31.01.2014 Aufrufe

Die nationale Ehre - welcker-online.de

Die nationale Ehre - welcker-online.de

Die nationale Ehre - welcker-online.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Dagegen muß sie die Neue Freie Presse kennen. Und zwar aus <strong>de</strong>m einfachen<br />

Grund, weil sie von <strong>de</strong>m kulturellen Drang beseelt ist, Autoren zu zitieren,<br />

die sie so wenig kennt wie mich, und zugleich von <strong>de</strong>m Naturtrieb, mich<br />

aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Erscheinungen auszumerzen. Da es sich nun doch einmal ergeben<br />

könnte, daß sich die Kreise dieser und meiner Welt in einem Punkte<br />

<strong>de</strong>r Anschauung berühren, und also unter <strong>de</strong>n Autoren, <strong>de</strong>ren Zitate ihr ein<br />

Wohlgefallen verursachen, ich Platz zu fin<strong>de</strong>n hätte, so ist das Terrain für<br />

einen zielbewußten Grubenhund gegeben, <strong>de</strong>r in Einem <strong>de</strong>n kulturellen Ehrgeiz<br />

und die naturhafte Ranküne ad absurdum führt. Einer ihrer Mitarbeiter<br />

hat ihr einmal die Bosheit angetan, die Verse:<br />

Man färbt jetzt die Bäume,<br />

wir töten die Träume<br />

in irgen<strong>de</strong>inem Zusammenhang einzuschmuggeln. Als ich, <strong>de</strong>r Anregung <strong>de</strong>s<br />

Reimes folgend, die Gelegenheit wahrnahm, auf diese prophetische Vorwegnahme<br />

eines chemischen Verfahrens wie zugleich <strong>de</strong>r Psychoanalyse durch<br />

<strong>de</strong>n Dichter Seume in einer kleinen Schmonzette hinzuweisen, wollte sie sich<br />

in kein Gedränge einlassen, und so ging ich <strong>de</strong>r Chance verlustig, festzustellen,<br />

daß jene Verse nicht von Seume, son<strong>de</strong>rn von einem an<strong>de</strong>rn seien. Eine<br />

günstigere Gelegenheit ergab sich durch die »Jugendbeilage«, die ja für solche<br />

Experimente wie geschaffen ist. In ihr frönt — nebst aller sonstigen Unvorstellbarkeit<br />

— die Neue Freie Presse seit langem <strong>de</strong>m Hang, die Jugend,<br />

die sie sonst crawlen lehrt o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig praktisch beschäftigt, gra<strong>de</strong>nwegs<br />

zu Goethe zu führen. Ich habe nun gegen die Verbindung <strong>de</strong>r Sphäre, in<br />

<strong>de</strong>r schon an leiten<strong>de</strong>r Stelle die Prosa <strong>de</strong>r Wirkwarenfirma Ittner zur Geltung<br />

kommt, mit Goethesätzen starke Be<strong>de</strong>nken, ich sage mir, die Neue Freie Presse<br />

soll Goethe nicht in <strong>de</strong>n Mund nehmen, und überhaupt, ich hab gern über<br />

allen Gipfeln Ruh (darin mit <strong>de</strong>m alten Biach d'accord). Da fand ich — am 5.<br />

Juni — die Zuschrift einer jungen Dame, in <strong>de</strong>r versichert war, »irgendwann«<br />

sei »doch je<strong>de</strong>r von uns einmal zu Goethe gekommen«, <strong>de</strong>r »jung und uralt«<br />

sei, aber er zwinge nieman<strong>de</strong>n zu sich, er sage ja doch selbst:<br />

Ich hindr' euch nicht, wo's euch beliebt zu wei<strong>de</strong>n:<br />

Denn ihr seid jung und ich bin alt geboren.<br />

Doch wer es tue, <strong>de</strong>r wer<strong>de</strong> überreich dafür belohnt. Zu solchen wollte nun<br />

auch ich gehören. Glücklicherweise stand daneben die Zuschrift eines Jünglings,<br />

<strong>de</strong>r, mit andrem Zeichen auf mich einwirkend, mehr die Goethe—<br />

Fremdheit <strong>de</strong>r jungen Generation betonte und meinte, die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Werke<br />

wür<strong>de</strong>n »in <strong>de</strong>r Schule gelesen — und nie wie<strong>de</strong>r«. Wonach eine vielsagen<strong>de</strong><br />

Geste <strong>de</strong>r Redaktion zum Ausdruck kam:<br />

(? Anm. <strong>de</strong>r Red.)<br />

Kurzum, es hatte ihr die Red verschlagen, und sie gewann sie erst wie<strong>de</strong>r, als<br />

jener vollends die Kühnheit hatte, zu erklären, »das große To<strong>de</strong>sjahr« wer<strong>de</strong><br />

es nicht zeigen, aber es stimme trotz<strong>de</strong>m: »die Jugend hat keine Beziehung<br />

mehr zu Goethe«. Und sie sprach wie folgt:<br />

(Wir veröffentlichen diese Zuschrift auszugsweise in <strong>de</strong>r Hoffnung,<br />

daß sie <strong>de</strong>n stärksten Wi<strong>de</strong>rspruch erwecken wird. Anm. d.<br />

Red.)<br />

(Weitere Äußerungen wer<strong>de</strong>n folgen.)<br />

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, und da überdies in <strong>de</strong>r gleichen Jugendbeilage<br />

das Gedicht einer jungen Dame enthalten war, worin die Verszeile<br />

stand.<br />

Ich bin so müd',<br />

60

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!