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Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort ................................................................................................................................. 4<br />
Drei Materialwelten – Helmut Lachenmanns Streichquartette ............................................. 5<br />
1. Zur Entstehung der drei Streichquartette ...................................................................... 5<br />
2. Tabelle aller Spielarten.................................................................................................. 7<br />
3. Notation und Ausführung der verwendeten Spielweisen.............................................. 8<br />
3.1 Skordatur ................................................................................................................. 8<br />
3.2 Liniensystem – Schlüssel ........................................................................................ 9<br />
3.2.1 Stegschlüssel .................................................................................................. 11<br />
3.2.2 Saitenschlüssel ............................................................................................... 13<br />
3.3 Linke Hand – Griff- und Dämpfzeichen ............................................................... 14<br />
3.3.1 Halbflageolett-Griff........................................................................................ 14<br />
3.3.2 Griffe in Klammern........................................................................................ 14<br />
3.3.3 Dämpfzeichen................................................................................................. 15<br />
3.4 Rechte Hand – Spielweisen mit dem Bogen und Pizzicati ................................... 16<br />
3.4.1 Bewegungsrichtungen des Bogens................................................................. 16<br />
3.4.2 Bogendruck .................................................................................................... 17<br />
3.4.2.1 Flautato.................................................................................................... 18<br />
3.4.2.2 Gepresster Bogenstrich ........................................................................... 19<br />
3.4.3 Tonloses Streichen ......................................................................................... 20<br />
3.4.4 andere Aktionen mit dem Bogen.................................................................... 22<br />
3.4.4.1 Rollbewegung der Bogenstange.............................................................. 22<br />
3.4.4.2 battuto, saltando, balzando...................................................................... 22<br />
3.4.5 Pizzicati und Spielweisen mit der Spannschraube ......................................... 24<br />
3.4.6 Nachhall-Klänge............................................................................................. 28<br />
3.4.7 Crescendo-Bogenstriche mit Dämpfabschluss............................................... 28<br />
4. Der gepresste Bogenstrich........................................................................................... 29<br />
4.1 Gran Torso ............................................................................................................ 30<br />
4.2 Reigen seliger Geister ........................................................................................... 31<br />
4.3 Grido ..................................................................................................................... 32<br />
5. Bogenverlagerung und synchrones Spiel .................................................................... 34<br />
5.1 Gran Torso ............................................................................................................ 34<br />
5.2 Reigen seliger Geister ........................................................................................... 35<br />
2
5.3 Grido ..................................................................................................................... 36<br />
6. Die großen Ratter-Passagen der Streichquartette........................................................ 37<br />
6.1 Gran Torso ............................................................................................................ 37<br />
6.2 Reigen seliger Geister ........................................................................................... 41<br />
6.3 Grido ..................................................................................................................... 44<br />
7. Weitere Passagen mit gepressten Bogenstrichen ........................................................ 47<br />
7.1 Gran Torso ............................................................................................................ 47<br />
7.2 Reigen seliger Geister ........................................................................................... 49<br />
7.3 Grido ..................................................................................................................... 52<br />
8. Funktion des gepressten Bogenstrichs bzw. der Ratter-Felder ................................... 57<br />
9. Übergänge zum gepressten Bogenstrich ..................................................................... 58<br />
9.1 Gran Torso ............................................................................................................ 58<br />
9.2 Reigen seliger Geister ........................................................................................... 61<br />
9.3 Grido ..................................................................................................................... 63<br />
Zusammenfassung............................................................................................................... 64<br />
Werkverzeichnis Helmut Lachenmann ............................................................................... 66<br />
Musiktheater.................................................................................................................... 66<br />
Chor................................................................................................................................. 66<br />
Orchester ......................................................................................................................... 66<br />
Soloinstrumente mit Orchester........................................................................................ 67<br />
Ensemble ......................................................................................................................... 67<br />
Kammermusik ................................................................................................................. 68<br />
Soloinstrumente............................................................................................................... 68<br />
Klavier............................................................................................................................. 69<br />
Schriften .......................................................................................................................... 69<br />
Literaturverzeichnis............................................................................................................. 70<br />
3
Vorwort<br />
Thema der vorliegenden Arbeit sind die drei Streichquartette Helmut Lachenmanns.<br />
Am Beginn dieser Arbeit befindet sich eine Aufarbeitung aller Spieltechniken, die<br />
Lachenmann in seinen drei Streichquartetten verwendet. Nach der Erklärung der von<br />
Lachenmann verwendeten Notation in Kapitel 3 wird das Hauptaugenmerk auf eine in<br />
allen drei Streichquartetten zentrale Spielweise gelegt: den gepressten Bogenstrich.<br />
Kapitel 4 gibt einen Überblick über die Verwendung des gepressten Bogenstrichs im<br />
Gesamtablauf des jeweiligen Streichquartetts. Kapitel 5 fasst als wichtigen Bestandteil des<br />
gepressten Bogenstrichs den Stellenwert der Bogenverlagerung zusammen und bietet<br />
davon ausgehend einen Überblick über Synchronismus in den Streichquartetten. Kapitel 6<br />
betrachtet das große Ratter-Feld jedes Streichquartetts näher; besonderes Augenmerk wird<br />
hier auf das Betreten und Verlassen dieser Felder gelegt. In Kapitel 7 werden die restlichen<br />
Passagen mit Beteiligung des gepressten Bogenstrichs im Verlauf der Streichquartette<br />
näher beleuchtet. Das 8. Kapitel versucht, den Stellenwert des gepressten Bogenstrichs im<br />
jeweiligen Streichquartett herauszufinden. Das letzte Kapitel behandelt schließlich die<br />
Übergänge zum gepressten Bogenstrich und in diesem Zusammenhang die Abstufungen<br />
der Spieltechniken im jeweiligen Streichquartett.<br />
4
Drei Materialwelten –<br />
Helmut Lachenmanns Streichquartette<br />
1. Zur Entstehung der drei Streichquartette<br />
Gran Torso, das I. der Streichquartette, entstand 1971. Hier wandte Helmut Lachenmann –<br />
nach der Anwendung auf zwei Orchesterwerke (Air und Kontrakadenz) – die von ihm<br />
entwickelte „musique concrète instrumentale“ an. Dabei geht es um das Bewusstmachen<br />
der Anstrengung, die benötigt wird, um einen Klang hervorzubringen. Wichtig ist<br />
Lachenmann aber nicht, neue Klänge zu erzeugen, sondern die „alten“ Klänge neu<br />
wahrnehmen zu lassen, indem er diese alten Klänge in neue Zusammenhänge bringt:<br />
„Mich interessiert beim Komponieren nicht einfach das Trümmerfeld der<br />
zerstörten, sondern das jetzt erst mögliche Kraftfeld der freigelegten und zu<br />
schaffenden Klangbeziehungen.“ 1<br />
„Es ist ja eine Binsenweisheit, daß es kein intaktes, „jungfräuliches“<br />
Material gibt, alles ist schon berührt. Aber auf dem Weg über diese<br />
Erkenntnis und über die strukturelle Brechung des alten Zusammenhangs<br />
mittels eines neu zu entdeckenden muß sich das Paradoxe ereignen, daß<br />
solcher Zustand von Jungfräulichkeit erneut hergestellt wird, dass am Ende<br />
des Zusammenhangs etwas Unberührtes, etwas Intaktes im doppelten Sinn<br />
herauskommt, funktionierend im neuen Kontext, und unter diesem Aspekt<br />
zugleich unberührt, geheimnisvoll wegen seiner neuen Transparenz.“ 2<br />
„‘Komponieren’ – eines meiner goldenen Worte – heißt, ‘ein Instrument<br />
bauen’: also die vorhandenen klangtechnischen Mittel aus ihrem vertrauten<br />
Kontext lösen und in einen neuen bringen. Und dann bilden sie eine<br />
Landschaft von klingenden Ereignissen, die sich gegenseitig neu bestimmen<br />
und dabei durchaus ihre alten Qualitäten mitbringen, sie aber zugleich<br />
verwandeln. Wenn ich so ein imaginäres Instrument geschaffen habe, egal<br />
aus welchen Klängen, die jetzt neue gepolt sind und trotzdem auch an ihre<br />
Herkunft erinnern, dann kann ich beim Komponieren nichts mehr falsch<br />
machen, kann angstlos arbeiten, denn ich spiele auf ‘meinem’ Instrument.“ 3<br />
1 Lachenmann, Helmut: „Fragen – Antworten (Gespräch mit Heinz-Klaus Metzger).“ In: Musik als<br />
existentielle Erfahrung, S. 191-204, hier S. 193<br />
2 Ebda., S. 194<br />
3 Bossert, Dorothea; Jahn-Bossert, Hans-Peter: „Gespräch mit Helmut Lachenmann.“ In: SWR<br />
Vokalensemble – Konzerte 2005/06, Stuttgart, 2005, S. 69-77, hier S. 71-72<br />
5
Das II. Streichquartett, Reigen seliger Geister, komponiert 1989, stellt in den Vordergrund,<br />
was zwischen Ton und „Nicht-Ton“ passiert. Dazu musste sich Lachenmann mit Material<br />
auseinandersetzen, das für ihn zu früheren Zeitpunkten unbrauchbar war:<br />
„(Dazu gehörte – nicht nur im Reigen – auch die Rückbesinnung auf früher<br />
Ausgesperrtes, die „Versöhnung“ mit zeitweilig Obsoletem: mit<br />
melodischen, rhythmischen, auch harmonisch bestimmten, gar konsonanten<br />
Elementen – wobei Versöhnung keinesfalls Rückzug in den vorkritischen<br />
Zustand sein heißen konnte, sondern Integration im Vorwärtsblick auf einen<br />
so oder so konsequent fortzusetzenden Weg bedeuten musste.)“ 4<br />
2001/2002 entstand das bislang letzte Streichquartett, Grido; es weist fast keine<br />
geräuschhaften Stellen mehr auf und thematisiert Schwebungen. 2004 bearbeitete<br />
Lachenmann das III. Streichquartett für Streichorchester: Double (Grido II).<br />
4 Lachenmann, Helmut: „Über mein Zweites Streichquartett.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 227-<br />
246, hier S. 228<br />
6
2. Tabelle aller Spielarten 5 I. II. III. Abbildung Kapitel<br />
Skordatur + + - Abb. 2, 3 3.1<br />
hörbares Freigeben der gedämpften Saiten + - - Abb. 19 3.3.3<br />
flautato mit Bogenverlagerung parallel zum Griffbrett + - - Abb. 22 3.4.1<br />
flautato al dito - + + Abb. 25 3.2.1, 3.4.2.1<br />
legno flautato - + + - 3.4.2.1, 9.3<br />
legno mit Verlagerung des Bogens + + + Abb. 27 3.4.2.1, 9.3<br />
komplizierte Bogenverlagerung + - - Abb. 23 3.4.1<br />
eckige Bogenbewegung + - - Abb. 24 3.4.1<br />
tonlos Steg + + + Abb. 32, 33 3.4.3<br />
tonlos sulla sordina - + + Abb. 34 3.4.3<br />
tonlos Korpuskante + + - Abb. 35 3.4.3<br />
tonlos Saitenhalter + + - Abb. 36 3.4.3<br />
tonlos Wirbel - + - Abb. 39 3.4.3<br />
tonlos Schnecke - + + Abb. 39 3.4.3<br />
tonlos Stegseitenkante - + + Abb. 37, 38 3.4.3<br />
gepresster Bogenstrich mit Bogenverlagerung parallel zum Griffbrett + - - - 3.4.2.2<br />
gepresster Bogenstrich mit Auf- und Abstrich + - - Abb. 28 3.4.2.2, 4.1<br />
gepresster Bogenstrich hinter dem Steg + + + Abb. 31 3.4.2.2<br />
gepresster Bogenstrich hinter dem Steg mit Verlagerung + - - Abb. 31 3.4.2.2<br />
gepresster Bogenstrich „wahwah“ + + - Abb. 30 3.4.2.2<br />
gepresster Bogenstrich woanders als auf den Saiten - + + Abb. 72, 84 3.4.2.2, 4.1, 5.2, 6.3<br />
Rollbewegung mit der Bogenstange auf den Saiten + - - - 3.4.4.1, 6.1<br />
Rollbewegung mit der Bogenstange auf der Rückwand + - - - 3.4.4.1, 6.1<br />
Pizzicato normal + + + - 3.4.5<br />
Pizzicato mit Fingernagel + + + Abb. 44, 45 3.4.5<br />
Pizzicato mit Glissando + + + - 3.4.5<br />
Pizzicato hinter dem Steg + + + - 3.4.5<br />
Pizzicato Flageolett (Nachhall) + + - Abb. 43 3.4.5<br />
Bartók-Pizzicato + - + Abb. 46 3.4.5<br />
Bartók-Pizzicato mit gedämpfter Saite + + - Abb. 47, 48 3.4.5, 5.2<br />
Pizzicato mit linker Hand + + - Abb. 49, 50, 51 3.4.5<br />
Pizzicato fluido + + - Abb. 50, 51 3.4.5<br />
Pizzicato fluido mit Bogenstange + - - - 3.4.5<br />
Pizzicato mit der Spannschraube + - - Abb. 52 3.4.5<br />
Pizzicato mit der Spannschraube + 2. Tonhöhe + - - Abb. 53 3.4.5<br />
Pizzicato an der Stegseitenkante + - - - 3.4.5<br />
Pizzicato mit Plektrum - + - Abb. 57-61 3.4.5<br />
mit Spannschraube getupft + + - Abb. 54, 55 3.4.5<br />
Schlag mit der Spannschraube + - - Abb. 56 3.4.5<br />
Spannschraube auf Saitenhalter aufsetzen + - - - 3.4.5<br />
Flageolett-Aufstrich Nachhall - + - Abb. 62 3.4.6, 9.2<br />
„Japser“ - + + Abb. 63 3.4.7, 5.2, 5.3, 6.2<br />
arco battuto (auf Korpuskante oder Schnecke) + - - - 3.4.4.2<br />
legno battuto + + - Abb. 40 3.4.4.2<br />
legno battuto auf Saitenhalter + - - - 3.4.4.2<br />
arco saltando + + + - 3.4.4.2<br />
legno saltando + + + Abb. 41 3.4.4.2<br />
arco balzando + - - Abb. 42 3.4.4.2<br />
legno balzando + - - - 3.4.4.2<br />
Abbildung 1<br />
5 Diese Tabelle gibt nicht alle Varianten der in den Streichquartetten von Helmut Lachenmann verwendeten<br />
Spielweisen wieder. Eine detailliertere Aufstellung der Varianten des gepressten Bogenstrichs findet sich in<br />
Kapitel 4, Abb. 64.<br />
7
In Abb. 1 sind die Spielweisen, die Lachenmann in seinen drei Streichquartetten einsetzt,<br />
