Volltext - Musiktheorie / Musikanalyse - Kunstuniversität Graz
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Die Pause in der Musik Anton Weberns<br />
vor dem Hintergrund ihrer strukturellen und rhetorischen Funktion<br />
seit dem 16. Jahrhundert<br />
Magisterarbeit<br />
im Fach <strong>Musiktheorie</strong><br />
an der<br />
Kunstuniversität <strong>Graz</strong><br />
INSTITUT 1<br />
Komposition, <strong>Musiktheorie</strong>, Musikgeschichte und Dirigieren<br />
Natasa Nesic<br />
Betreuer: VProf. Dr. Christian Utz<br />
März 2009
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung 2<br />
1. „Stille“ und Pause: systematische Aspekte 4<br />
2. Funktionen der Pause vom Barock bis in die Romantik 6<br />
2.1. Die Pause als Stilmittel der musikalischen Rhetorik 6<br />
2.2. Die Pause als strukturierendes und formbildendes Element 13<br />
2.3. Die Pause als Vermittlung zwischen Struktur und Emotion 17<br />
3. Die Pause als Grundlage der musikalischen Sprache und Struktur in der Musik<br />
Anton Weberns 23<br />
3.1. Pause und Textausdeutung in Weberns frühen Vokalwerken 24<br />
3.1.1. Die Eindrücke der Stille 24<br />
3.1.2. Der ausgelassene Hauptakzent 26<br />
3.1.3. Unvermittelte Aussage 28<br />
3.2. Aphorismus - musikalische Kürze 30<br />
3.2.1. Unlogik 30<br />
3.2.2. Komprimierte Form 37<br />
3.3. Pause als strukturierendes und formbildendes Element in Weberns<br />
Vokal- und Instrumentalmusik 46<br />
3.3.1. Vollständige musikalische Gedanken 46<br />
3.3.2. Der „strenge Satz“ der Vokalpolyphonie 49<br />
3.3.3. Musikalische Formen: Satz, Periode, Dreiteilige Form 51<br />
3.4. Die Pause als Vermittlung zwischen Äußerem und Innerem 61<br />
3.4.1. Punktuelle Motivik und Emanzipation der Pausen 61<br />
3.4.2. Zeit und Raum 66<br />
4. Die Auswirkung der Pausenbehandlung bei Webern auf nachfolgende<br />
Komponisten 80<br />
5. Zusammenfassung und Ausblick 83<br />
Literaturverzeichnis 85<br />
1
Einleitung<br />
Das Thema der Pause bzw. der Stille in der Musik als kompositorisches<br />
Gestalltungmittel wurde im Diskurs der <strong>Musiktheorie</strong> bislang vernachlässigt. Meist<br />
werden Pausen in einem musikalischen Werk als Zäsur oder, in Vokalwerken, als<br />
Atempausen interpretiert. Die wichtigen rhetorischen und strukturellen Bedeutungen<br />
und Funktionen der Pause wurden dagegen nur selten genauer untersucht.<br />
Die Funktion von Pausen in tonaler Musik setzt das System der musikalischen<br />
Rhetorik und Figurenlehre voraus. Innerhalb dieser Systeme werden Pausen meistens<br />
erst in Verbindung mit weiteren musikalischen Parametern (Melodie, Harmonie,<br />
Rhythmus und Metrum) und mit sprachlichen Bedeutungen (im Falle von<br />
Textvertonungen) verständlich.<br />
In der Musik des 20. Jahrhunderts fällt der Pause infolge von Athematik und<br />
Atonalität mehr als früher eine substantielle Bedeutung für die Artikulation<br />
musikalischer Struktur und Gestalt bzw. für die Architektonik eines Werks zu und<br />
wirkt sich entscheidend auf die Aufmerksamkeit des Hörers und seine emotionale<br />
Reaktion aus. Der Pause werden nun zunehmend Funktionen zugeteilt, die in der<br />
Figurenlehre dem Ton vorbehalten waren. Anton Webern vertrat die Auffassung, dass<br />
Stille eine Grundkomponente der Musik und als solche den klingenden Elementen<br />
gleichberechtigt sei.<br />
Im ersten Teil meiner Arbeit versuche ich das Phänomen der Pause unter historischen<br />
und systematischen Gesichtspunkten zu erörtern. Danach gebe ich einen Überblick<br />
über Bedeutung und Funktion der Pause vom Barock bis in die Romantik. Im<br />
