewann sie erst wie<strong>de</strong>r, als<br />
jener vollends die Kühnheit hatte, zu erklären, »das große To<strong>de</strong>sjahr« wer<strong>de</strong><br />
es nicht zeigen, aber es stimme trotz<strong>de</strong>m: »die Jugend hat keine Beziehung<br />
mehr zu Goethe«. Und sie sprach wie folgt:<br />
(Wir veröffentlichen diese Zuschrift auszugsweise in <strong>de</strong>r Hoffnung,<br />
daß sie <strong>de</strong>n stärksten Wi<strong>de</strong>rspruch erwecken wird. Anm. d.<br />
Red.)<br />
(Weitere Äußerungen wer<strong>de</strong>n folgen.)<br />
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, und da überdies in <strong>de</strong>r gleichen Jugendbeilage<br />
das Gedicht einer jungen Dame enthalten war, worin die Verszeile<br />
stand.<br />
Ich bin so müd',<br />
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