in der Übersicht dargestellt. In dieser Tabelle ist gut zu sehen, dass es nur sehr wenige<br />
Spielweisen in den zwei späteren Streichquartetten gibt, die nicht schon im I.<br />
Streichquartett eingesetzt wurden; dazu gehören hauptsächlich die Abstufungen des<br />
Tonlos-Spiels und die Pizzicato-Varianten mit Plektrum im II. Streichquartett. 6<br />
Grundsätzlich kommen in allen drei Streichquartetten dieselben Spieltechniken vor,<br />
generell ist aber die Tendenz zu erkennen, dass vom I. zum III. Streichquartett der Anteil<br />
an differenzierteren Spieltechniken zurückgeht.<br />
3. Notation und Ausführung der verwendeten Spielweisen 7<br />
3.1 Skordatur<br />
Im I. und II. Streichquartett sind die Tonhöhen in der Partitur als „Griff-Schrift“ zu<br />
verstehen, da die Saiten der Instrumente anders gestimmt sind. Nur die eingeklammerten<br />
Tonhöhenangaben bei Naturflageolett-Griffen sind klingend notiert.<br />
Die Skordatur in Gran Torso ist relativ kompliziert: manche Saiten werden nicht<br />
verstimmt und andere Saiten werden um verschiedene Intervalle verändert (von der kleinen<br />
Sekunde bis zur großen Terz), sodass nun die Intervallabstände der Saiten von der Quarte<br />
bis zur großen Septime reichen (Abb. 2). Viola und Cello haben dieselbe Skordatur.<br />
Abbildung 2, I. Streichquartett<br />
Im Reigen seliger Geister werden alle Saiten eines Instruments um dasselbe Intervall<br />
tiefergestimmt, so dass die Quintabstände zwischen den Saiten bestehen bleiben; die Saiten<br />
der Viola werden zunächst nicht verstimmt (Abb. 3). So ergeben sich aus ursprünglich fünf<br />
unterschiedlichen Tonhöhen bei den leeren Saiten (C, c – d 1 – e 2 – G, g, g 1 – a, a 1 ) zehn<br />
verschiedene Tonhöhen.<br />
6 Die genaue Differenzierung der Pizzicato-Varianten mit Plektrum ist aus dieser Tabelle nicht ersichtlich. In<br />
Kapitel 3.4.5 werden diese erläutert (Abb. 58-61).<br />
7 Dieses Kapitel ist eine Zusammenfassung der vom Komponisten verfassten Spielanweisungen zu den ersten<br />
beiden Streichquartetten und zu der Streichorchesterfassung des III. Streichquartetts Double (Grido II). Alle<br />
Abbildungen in diesem Kapitel stammen aus einem dieser Vorworte.<br />
8
Abbildung 3, II. Streichquartett<br />
Ab Takt 317 werden die Instrumente noch einmal tiefergestimmt. Durch absichtlich<br />
unterschiedlich große Drehbewegungen sollen hier wie im I. Streichquartett statt der<br />
Quinten unterschiedliche Intervallverhältnisse zwischen den Saiten resultieren.<br />
Im III. Streichquartett gibt es weder eine Skordatur noch ein Umstimmen der Saiten<br />
während des Stückes.<br />
Durch unterschiedlich gestimmte Saiten ergeben sich neue harmonische<br />
Möglichkeiten; maximal ausgeschöpft werden diese im II. Streichquartett, in den<br />
Flageolett-Glissandi ab Takt 95 und 161, wo durch verschiedenste leere Saiten mehr<br />
Teiltonspektren als gewöhnlich möglich sind.<br />
Sinn der Skordatur im I. Streichquartett ist vor allem die Verschleierung des<br />
Eigenklangs der Instrumente (Quintabstände zwischen den Saiten), vor allem bei Stellen<br />
wie z.B. Takt 23/24 (Bratsche, I. und II. Vioine) oder Takt 36 (I. und II. Violine), wo<br />
genau dieser Eigenklang zu tragen kommen würde.<br />
In der Weise, wie Skordaturen in den drei Streichquartetten verwendet werden,<br />
bestätigt sich die Tendenz, die sich schon auf der Ebene der Spielweisen abgezeichnet hat:<br />
in den späteren Streichquartetten ist eine Vereinfachung aller Mittel zu erkennen.<br />
3.2 Liniensystem – Schlüssel<br />
Für sein I. Streichquartett führt Lachenmann zusätzliche „Schlüssel“ ein, die auch in den<br />
späteren Streichquartetten Verwendung finden: den „Stegschlüssel“ und den<br />
„Saitenschlüssel“. Wo sie notiert sind, ist die Wirkung der herkömmlichen Notenschlüssel<br />
aufgehoben.<br />
Für das I. Streichquartett hat Lachenmann eine eigene Partiturform entworfen, die nur<br />
dort das Fünfliniensystem notiert, wo der herkömmliche Notenschlüssel vorgezeichnet ist.<br />
Wo der Stegschlüssel notiert ist, gilt eine vertikale Raumnotation. Das macht die Partitur<br />
sehr übersichtlich, weil meist auf den ersten Blick erkannt werden kann, wo z.B. der Bogen<br />
zu verlagern ist.<br />
Im II. Streichquartett sind alle Instrumente auf jeweils zwei Systeme notiert: das untere<br />
System jedes Instrumentes beherbergt den herkömmlichen Notenschlüssel, das obere<br />
9
System enthält den Stegschlüssel (im II. Streichquartett dient das Fünfliniensystem als<br />
grobe Rasterung für die gewünschte Kontaktstelle des Bogens auf den Saiten, siehe Abb.<br />
8) bzw. den Saitenschlüssel.<br />
Im III. Streichquartett notiert Lachenmann jedes Instrument auf nur ein System<br />
(Ausnahmen sind T. 38f. und T. 304f. bzw. 320f.) – die eher untergeordnete Rolle der<br />
Bogenverlagerung erfordert keine zusätzliche Aktionsnotation.<br />
Das I. Streichquartett ist größtenteils mit Steg- und Saitenschlüssel notiert; diese stellen<br />
nicht das Resultat, sondern die auszuführende Aktion (mit dem Bogen) dar. Oft gibt es in<br />
Gran Torso eine Mischung der Notationsformen, wie z.B. gleichzeitige „herkömmliche“<br />
Notation 8 mit vorgezeichnetem Notenschlüssel und Saitenschlüssel, die Unabhängigkeit<br />
der Hände erfordert (siehe Abb. 65, T. 2-4 in der II. Violine; eine etwas andere Darstellung<br />
des selben Sachverhaltes ist in Abb. 65, II. Violine, T. 5-7 und Cello, T. 6-7 zu sehen).<br />
Manchmal ist die zusätzliche Bogenverlagerung aufgrund des Platzmangels wie im III.<br />
Streichquartett notiert: mit Wort und Pfeil (z.B. Bratsche T. 81-94).<br />
Im II. Streichquartett ist Lachenmann bemüht, bei Aktionsnotation auch den<br />
resultierenden Klang zu notieren; das ist verwirklicht in der Notation des verlagerten<br />
gepressten Bogens (T. 366-385, Teile davon in Abb. 71 und 72 zu sehen). Gran Torso ist<br />
dafür Vorbild, hier wird der beim Aufpressen des Bogens erklingende Ton aber nur bei<br />
längeren, nicht verlagerten gepressten Bogenstrichen notiert (siehe z.B. Abb. 67, T. 180, I.<br />
Violine).<br />
Der Stegschlüssel ist im III. Streichquartett eher selten vorgezeichnet; Lachenmann<br />
stellt Verlagerungen des Bogens meist mit Pfeilen (und Worten) dar („aGf“, Abb. 26), da<br />
die Bogenverlagerung in diesem Streichquartett nicht mehr zentral ist und sich<br />
hauptsächlich im „Zentimeterbereich“ abspielt (z.B. zwischen ordinario und Steg, T. 298)<br />
– trotzdem mit erheblicher akustischer Wirkung. An einigen Stellen im III. Streichquartett<br />
greift Lachenmann auf die Notation mit Stegschlüssel zurück (z.B. T. 38f., T. 304f.); auch<br />
der gepresste Bogenstrich ist meist in Zusammenhang mit dem Steg- oder Saitenschlüssel<br />
notiert (eine Ausnahme befindet sich z.B. in T. 217/218). Die Art der Notation im III.<br />
Streichquartett macht deutlich, dass hier statt Rauschabstufungen Tonhöhen im<br />
Vordergrund stehen.<br />
8 Und doch ist die Notation mit vorgezeichnetem Notenschlüssel nicht „herkömmlich“, da auch sie durch die<br />
Skordatur (im I. und II. Streichquartett) nicht den realen Klang anzeigt.<br />
10
3.2.1 Stegschlüssel<br />
Der Stegschlüssel (Abb. 4) stellt einen Teil der Instrumentenoberfläche dar: den Abschnitt<br />
zwischen Saitenhalter und Griffbrettmitte. Dadurch kann er den Abstand des Bogens vom<br />
Steg und auch die Bewegungsrichtung des Bogens anzeigen.<br />
Abbildung 4, I. Streichquartett<br />
Je nachdem, in welchem Bereich solche Bogenverlagerungen stattfinden sollen, wird nur<br />
ein Ausschnitt dieses Stegschlüssels abgebildet (Abb. 5 und 6).<br />
Abbildung 5, I. Streichquartett<br />
Abbildung 6, I. Streichquartett<br />
In Gran Torso gibt es noch eine weitere Abwandlung des Stegschlüssels, nur für das Cello<br />
(Abb. 7, T. 136-166): Die vereinfachte Darstellung des Stegs soll die Aufschlagstelle des<br />
Bogens unter den Saiten verdeutlichen.<br />
Abbildung 7, I. Streichquartett<br />
Der Stegschlüssel existiert im II. Streichquartett eigentlich nicht, da jede Stimme in der<br />
Partitur mit Hilfe von zwei Fünfliniensystemen notiert ist (Abb. 8). Das obere System<br />
11
jedes Instruments übernimmt hier die Aufgaben des Stegschlüssels: es zeigt Position und<br />
Positionsverlagerungen des Bogens und zusätzlich die Abstufungen des Bogendrucks an,<br />
also die Aufgaben der rechten Hand. Das untere System zeigt den Anteil der linken Hand<br />
an den Spielaktionen, also den Griff (wo am Griffbrett), die Griffweise („normal“,<br />
Flageolett…) und den Rhythmus.<br />
Abbildung 8, II. Streichquartett<br />
Auf dem oberen Fünfliniensystem sind fünf verschiedene Kontaktstellen des Bogens auf<br />
dem Instrument notiert: „al ponticello“, „normal“ und „al tasto“ entsprechen den bekannten<br />
Spielweisen, sind aber meistens „flautato“ auszuführen: kein Bogendruck auf die Saite und<br />
kein Druck des Griff-Fingers auf die Saite.<br />
a) sul ponticello: Streichen mit dem Bogen auf dem Steg. 9 Hier ist „tonloses“ Spiel<br />
erwünscht: die Saiten dürfen nicht ins Schwingen geraten.<br />
e) al dito („am Finger“): Der Bogen soll hier so nahe am Griff-Finger vorbeistreichen,<br />
dass die Bogenhaare den Finger berühren; das ist nur „flautato“ möglich.<br />
In seinem III. Streichquartett greift Lachenmann wieder auf den Stegschlüssel zurück, hier<br />
in stark vereinfachter Form (Abb. 9).<br />
Abbildung 9, III. Streichquartett<br />
9<br />
Ab T. 355 werden Holzdämpfer aufgesetzt; deshalb gilt ab dort für die betroffenen Instrumente das Spiel<br />
„sul sordino“, wann immer die Spielweise „sul ponticello“ vorgeschrieben ist; hier streicht der Bogen auf<br />
(bzw. verlagert sich der Bogen zu) der Seite des Dämpfers, die vom Spieler abgewandt ist.<br />
12
3.2.2 Saitenschlüssel<br />
Wenn Aktionen auf den Saitenteilen hinter dem Steg ausgeführt werden sollen, ist der<br />
sogenannte „Saitenschlüssel“ vorgezeichnet (Abb. 10).<br />
Abbildung 10, I. Streichquartett<br />
Manchmal wird der Saitenschlüssel zur besseren Übersichtlichkeit nur „verkürzt“<br />
dargestellt (Abb. 11).<br />
Abbildung 11, I. Streichquartett<br />
Da in den beiden späteren Streichquartetten wieder durchgehend herkömmliche<br />
Notensysteme verwendet werden, zeigen dort die Zwischenräume des Fünfliniensystems<br />
an, auf welchen Saiten hinter dem Steg eine Aktion durchgeführt werden soll (Abb. 12).<br />
Abbildung 12, III. Streichquartett<br />
Die Notation in Grido finde ich am wenigsten übersichtlich, da Lachenmann hier für jedes<br />
Instrument nur ein Notenliniensystem benutzt. Das bedeutet, wenn Lachenmann<br />
gleichzeitige Aktionen der rechten und linken Hand notieren will (z.B. einen<br />
Halbflageolett-Griff und gleichzeitige Verlagerung des Bogens), muss er in der Notation<br />
zur Beschreibung mit Worten greifen. 10<br />
Die Vereinfachung bei der Notation der Schlüssel (Abb. 9 und 12) hängt einerseits mit<br />
der zunehmend bekannteren Notationsform, andererseits mit der weniger<br />
10 Siehe dazu Grido, z.B. zweite Hälfte von T. 5 (Violine II); zum Vergleich dazu: Gran Torso, z.B. T. 2f.<br />
(Violine II), Reigen seliger Geister, z.B. T. 2 (Violine II).<br />
13
choreographischen Ausrichtung der beiden späteren Streichquartette zusammen (siehe<br />
dazu Kapitel 9).<br />
3.3 Linke Hand – Griff- und Dämpfzeichen<br />
3.3.1 Halbflageolett-Griff<br />
Neben den „normalen“ Griffen ist auch der „Halbflageolett-Griff“ (Abb. 13) wichtig.<br />
Abbildung 13, I. Streichquartett<br />
Er ist ähnlich notiert wie der Flageolett-Griff: mit einem rhombusförmigen Notenkopf. Um<br />
die Dauer des Halbflageoletts anzuzeigen, ist ein waagrechter Strich vom Notenkopf weg<br />
gezeichnet. Der Finger der linken Hand drückt die Saite nicht herunter, sondern berührt sie<br />
locker; es dürfen aber keine Flageoletts entstehen. Um die Entstehung von Flageoletts<br />
zusätzlich zu verhindern, kann zwischen Sattel und Griff-Finger ein weiterer Griff-Finger<br />
locker aufgelegt werden. Die durch diesen Halbflageolett-Griff entstehenden Tonhöhen<br />
dienen zur Abstufung der Rauschhelligkeit des vorherrschenden Streichgeräuschs. Der<br />
Flautato-Bogenstrich 11 ist obligat.<br />
3.3.2 Griffe in Klammern<br />
Eingerahmte Griffe (Abb. 14, an Stelle des Steg-, Saiten- oder Notenschlüssels) sind dafür<br />
vorgesehen, einen bestimmten Griff vorzubereiten. In Abb. 14 ist das ein über einen<br />
längeren Zeitraum zu haltender Griff, durch den – verbunden mit der Aktion der rechten<br />
Hand – manchmal Tonhöhen, manchmal Rauschabstufungen entstehen. Diese Griffe<br />
übernehmen meist die Funktion einer neuen Skordatur (z.B. Bratsche, T. 81-94 des I.<br />
Streichquartetts).<br />
Abbildung 14, I. Streichquartett<br />
11 Siehe dazu Abschnitt 3.4.2.1 „Flautato“.<br />
14
In eckige Klammern gesetzte Tonhöhen stehen meist für die (gedämpfte) Saite, auf der<br />
eine Aktion durchgeführt werden soll (Abb. 15; auch Abb. 67, T. 179, I. Violine).<br />
Abbildung 15, I. Streichquartett<br />
3.3.3 Dämpfzeichen<br />
Das Dämpfzeichen (Abb. 16) zeigt an, dass der Spieler Saiten am Schwingen hindern soll,<br />
indem er die linke Hand (oder einen Finger der linken Hand) locker auf die Saiten legt.<br />
Abbildung 16, II. Streichquartett<br />
Sogar beim Abdämpfen der Saiten schimmern gelegentlich Tonhöhen durch; dem wird in<br />
Gran Torso manchmal durch die Angabe der genauen Position dieses Dämpfgriffs<br />
Rechnung getragen (z.B. Abb. 17).<br />
Abbildung 17, I. Streichquartett<br />
Das Zeichen zur Aufhebung der Dämpfung (entspricht dem Abheben der Hand von den<br />
Saiten) ist in Abb. 18 zu sehen.<br />
Abbildung 18, II. Streichquartett<br />
In Gran Torso wird auch hörbares Freigeben der Saiten vorgeschrieben (Abb. 19).<br />
15
Abbildung 19, I. Streichquartett<br />
3.4 Rechte Hand – Spielweisen mit dem Bogen und Pizzicati<br />
3.4.1 Bewegungsrichtungen des Bogens<br />
Wenn der Stegschlüssel notiert ist, soll der Bogen zusätzlich zur herkömmlichen<br />
Strichbewegung parallel zum Steg (waagrecht in der Partitur) auch andere<br />
Bewegungsrichtungen des Bogens bewerkstelligen.<br />
Soll der Bogen z.B. zwischen Steg und Griffbrett verlagert werden, ist das in der<br />
Partitur durch schräge Linien dargestellt, da diese Verlagerung entweder Auf- oder<br />
Abstrichgestus hat. Dieser ist zusätzlich angegeben (Gran Torso, Abb. 20) bzw. immer<br />
gleich gerichtet: Im II. Streichquartett wird bei der Verlagerung vom Steg weg immer beim<br />
Frosch begonnen 12 – daher ist es auch immer ein Abstrich; wird der Bogenstrich zum Steg<br />
hin verlagert, beginnt man bei der Bogenspitze und macht somit immer einen Aufstrich<br />
(Abb. 21).<br />
Abbildung 20, I. Streichquartett<br />
Abbildung 21, II. Streichquartett<br />
Bei der Bogenverlagerung vom Steg bzw. vom Griff-Finger bis zur Mitte der Saite<br />
resultiert ein Crescendo (angedeutet in Abb. 21); zusätzlich ergibt sich beim Übergang zu<br />
„sul ponticello“ ein Geringerwerden des Tonanteils und ein Zuwachsen des Rauschanteils.<br />
12 Im II. Streichquartett werden die Strichstellen des Bogens durch Zahlen im Kreis bezeichnet: 0 bedeutet<br />
Frosch, 8 Bogenspitze.<br />
16
Nur in Gran Torso gibt es auch Verschiebungen des Bogens parallel zu den Saiten<br />
(ohne Auf- oder Abstrichgestus), sowohl bei geringem als auch bei gepresstem<br />
Bogendruck; dies ist durch einen senkrecht aufwärts oder abwärts gerichteten Pfeil im<br />
(ersten) Notenhals gekennzeichnet (siehe Abb. 22, „steile“ 13 Bogenverlagerung bei<br />
geringstmöglichem Bogendruck). Dieser Pfeil ist unerlässlich, weil nur er in der Notation<br />