Hauptkapitel der Arbeit beschäftige ich mich mit der Analyse ausgewählter Werke<br />
Weberns aus verschiedenen Schaffensperioden unter dem Leitgedanken der Pause als<br />
einem gleichberechtigten musikalischen Grundelement.<br />
Grundsätzlich kann man sagen, dass eine Pause immer entweder eine rhetorische<br />
und/oder strukturelle Funktion einnimmt. In der Barockmusik, insbesondere in Fällen<br />
einer Verbindung mit Text, haben Pausen meist rhetorische Funktion. Mit dem starken<br />
Interesse des klassischen Stils für die Entwicklung der Instrumentalmusik und ihrer<br />
2
Formen verwandelt sich die bisherige rhetorische Funktion der Pause zunehmend in<br />
eine strukturelle. Die romantische Hinwendung zu poetischem musikalischem Gehalt<br />
in instrumentalen Formen schließlich weist der Pause eine Funktion zu, die zwischen<br />
Rhetorik und Struktur vermittelt. Auch in der Musik Anton Weberns, der eine<br />
prägnante Kürze der Aussage und Form in den Mittelpunkt stellte, erhalten Pausen oft<br />
gleichzeitig rhetorische und strukturelle Funktion, und stehen mit (erklingenden und<br />
verklingenden) Tönen auf derselben Stufe.<br />
3
1. „Stille“ und Pause: systematische Aspekte<br />
„Stille“ ist in der Musik zunächst ein Phänomen ihrer Darbietung und umfasst dabei<br />
u.a. folgende Aspekte:<br />
„Stille“ ist in der Musik zunächst ein Phänomen ihrer Darbietung:<br />
- die erwartungsvolle Stille vor einem Konzert, wenn der Konzertmeister durch sein<br />
Aufstehen die „Katzenmusik“ zum Schweigen bringt und mit dem Stimmen der<br />
Instrumente beginnt. Danach tritt erneut Stille ein. Der Dirigent betritt unter Applaus<br />
das Podium und kündigt durch das Heben des Taktstocks den Beginn der<br />
Aufführung an,<br />
- die Stille nachdem der letzte Ton eines Stücks verklungen ist und wir noch erfüllt<br />
sind von den gerade erlebten Klängen,<br />
- die Stille zwischen dem ersten und zweiten Teil eines Konzertprogramms,<br />
angereichert von den bereits erlebten und den zu erwartenden Klängen.<br />
Laut Wilhelm Seidel setzt ein musikalisches Ereignis Stille voraus. „Wo Musik ertönt,<br />
ist es mit der Stille vorbei.” 1 Das musikalische Werk tritt in Stille ein, spielt sich in ihr<br />
ab und geht zuletzt wieder in sie über.<br />
Stille bzw. Pause ist ein kompositorisches Mittel mit mehreren Aufgaben:<br />
-musikalische Binnengliederung,<br />
-Schweigen aller Stimmen,<br />
-Schlussbildung,<br />
-Atemzeichen (in der Vokalmusik und in der Musik für Bläser bezeichnen sie<br />
Stellen, an denen die Ausführenden einatmen sollen).<br />
1 Wilhelm Seidel, Tönende Stille – Klänge aus der Stille, in: Kunst verstehen Musik verstehen, (=<br />
Schriften zur musikalischen Hermeneutik Bd. 3), hg. von Siegfried Mauser, Laaber (Laaber) 1993,<br />
S. 237.<br />
4
Stille und ihre Bedeutung in der Musik ist mit den Phänomenen in der Natur<br />
vergleichbar:<br />
-der Abstand zwischen zwei Atomen, der im Größenverhältnis unendlich erscheint,<br />
-das Vakuum im Weltall, in dem kein Schall übertragen werden kann,<br />
-die Abständen zwischen einzelnen Bäumen in einem Wald. Durch diese Abstände<br />
können wir erkennen, ob der Wald dicht oder licht ist. Die Abstände beschreiben ein<br />
Verhältnis zwischen Detail und Ganzem; die Leere zwischen den Bäumen zeigt sich<br />
– ebenso wie die Stille zwischen zwei Klängen – als eine Aktivität und keinesfalls<br />
als ein „Nichts“.<br />
Das Wechselspiel von Pause und Musik definiert Hugo Riemann in seinem<br />
System der musikalischen Rhythmik und Metrik folgendermaßen: „Pausen [sind] nicht<br />
Nullwerte, sondern vielmehr Minuswerte, [...] je nach der Bedeutung der positiven<br />
