Volltext - Musiktheorie / Musikanalyse - Kunstuniversität Graz
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kann. Schönberg drückt darin pointiert seine Abwendung von der Ästhetik der späten<br />
Romantik aus: 26<br />
Ich strebe an: Vollständige Befreiung von allen Formen.<br />
Von allen Symbolen<br />
des Zusammenhangs und<br />
der Logik.<br />
also:<br />
weg von der „motivischen Arbeit“<br />
Weg von der Harmonie, als<br />
Cement oder Baustein einer Architektur.<br />
Harmonie ist A u s d r u c k<br />
und nichts anderes als das.<br />
Dann:<br />
Weg vom Pathos!<br />
Weg von den 24pfündigen Dauermusiken; von den gebauten und konstruierten Thürmen,<br />
Felsen und sonstigen gigantischem Kram.<br />
Meine Musik muss<br />
k u r z sein<br />
Knapp! in zwei Noten: nicht bauen, sondern „a u s d r ü c k e n “ !!<br />
Und das Resultat, das ich erhoffe:<br />
keine stylisierten und sterilisierten Dauergefühle.<br />
Das giebts im Menschen nicht:<br />
dem Menschen ist es unmöglich nur ein Gefühl gleichzeitig zu haben.<br />
Man hat t a u s e n d e auf einmal. [… ]<br />
Und diese Buntheit, diese Vielgestaltigkeit, diese U n l o g i k [,] die unsere Empfindungen<br />
zeigen, diese Unlogik, die die Associationen aufweisen, die irgend eine aufsteigende Blutwelle,<br />
irgend eine Sinnes- oder Nerven-Reaktion aufzeigt, möchte ich in meiner Musik haben.<br />
Diese Haltung findet sich auch noch zwei Jahrzehnte später in Schönbergs<br />
bekannter Definition von „musikalischer Prosa“ im Aufsatz Brahms, der<br />
Fortschrittliche:<br />
Große Kunst muß zu Präzision und Kürze fortschreiten. Sie setzt den beweglichen Geist eines<br />
gebildeten Hörers voraus, der in einem einzigen Denkakt bei jedem Begriff alle Assoziationen, die<br />
26 Brief von Schönberg an Busoni, Poststempel von 13. oder 18. August 1909, in: Jutta Theurich<br />
(Hg.), Briefwechsel zwischen Arnold Schönberg und Ferruccio Busoni 1903 – 1919 (1927)<br />
(= Beiträge zur Musikwissenschaft 19), Berlin 1979, S. 171.<br />
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