den Unterschied zwischen der Bogenverlagerung mit oder ohne Auf- bzw. Abstrich<br />
sichtbar macht.<br />
Abbildung 22, I. Streichquartett<br />
In Gran Torso werden auch noch kompliziertere Bogenbewegungen verlangt (z.B. Viola<br />
ab T. 25); diese sind durch Zeichnungen in der Partitur dargestellt (z.B. eine<br />
„unregelmäßige Achterbewegung“ in Abb. 23).<br />
Abbildung 23, I. Streichquartett<br />
Die Kombination von waagrechten und steilen Bewegungen ergibt eckige<br />
Bogenbewegungen (Abb. 24; Gran Torso, ab T. 220). Die zusätzliche Zeichnung soll beim<br />
rascheren Erfassen der gewünschten Bogenverlagerung behilflich sein.<br />
Abbildung 24, I. Streichquartett<br />
3.4.2 Bogendruck<br />
Zusätzlich zum „normalen“ Bogendruck gibt es noch zwei weitere wesentliche Stricharten:<br />
das Flautato und den gepressten Bogenstrich.<br />
13 I. Streichquartett: Erläuterungen zu Notation und Aufführungspraxis<br />
17
3.4.2.1 Flautato 14<br />
Bei diesem Bogenstrich steht die bestmögliche Wahrnehmbarkeit des Streichgeräusches im<br />
Vordergrund; das wird erreicht, indem der Bogen auch durch sein Eigengewicht keinen<br />
Druck mehr auf die Saite ausübt. Durch die Verbindung mit dem Halbflageolett-Griff<br />
(siehe Abb. 13) scheint die Tonhöhe nur minimal durch. Bei Verlagerung des flautato<br />
gestrichenen Bogens ergibt sich eine Abstufung der Helligkeit des Rauschens.<br />
Die Lautstärken werden durch die Streichgeschwindigkeit des Bogens abgestuft,<br />
während sie beim „normalen“ Bogenstrich über den Bogendruck variiert werden.<br />
Im III. Streichquartett wird der Flautato-Bogenstrich nicht mehr extra dazugeschrieben,<br />
da er zum Halbflageolett-Griff verpflichtend ist. Die Variante „aGf“ (Abb.) steht für<br />
Flautato direkt neben dem Griff-Finger, wie schon „al dito“ im II. Streichquartett.<br />
Abbildung 25, III. Streichquartett<br />
Der aufwärts geschwungene Pfeil nach „aGf“ (Abb. 26) steht für eine bogenförmige,<br />
schwungvolle Verlagerung des Bogens. 15<br />
Abbildung 26, III. Streichquartett<br />
Die Notation in Abb. 27 bedeutet dasselbe wie die Bogenverlagerung von Abb. 26, ist aber<br />
„col legno“ auszuführen (ebenfalls „flautato“). Die Bewegung findet hier auch in der<br />
Gegenrichtung – vom Steg Richtung Griffbrettmitte – statt.<br />
14 In den Spielanweisungen zu seinen Streichquartetten verwendet Lachenmann die Begriffe „flautato“ und<br />
„flautando“ – beide stehen für dieselbe Spielweise.<br />
15 Die Verlagerung des Bogens geschieht vom Griff-Finger zum Steg, wobei mit der Bogenspitze (Bratsche<br />
und Violinen) bzw. mit dem Frosch (Cello) begonnen wird.<br />
18
Abbildung 27, III. Streichquartett<br />
3.4.2.2 Gepresster Bogenstrich<br />
Der gepresste Bogenstrich (Abb. 28) wird bei größtmöglichem Bogendruck und minimaler<br />
Bogenbewegung am Frosch ausgeführt. Die Bogenbewegung darf nur dann unterbrochen<br />
werden, wenn es in der Partitur verlangt wird. Die Ausführung darf nicht zu nahe am Steg<br />
sein, 16 um „weinerliches Wimmern“ 17 zu verhindern.<br />
Abbildung 28, I. Streichquartett<br />
Der vor dem Steg aufgepresste Bogen hat dieselbe Wirkung wie ein Griff der linken Hand:<br />
er verkürzt die Saite. Durch seine Verlagerung bewirkt er eine Veränderung der Tonhöhe<br />
bzw. der Helligkeit des Ratterns. Normalerweise klingt der längere Saitenteil lauter und<br />
überdeckt den Klang des kürzeren Saitenteils. Durch die Verlagerung des Bogens resultiert<br />
eine Änderung der Tonhöhe, ein Glissando. In der Partitur des II. und III. Streichquartetts<br />
sind die dabei entstehenden Tonhöhen annähernd im unteren System des jeweiligen<br />
Instruments angedeutet.<br />
Manchmal wird dieser längere Saitenabschnitt durch einen Dämpfgriff der linken Hand<br />
am Schwingen gehindert, dadurch erklingt der andere Teil der Saite und es ergibt sich bei<br />
gleicher Bogenverlagerung ein Glissando in die andere Richtung, mit höherem<br />
Ausgangston (Abb. 29).<br />
Abbildung 29, II. Streichquartett<br />
16 außer bei den Übergängen aus dem Flautato und in den Takten 262 bis 268 von Gran Torso im Violoncello<br />
17 I. Streichquartett: Erläuterungen zu Notation und Aufführungspraxis<br />
19
Durch rasches Aufsetzen bzw. Abheben des Dämpfgriffs hintereinander wird eine Art<br />
„Wahwah-Effekt“ hörbar (Abb. 30).<br />
Abbildung 30, I. Streichquartett<br />
Hinter dem Steg findet der gepresste Bogenstrich auf der Stoffumwicklung der Saiten statt,<br />
in der Nähe des Saitenhalters (Abb. 31).<br />
Abbildung 31, I. Streichquartett<br />
3.4.3 Tonloses Streichen<br />
Tonloses Streichen wird durch rechteckige Notenköpfe veranschaulicht (Abb. 31); diese<br />
stehen für eine geräuschhafte bzw. tonhöhenunbestimmte Streichbewegung 18 mit<br />
normalem bzw. intensivem („ff“) Bogendruck. Das tonlose Streichen kommt nur auf dem<br />
Steg und anderen Holzteilen vor, davon meist „sul ponticello“ (Abb. 32 und 33).<br />
Abbildung 32, II. Streichquartett<br />
Abbildung 33, III. Streichquartett<br />
18 Diese rechteckigen Notenköpfe sind auch am Ende der Partitur notiert, wo die Tonhöhen wegen der wilden<br />
Skordatur nicht mehr vorausbestimmbar sind.<br />
20
Dort, wo Dämpfer aufgesetzt sind, gibt es das Spiel „sulla sordina“ (Abb. 34), im Reigen<br />
auf der dem Spieler abgewandten Seite, in Grido auf der dem Spieler zugewandten Seite<br />
des Holzdämpfers.<br />
Abbildung 34, III. Streichquartett<br />
Lautstärkeangaben in Anführungszeichen (Abb. 35) zeigen die Intensität einer Aktion an<br />
(z.B. bei tonlosem Streichen), wenn diese kein wirkliches Forte oder Fortissimo<br />
ermöglicht.<br />
Abbildung 35, I. Streichquartett<br />
Der beim Streichen auf dem Saitenhalter (Abb. 36) möglicherweise entstehende<br />
vibrierende Klang soll möglichst leise gehalten werden.<br />
Abbildung 36, II. Streichquartett<br />
Das Streichen auf der rechten Stegseitenkante (Abb. 37 und 38) gilt nur für das Cello. 19<br />
Abbildung 37, II. Streichquartett<br />
19 Es darf nicht über den Schlitz gestrichen werden, weil sonst ein pfeifender Ton erzeugt wird.<br />
21
Abbildung 38, III. Streichquartett<br />
Im II. Streichquartett tritt tonloses Streichen außerdem noch in anderen Formen auf (Abb.<br />
39):<br />
Abbildung 39, II. Streichquartett<br />
1. Streichen auf einem der beiden rechten Stimmwirbel<br />
2. Streichen auf einem der beiden linken Stimmwirbel 20<br />
3. Streichen auf der Schnecke 21<br />
3.4.4 andere Aktionen mit dem Bogen<br />
3.4.4.1 Rollbewegung der Bogenstange<br />
Nur im I. Streichquartett gibt es eine Rollbewegung mit dem Bogen auf den Saiten bzw.<br />
auf der Rückwand der I. Violine, dabei ist die Bogenstange ins Bogenhaar gedrückt.<br />
In Zusammenhang mit diesem „Knirschen“ auf der Rückwand (T. 1-22) steht eine<br />
Rasterung des Bogens, wobei das Knirschen in Froschnähe „dunkler“, jenes in der oberen<br />
Bogenhälfte „heller“ ist. Die gleiche Abstufung der Bogenkontaktstellen wird später noch<br />
einmal verwendet, diesmal bei „arco battuto“ (T. 35).<br />
3.4.4.2 battuto, saltando, balzando<br />
„Battuto“ ist ein (einfacher) Schlag mit dem Bogenhaar („arco battuto“) oder der<br />
Bogenstange („legno battuto“) auf die Saite. Bei „legno battuto“ ist zusätzlich zum Griff<br />
der linken Hand eine Tonhöhe angegeben, die die Aufschlagstelle der Bogenstange<br />
kennzeichnet (Abb. 40). Diese Tonhöhe kann man aber nur dort gut hören, wo die linke<br />
Hand die Saiten erstickt.<br />
20 in der Partitur gelegentlich durch „ω R “ bzw. „ω L “ verdeutlicht<br />
21 Im III. Streichquartett wird das tonlose Streichen auf der Schnecke wieder aufgegriffen.<br />
22
Abbildung 40, I. Streichquartett<br />
Damit dieser Ton deutlich zu hören ist, darf die Bogenstange keine Auf- oder<br />
Abstrichbewegung machen. Die Pfeile an den Notenhälsen stehen hier für das senkrechte<br />
Aufschlagen des Bogens auf die Saite, in Kapitel 3.4.1 bezogen sich die Pfeile auf die auf<br />
die Verschiebung des Bogens parallel zur Saite (Abb. 22).<br />
„Saltando“ kommt „legno“ oder „arco“ vor; es steht für schnelles Aufschlagen des<br />
Bogens mehrmals hintereinander und in gleichmäßigen Abständen. Bei „legno saltando“<br />
sind manchmal Verlagerungen der Aufschlagstelle entlang der Saite gewünscht, um eine<br />
Glissando-Wirkung zu erzielen. Das unbedingt notwendige „steile“ Aufschlagen der<br />
Bogenstange ist hier wieder durch Pfeile in den Notenhälsen dargestellt (Abb. 41). 22<br />
Abbildung 41, I. Streichquartett<br />
„Balzando“ wird nur mit dem Bogenhaar ausgeführt. Hier kommen die<br />
Aufschlaggeräusche des Bogens durch den immer näher an der Saite schlagenden Bogen in<br />
immer kürzeren Abständen, beschleunigen also.<br />
Bei „arco balzando“ soll wie bei den „legno“ geschlagenen Bögen manchmal die Aufund<br />
Abstrichbewegung des Bogens vermieden werden. 23 Man soll hier bei steilem<br />
Auftreffen des Bogens (Abb. 42, siehe auch Abb. 15) auch bei normal gegriffener Tonhöhe<br />
nur ein dumpfes Aufschlaggeräusch hören. Die gegriffene Tonhöhe ist abhängig von der<br />
Beteiligung eines Auf- oder Abstrichs mehr oder weniger wahrzunehmen.<br />
Abbildung 42, I. Streichquartett<br />
22 In den Takten 136-166 im Violoncello (Gran Torso) sind diese Pfeile aufwärts eingezeichnet, da die<br />
Schläge mit der Bogenstange von unten gegen die Saite stattfinden.<br />
23 An den betreffenden Stellen wieder durch einen Pfeil im Notenhals kenntlich gemacht.<br />
23
Die eben besprochenen Pfeile in den Notenhälsen gibt es im II. und III. Streichquartett<br />
nicht mehr; sie sind einerseits nicht mehr erforderlich, weil das gewünschte Resultat<br />
mittlerweile bekannt ist (z.B. II. Streichquartett, Cello T. 67), andererseits kommen die<br />
meisten der Spieltechniken, wo im I. Streichquartett ein Pfeil notiert war, in den späteren<br />
Streichquartetten nicht mehr vor (siehe Abb. 1).<br />
3.4.5 Pizzicati und Spielweisen mit der Spannschraube<br />
Beim Flageolett-Pizzicato (Abb. 43) muss die linke Hand früh genug von der Saite<br />
abgehoben werden, um den Klang der Saite nicht zu ersticken.<br />
Abbildung 43, I. Streichquartett<br />
Abb. 44 stellt die Notation des Pizzicato mit Fingernagel dar.<br />
Abbildung 44, I. Streichquartett<br />
Das Pizzicato hinter dem Steg (Abb. 45) wird immer mit Fingernagel ausgeführt.<br />
Abbildung 45, II. Streichquartett<br />
In Abb. 46 ist das Bartók-Pizzicato bei normal gegriffener Tonhöhe notiert.<br />
Abbildung 46, I. Streichquartett<br />
Beim Bartók-Pizzicato mit gedämpfter Saite (Abb. 47 und 48) soll man nur das Schlagen<br />
der Saite gegen das Griffbrett hören. Normalerweise werden alle vier Saiten gedämpft; ein<br />
24
eingeklammerter Nachhallbogen aber bedeutet, dass die nicht angerissenen Saiten nicht<br />
gedämpft werden und nachklingen sollen (siehe Abb. 47).<br />
Abbildung 47, I. Streichquartett<br />
Abbildung 48, II. Streichquartett<br />
Abb. 49 stellt das Pizzicato mit der linken Hand dar.<br />
Abbildung 49, I. Streichquartett<br />
Abb. 50 verdeutlicht die Ausführung des „Pizzicato fluido“: Vor bzw. nach (je nach<br />
Notation) dem Anzupfen der Saite mit der linken Hand wird mit der rechten Hand die<br />
Spannschraube auf die Saite aufgesetzt und der Saite entlang verschoben. Die durch die<br />
aufgesetzte Spannschraube bewirkte Teilung der Saite ergibt sich eine neue, annähernd<br />
angedeutete Tonhöhe; die anschließende Verlagerung bewirkt ein Glissando.<br />
Im II. Streichquartett ist das „Pizzicato fluido“ vereinfacht notiert (Abb. 51).<br />
Abbildung 50, I. Streichquartett<br />
Abbildung 51, II. Streichquartett<br />
25
Die Abb. 52 und 53 zeigen die Notation des Pizzicato durch Anreißen der Saite mit der<br />
Spannschraube. In Abb. 52 wird der Ton „normal“ gegriffen und an „normaler“<br />
Kontaktstelle angezupft.<br />
Der rechteckige Notenkopf in Abb. 53 bedeutet, dass die Spannschraube an dieser<br />
Stelle die Saite anzupfen muss.<br />
Abbildung 52, I. Streichquartett<br />
Abbildung 53, I. Streichquartett<br />
„Mit der Spannschraube getupft“ (Abb. 54): auch hier kommt der Dämpfgriff zum Einsatz,<br />
damit die Saiten nicht klingen. Der Spieler soll mit der Unterseite der Spannschraube dort<br />
auf die Saite „tupfen“, wo man normalerweise einen Griff-Finger aufsetzen würde, um den<br />
notierten Ton zu erzeugen.<br />
Abbildung 54, II. Streichquartett<br />
Wird diese Spielweise bei offenen Saiten durchgeführt, erklingen beide durch die<br />
Spannschraube geteilten Saitenabschnitte.<br />
Abbildung 55, II. Streichquartett<br />
26
In der Partitur ist nur einer der zwei erklingenden Töne notiert (Abb. 55) – der eckig<br />
eingeklammerte Ton ist die Oktave der Saite. Der zweite erklingende Ton ergibt sich,<br />
indem man das notierte Intervall auf der „anderen Saite“ des eingeklammerten Tones (in<br />
unserem Beispiel darunter) dazurechnet.<br />
Ein Schlag mit der Spannschraube auf das Griffbrettholz oder das Holz des<br />
Saitenhalters wird notiert, wie in Abb. 56 zu sehen.<br />
Abbildung 56, I. Streichquartett<br />
Neu ist im II. Streichquartett das Pizzicato mit dem Plektrum (Abb. 57). Es wird in einigen<br />
Varianten angewandt (Abb. 58 bis 61).<br />
Abbildung 57, II. Streichquartett<br />
a) Pizzicato hinter dem Steg, über alle vier Saiten – die Saiten vor dem Steg werden durch<br />
einen Dämpfgriff erstickt (Abb. 58)<br />
Abbildung 58, II. Streichquartett<br />
b) Pizzicato vor dem Steg, über alle vier Saiten; die linke Hand drückt die Saiten auf<br />
herkömmliche Weise herunter, mit einem beliebigen Griff in extremer Höhe (Abb. 59)<br />
Abbildung 59, II. Streichquartett<br />
27
c) Pizzicato al ponticello (über alle vier Saiten) – der Dämpfgriff, den die linke Hand hier<br />
wieder ausführt, ist beliebig (Abb. 59)<br />
d) Pizzicato vor dem Steg (über alle vier Saiten) – die linke Hand greift hohe „Zufalls-<br />
Flageoletts“ (Abb. 60)<br />
Abbildung 60, II. Streichquartett<br />
e) Abb. 61 stellt eine Mischung aus c) und d) dar, also nachhallende Halb- oder Zufalls-<br />
Flageoletts bei Ausführung des Pizzicato ganz in der Nähe des Stegs<br />
Abbildung 61, II. Streichquartett<br />
3.4.6 Nachhall-Klänge<br />
Zu den Nachhall-Klängen gehört neben dem Flageolett-Pizzicato (Abb. 43) auch das<br />
Flageolett mit Bogenaufstrich und Nachhall-Bogen (Abb. 62).<br />
Abbildung 62, II. Streichquartett<br />
3.4.7 Crescendo-Bogenstriche mit Dämpfabschluss<br />
Der stark crescendierende Ton – die Ausführung mit obligatem Aufstrich dient noch zur<br />
Verstärkung – wird durch einen (beliebigen) Dämpfgriff der linken Hand so plötzlich<br />
abgestoppt, dass eine Art „Japsen“ 24 entsteht. Die resultierenden Klänge sollen<br />
vergleichbar sein mit aufgenommen Nachhall-Impulsen, die rückwärts abgespielt<br />
werden. 25 Diese Spielart bildet also den „Krebs“ der Flageolett-Nachhall-Klänge.<br />
24 II. Streichquartett: Hinweise zu Notation und Ausführung<br />
25 Lachenmann wurde hier wirklich von einem rückwärts abgespielten Tonband inspiriert (auf dem Arnold<br />
Schönberg seinen Enkelkindern Geschichten vorgelesen hat): Lachenmann, Helmut: „Über mein Zweites<br />
Streichquartett.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 227-246, hier S. 233<br />
28
Abbildung 63, II. Streichquartett<br />
4. Der gepresste Bogenstrich 26 Gran Torso Reigen Grido Kapitel<br />
gepresster Bogenstrich vor dem Steg<br />
mit Auf- und Abstrich + 4.1<br />
mit Bogenverlagerung parallel zum Griffbrett (ohne Abstrich, „steil“) + - - 4.1<br />
auf zwei Saiten gleichzeitig + + +<br />
balzando gepresst + - - 5.1, 6.1, 8.1<br />
saltando gepresst + - - 5.1, 6.1, 8.1<br />