Werte, welche sie negieren“, haben sie „eine gar sehr verschiedene Wirkung.“ 2<br />
2 Hugo Riemann, System der musikalischen Rhythmik und Metrik, Leipzig (Breitkopf und Härtel)<br />
1903, S. 130.<br />
5
2. Die Funktion der Pause vom Barock bis in die Romantik<br />
2.1. Die Pause als Stilmittel der musikalischen Rhetorik<br />
Während die <strong>Musiktheorie</strong> zur Zeit der Mensuralnotation die Pause vor allem als<br />
gegenüber den Notenwerten gleichberechtigten Bestandteil der musica mensurabilis<br />
verstand, setzte Gallus Dreßler in seinem Traktat Praecepta musicae poeticae<br />
(1563/64) sie erstmals in einen Bezug zur Textvertonung.<br />
Die ab ca. 1600 durch Joachim Burmeister formulierte und an Motetten des 16.<br />
Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Orlando di Lasso angelehnte<br />
musikalische Figurenlehre beschäftigte sich mit semantisierten musikalischen<br />
Gestalten, deren Namensgebung an die Rhetorik angelehnt war. Oft bildete die Pause<br />
ein maßgebliches Element um den Charakter dieser Figuren zu bestimmen. Auch<br />
anderen Autoren wie Johannes Susenbrotus, Mauritius Johann Vogt, Fabius<br />
Quintilian, Johannes Nucius, Christoph Bernhard, Wolfgang Caspar Printz unterteilten<br />
die musikalischen Figuren unter verschiedenen Aspekten und versuchten ihre<br />
Bedeutungen in ihren Lehrbüchern zu erklären. In zumindest sechs Zusammenhängen<br />
spielte die Pause eine tragende Rolle in der Figurenlehre:<br />
- Wenn anstelle einer zu erwartenden Konsonanz am Ende einer musikalischen<br />
Periode oder einer Komposition der Gesang durch eine Pause plötzlich abgebrochen<br />
wird, handelt es sich um eine abruptio. („Abruptio est, cum periodus musica in fine<br />
posita aliqua pausa abrumpitur“; Vogt, Conclave thesauri magnae artis musicae,<br />
Prag 1719, S. 1.) 3<br />
- Das vorzeitige Abbrechen einer gesungenen Silbe am Ende eines Wortes wird als<br />
apocope bezeichnet. („Apocope, est literae aut syllabae in calce dictionis abscisio“;<br />
Susenbrotus, Epitome troporum ac schematum et Grammaticorum & Rhetorume arte<br />
rhetorica libri tres, Froschauer, Tiguri 1541, S. 22.) 4<br />
3 Dietrich Bartel, Handbuch der musikalischen Figurenlehre, Laaber (Laaber) 1997, S. 78.<br />
4 Ebda., S. 102.<br />
6
- Das auf das Abbrechen eines musikalischen Gedankens oder Satzes infolge der<br />
Wörter „Tod“ oder „Ewigkeit“ oder eines Affekts (wie z. B. Zorn) sich<br />
anschließende Schweigen in allen Stimmen heißt aposiopesis. („Aposiopesis est<br />
totale omnium vocum silentium quôcunque signô datum“; Burmeister,<br />
Hypomnematum musicae poeticae, Rostock 1599.) 5<br />
- Wenn anstatt einer Konsonanz, die als syncopatio zu verstehen ist, eine Pause<br />
gesetzt wird und auf diese eine Dissonanz folgt, erhält die Pause die Bedeutung der<br />
ellipsis. („Ellipsis, id est dictionis sive oratiunculae ad legitimam constructionem<br />
necessarie in sensu defectus”; Susenbrotus, Epitome, Antwerpen 1566, S. 26.) 6<br />
- Wenn der Wert der längeren Note halbiert wird, wobei dessen zweite Hälfte durch<br />
eine Pause ersetzt wird, um auf die Ursache oder Wirkung hinzuweisen bzw. den<br />
Text auszudeuten, entsteht die Figur suspiratio. („Stenasmus, tractus in cantu<br />
suspirando, gamendo“; Vogt, Conclave, S. 7.) 7<br />
- Wenn ein Wort mittels einer kurzen Pause in zwei Teile getrennt wird, ohne dass<br />
etwas auf die Ursache oder Wirkung hindeutet, sondern es aus der Verdeutlichung<br />
des Textes resultiert, nennt man diese Formel tmesis oder diacope. („Tmema vel<br />
Tmesis, sectio syncopatica, suspiria“; Vogt, Conclave , S. 7.) 8<br />