tremolo gepresst + + - 5.2<br />
gepresster Bogenstrich hinter dem Steg<br />
auf zwei Saiten gleichzeitig + + +<br />
am Saitenhalter auf der Umspinnung der Saiten + + +<br />
Bogenverlagerung + - -<br />
gepresster Bogenstrich woanders als auf den Saiten 4.1, 5.2, 6.3<br />
am Saitenhalter - + - 4.1, 5.2<br />
am Hals - - + 4.1, 6.3<br />
gepresster Bogenstrich: Dämpfgriff<br />
Wechsel zwischen gedämpft und ungedämpft („wahwah“) + + - 5.1, 5.2<br />
Dämpfung mit dem Kinn (Cello) + - -<br />
gepresster Bogenstrich mit Bogenverlagerung<br />
weg vom und hin zum Körper + + +<br />
eckige Bogenbewegung + - -<br />
komplizierte (runde) Bogenverlagerung + - - 4.1<br />
hinter dem Steg + - -<br />
Abbildung 64<br />
Die Tabelle in Abb. 64 soll darstellen, welche verschiedenen Arten des gepressten<br />
Bogenstrichs es gibt und in welchem der Streichquartette diese Varianten vorkommen.<br />
Abb. 64 ist ein Auszug aus der Tabelle in Abb. 1, führt aber noch differenziertere<br />
Anwendungen des gepressten Bogenstrichs an.<br />
Die Tabelle in Abb. 64 bestätigt auf einer feiner untergliederten Ebene eines Aspektes<br />
der Spieltechniken die Tendenz Lachenmanns, in den späteren Streichquartetten insgesamt<br />
weniger unterschiedliche Spieltechniken einzusetzen.<br />
26 In weiterer Folge wird auch von „Rattern“ (bzw. „Ratter-Feldern“) die Rede sein; Lachenmann verwendet<br />
diesen Begriff in den Spielanweisungen zu seinem I. und II. Streichquartett.<br />
29
4.1 Gran Torso<br />
Der gepresste Bogenstrich nimmt im ersten der drei Streichquartette mit Abstand den<br />
größten Raum ein; allein das große Ratter-Feld (S. 20-25, T. 209 mit Auftakt bis T. 272,<br />
teilweise in den Abb. 68-70 zu sehen) geht über fast ein Viertel der Gesamttaktanzahl bzw.<br />
etwa ein Sechstel der Gesamtdauer.<br />
Ein Blick auf die Tabelle in Abb. 64 macht deutlich, dass Lachenmann in seinem I.<br />
Streichquartett mit Abstand die differenziertesten Varianten des gepressten Bogenstrichs<br />
verwendet. Zu nennen sind vor allem die komplizierteren Bogenverlagerungen (siehe Abb.<br />
23 und 24). Dadurch bestätigt diese Tabelle, was schon durch den Blick auf alle insgesamt<br />
benutzten Spielweisen vermutet wurde: auch auf der feiner gegliederten Ebene eines<br />
Aspekts der Spieltechniken bietet sich das Bild, dass Lachenmann in seinen späteren<br />
Streichquartetten weniger Abstufungen einer Spieltechnik benutzt.<br />
Aber nicht nur die Art der Hervorbringung ist im I. Streichquartett differenzierter;<br />
durch die verschiedenen Ausführungsarten resultieren auch unterschiedliche Klänge: Der<br />
„normal“ gepresste Bogenstrich (mit oder ohne schräge Verlagerung) erzeugt andere<br />
Geräusche als der parallel zu den Saiten verschobene gepresste Bogenstrich und der<br />
gepresste Bogenstrich mit wechselndem Auf- und Abstrich; letztere kommen nur im I.<br />
Streichquartett vor.<br />
Ab Takt 64 wird eine Spielweise des gepressten Bogens angewandt, die in den späteren<br />
Streichquartetten nicht mehr in diesem eher langsamen Rhythmus und nur mehr als<br />
Randerscheinung vorkommt: 27 der wechselnde Auf- und Abstrich bei gepresstem Bogen,<br />
welcher den Eindruck eines durch den starken Bogendruck „steckenbleibenden“ Tremolos<br />
erweckt – dieser Eindruck wird durch das Tremolo davor noch verstärkt (Abb. 76, T. 61-<br />
62). Zunächst wird in Gran Torso der gepresste Bogen nur auf diese Weise verlagert; erst<br />
bei Takt 181 (Abb. 67) und ab Takt 208 verlagert sich der Bogenstrich auch bei alleiniger<br />
Abstrichbewegung. Der mit wechselndem Auf- und Abstrich gepresste Bogen erzeugt<br />
andere Klänge als der mit einem Abstrich erzeugte gepresste Bogenstrich: eher Quietschen<br />
als Rattern ist das Resultat.<br />
Gran Torso führt auch als einziges der drei Streichquartette die Verlagerung des<br />
Bogens parallel zu den Saiten aus („steile“ Bogenverschiebung 28 ) – sowohl bei gepresstem<br />
27 Grido, S. 80, T. 80, S.24, T. 353, S. 43, T. 62 und Reigen seliger Geister, S. 65, T. 384-388 (gepresstes<br />
Tremolo)<br />
28 I. Streichquartett: Erläuterungen zu Notation und Aufführungspraxis<br />
30
(z.B. Abb. 65, T. 1) als auch bei drucklosem (Flautato-)Bogenstrich; das Resultat des steil<br />
verschobenen gepressten Bogens bezeichnet Lachenmann als „Schnarchen“ 29 .<br />
Abbildung 65: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88), S. 1, T. 1-7<br />
Gran Torso ist trotz aller möglichen Differenzierungen des gepressten Bogenstrichs aber<br />
das einzige der drei Streichquartette, in dem der erhöhte Bogendruck nur auf den Saiten<br />
eingesetzt wird; in den beiden späteren Streichquartetten lässt Lachenmann den Bogen<br />
auch auf Holzteile der Instrumente pressen: im Reigen seliger Geister wird der Bogen auf<br />
dem Saitenhalter gepresst (Abb. 71, T. 384), in Grido am Instrumentenhals (Abb. 84, T.<br />
376).<br />
4.2 Reigen seliger Geister<br />
Das Spiel mit erhöhtem Bogendruck auf den Saiten ist II. Streichquartett zwar nicht so<br />
zentral und nimmt auch nicht viel Platz ein, 30 spielt aber dennoch eine wichtige Rolle, wie<br />
wir später noch sehen werden: Im II. Streichquartett gibt es nur ein großes Ratter-Feld (S.<br />
62-65, T. 366-388, teilweise in den Abb. 71 und 72 zu sehen) und vier sehr kurze Ratter-<br />
29 Ebda.<br />
30 Die ungefähre Dauer von nicht ganz zwei Minuten ist nur ein Bruchteil der Gesamtdauer von ca. 29<br />
Minuten.<br />
31
Einwürfe (T. 51; T. 188/189, T. 228 und T. 270, vgl. Abb. 77-80), die sich vor dem großen<br />
Ratter-Feld finden.<br />
Auffällig ist, dass der gepresste Bogen innerhalb dieses Feldes nur vor dem Steg und<br />
außerhalb des Feldes nur hinter dem Steg angewandt wird. 31 Das hat einen einfachen<br />
Grund: Durch die obligate Bogenverlagerung bei Flautato 32 und dem gepressten<br />
Bogenstrich vor dem Steg ist ausgedrückt, dass das Ratter-Feld im II. Streichquartett als<br />
Entwicklung des Flautato fungiert; deswegen kann der gepresste Bogenstrich vor diesem<br />
Ratter-Feld nur auf eine andere Art ausgeführt werden als im Ratter-Feld: in diesem Fall<br />
als größtmöglicher Kontrast zum gepressten Bogenstrich im Ratter-Feld, also hinter dem<br />
Steg und impulshaft.<br />
4.3 Grido 33<br />
In Grido treten die Aktionen mit gepresstem Bogen eher vereinzelt auf; es gibt hier nur ein<br />
größeres Feld (T. 186-218, teilweise in den Abb. 74 und 75 zu sehen). Alle weiteren<br />
Konzentrationen dieses Klanges erstrecken sich maximal über vier Takte (T. 256/257, T.<br />
299-302 und T. 376-379, vgl. Abb. 81-84).<br />
In diesem III. Streichquartett ist kein „Muster“ zu erkennen, wonach an bestimmten<br />
Stellen der gepresste Bogen vor oder hinter dem Steg gehäuft auftritt wie z.B. im Reigen.<br />
Im III. Streichquartett lässt sich aber beobachten, dass nach der Ratter-Stelle in der Mitte<br />
des Stückes (T. 256/257, vgl. Abb. 81) der gepresste Bogenstrich mit gleichzeitiger<br />
Verlagerung des Bogens nur noch ganz am Ende der Partitur vorkommt (T. 451/452). Das<br />
liegt aber nicht nur daran, dass in der zweiten Hälfte der Partitur vermehrt sehr kurze<br />
gepresste Bogenstriche (z.B. Abb. 66, T. 312, 314 und 319) auftreten, wo ein Verlagern<br />
des Bogens nicht möglich bzw. sinnvoll ist; 34 sondern auch bei Passagen, wo die Dauer des<br />
Bogenstrichs eine Verlagerung zulassen würde (z.B. T. 299f., Abb. 82 und 83), macht<br />
Lachenmann davon nicht mehr Gebrauch.<br />
Zusätzlich wird der gepresste Bogen ab Takt 209 des III. Streichquartetts nur mehr<br />
Richtung Steg geführt (zum Körper hin) – wieder mit einer Ausnahme (Abb. 81, T. 256, I.<br />
und II. Violine: minimale Retourbewegung des Bogens nach einem Aufwärtsglissando),<br />
bis wie oben erwähnt die seitlich-schräge Bogenbewegung ganz einfriert. Die Beobachtung<br />
31 Mit einer Ausnahme: das Cello spielt auf dem Saitenhalter.<br />
32 Am Ende des Stückes, nach dem Ratter-Feld, ist die Bogenverlagerung zu Flautato nicht mehr obligat.<br />
33 Alle Taktzahlen das III. Streichquartett betreffend beziehen sich auf die in eckige Klammern gesetzten<br />
Taktzahlen (ab S. 24, T. 217); Vorsicht gilt v. a. bei S. 27, T. 237 (hier wurde wahrscheinlich der zweite 3/8-<br />
Takt vergessen) und S.53, T. 451<br />
34 In einer so extrem kurzen Zeitspanne wäre ein Resultat weder hörbar noch sichtbar.<br />
32
der im Laufe des Werkes abnehmenden Bogenverlagerung bei gepressten Bogenstrichen<br />
lässt sich nicht auf die Bogenverlagerung bei Flautato übertragen.<br />
Im Reigen seliger Geister war die Verlagerung des Bogens zum gepressten Strich vor<br />
dem Steg obligatorisch; im III. Streichquartett geht die Tendenz eher zum nichtglissandierenden<br />
Rattern.<br />
Erste impulsartige gepresste Einsätze außerhalb eines Feldes finden sich erst auf Seite<br />
38 (Abb. 66), etwa an der Stelle des Goldenen Schnittes. 35 Auffällig an dieser Stelle ist,<br />
dass sie erstaunliche Ähnlichkeiten zu den letzten Takten des Stückes aufweist: beide<br />
Passagen vereinen tonlose Streichaktionen mit „phonetischer Aktion“ 36 und gepresstem<br />
Bogenstrich der Bratsche hinter dem Steg.<br />
Abbildung 66: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 38, T. 312-319<br />
Der offensichtlich hör- und sichtbare Wechsel zwischen Dämpfen und Freilassen der<br />
Saiten bei gepresstem Bogenstrich spielt in diesem Streichquartett keine Rolle mehr.<br />
35 Grido: 1487 Sekunden Gesamtdauer; bei 883 Sekunden findet der erste Impuls-Knackser statt, der letzte<br />
bei 910 Sekunden (die genaue Goldene-Schnitt-Proportion läge bei 919 Sekunden).<br />
36 Diese beiden Stellen sind die einzigen des ganzen Stückes und aller drei Streichquartette, an der die Spieler<br />
selbst Geräusche erzeugen.<br />
33
Außerdem fällt noch auf, dass das Cello nach der großen Ratter-Stelle (T. 186-218) erst<br />
wieder ganz am Ende (T. 467) mit gepresstem Bogenstrich auftritt. Das macht sich im<br />
Klang bemerkbar, weil der erhöhte Bogendruck auf den Saiten des Cello ein tieferes,<br />
dunkleres Rattern zur Folge hat als der gepresste Bogenstrich bei den höheren<br />
Streichinstrumenten Violine und Bratsche. Nur im I. Streichquartett ist der gepresste<br />
Bogenstrich im Cello ähnlich oft vorhanden wie bei den anderen drei Streichern.<br />
Die Verwendung des gepressten Bogenstrichs und seine Tendenz zur Nicht-<br />
Verlagerung im III. Streichquartett zeigt, dass die Abstufung der Geräusche nicht mehr im<br />
Mittelpunkt dieses Streichquartetts steht. Bei näherer Betrachtung bestätigt das auch die<br />
Art der Handhabung aller insgesamt vorkommenden Spieltechniken: Im III. Streichquartett<br />
gibt es keine Felder „fremder“ Spieltechniken mehr wie im I. und II. Streichquartett (außer<br />
dem einen großen Ratter-Feld), was sich im Gesamtklang des Streichquartetts als<br />
„ordinario“ niederschlägt.<br />
5. Bogenverlagerung und synchrones Spiel<br />
5.1 Gran Torso<br />
Lachenmann hat für sein I. Streichquartett eine etwas andere Notation gewählt als in den<br />
späteren Streichquartetten: In großen Teilen der Partitur fehlt der herkömmliche<br />
Notenschlüssel (und damit auch das Fünfliniensystem), stattdessen kommen Steg- und<br />
Saitenschlüssel zum Einsatz. Die häufige Verwendung des Stegschlüssels macht klar, wie<br />
wichtig die Bogenverlagerung im I. Streichquartett ist.<br />
Es gibt nur sehr wenige Stellen im I. Streichquartett, an denen der Bogen nicht schräg<br />
oder parallel zu den Saiten verlagert wird: Von Takt 101 bis 132 gibt es neben dem<br />
akustischen auch einen optischen Stillstand 37 und in den letzten Takten des Stückes wird<br />
nach einem weiteren Bogenverlagerungs-Stillstand (ab T. 259, vgl. Abb. 70) der Bogen<br />
überhaupt weggelegt (ab T. 270).<br />
Das ganze Stück über werden Zusammenhänge die Bogenverlagerung betreffend<br />
bewusst vermieden; die einzigen wirklich synchronen Stellen – weil hier alle jeweils<br />
Beteiligten dasselbe machen – sind der Takt 206 38 (als Auftakt zur großen Ratter-Passage),<br />
37 In dieser Zeit ist die einzige sichtbare Bewegung der Auf- und Abstrich auf dem Saitenhalter, da auch die<br />
Greif-Hand nicht beschäftigt ist.<br />
38 Hier machen alle vier Instrumentalisten spieltechnisch, dynamisch und optisch dasselbe.<br />
34
die Takte 253-256 39 (Abb. 69 und 70) und die eben beschriebene „Knall-Kantilene“ 40 am<br />
Schluss (T. 273-280).<br />
5.2 Reigen seliger Geister<br />
Die Bogenverlagerung ist im II. Streichquartett zentral, weil sie für die<br />
Helligkeitswandlung des Rauschanteil auf keinen Fall fehlen darf; deswegen ist die<br />
Bogenverlagerung außer im großen Pizzicato-Teil (T. 279-354) ständig präsent, aber nicht<br />
auf dieselbe Weise wie im I. Streichquartett: Im II. Streichquartett wird der Bogen nach<br />
Verlagerung des Bogens Richtung Steg oder Griffbrett meist abgesetzt, ohne dazwischen<br />
die Richtung der Verlagerung geändert zu haben; im I. Streichquartett dagegen ist es fast<br />
die Regel, dass der Bogen bei der Verlagerung mehrmals die Richtung wechselt –<br />
durchgehend, ohne dabei abgesetzt zu werden (siehe dazu die jeweils erste Partiturseite).<br />
Es gibt nur sehr wenige Stellen innerhalb des II. Streichquartetts, an denen die<br />
Bogenverlagerung ähnlich durchgehend gehandhabt wird wie im I. Streichquartett;<br />
wichtige Passagen sind der Obertonglissando-Abschnitt, in dem der verlagerte Bogen eine<br />
nicht synchrone Bewegung (sei es parallel oder spiegelverkehrt) zu den Fingern der linken<br />
Hand bzw. zur linken Hand ausführt (T. 85-112), 41 die Takte vor und nach dem großen<br />
(bogenlosen) Pizzicato-Abschnitt (T. 276-278 bzw. T. 355-365, die Überleitungstakte zur<br />
Ratter-Passage), und Teile der Ratter-Passage, die den hin- und zurückverlagerten<br />
Bogenstrich von der Flautato-Übergangspassage übernommen haben (T. 376-384).<br />
Ab Takt 190 spielt die Bogenverlagerung nicht mehr eine so wichtige Rolle, da ab dort<br />
etwa das Pizzicato – der große Gegenpol des Flautato – an Bedeutung gewinnt. Erst wieder<br />
im Überleitungsteil zum Ratter-Abschnitt (T. 355-365) und im Ratter-Teil selbst (T. 366-<br />
388, vgl. Abb. 71 und 72) ist die Bogenverlagerung zentral. Nach dem großen Ratter-Feld<br />
gibt es kaum noch Bogenverlagerung (bei Flautato und Saltando in T. 399-401, bei<br />
Pizzicato fluido in T. 414 und 418-419).<br />
Der Synchronismus ist im II. Streichquartett von größerer Bedeutung als im I.<br />
Streichquartett. In den Takten 83 bis 85 z.B. machen alle vier Spieler dasselbe (eine<br />
39 Alle vier Spieler setzen quasi kanonisch mit rhythmischer Dämpfbewegung der linken Hand ein; das<br />
gedämpfte und das ungedämpfte Spiel stimmt unter den Instrumenten fast immer überein, obwohl die<br />
Dämpfbewegungen in den verschiedenen Stimmen rhythmisch etwas unterschiedlich sind.<br />
40 Lachenmann, Helmut: „Fragen – Antworten.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 191-204, hier S.<br />
199<br />
41 Später werden wir sehen, dass diese Maximierung von Verlagerung ein herausgearbeiteter Aspekt des<br />
Flautato ist.<br />
35
optische Verkleinerung des Folgenden 42 ) und leiten damit einen langen Abschnitt ein, in<br />
dem sie ungefähr dasselbe spielen (T. 85-112; „ungefähr“ synchrone Momente gibt es im<br />
II. Streichquartett immer wieder 43 ). Dieser Abschnitt wird ebenfalls durch gleichlaufende<br />
Aktionen – dieselben Aktionen wie vor Beginn der Obertonglissando-Passage – beendet<br />
(T. 112-116).<br />
Ebenfalls wichtige synchrone Momente befinden sich in den Takten 262 und 265-267,<br />
kurz vor Eintritt des großen Pizzicato-Abschnittes, der ein stark rhythmischer Teil ist, in<br />
dem sich vieles gleichzeitig abspielt. Wirklich synchron wird es vor allem in den letzten<br />
Takten der „imaginären Gitarre“ 44 (T. 335-355).<br />
Die Takte 404f. erinnern stark an die letzten Takte des I. Streichquartetts, wo der<br />
rhythmische Wechsel zwischen gedämpftem und ungedämpftem Spiel aller<br />
Instrumentalisten untereinander ähnlich zusammenhing wie hier die Auf- und<br />
Abstrichbewegung des Bogens auf den Holzdämpfern; außerdem endet das II.<br />
Streichquartett mit mehrmals gleichzeitigen „Nachhall-Klängen“ – dem Gegenteil der<br />
Pizzicato-Impulse am Schluss des I. Streichquartetts.<br />
5.3 Grido<br />
Im III. Streichquartett erinnert die Handhabung des verlagerten Bogenstrichs wegen der<br />
hauptsächlich „nicht durchgehenden“ Bogenverlagerung zunächst an das II.<br />
Streichquartett, neu ist hier aber der schwungvolle, bogenförmig verlagerte Bogenstrich.<br />
Die Gleichzeitigkeit hat im III. Streichquartett den größten Stellenwert: eine wichtige<br />
Stelle befindet sich in den Takten 38a-44 45 – der eben angesprochene bogenförmig<br />
Bogenstrich wird hier in allen Instrumenten „col legno“ verlagert (fast immer<br />
gleichlaufend); eine zweite Stelle, wo meist alle Beteiligten tremolieren und den Bogen auf<br />
die gleiche Weise verlagern, ist Vorbereitung zur großen Ratter-Stelle (ab T. 176, vgl.<br />
Abb. 73).<br />
Die Takte 291-298 sind in den drei hohen Streichern mit verschiedensten<br />
Spieltechniken anfangs kanonisch aufgebaut, ab Takt 294 synchron (vgl. Abb. 82) – sie<br />
42 Alle Spieler verlagern gleichzeitig minimal den Bogen in der Nähe des Stegs mit Richtungswechsel trillern<br />
mit der linken Hand in unterschiedlichen Intervallen – das ist eine knappe Zusammenfassung und<br />
Verkleinerung des Folgenden: maximale Bogenverlagerung zwischen Steg und Griff-Finger (meist hin und<br />
retour), gleichzeitig Figurationen in der linken Hand (in unterschiedlichsten Intervallkombinationen, wie<br />
schon in den Trillern angedeutet: von Skalenausschnitten über Arpeggi zu Obertonglissandi und zurück).<br />
43 Reigen seliger Geister, z.B. T. 123 und T. 146-148<br />
44 Lachenmann, Helmut: „Über mein Zweites Streichquartett.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 227-<br />
246, hier S. 236<br />
45 Ab T. 68 ist die Taktzählung wieder korrekt.<br />
36
leiten zur einzigen Ratter-Passage aller Streichquartette über, wo über mehrere Takte<br />
hinweg mehrmals zwei Instrumente gleichzeitig mit gepresstem Bogenstrich einsetzen.<br />
Der anschließende große Tonlos-Abschnitt (T. 304-348) weckt auch wegen der ähnlich<br />
gehandhabten Flautato-Bogenverlagerung und der vermiedenen Gleichzeitigkeit 46<br />
Erinnerungen an das I. Streichquartett: Der Flautato-Bogenstrich ist fast ständig vorhanden<br />
(Ausnahme ist nur die „Goldene-Schnitt-Passage“ T. 312-319, siehe Kapitel 4.3) und wird<br />
eher selten abgesetzt.<br />
Nach diesem tonlosen Abschnitt gibt es Bogenverlagerung über mehrere Takte erst<br />
wieder am Schluss des Werkes (T. 462); dafür spielt etwa ab dem Ende dieses Teiles eher<br />
die Gleichzeitigkeit von einzelnen Impulsen wie Pizzicati und kurzen gepressten<br />
Bogenstrichen eine Rolle als am Anfang des Stückes, 47 wo Impulse eher nacheinander und<br />
im gehäuften Maße auftraten. 48<br />
Homogenität wird im III. Streichquartett generell großgeschrieben, weil der Einklang<br />
und dessen Übergang zum Zweiklang – also Schwebung – im Mittelpunkt steht, ähnlich<br />
wie im II. Streichquartett der Übergang zwischen „Fast-Ton“ und „Rauschen“. 49<br />
6. Die großen Ratter-Passagen der Streichquartette<br />
6.1 Gran Torso<br />
Die große Tonlos-Stelle 50 im I. Streichquartett nimmt sehr viel Raum ein und verlangt<br />
einen entsprechenden „Gegenpol“: deshalb ist der große Ratter-Teil hier sehr stark<br />
ausgeprägt (T. 209-272, teilweise in den Abb. 68-70 zu sehen). 51<br />
Die große Ratter-Passage hier ist unruhiger als jene im Reigen, weil im Gegensatz zu<br />
der Stelle im II. Streichquartett im I. Streichquartett mehrere Arten von gepresstem<br />
Bogenstrich darin vorkommen: vor und hinter dem Steg, mit und ohne Verlagerung vor<br />
dem Steg, mit eckiger Bogenverlagerung, 52 sehr kurze gepresste Bogenstriche, 53<br />
46 Die ersten drei Takte sind synchron.<br />
47 Um nur einige Beispiele zu nennen: T. 362, 379/380, 384, 397, 399, 426/427, 447/448, 455-460, 463f.<br />
48 z.B. Grido, S. 8, T. 80/81, S. 10, T. 98-106, S. 14, T. 137f.<br />
49 Lachenmann, Helmut: „Zweites Streichquartett (‘Reigen seliger Geister’)“ In: Musik als existentielle<br />
Erfahrung, S. 401<br />
50 Die eigentlich tonlose Stelle reicht zwar „nur“ von T. 104 bis etwa 131 (was aber auch dreieinhalb<br />
Minuten sind), aber schon ab T. 81 dominiert das Streichgeräusch, und die „legni -“ und „archi battuti“ (von<br />
T. 136-176) sind „Artikulation von Tonlos“; das würde bedeuten, dass dieser tonlose Teil fast zehn Minuten<br />
oder beinahe die Hälfte der Gesamtdauer des Stückes (auf meiner Aufnahme ca. 21 Minuten) in Anspruch<br />
nimmt.<br />
51 Zuzüglich Vorbereitung (ab T. 186) macht das viereinhalb Minuten – mehr als ein Fünftel der<br />
Gesamtdauer.<br />
52 Ausnahmsweise gibt es hier auch die Verlagerung des gepressten Bogens hinter dem Steg.<br />
37
„springender“ gepresster Bogen und gepresster Bogenstrich mit Wechsel zwischen<br />
gedämpftem und ungedämpftem Spiel. Im Vergleich zur großen Ratter-Stelle in Grido (T.<br />
186-218) ist dieses Feld hier in Gran Torso aber homogener, da die wenigen Einsätze, die<br />
nicht mit gepresstem Bogen ausgeführt werden, 54 dem Ratter-Klangraum nichts anhaben<br />
können.<br />
Abbildung 67: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88),<br />
S. 17, T. 177-182<br />
Der große Ratter-Teil im I. Streichquartett beginnt durch die Generalpause davor (T. 208)<br />
relativ plötzlich. Der erste längere gepresste Bogenstrich (I. Violine, T. 209) dieses Ratter-<br />
Feldes stellt optisch den Krebs zur Flautato-Bogenverlagerung der II. Violine in Takt 208<br />
dar; das Ratter-Feld beginnt also mit einem doppelten Kontrast: völlig gegensätzlicher<br />
Bogendruck zum Flautato und Gegenbewegung bei der Bogenverlagerung.<br />
Der Hörer wird aber schon ab Takt 180 (vgl. Abb. 67), wo nach längerer Zeit wieder<br />
der gepresste Bogenstrich verwendet wird, 55 langsam wieder mit der Klangwelt des<br />
gepressten Bogens vertraut gemacht. Dieser erste gepresste Bogenstrich, der einen „arco<br />
balzando“ stoppt (Abb. 67, T. 180), deutet schon an, was in weiterer Folge passiert: die<br />
Welt des springenden Bogens wird zugunsten des gepressten Bogenstrichs verlassen.<br />
Reminiszenzen an den springenden Bogen gibt es nur noch in den Takten 224-226 (Abb.<br />
68), wo der Bogen nun mit gepresstem Bogen geworfen wird. Diese gepressten<br />
springenden Bögen haben aber gleichzeitig eine andere Bedeutung: sie inspirieren das ab<br />
Takt 256 einsetzende Ritardando (Abb. 70).<br />
53 Auch in Zusammenhang mit der eckigen Bogenverlagerung.<br />
54 Pizzicati und normale Bogenstriche (tremolierend nur in T. 251)<br />
55 Nach T. 80/81 gibt es nur einen gepressten Bogenstrich in T. 161.<br />
38
Abbildung 68: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88),<br />
S. 21, T. 220-232<br />
Abbildung 69: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88),<br />
S. 23, T. 244-255<br />
39
Abbildung 70: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88),<br />
S. 24, T. 256-269<br />
In Takt 188 des I. Streichquartetts wird in der I. Violine vorbereitet, was gleichzeitig in der<br />
Bratsche beginnt und später (T. 253-257) bis zum Maximum ausgereizt wird: der<br />
„Glissando-Triller“ wird zur rhythmischen Dämpfbewegung umgewandelt.<br />
Lachenmann findet für den Anschluss an diese große Ratter-Stelle einen sehr<br />
schlüssigen Übergang zur dieses Streichquartett abschließenden Pizzicato-Passage (vgl.<br />
Abb. 70): Die auch schon während der ganzen Ratter-Stelle verwendeten kurzen<br />
gepressten (impulshaften) Bogenstriche stehen jetzt im Vordergrund und mischen sich sehr<br />
gut mit den Pizzicati, die schon die ganze Zeit über anwesend waren und dadurch hier kein<br />
Fremdkörper sind.<br />
Die ganze Ratter-Stelle ist außerdem Teil einer Entwicklung zum Einzelimpuls, die<br />
von Saltando/Balzando ausgeht (vor allem ab T. 145), und über zeitlich ausgedehntere<br />
gepresste Bogenstriche (ab T. 209) mit der Zwischenstufe „Wahwah“-Rattern (T. 253-257,<br />
Abb. 69 und 70) zu den impulshaften gepressten Bogenstrichen und schlussendlich zu den<br />
Bartók-Pizzicati führt. Die längeren gepressten Bogenstriche stellen wiederum einen<br />
Bezug zum Beginn des I. Streichquartetts her, in dem das Tenuto dominierte – verwirklicht<br />
durch eher selten abgesetzte Bogenstriche.<br />
40
Zusätzlich lässt sich ein Zusammenhang zwischen gepresstem Bogenstrich und Bartók-<br />
Pizzicati über die aufgewendete Energie bei der Ausführung von Bartók-Pizzicati und<br />
gepressten kurzen Bogenstrichen herstellen; 56 die impulshaften gepressten Bogenstriche<br />
erklingen aber nie zeitgleich mit einem anderen Instrument wie die Pizzicati am Schluss. 57<br />
6.2 Reigen seliger Geister<br />
Abbildung 71: Helmut Lachenmann: II. Streichquartett – Reigen seliger Geister (1989), S. 62, T. 366-371<br />
Der große Ratter-Teil im II. Streichquartett reicht von Takt 366 bis 388. Die Takte davor<br />
(T. 355-365) bilden aus mehreren Gründen eine sehr schlüssige Überleitung zur Ratter-<br />
Passage:<br />
• nach ziemlich langer „Streich-Pause“ 58 wird hier wieder die Spielweise mit Bogen<br />
aufgegriffen<br />
• die vorher allein vorhandenen Pizzicati hören nicht ganz plötzlich auf, sondern<br />
„verebben“<br />
• die Dämpfbewegung aller Finger der linken Hand in der Ratter-Passage (Abb. 71,<br />
ab T. 367) ist eine „optische Vergrößerung“ der Trillerbewegung eines Fingers in<br />
dieser Überleitung und wird so „optisch“ vorbereitet<br />
56 Bei beiden Spielweisen werden die Saiten ähnlich „brutal“ angeregt.<br />
57 Pizzicati in zwei Instrumenten gleichzeitig erklingen schon während des Ratter-Feldes (T. 243, 251, 259,<br />
267 – alle sind gedämpfte Bartók-Pizzicati).<br />
58 12 Partiturseiten bzw. etwa fünfeinhalb Minuten<br />
41
• das Glissando, das beim Verlagern des gepressten Bogens entsteht, ist eine<br />
Weiterentwicklung der Helligkeitsabstufung des Rauschens beim Verlagern des<br />
flautato gestrichenen Bogens – auch im Überblick über das ganze Werk gesehen<br />
Auch der eigentliche Beginn des Ratter-Feldes ist behutsam eingeführt: Der erste gepresste<br />
Bogenstrich dieses Ratter-Feldes 59 (Abb. 71, T. 366) wird noch nicht von der (rechten)<br />
Faust geführt und „zart“ gepresst, außerdem wirkt er zusammen mit dem zweiten Ratter-<br />
Einsatz einen Takt später wie ein verzerrtes und verlangsamtes Echo des vibrierenden<br />
Ordinario-Tones und dem darauffolgenden „Japser“ in Takt 364.<br />
Nur ganz am Beginn dieser „gepressten Passage“ erklingen tiefere Saiten und das<br />
Cello, denn die Ratter-Einsätze von Takt 369 bis 381 spielen sich nur auf den beiden<br />
höchsten Saiten der drei hohen Streicher ab (teilweise in Abb. 71 zu sehen). Dadurch wirkt<br />
diese Stelle wie eine hängengebliebene Schallplatte – obwohl nur der Takt 374 beliebig oft<br />
wiederholt wird. 60 „Gestört“ wird dieses Gefühl nur durch gelegentliche „Japser“ – die<br />
einzige noch andere Spielweise in diesem Abschnitt.<br />
Die Dämpfbewegungen der linken Hand während der Anwendung des gepressten<br />
Bogenstrichs dienen dazu, „ratternde Glissandi“ in die Gegenrichtung zu erzeugen. 61 Der<br />
optische Effekt stimmt mit dem des „Mundzuhaltens“ 62 beim Erzeugen der „Japser“<br />
überein, was der Grund dafür sein könnte, warum Lachenmann diese beiden<br />
Spieltechniken hier kombiniert.<br />
In Takt 382 setzen Bratsche (auf ihren zwei tiefsten Saiten) und Cello ein und<br />
verdunkeln so den Klang. Ihre Aufgabe ist es, auf den zwei Takte später folgenden<br />
gepressten Bogen am Saitenhalter vorzubereiten, der in meinen Ohren brutaler klingt als<br />
die gepressten Bogenstriche davor und einen (dann auch folgenden) Klangwechsel<br />
erzwingt (siehe Abb. 72). Prompt wechselt der gepresste Bogenstrich vom Frosch zum<br />
Tremolo mit der oberen Hälfte des Bogens, wodurch nicht mehr ein so starker Druck auf<br />
den Saiten ausgeübt werden kann. Ebenso gibt es eine für den Zuseher wahrnehmbare<br />
„Erleichterung“: der Bogen wird beim gepressten Tremolo nicht mehr in der Faust<br />
gehalten.<br />
59 Wie weiter unten ausgeführt, zeigt dieser sich aus dem Flautato entwickelnde gepresste Bogenstrich mit<br />
zusätzlichen Pizzicati die Entwicklung des ganzen Werkes an.<br />
60 Laut Lachenmann gibt es so eine Stelle in jedem seiner Stücke mindestens einmal („Über mein Zweites<br />
Streichquartett.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 227-246, hier S. 246).<br />
61 II. Streichquartett: Hinweise zu Notation und Ausführung, S. 5<br />
62 Lachenmann, Helmut: „Über mein Zweites Streichquartett.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 227-<br />
246, hier S. 232<br />
42
Abbildung 72: Helmut Lachenmann: II. Streichquartett – Reigen seliger Geister (1989), S. 65, T. 383-388<br />
Durch das „Nacheinander-Wegfallen“ von Bratsche und II. Violine beim gepressten<br />
Tremolo und das Hinzustoßen von „Flautato-Tremolo“ in Cello und Bratsche (Abb. 72, T.<br />
385-388) kommt es zu einem „Ratter-Decrescendo“ und einer Zunahme des Flautato-<br />
Klanges. Gleichzeitig geht der gepresste Strich der I. Violine in den drucklosen Flautato-<br />
Strich über. Dadurch hat Lachenmann einen fließenden Übergang zum Flautato erreicht.<br />
Zusammenhang mit der Ratter-Passage erhält der folgende Überleitungsteil zum<br />
Tonlos-Abschnitt (ab Takt 401 63 ) einerseits (akustisch) durch das Wiederaufgreifen der<br />
„Japser“, andererseits (optisch) durch das Freigeben und Dämpfen der Saiten. Es gibt aber<br />
einen akustischen Unterschied zwischen dem Dämpfen und Freigeben der Saiten bei<br />
gepresstem Bogen und bei Flautato-Bogenstrich: beim Rattern ändert sich durch das<br />
Dämpfen nur die Tonhöhe, beim Flautato ändert das Dämpfen die Präsenz des Tones bzw.<br />
des Rauschens, was einen Unterschied der Lautstärke zur Folge hat.<br />
Die Dämpfbewegung am Schluss der Crescendo-Bogenaufstriche entfällt zwar<br />
meistens, aber so ist eine Vorbereitung zu den letzten Takten des Streichquartetts<br />
geschaffen (T. 425-431), wo diese Aufstrichbewegung immer ohne Dämpfabschluss<br />
geschieht. 64<br />
63 Dieser Abschnitt erinnert auch durch die rhythmische Ab- und Aufstrichbewegung des Bogens sehr stark<br />
an den Teil in Gran Torso (siehe dort, T. 104f.).<br />
64 Dass dem allerletzten Bogenstrich der „Mund zugehalten“ wird, ist einleuchtend.<br />
43
Nach dem großen Ratter-Teil fehlt dem Flautato-Bogenstrich meist die vor dem Ratter-<br />
Teil obligate gleichzeitige Bogenverlagerung – das hat eine gewisse dramaturgische Logik:<br />
Vor dem Ratter-Teil hat das Flautato – zum einen Teil als Rauschen (bis T. 85), zum<br />
anderen Teil als Bogenverlagerung (T. 85-112) – zwei seiner Höhepunkte erreicht; der<br />
Ratter-Teil (T. 366-388) bildet den dritten Höhepunkt eines Aspekts des Flautato in Form<br />
des Tonhöhenglissandos als maximale Steigerung des Helligkeitsglissandos des<br />
Rauschens. Nach Erreichung dieser Höhepunkte kann Flautato nicht mehr in seiner<br />
ursprünglichen Form erscheinen.<br />
6.3 Grido<br />
Das größte Ratter-Feld im III. Streichquartett (T. 186-218, teilweise in Abb. 74 und 75 zu<br />
sehen) ist viel unruhiger und hektischer als das einzige des II. Streichquartetts (T. 366-<br />
388), das kann sehr leicht durch die vielfältige Verwendung des gepressten Bogenstrichs<br />
und Mitwirken von „normalen“ Spielweisen in diesem Ratter-Feld des III. Streichquartetts<br />
begründet werden. In dieser Ratter-Passage von Grido treten folgende Spielweisen auf:<br />
• Rattern „in alle Richtungen“: ohne Verlagerung des Bogens, mit Verlagerung in<br />
beide Richtungen und Ausführung hinter dem Steg<br />
• Impulse durch Pizzicati und kurze (gepresste) Knackser 65<br />
• Rattern in verschiedenen Tonlagen durch gepressten Bogen auch im Cello<br />
• schnelle Figuren und Läufe in der linken Hand bei normalem Bogendruck<br />
• Tremoli<br />
• Crescendi und Decrescendi sowohl bei gepressten als auch bei normalen<br />
Bogeneinsätzen<br />
Dieser „Unruhezustand“ wird ab Takt 176 auf mehreren Ebenen vorbereitet (vgl. Abb.<br />
73): 66<br />
• in der horizontalen und vertikalen Bewegung des Bogens bei Tremolo und<br />
Bogenverlagerung<br />
• im Ab- und Zunehmen des Geräusches bei Bogenverlagerung zwischen „ordinario“<br />
und „ponticello“<br />
• im Tonhöhenbereich durch Glissandi<br />
• in der Dynamik durch Crescendo-Decrescendo-Schweller<br />
65 Im Feld des Reigen seliger Geister sind sehr kurze gepresste Einsätze des Bogens überhaupt nicht<br />
vorhanden.<br />
66 Davor ist „Unruhe“ nur im Bereich der Dynamik zu finden.<br />
44
Abbildung 73: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 19, T. 177-185<br />
Abbildung 74: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 20, T. 186-193<br />
45
Ab Takt 176 (vgl. Abb. 73) lässt sich im Gegensatz zu vorher eine verstärkte Aktivität die<br />
Bogenverlagerung betreffend beobachten: alle vier Instrumente agieren hier quasi<br />
synchron. 67 Global gesehen ist diese Stelle aber eher als Beruhigung zum langen Teil davor<br />
(T. 98-175 68 ) zu betrachten, in dem mehrere Spielweisen vorkommen (vor allem Impulse<br />
wie „Japser“) und die meisten Einsätze der Instrumente so komponiert sind, dass sie nicht<br />
mit anderen gleichzeitig geschehen. Die Beruhigung ab Takt 176 wird schon ab Takt 174<br />
eingeleitet: die beiden Violinen und Bratsche und Cello setzen jeweils gemeinsam ein.<br />
Kurz vor Eintritt des Ratterns gibt es einen „Stillstand“ (Abb. 73, T. 184/185), denn<br />
„Unruheparameter“ wie Tremolo und Bogenverlagerung werden zeitweise weggelassen:<br />
Es gibt ordinario 69 gestrichene Unisoni aller vier Beteiligten; zwar geschieht das auf vier<br />
verschiedenen Tonhöhen, aber das gleichzeitige Einsetzen von jeweils zwei Instrumenten<br />
und die gemeinsame Bogentechnik vermittelt diesen „einen Klang“. In diesen Einklang<br />
setzen nochmals 70 die Violinen ein: mit denselben Tonhöhen, diesmal aber am Steg und<br />
tremolierend. Beim nächsten Einsatz von Bratsche und Cello (Abb. 74, T. 186 – ebenfalls<br />
mit den gleichen Tonhöhen und tremolierend) werden die Bögen beider Instrumente und<br />
die linke Hand des Cello verlagert. Die logische Fortsetzung folgt gleich darauf: gepresster<br />
Bogen mit Verlagerung. Außerdem gibt es keinen plötzlichen Übergang zum alleinigen<br />
Rattern: das Tremolo wird auch nach dem ersten gepressten Bogeneinsatz weitergeführt, so<br />
kann das Rattern langsam heranwachsen.<br />
Das Ratter-Feld wird fast unmerklich verlassen (vgl. Abb. 75): durch Entfernen der<br />
„Unruhefaktoren“ „fremder“ (normaler) Bogendruck, gepresste Impulse und Pizzicati tritt<br />
ab Takt 215 wie vor Beginn der Ratter-Passage eine Art Ruhezustand ein. Die erneuten –<br />
schon erwarteten – Unruhezustände geschehen aber ohne gepressten Bogenstrich: das<br />
quasi-tremolierende Cello überdeckt geschickt die Schnittstelle und lässt das Rattern nicht<br />
vermissen. Dieser erneut eher hektische Zustand nach dem Ratter-Feld weist aber im<br />
Unterschied zu vorher (T. 98-175) wieder gleichzeitige Einsätze von zwei Instrumenten<br />
auf.<br />
67 Ähnliches ist auch vor der Ratter-Stelle bei T. 299 zu bemerken.<br />
68 Die T. 113-116 sind durch “schwebende Unisoni” kleiner Ruhepol dazwischen zu verstehen.<br />
69 „Ordinario“ bezieht sich auf Strichart und Kontaktstelle des Bogens mit den Saiten.<br />
70 Die Violinen hatten das Unisono eröffnet, aber gleich wieder verlassen.<br />
46
Abbildung 75: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 24, T. 217-220<br />
In diesem großen Ratter-Feld des III. Streichquartetts gibt es stellenweise<br />
Zweiunddreißigstel-Triolen bzw. Tremoli; in allen anderen Ratter-Passagen von Grido sind<br />
durchgehende Zweiunddreißigstel-Triolen im Cello obligat. Da das Cello hier aber (wie an<br />
keinem anderen der Ratter-Felder im III. Streichquartett) am Rattern beteiligt ist, sind die<br />
„Quasi-Tremoli“ in diesem Feld auf alle Instrumente aufgeteilt.<br />
7. Weitere Passagen mit gepressten Bogenstrichen<br />
7.1 Gran Torso<br />
Neben dem ausgedehnten Ratter-Abschnitt ab Takt 209 (mit Vorbereitung ab T. 180) gibt<br />
es noch ein weiteres Ratter-Feld in diesem Streichquartett (T. 61-71/72, teilweise in Abb.<br />
85 zu sehen), das ebenso wie das längere Feld später ein paar Takte früher vorbereitet wird<br />
(Abb. 76, T. 54-57). Diese Vorbereitung deutet schon auf den Ablauf des direkt darauf<br />
folgenden Ratter-Feldes hin: Ausgehend vom springenden Bogen wird dieser zunächst<br />
gleichmäßig gepresst und ritardiert dann durch zwischenzeitliches Stehenbleiben des<br />
Bogens.<br />
47
Abbildung 76: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88), S. 5, T. 53-64<br />
Das Ratter-Feld selbst wird durch einen in der I. Violine tremolierenden Ordinario-Ton<br />
eingeleitet, dessen Bogendruck sich immer mehr verstärkt, bis gepresstes Tremolo entsteht<br />
– dieses Tremolo bleibt ab Takt 64 plötzlich „stecken“ und wird zum gleichmäßigen<br />
gepressten Auf- und Abstrich (vgl. Abb. 76 und 84).<br />
In diesem Feld wird der Bogen hauptsächlich hinter dem Steg gepresst (ohne<br />
Verlagerung); nur die II. Violine spielt gelegentlich mit der I. zusammen und dann mit<br />
demselben Bogenstrich und derselben Kontaktstelle des Bogens am Instrument – quasi<br />
unisono (Abb. 85, T. 67 und 69-71 71 ). Die Verlagerung des Bogens geschieht hier während<br />
des mechanischen Auf- und Abstrichs vor dem Steg (siehe Kapitel 4.1).<br />
Der akustisch abrupte Übergang zum Flautato 72 in I. und II. Violine wird durch den<br />
stockenden gepressten Bogenstrich des Cello etwas überdeckt.<br />
Am Beginn des I. Streichquartetts wird der gepresste Bogenstrich vor allem mit dem<br />
ähnlichen Knirschen in Zusammenhang gebracht (T. 14-17), welches im weiteren Verlauf<br />
keine Rolle mehr spielt.<br />
71 Im letzten Takt ist die II. Violine nicht mehr synchron mit der I. Violine.<br />
72 Optisch ändert sich hauptsächlich die Geschwindigkeit des Wechsels zwischen Auf- und Abstrich.<br />
48
7.2 Reigen seliger Geister<br />
Die restlichen Einsätze des gepressten Bogens im II. Streichquartett beschränken sich auf<br />
vier sehr kurze, die alle vor dem Ratter-Feld angesiedelt sind.<br />
Abbildung 77: Helmut Lachenmann: II. Streichquartett – Reigen seliger Geister (1989), S. 9, T. 46-53<br />
Der erste Einsatz mit gepresstem Bogen in diesem Streichquartett (Abb. 77, T. 51) ist<br />
Bestandteil der ersten „echten“ – und auf längere Zeit einzigen 73 – Fortissimo-Stelle in<br />
diesem Stück. Vorher dominierte die Stille in Form von Streichgeräuschen (Flautato und<br />
Striche auf Steg und Stegseitenkante), die vor allem durch Spannschraubentupfer (es gibt<br />
auch vereinzelt Pizzicati) und springenden Bogen bzw. springendes Bogenholz artikuliert<br />
wurde. Hier gab es Forte und mehr nur bei den Tonlos-Stellen am Steg und an der<br />
Stegseitenkante – natürlich unter Anführungsstrichen, da hier nur das Streichgeräusch<br />
intensiver wird, und nicht die Lautstärke variiert.<br />
73 Die nächste „lautere“ Stelle findet sich erst wieder ca. ab T. 85 – die Lautstärke ist zwar nicht so hoch wie<br />
hier, durch die Dichte der Aktionen ist aber der Eindruck der selbe.<br />
49
Abbildung 78 Helmut Lachenmann: II. Streichquartett – Reigen seliger Geister (1989), S. 33, T. 184-190<br />
Die zweite Stelle mit gepresstem Bogenstrich im II. Streichquartett (Abb. 78, T. 188/189)<br />
ist beteiligt am „Startschuss“ für jenen Abschnitt, in dem die „Japser“ erstmals in<br />
konzentrierter Form auftreten. 74 Diese waren zwar schon ab Takt 124 ständig präsent, aber<br />
eher vereinzelt. 75<br />
74 Lachenmann bezeichnet die Takte 183 und 184 als „musikalische Mitte“ des II. Streichquartetts, weil dort<br />
Pizzicato und „gewendetes Pizzicato“ aufeinandertreffen („Über mein Zweites Streichquartett.“ In: Musik als<br />
existentielle Erfahrung, S. 227-246, hier S. 233).<br />
75 Die „Japser“ sind über einen Zeitraum von nicht ganz fünf Minuten gleichmäßig verteilt (man könnte<br />
sagen ca. alle zehn Sekunden), meist „im Doppelpack“.<br />
50
Abbildung 79: Helmut Lachenmann: II. Streichquartett – Reigen seliger Geister (1989), S. 40, T. 228-231<br />
Die dritte Passage, an der der erhöhte Bogendruck beteiligt ist, besteht aus drei sehr kurzen<br />
gepressten Bogenstrichen hintereinander (Abb. 79, T. 228). 76 Auch hier ist sein Auftreten –<br />
als Teil einer kurzen „gestrichenen“ Passage – mit einer Art „Auftaktfunktion“ zum<br />
folgenden „Impuls-Abschnitt“ verbunden, 77 der einen Vorgeschmack auf die ab Takt 279<br />
folgende „reine“ 78 Pizzicato-Stelle 79 gibt. Die Pizzicati treten zwar auch vor diesem<br />
„Auftakt“ vermehrt auf, aber in einer Übergangsfunktion von „Japsern“ zu Pizzicati: Die<br />
„Japser“ sind ab Takt 205 um das „Mundzuhalten“ 80 reduziert und sind so weniger präsent<br />
als zuvor, dazu gesellen sich mehr Pizzicati – das ergibt insgesamt einen schönen<br />
Übergang vom „Japser“ zu seinem Gegenteil, dem Pizzicato.<br />
76 Neben T. 270 ist das der einzige Auftritt von gepressten Impulsen im II. Streichquartett.<br />
77 Dieser beginnt mit Pizzicato und wird mit „legno battuto“ und Spannschraubentupfern fortgesetzt.<br />
78 Hier ist kein Teil des Bogens an der Tonerzeugung beteiligt– weder mit Bogenstrich, noch durch<br />
Spannschraubentupfer.<br />
79 Von Kaltenecker wird diese Stelle als eine der schönsten der Musikgeschichte bezeichnet (Kaltenecker,<br />
Martin: „Manches geht in der Nacht verloren. Fragmente zu Lachenmanns Reigen seliger Geister.“ In: Nähe<br />
und Distanz. Nachgedachte Musik der Gegenwart, S. 42).<br />
80 Lachenmann, Helmut: „Über mein Zweites Streichquartett.“ In: Musik als existentielle Erfahrung, S. 227-<br />
246, hier S. 232<br />
51
Abbildung 80: Helmut Lachenmann: II. Streichquartett – Reigen seliger Geister (1989), S. 46, T. 268-273<br />
Der rhythmisierte gepresste Bogenstrich in Takt 270 (vgl. Abb. 80) ist eine Art Echo zum<br />
tonlosen Strich und zum Flautato davor – nur, dass das Echo hier zuerst kommt.<br />
Auffällig ist, dass der zweite und der dritte Ratter-Einsatz dieselbe Funktion haben –<br />
und zwar sind beide „Einschaltknöpfe“ zu einer Spielweise („Japser“) bzw. deren<br />
Umkehrung (Pizzicato).<br />
7.3 Grido<br />
Um die gepressten Bogenstriche bei Takt 256/257 (Abb. 81) in ihre Umgebung<br />
einzugliedern, greift Lachenmann hier auf ähnliche Mittel zurück wie bei der ersten Ratter-<br />
Passage des III. Streichquartettes (T. 186-218): Das Cello spielt hier durchgehend<br />
Zweiunddreißigstel-Triolen – anfangs (T. 251-254) als Tremoli auf einer Tonhöhe mit<br />
Verlagerung des Bogens zwischen Griffbrett und Steg (wie vor T. 186-218), und ab Takt<br />
255 mit Figurationen der linken Hand (wie am Ende der ersten Passage; vgl. Abb. 75, T.<br />
218f.). Ein neues Moment bindet den gepressten Bogen hier sehr gut in den<br />
Zusammenhang ein: der Rhythmus. Die rhythmische Vorbereitung des Ratter-Einsatzes<br />
beginnt schon bei Takt 251 (vgl. Abb. 81); von dort an bis zum Einsatz der ersten<br />
52
gepressten Bogenstriche gibt es nichts, was den gleichmäßigen Viertelrhythmus „stört“, da<br />
alle Einsätze auf „1“, „2“ oder „und“ passieren. Die hohen Streicher setzen dann mit dem<br />
gepressten Bogenstrich rhythmisch dazupassend und kanonisch ein. Da die Figuration des<br />
Cello hier sehr im Vordergrund steht und auch nach Ende der Ratter-Glissandi<br />
weitergeführt wird, wirkt das Aufhören des gepressten Bogens nicht plötzlich.<br />
Abbildung 81: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 28, T. 250-257<br />
Diesem Ratter-Feld geht ein ähnlicher „Ruhezustand“ voraus wie dem großen Ratter-Feld:<br />
von Takt 239-249 führen fast immer alle Beteiligten dieselbe Spieltechnik aus – Flautato<br />
mit „zitterndem“ Bogenstrich, bis die Situation noch mehr beruhigt wird und alle hohen<br />
Streicher liegende Flageoletts zum Tremolo des Cello spielen.<br />
Das durch das kanonische Einsetzen als Steigerung empfundene Rattern beschwört den<br />
bislang längsten „Stillstand“ herauf: von Takt 263-280 zelebrieren die hohen Streicher<br />
zuerst das h 2 , dann die Schwebungen um das h 2 – zu den noch immer andauernden<br />
Figurationen des Cello. 81<br />
81 Diese Figurationen sind von T. 251-303 durchgehend vorhanden.<br />
53
Abbildung 82: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 35, T. 295-301<br />
Abbildung 83: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 36, T. 302-303<br />
54
Bei der nächsten Ratter-Stelle (T. 299-302, vgl. Abb. 82 und 83) wird bei keinem der<br />
Einsätze der Bogen verlagert (siehe Kapitel 4.3), dafür findet davor eine ähnlich<br />
konzentrierte und synchrone Flautato-Bogenverlagerung statt wie vor dem großen Ratter-<br />
Feld von Takt 186f. (vgl. Abb. 74 und 75).<br />
Die Eingliederung dieser Passage geht ähnlich vonstatten wie die der Stelle zuvor (T.<br />
256/257, Abb. 81): durchgehende Zweiunddreißigstel-Triolen im Cello mit<br />
Bogenverlagerung vor Beginn des ersten gepressten Bogenstrichs. Hier beginnt das Cello<br />
aber mit den Figurationen und steigt in Takt 299 auf Tremolo um; außerdem unterstützen<br />
die hohen Streicher das Cello vor und nach ihren gepressten Einsätzen – jeweils mit<br />
derselben Gestik.<br />
Danach folgt der ruhigste Abschnitt dieses Streichquartetts (T. 304-347 82 ) –<br />
vergleichbar mit der sehr langen stillen Passage in Gran Torso (T. 81f.).<br />
Abbildung 84: Helmut Lachenmann: III. Streichquartett Grido (2000/02), S. 45, T. 373-381<br />
In der letzten größeren Ratter-Passage des III. Streichquartetts (Abb. 84, T. 376-379 – hier<br />
findet ebenfalls keine Verlagerung des gepressten Bogenstrichs statt) wird erstmals der<br />
82 Schon in T. 347 wird durch das Tremolo auf einen erneuten hektischen Einsatz hingewiesen.<br />
55
Bogen nicht auf den Saiten gepresst: 83 das Pressen des Bogens am Hals hört sich sehr stark<br />
nach einer knarrenden Türe an, der gepresste Bogenstrich auf der Saite klingt gleichmäßig<br />
wie das Klingeln eines Weckers. Jeder gepresste Bogenstrich hier hat eine eigene Tonhöhe,<br />
dadurch ergibt sich eine Melodie.<br />
Diese Stelle ist die einzige Ratter-Passage in diesem Streichquartett, der nicht<br />
Bogenverlagerung in allen Instrumenten vorausgeht. Die gepressten Bogenstriche werden<br />
zwar auch hier durchgehend von Figurationen im Cello begleitet (anscheinend sind im III.<br />
Streichquartett diese Figurationen im Cello zu den Ratter-Feldern obligatorisch) – aber<br />
diese beginnen und enden gleichzeitig mit den gepressten Bogenstrichen.<br />
Diese kurze Passage endet durch zwei „fff-Knacks-Impulse“ am Schluss ziemlich<br />
abrupt; und doch ist diese Passage mit der nachfolgenden Melodie verbunden: und zwar<br />
über den „Legato-Gestus“, den die Ratter-Melodie durch überlappende Einsätze andeutet.<br />
Die Ratter-Stelle bei Takt 376 bis 379 ist Teil eines unruhigeren Abschnitts (ca. T. 348-<br />
384), dem ein weiterer langer Unisono-Schwebungs-Abschnitt folgt (T. 385-450). Beendet<br />
wird dieser ruhige Teil durch das nächste Rattern (T. 451/452), welches den Startschuss<br />
zum letzten Unruhe-Abschnitt gibt: die durchgehende Bogenverlagerung zum Tremolo der<br />
Bratsche 84 bietet den Untergrund für meist gleichzeitige (und oft impulshafte) Einsätze der<br />
anderen Mitspieler.<br />
Bemerkenswert ist, dass alle vier Ratter-Felder des III. Streichquartetts sehr ähnlich<br />
und doch immer anders erreicht werden: Alle Felder – und das ist ein Novum – werden<br />
durch Ordinario-Töne eingeleitet; außerdem befinden sich vor und während der Ratter-<br />
Felder Tremoli bzw. Figurationen zumindest in einem Instrument. Während aber das erste<br />
(glissandierende) Ratter-Feld durch Tremoli mit gleichzeitiger Bogenverlagerung und<br />
Glissandi der rechten Hand erreicht wird (T. 176f., vgl. Abb. 73), wird das ebenfalls<br />
glissandierende zweite Ratter-Feld zuerst durch Tremolo, dann durch Figurationen<br />
eingeleitet (T. 249f., vgl. Abb. 81). Dem dritten Ratter-Feld wiederum – ohne Ratter-<br />
Glissandi – gehen zuerst Figurationen, dann Tremoli voraus (Abb. 82, T. 296f.), das vierte<br />
Ratter-Feld – ebenfalls ohne Verlagerung des Bogens – leiten repetierte Mehrklänge ein<br />
(Abb. 84, T. 376).<br />
83 In T. 384 des II. Streichquartetts wurde der Bogen am Saitenhalter gepresst (vgl. Abb. 72)<br />
84 In T. 472 übergibt die Bratsche an die I. Violine.<br />
56
8. Funktion des gepressten Bogenstrichs bzw. der Ratter-Felder<br />
Im I. Streichquartett ist das Rattern sehr präsent. Der gepresste Bogenstrich stellt einerseits<br />
als akustischer Gegensatz zum tonlosen Spiel einen Ausgleich zum großen stillen Teil des<br />
I. Streichquartetts dar. Andererseits hat der gepresste Bogenstrich eine wichtige<br />
Vermittlerfunktion auf der großen Entwicklung des Werkes von Tenuto zu Einzelimpuls:<br />
er stellt durch seine zeitlich Ausdehnung ab Takt 186 einen Bezug zum Tenuto des<br />
Anfangs her und ist gleichzeitig behilflich beim Übergang vom repetierten zum einzelnen<br />
Impuls.<br />
Im II. Streichquartett ist der gepresste Bogenstrich im Ratter-Feld krasser Gegensatz<br />
zur Pizzicato-Stelle davor: dort wurde der Bogen überhaupt nicht verwendet, sogar<br />
weggelegt – hier wird er mit extremem Bogendruck verwendet. Zusätzlich stellt der<br />
gepresste Bogenstrich durch den gänzlich anderen Bogendruck auch einen Gegensatz zum<br />
Flautato des Beginns dar; gleichzeitig ist er aber auch Entwicklung des Flautato: einerseits<br />
durch den Mehraufwand an Energie beim gepressten Bogenstrich, andererseits durch die<br />
bei beiden Stricharten obligate Bogenverlagerung. Das Tonhöhenglissando, das durch die<br />
Verlagerung des gepressten Bogens resultiert, ist ebenfalls Steigerung der Flautato-<br />
Verlagerung, bei der Helligkeitswandlungen des Rauschens ans Tageslicht traten. Bei<br />
dieser Entwicklung von Flautato zum Rattern fungiert das Pizzicato – gleichzeitig<br />
Gegensatz zu beiden Stricharten – als Vermittler: Der Bogendruck, der bei Flautato nur<br />
mehr durch Berührung des Bogens mit der Saite repräsentiert war, ist bei Pizzicato<br />
wirklich völlig aufgehoben; die Verbindung von Pizzicato mit dem gepressten Bogenstrich<br />
lässt sich einerseits über die ähnlich große Aufwendung von Energie bei der Erzeugung der<br />
Klänge beider Spielweisen herstellen, andererseits ist Glissando und Perforation des Tones<br />
beim gepressten Bogenstrich vor allem bei den arpeggierten Pizzicati angedeutet (siehe T.<br />
328-331).<br />
Im III. Streichquartett sind die verschiedenen Ratter-Felder immer Impulsgeber für<br />
eine Änderung des Unruhegrades, außerdem sind sie auf einer neuen Ebene Kontrast zu<br />
dem, was vor dem Rattern passiert: In Grido bildet der gepresste Bogenstrich erstmals in<br />
den Streichquartetten Helmut Lachenmanns in einer größeren Entwicklung den Gegensatz<br />
zu ordinario gestrichenen Tönen und wird in den konzentrierteren Anhäufungen des<br />
Ratterns auch immer ordinario erreicht – mit Zunahme der Energie, die in den Bogenstrich<br />
fließt: vom einfachen Tenuto-Strich (meist Flageoletts) über die Tremolo-Bewegung des<br />
Bogens – auch gemeinsam mit Figurationen in der linken Hand – zum gepressten<br />
Bogenstrich.<br />
57
9. Übergänge zum gepressten Bogenstrich<br />
9.1 Gran Torso<br />
Im I. Streichquartett kommen einige Übergänge in den bzw. aus dem gepressten<br />
Bogenstrich vor, die innerhalb einer Instrumentalstimme und ohne den Bogen abzusetzen<br />
notiert sind. Es überwiegt dabei der Übergang vom bzw. in das Flautato; es gibt aber auch<br />
einige Verbindungen über Saltando und Balzando. Am Beginn des Stückes (Abb. 65, T. 7)<br />
befindet sich ein direkten Übergang vom Triller zum gepressten Bogenstrich, der diesen<br />
Ordinario-Ton „zerstört“, in der ersten dichteren Ratter-Stelle dieses I. Streichquartetts (T.<br />
61f., Abb. 76) entwickelt sich gepresstes Tremolo aus Ordinario-Tremolo 85 und ziemlich<br />
am Schluss (Abb. 70, T. 268) geht der gepresste Bogenstrich des Cello auch in tonloses<br />
Streichen am Steg über.<br />
Diese Übergänge beim gepressten Bogenstrich sind auf die Ratter-Stellen des ganzen<br />
Stückes verteilt, finden sich in der großen Ratter-Passage aber verhältnismäßig wenig. An<br />
dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Übergänge mit Flautato kaum hörbar sind 86<br />
und eher eine optische Wirkung für den Zuseher haben, 87 also die große Ratter-Stelle – in<br />
der nur Übergänge vom oder zum Flautato vorkommen – klanglich nicht beeinflussen. In<br />
diesem großen Ratter-Feld haben die Übergangsstellen entweder die Aufgabe, zwei<br />
gepresste Bogenstriche an unterschiedlichen Kontaktstellen eines Instruments zu verbinden<br />
(z.B. vom Rattern in der Nähe des Stegs zum gepressten Bogenstrich bei der<br />
Griffbrettkante wie in T. 211, Cello) oder den Zuseher die Ohren spitzen zu lassen, weil er<br />
zwar etwas sieht (die Bogenverlagerung), aber zunächst 88 nichts hört.<br />
Die restlichen Übergänge innerhalb eines Bogenstrichs haben vor allem die Aufgabe,<br />
auf Mikroebene den Klangwechsel anzudeuten, der sich auf der Makroebene abspielt; die<br />
Übergänge befinden sich also vor allem in der Nähe des Anfangs oder des Schlusses einer<br />
Ratter-Passage (z.B. Abb. 76, T. 54, T. 62 und 63), wie später beim II. Streichquartett<br />
(Abb. 71, T. 366). Eine andere Aufgabe dieser Übergänge ist es, das Rattern mit einer<br />
anderen Spielart zu verbinden – wie z.B. in Takt 70, wo das Cello Flageoletts spielt und<br />
die Bratsche währenddessen mit Flautato einsetzt, das in gepressten Bogenstrich übergeht<br />
85 Ein ähnlicher Übergang – umgekehrt und in Verbindung mit Flautato – befindet sich im II. Streichquartett<br />
in T. 388.<br />
86 Diese Übergänge werden nur dann akustisch wahrgenommen, wenn Flautato und der gepresste<br />
Bogenstrich durch Tremolo begleitet werden, wie im II. Streichquartett, S. 65, T. 388.<br />
87 Eine optische Wirkung haben die Übergänge von Flautato zum gepressten Bogenstrich dann, wenn der<br />
Bogenstrich mit Flautato beginnt und in gepressten Bogenstrich übergeht, also zunächst nur zu sehen ist: bis<br />
T. 217 und in T. 223 und 237.<br />
88 Wenn man etwas sieht, beginnt man es auch zu hören.<br />
58
– um so den Eindruck zu erwecken, als ob das Flageolett direkt in den gepressten<br />
Bogenstrich übergehen würde (vgl. Abb. 85).<br />
Abbildung 85: Helmut Lachenmann: Gran Torso – Musik für Streichquartett (1971/76/88), S. 6, T. 65-75<br />
Bei den Übergängen mit den geworfenen Bögen (saltando und balzando) überwiegt die<br />
Tendenz, dass zuerst der geworfene und dann der gepresste Bogen kommt; 89 diese<br />
Reihenfolge ist auch einleuchtend, weil der gepresste Bogen hier eine „Mundzuhalt“-<br />
Funktion hat wie das Dämpfen am Schluss des „Japsers“ in den späteren Streichquartetten.<br />
Generell kann man sagen, dass Lachenmann innerhalb eines Bogenstrichs durchwegs<br />
Spielarten mit dem gepressten Bogenstrich kombiniert, die Gemeinsamkeiten zu diesem<br />
aufweisen:<br />
• Das Flautato-Spiel ist einerseits durch den gänzlich anderen Bogendruck und der<br />
damit verbundenen Endlautstärke der totale Kontrast zum Spiel mit gepresstem<br />
Bogen, andererseits haben diese beiden Spielweisen einige nicht unwesentliche<br />
Gemeinsamkeiten: beide sind Strichbewegungen (wodurch man auch bei beiden<br />
den Bogen verlagern kann) und bei beiden schimmern Tonhöhen zart durch. Der<br />
89 Die einzige Ausnahme befindet sich in Takt 205 (Gran Torso), wo der gepresste Bogenstrich in einen<br />
Saltando-Bogenstrich übergeht – verbunden mit dem „Seitenwechsel“ von hinter dem Steg zu vor dem Steg.<br />
59
Übergang vom Flautato zum gepressten Bogenstrich ist akustisch abrupt 90 aber<br />
optisch einleuchtend, vor allem, wenn der verlagerte gehauchte Bogenstrich in den<br />
verlagerten gepressten Bogenstrich oder umgekehrt übergeht.<br />
• Balzando und saltando „perforieren“ 91 den Ton ebenso wie der gepresste<br />
Bogenstrich, außerdem kann der Bogen auch bei diesen Spielarten verlagert<br />
werden.<br />
• Die Transformation des einen langsam vibrierenden Ordinario-Tones zum<br />
gepressten Bogenstrich (Abb. 65, T. 7) ist noch schlüssiger als der Übergang vom<br />
Flautato, da einerseits Bogendruck und Lautstärke des Ordinario-Tones sich vom<br />
gepressten Bogenstrich nicht so extrem unterscheiden wie der gehauchte<br />
Bogenstrich, andererseits dieses Vibrato auf seine Art auch einen „unbeständigen“<br />
Ton aufweist wie der durch den gepressten Bogenstrich erzeugte Klang.<br />
• Der Übergang vom Tremolo zum gepressten Bogenstrich (Abb. 76, T. 62) ist hier<br />
besonders fließend gestaltet, da er vom Ordinario-Tremolo über ein großes<br />
Crescendo (welches ja durch Verstärkung des Bogendrucks erreicht wird) in das<br />
gepresste Tremolo mündet; außerdem muss man bei beiden Stricharten eine<br />
ähnliche Menge an Energie aufwenden, um das gewünschte Resultat<br />
hervorzubringen.<br />
• Das tonlose Spiel ist ebenso wie Flautato eher Gegensatz zum gepressten<br />
Bogenstrich und hauptsächlich über die Tatsache des Streichens mit ihm<br />
verbunden; beim tonlosen Spiel ist der Bogendruck zwar etwas höher als bei<br />
Flautato und dadurch dem gepressten Bogenstrich über die Abstufung des<br />
Bogendrucks näher („ff“), dafür ist aber der Pegelunterschied noch größer. Auch<br />
wie bei Flautato ist der Übergang mit dem gepressten Bogenstrich akustisch nicht<br />
verbunden, bietet aber im Gegensatz zu den Übergängen von Saltando optisch<br />
einen starken Zusammenhalt (Abb. 70, T. 268).<br />
Der direkte Übergang vom „knirschenden“ zum „ratternden“ Bogen wird wahrscheinlich<br />
von Lachenmann wegen der zu logischen Fortschreitung nicht ausgeführt: beide<br />
Spielweisen sind durch das hörbare Resultat und die Art der Hervorbringung sehr eng<br />
miteinander verbunden. Einen Zusammenhang dieser beiden Spielweisen gibt es im I.<br />
90 Abrupt ist dieser Übergang nur dann nicht, wenn die beiden Strichweisen über Tremolo verbunden sind.<br />
91 Lachenmann, Helmut: „Siciliano – Abbildungen und Kommentarfragmente.“ In: Musik als existentielle<br />
Erfahrung, S. 178-185, hier S. 180<br />
60
Streichquartett dennoch: Am Anfang des Stückes werden beide Spielweisen<br />
zueinandergebracht (T. 14-17 und Abb. 1, T. 7).<br />
Im Überblick des ganzen Stückes steht der gepresste Bogenstrich in einer Reihe von<br />
Abstufungen: Das Werk geht vom Flautato-Tenuto mit ständiger Bogenverlagerung aus –<br />
gelegentlich von Impulsen wie Spannschraubentupfern, Pizzicati und Ähnlichem<br />
durchbrochen – und mündet zunächst in einen akustischen (ab T. 81, aber vor allem ab T.<br />
104) und weitgehend auch optischen Stillstand – ohne Bogenverlagerung (ab T. 101).<br />
Diese „Leere“ 92 wird – nach Vorbereitung durch tonlose Tremolo-Impulse (ab T. 107) –<br />
zunächst mit einzelnen springenden Bögen (ab T. 122) und Bogenhölzern (ab T. 132)<br />
artikuliert, dann durch eine Flut von springenden Bögen (und Bogenhölzern) abgelöst (ab<br />
T. 145). Über arpeggierte Pizzicati 93 (T. 183/184) wird schließlich ein Ratter-Feld erreicht,<br />
dessen lange Bogenstriche zunächst eine Verbindung zum Tenuto-Beginn herstellen (ab T.<br />
188 bzw. 209). Diese gepressten Bogenstriche werden dann durch die „Wahwah“-<br />
Dämpfbewegung schrittweise verkürzt (Abb. 69 und 70, ab T. 253), bis das Ratter-Feld nur<br />
noch aus sehr kurzen Bogenstrichen und Pizzicati besteht (Abb. 70, ab T. 257). Das Werk<br />
endet mit synchronen Bartók-Pizzicati (ab T. 273). Der gepresste Bogenstrich nimmt in<br />
dieser Abstufung eine Doppelfunktion ein: einerseits stellt er den Bezug zum Tenuto des<br />
Beginns her, andererseits ist er Übergangshilfe zwischen springendem Bogen und<br />
Einzelimpuls.<br />
9.2 Reigen seliger Geister<br />
Im II. Streichquartett befinden sich nur zwei gepresste Bogenstriche, die sich aus einer<br />
anderen Spieltechnik entwickeln bzw. vom gepressten Bogenstrich ausgehend in einer<br />
anderen Spieltechnik enden: es sind dies der erste und der letzte gepresste Bogenstrich im<br />
einzigen Ratter-Feld des II. Streichquartetts (vgl. Abb. 71, T. 366 und Abb. 72, T. 388).<br />
Der erste gepresste Bogenstrich des Feldes entwickelt sich aus einem Flautato-<br />
Bogenstrich, und der letzte, tremolierend gepresste Bogen, endet in Flautato-Tremolo.<br />
Damit wurden hier Übergänge zwischen zwei Spielweisen gewählt, die auch schon im I.<br />
Streichquartett verwendet wurden. Der Übergang zwischen gepresstem und gehauchtem<br />
Tremolo ist allerdings neu, da im I. Streichquartett während des Tremolo die Abstufung<br />
92 Lachenmann, Helmut: „Fragen – Antworten (Gespräch mit Heinz-Klaus Metzger).“ In: Musik als<br />
existentielle Erfahrung, S. 191-204, hier S. 198<br />
93 Ein (indirekter) Übergang von arpeggierten Pizzicati zum gepressten Bogenstrich findet sich auch im II.<br />
Streichquartett, siehe Kapitel 7.<br />
61
des Bogendrucks vom Ordinario- und nicht vom Flautato-Ton aus passiert – also von<br />
einem dem gepressten Bogenstrich ähnlicheren Bogendruck.<br />
Durch diese Übergänge wird gezeigt, dass der gepresste Bogenstrich doch mit dem<br />
gehauchten Bogenstrich zusammenhängt, dessen zweiten Gegenpol er neben dem Pizzicato<br />
bilden sollte. Auch führt der erste der beiden Übergänge an den Grenzpfeilern dieses<br />
Ratter-Feldes – vom Flautato zum gepressten Bogenstrich, mit Pizzicato-Einwürfen – auf<br />
Mikroebene noch einmal vor Augen, was auf der Makroebene passiert: das Stück begann<br />
im Flautato-Gestus und gelangte über ein riesiges Pizzicato-Feld zum gepressten<br />
Bogenstrich.<br />
Der gepresste Bogenstrich steht im II. Streichquartett auf das gesamte Werk gesehen in<br />
einer anderen Abstufung als im I. Streichquartett. Ähnlich wie im I. Streichquartett beginnt<br />
das Werk im Flautato und endet mit Einzelimpulsen; die Entwicklung vom Einen zum<br />
Anderen geht im II. Streichquartett aber anders vonstatten: Das Flautato – aus den<br />
Komponenten Streichgeräusch und Bogenverlagerung zusammengesetzt – erreicht<br />
zunächst einen Tonlos-Abschnitt, wo einerseits zwar die seitlich-schräge Bogenbewegung<br />
unterbrochen wird, dafür aber der Bogen in sehr ungewöhnlicher Form zum Instrument<br />
gehalten wird (bei Bogenstrichen auf Schnecke, Stimmwirbel und Steg-Seitenkante),<br />
andererseits das Rauschen durch das Streichen auf Holzteilen der Instrumente maximiert<br />
wird. Ab Takt 85 kommt es zur Kulmination der Verlagerung durch über einen längeren<br />
Zeitraum gehende Hin- und Zurückbewegung des Bogens zwischen Steg und Griff-Finger<br />
und gleichzeitige „Verlagerung“ der Greif-Hand. Die ersten beiden Klangabstufungen im<br />
II. Streichquartett – tonloses Spiel und Obertonglissandi plus Bogenverlagerung – stellen<br />
beide verstärkte Varianten ein und derselben Spieltechnik dar: des Flautato; das tonlose<br />
Spiel (Rauschen) steht für den Aspekt der wahrnehmbaren Bogenstrichbewegung beim<br />
Flautato, die Glissandi verstärken optisch und akustisch die Verlagerung des Bogens.<br />
In weiterer Folge kommt es zu einer Verstärkung des Impulshaften, das in den Takten<br />
280-354 überhand nimmt.<br />
Danach lösen Ratter-Glissandi die Pizzicati ab: der gepresste Bogenstrich stellt<br />
einerseits durch die Art der Hervorbringung und das Klangresultat das Gegenstück des<br />
Flautato dar, andererseits stellt der verlagerte gepresste Bogenstrich (und damit verbunden<br />
das ratternde Glissando) die Verstärkung eines dritten Aspekts des Flautato dar: die aus der<br />
Kombination von Rauschen und Bogenverlagerung resultierende Helligkeitsabstufung des<br />
Rauschens („Rausch-Glissandi“).<br />
62
Das II. Streichquartett endet – nach einem mit dem Stillstand in Gran Torso (ab T.<br />
104) vergleichbaren Tonlos-Abschnitt (T. 401-412) – in gewisser Weise ähnlich wie das I.<br />
Streichquartett: mit teilweise synchronen Impulsen; nur dass das II. Streichquartett mit<br />
nachhallenden Flageolett-Aufstrichen endet, in vielerlei Hinsicht Gegenstücke zu den<br />
Bartók-Pizzicati am Ende des I. Streichquartetts: mit dem Bogen gestrichen statt gezupft,<br />
pppp statt ffff, crescendierend statt abfallender dynamischer Kurve der Impulse, strahlend<br />
statt dumpf… So endet das Werk gleich, wie es beginnt: im Flautato-Gestus.<br />
Vereinfacht dargestellt ist der gepresste Bogenstrich im II. Streichquartett Teil einer<br />
Abstufung Flautato – Pizzicato – „gepresstes Flautato“ – „Flautato-Impulse“ 94 ; im II.<br />
Streichquartett steht der gepresste Bogenstrich also in einer doppelten Hinwendung des<br />
Flautato zum Impulshaften für einen (verstärkten) Aspekt des Flautato, das Glissando.<br />
9.3 Grido<br />
Im III. Streichquartett gibt es keine einzige Stelle, wo ein gepresster Bogenstrich innerhalb<br />
eines Parts ohne dazwischenliegende Pause aus einer anderen Spielart durch<br />
Transformation erreicht wird (oder umgekehrt). Das zeigt auf einer weiteren Ebene der<br />
Anwendung des gepressten Bogenstrichs, dass seine Varianten mit der Zeit weniger<br />
komplex werden.<br />
Statt den Übergängen zum gepressten Bogenstrich gibt es gleichzeitig auftauchendes<br />
Material bei allen Ratter-Feldern des III. Streichquartetts: Tremolo bzw. schnelle<br />
Figuration von Ordinario-Tönen ist bei jedem der Ratter-Felder fast durchgehend<br />
vorhanden.<br />
Nur im III. Streichquartett werden die Ratter-Felder über Ordinario-Töne mit ihrem<br />
Umfeld in Zusammenhang gebracht – und die Kombination der Ordinario-Töne mit<br />
Figurationen bzw. Tremoli ist mit dem gepressten Bogenstrich sehr eng verwachsen:<br />
einerseits über den ähnlichen Bogendruck von ordinario und gepresstem Bogenstrich und<br />
die damit verbundene Lautstärke, andererseits über die verwandte Energiezufuhr bei<br />
Erzeugung von Tremolo bzw. vom gepressten Bogenstrich.<br />
Außerdem ist das letzte Streichquartett das einzige der drei Streichquartette, in dem<br />
jedes Ratter-Feld mit derselben Spieltechnik in Zusammenhang gebracht wird. 95<br />
94 Obwohl die Nachhall-Bogenstriche am Ende der Partitur selbst einen Bezug zum Flautato herstellen, sind<br />
sie im Gesamtablauf des Werkes als impulshaft zu betrachten.<br />
95 Die Feststellung, dass in den früheren beiden Streichquartetten keine Spielweise bei allen Ratter-Feldern<br />
des jeweiligen Streichquartetts ständig vorhanden ist, kann für das II. Streichquartett nur bedingt gelten, da es<br />
im II. Streichquartett nur ein Ratter-Feld gibt.<br />
63
Da im III. Streichquartett außer dem einen großen Ratter-Feld keine großflächigen<br />
Klangkonzentrationen mit sich vom normalen Bogenstrich unterscheidenden Spielweisen –<br />
wie z.B. Pizzicato- oder Tonlos-Felder in den früheren beiden Streichquartetten –<br />
vorkommen, gibt es im III. Streichquartett keine Entwicklung des Werkes von einer zu<br />
einer anderen Spieltechnik. Im III. Streichquartett befinden sich stattdessen Tenuto-Felder,<br />
die meist Schwebungen oder Unisoni enthalten, und Unruhe-Felder, die sich voneinander<br />
durch die verwendeten Unruhefaktoren wie gepressten Bogenstrich, Tremoli, Figurationen<br />
und verschiedensten Arten von Impulsen unterscheiden.<br />
Zusammenfassung<br />
Das Geräusch spielt in den späteren Streichquartetten eine immer weniger wichtigere<br />
Rolle: ist das Thema das I. Streichquartetts noch ein Erkunden der fremden Spieltechniken,<br />
beschäftigt sich das II. Streichquartett mit dem Übergang zwischen Ton und Rauschen; im<br />
III. Streichquartett schließlich steht der Ordinario-Ton und dessen Tendenz zur Schwebung<br />
im Vordergrund.<br />
Diese Entwicklung der Streichquartette weg vom Geräusch ist einerseits in der<br />
Notation veranschaulicht: Im I. Streichquartett dominiert das Geräusch, das ist in der<br />
Partitur durch vorwiegende Aktionsnotation (ohne Notenlinien) und zusätzliche<br />
Verwendung des herkömmlichen Notenschlüssels inklusive Fünfliniensystem gelöst; im<br />
Mittelpunkt des II. Streichquartetts steht der Übergang vom Ton zum Rauschen,<br />
dementsprechend sind Steg- und herkömmlicher Notenschlüssel immer gleichzeitig<br />
vorhanden; und im III. Streichquartett spielt der Ordinario-Ton die wichtigste Rolle, also<br />
gibt es vorwiegend die Notation mit dem herkömmlichen Notenschlüssel und<br />
Fünfliniensystem und nur gelegentliche Verwendung des Steg- oder Saitenschlüssels.<br />
Andererseits kann man diese Entwicklung weg vom Geräusch auch auf der Ebene der<br />
Spieltechniken verfolgen: Zwar werden in allen drei Streichquartetten im Großen und<br />
Ganzen dieselben Spielweisen verwendet, diese werden im Laufe der Zeit aber immer<br />
weniger differenziert ausgearbeitet. Außerdem wandelt sich der Einsatz der verschiedenen<br />
Spielweisen in den Streichquartetten mit der Zeit: wurden im I. Streichquartett noch<br />
mehrere Spieltechniken auf große Felder „auskomponiert“ (Flautato, tonloses Spiel,<br />
Saltando/Balzando, gepresster Bogenstrich, Pizzicato), beschäftigte sich das II.<br />
Streichquartett schon nur mehr mit zwei verschiedenen Spieltechniken (Flautato und<br />
64
Pizzicato); und im III. Streichquartett wurden keine „fremden“ Spieltechniken mehr<br />
auskomponiert, sondern verschiedene Zustände, deren Anzeiger meist der gepresste<br />
Bogenstrich ist.<br />
Der gepresste Bogenstrich hat im I. Streichquartett gleichzeitig die Funktionen<br />
Ausgleich zum langen stillen Teil und Vermittler zwischen Tenuto und Einzelimpuls; hier<br />
steht er in der Klangabstufung Tenuto (zunächst flautato mit Bogenverlagerung, dann<br />
tonlos ohne Bogenverlagerung) – springender Bogen – arpeggierte Pizzicati – lange<br />
gepresste Bogenstriche – kurze gepresste Bogenstriche – Pizzicati.<br />
Im II. Streichquartett ist die Rolle des gepressten Bogenstrichs ziemlich komplex, da er<br />
gleichzeitig Gegensatz und Entwicklung des Flautato-Beginns darstellt; außerdem ist das<br />
Rattern Bestandteil einer anderen Klangabstufung als im I. Streichquartett: Flautato –<br />
Pizzicato – gepresster Bogenstrich – Flautato-Impuls, wobei der gepresste Bogenstrich<br />
auch zum Pizzicato Gegensätze und Zusammenhänge aufweist.<br />
Beim Betrachten der Transformationen von einer Spielart zum gepressten Bogenstrich<br />
(nur im I. und II. Streichquartett) wurde entdeckt, dass solche Übergänge oft im Kleinen<br />
darstellen, was im Gesamtformablauf der Streichquartette passiert.<br />
Während die Ratter-Felder des I. Streichquartetts noch durch verschiedenste<br />
Spieltechniken eingeleitet werden und auch in direkter Verbindung mit Flautato, Balzando,<br />
Triller, Tremolo und Tonlos stehen, gibt es im III. Streichquartett nur eine – vorher kaum<br />
dagewesene – Art der Zusammenhangbildung: über Ordinario-Tremolo, das dem<br />
gepressten Bogenstrich in punkto Bogendruck bzw. Lautstärke und Energieaufwand am<br />
nächsten steht.<br />
65
Werkverzeichnis Helmut Lachenmann 96<br />
Musiktheater<br />
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (1990-96) -- abendfüllend<br />
Musik mit Bildern<br />
Text: Hans Christian Andersen, Gudrun Ensslin, Leonardo da Vinci<br />
UA: Hamburg, 26. Januar 1997<br />
Chor<br />
Consolation I (1967) -- 10’<br />
UA: Bremen, 3. Mai 1968<br />
Consolation II (1968) -- 6’30’’<br />
UA: Basel, 15. Juni 1969<br />
Les Consolations (1967-68/1977-78) -- 38’<br />
Präludium – Consolation I – Interludium – Consolation II – Postludium<br />
UA: Darmstadt, 10. August 1978<br />
Orchester<br />
Souvenir (1959) -- 15’<br />
UA: Stuttgart, 11. November 1994<br />
Kontrakadenz (1970/71) -- 18’<br />
UA: Stuttgart, 23. April 1971<br />
Klangschatten – mein Saitenspiel (1972) -- 25’<br />
UA: 20. April 1972<br />
Fassade (1973) -- 20’<br />
UA: Bonn, 22. September 1973<br />
Schwankungen am Rand (1974/75) -- 33’<br />
UA: Donaueschingen, 17. Oktober 1975<br />
Staub (1985/87) -- 20’<br />
UA: Saarbrücken, 19. Dezember 1987<br />
Tableau (1988/89) -- 12’<br />
96 aus dem Werkverzeichnis von Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, August 2005<br />
66
UA: Hamburg, 4. Juni 1989<br />
SCHREIBEN (2003/04) -- 28’<br />
UA: Tokyo, 4. Dezember 2003<br />
Double (Grido II) (2004) -- 28’<br />
Bearbeitung des III. Streichquartetts Grido für Streichorchester<br />
UA: Luzern, 5. September 2005<br />
Soloinstrumente mit Orchester<br />
Notturno (Musik für Julia) (1966/68) -- 15’<br />
UA: Brüssel, 25. April 1969<br />
Air (1968/69/94) -- 20’<br />
UA: Frankfurt, 1. September 1969<br />
UA der Neufassung: Graz, 8. Oktober 1994<br />
Accanto (1975/76) -- 26’<br />
UA: Saarbrücken, 30. Mai 1976<br />
Tanzsuite mit Deutschlandlied (1979/80) -- 36’<br />
UA: Donaueschingen, 18. Oktober 1980<br />
Harmonica (1981/83) -- 31’<br />
UA: Saarbrücken, 15. Mai 1983<br />
Ausklang (1984/85) -- 50’<br />
UA: Köln, 18. April 1986<br />
NUN (1999/2002) -- 38’<br />
UA: Köln, 20. Oktober 1999<br />
Ensemble<br />
Mouvement (– vor der Erstarrung) (1983/84) -- 24’<br />
UA: Paris, 12. November 1984<br />
„… zwei Gefühle …“, Musik mit Leonardo (1992) -- 23’<br />
UA: Stuttgart, 9. Oktober 1992<br />
Concertini (2005) -- 32’<br />
UA: Luzern, 25. August 2005<br />
67
Kammermusik<br />
Streichtrio (1965) -- 10’<br />
UA: Gent, 29. März 1966<br />
Trio fluido (1966) -- 16’<br />
UA: München, 5. März 1968<br />
temA (1968) -- 14’<br />
UA: Stuttgart, 19. Februar 1969<br />
Gran Torso (1971/76/88) -- 23’<br />
UA: Bremen, 6. Mai 1972<br />
Dritte Stimme zu J. S. Bachs zweistimmiger Invention d-moll BWV 775 (1985) -- 2’<br />
variable Besetzung (3 Stimmen)<br />
UA: München, 1986<br />
Allegro sostenuto (1986-88) -- 32’<br />
UA: Köln, 3. Dezember 1989<br />
II. Streichquartett “Reigen seliger Geister” (1989) -- 28’<br />
UA: Genf, 28. September 1989<br />
Sakura (2000) -- 6’<br />
Variationen über ein japanisches Volkslied<br />
UA: Köln, 18. Februar 2001<br />
III. Streichquartett „Grido“ (2001/02) -- 28’<br />
UA: Melbourne, 2. November 2001<br />
UA der revidierten Fassung: Witten, 27. April 2002<br />
Soloinstrumente<br />
Intérieur I (1966)<br />
UA: Santa Fe, 14. August 1967<br />
Pression (1969) -- 9’<br />
UA: Como, 30. September 1970<br />
Dal niente (Intérieur III) (1970) -- 12’<br />
UA: Nürnberg, 4. Juni 1970<br />
Salut für Caudwell (1977) -- 30’<br />
UA: Baden-Baden, 3. Dezember 1977<br />
Toccatina (1986) -- 3’<br />
UA: Stuttgart, 20. Mai 1988<br />
68
Klavier<br />
Fünf Variationen über ein Thema von Franz Schubert (1956) -- 10’<br />
UA: Stuttgart, 1957<br />
Echo Andante (1962) -- 12’<br />
UA: Darmstadt, 18. Juli 1962<br />
Wiegenmusik (1963) -- 4’<br />
UA: Darmstadt, 1. April 1964<br />
Guero (1970/88) -- 3’<br />
UA: Hamburg, 1. Dezember 1970<br />
Ein Kinderspiel (1980) -- 17’<br />
Sieben kleine Stücke<br />
UA: Toronto, 17. Februar 1982<br />
SERYNADE (1997/98) -- 30’<br />
UA: Akiyoshidai, 30. Juli 1998<br />
UA der erweiterten Fassung: Stuttgart, 13. Februar 2000<br />
Schriften<br />
Musik als existentielle Erfahrung<br />
Schriften 1966-1995<br />
herausgegeben von Josef Häusler<br />
2., aktualisierte Auflage 2004<br />
69
Literaturverzeichnis<br />
Bossert, Dorothea; Jahn-Bossert, Hans-Peter: „Gespräch mit Helmut Lachenmann.“ In:<br />
SWR Vokalensemble – Konzerte 2005/06, Stuttgart, 2005, S. 69-77<br />
Federhofer, Hellmut: „Ein Beitrag zur Ästhetik Neuer Musik des 20. Jahrhunderts.“ In:<br />
Acta Musicologica, Jg. 70, Nr. 2 (Juli – Dezember 1998), S. 116-132<br />
Hockings, Elke: „A Portrait of Helmut Lachenmann.” In: Tempo, Nr. 185 (Juni 1993), S.<br />
29-31<br />
Jahn, Hans-Peter: „Metamorphose Prozesse in den Kompositionen von Helmut<br />
Lachenmann. Bemerkungen zu GRAN TORSO für Streichquartett und SALUT FÜR<br />
CAUDWELL.“ In: CD-Beilage zu Gran Torso und Salut für Caudwell, col legno, 1988<br />
Kaltenecker, Martin: „Manches geht in der Nacht verloren. Fragmente zu Lachenmanns<br />
Reigen seliger Geister.“ In: Gratzer, Wolfgang (Hg.): Nähe und Distanz. Nachgedachte<br />
Musik der Gegenwart. Hofheim, 1995, S. 33-49<br />
Lachenmann, Helmut: Musik als Existentielle Erfahrung – Schriften 1996-1995. Breitkopf<br />
& Härtel: Wiesbaden, 2004<br />
Mäckelmann, Michael: „Helmut Lachenmann oder ,Das neu zu rechtfertigende Schöne’.<br />
Zum 50. Geburtstag des Komponisten.“ In: Neue Zeitschrift für Musik, Jg. 146, Nr. 11<br />
(November 1985), S. 21-25<br />
Mayer, Daniel: Helmut Lachenmann – ästhetische Positionen eines Komponisten. Graz,<br />
2000<br />
Nonnenmann, Rainer: Angebot durch Verweigerung. Die Ästhetik instrumentalkonkreten<br />
Klangkomponierens in Helmut Lachenmanns Orchesterwerken. Kölner Schriften zur<br />
Neuen Musik 8, Schott Musik International: Mainz, 2000<br />
Pace, Ian: „Positive or Negative 1.“ In: The Musical Times, Jg. 139, Nr. 1859 (Januar<br />
1998), S. 9-17<br />
Pace, Ian: „Positive or Negative 2.“ In: The Musical Times, Jg. 139, Nr. 1860 (Februar<br />
1998), S. 4-15<br />
Ruzicka, Peter: „Wege zu einer neuen ästhetischen Qualität. Zu Helmut Lachenmanns<br />
Materialästhetik.“ In: Schäfer, Thomas (Hg.): Erfundene und gefundene Musik.<br />
Hofheim: Wolke, 1998, S. 71-77<br />
Sielecki, Frank: Das Politische in den Kompositionen von Helmut Lachenmann und<br />
Nicolaus A. Huber. Saarbrücken: Pfau, 2000<br />
70
Stenzl, Jürg: „die schönheit des unerkannten und ungewohnten.“ In: CD-Beilage zum II.<br />
Streichquartett und zur Tanzsuite mit Deutschlandlied, 1994<br />
Stenzl, Jürg: Ohrenspitzer. In: Programmheft zu den Salzburger Festspielen 2002, S. 90-95<br />
Thein, Wolfgang: „Lachenmann, Helmut Friedrich.“ In: MGG 2 , Personenteil Bd. 10,<br />
Kassel: Bärenreiter, 2003, Sp. 968-974<br />
71