Die Übertragung von Satzzeichen in die <strong>Musiktheorie</strong> erfolgte im Rahmen eines<br />
analogistischen Grundkonzepts von Sprache und Musik, in dem die Musik wie die<br />
Sprache als Organisation von syntaktischen Gliedern erklärt wird. Wolfgang Caspar<br />
Printz (1641-1717) bezeichnet den Melodieabschnitt, der mit einer Clausula Formali<br />
endet als Sectio:<br />
Clausula formalis aber ist der letzte Teil der Section, in welchen die Melodie oder<br />
Zusammenstimmung sich zur Ruhe neiget / so wohl den Text zu unterscheiden / als die Melodie in<br />
gewisse proportionierte Teile abzuteilen. 9<br />
5 Ebsa., S. 104.<br />
6 Ebda, S. 135.<br />
7 Ebda, S. 248.<br />
8 Ebda. S. 262.<br />
9 Zitiert nach: Konrad Fees, Die Incisionslehre bis zu Johann Mattheson, Pfaffenweiler (Centaurus)<br />
1991, S. 88.<br />
7
Die kurzen Abschnitte einer er Sectio bezeichnet Printz als Caesura (vgl. Nbsp. 1) :<br />
„In der ersten Bedeutung [=Einschnitt] ist Caesura ein kleiner Unterschied [...] und geschicht<br />
entweder mit einer etwas<br />
längern Noten / oder einer kleinern Pausen / welche Clausulam<br />
Formalem in etwas nachahmen. In der andern Bedeutung [Abschnitt] ist Caesura<br />
ein Teil der<br />
Section, welcher [...] abgesondert wird.“ 10<br />
Nbsp. 1: Printz, Phrynis Mitylenaeus (1676-1679) 11<br />
S e c t i o<br />
Caesura<br />
Caesura Caesura Caesura<br />
Caes. Caes. Caes.<br />
Die Incisionslehre Johann Matthesons (1681-1764) entwarf vor diesem Hintergrund<br />
eine Hierarchie von der<br />
Periodengliederung dienenden incisiones mit den<br />
Hauptbestandteilen Periodus/Punctus 12 (eine logische Beziehung zwischen Vorderund<br />
Nachsatz, vgl. Nbsp. 2), Comma (Zäsur setzendes Zeichen, rhetorische<br />
Gliederung, kürzestmögliches Glied, vgl. Nbsp. 2), Semicolon/Colon<br />
(logisch<br />
aufeinanderbezogene Glieder, in Relation setzende Zeichen, vgl. Nbsp.<br />
3) sowie<br />
Frage- und Ausrufe-Zeichenen (Affekt-Zeichen, vgl. Nbsp. 4), Parenthesis (Einschub in<br />
einem Gesamtsatz durch<br />
Klammern, Kommata oder Bindestrich),<br />
die eine<br />
Vergleichbarkeit der syntaktischen Relationen in Sprache und Musik gewährleisten<br />
sollten.<br />
10 Ebda.<br />
11 Ebda.<br />
12 Ebda., S. 146-177.<br />
8
Nbsp. 2: Nikolaus Ludwig, Graf und Herr von Zinzendorf und Pottendorf, Nr. 1: Passions-Lied 13<br />
Nbsp. 3: Johann Mattheson, aus einem Rezitativ 14<br />
Nbsp. 4: Francesco Gasparini, aus<br />
einer Arie 15<br />
Heinrich Christoph Koch<br />
(1749–1816) führt sein System der melodischen<br />
Interpunktion auf die von<br />
Johann Mattheson begründeten Incisionen zurück. Er<br />
entwirft ein Modell, bei dem der abschließende Punkt nach den Perioden einer<br />
Klangrede und die Kadenz<br />
am Ende der Perioden eines „melodischen Theils“ sich<br />
entsprechen. Außerdem setzt er die Termini „Absatz“ und „Einschnitt“ (Nbsp. 5 und<br />
6) dem Semicolon und Komma gleich, sie unterscheiden die kleineren Teile einer<br />
Melodie bzw. Klangrede:<br />
13 Ebda., S. 158.<br />
14 Ebda., S. 164.<br />
15 Ebda., S. 174.<br />
9
„Demohngeachtet enthalten n diese Gegenstände viele Ähnlichkeit: so schließt z. B. . der Punkt den<br />
Perioden der Rede wie die<br />
Kadenz den Perioden der Melodie, und der Absatz und Einschnitt<br />
unterscheidet die melodischen Teile der Perioden eben so, wie das Semicolon und<br />
Komma die<br />
kleinern Teile des Perioden der Rede. Und diese Ähnlichkeiten ist es besonders, die mich<br />
veranlaßte, den Ausdruck<br />
Interpunktion bei der Unterscheidung der melodischen Teile zu<br />
brauchen.“ 16<br />
Koch umschreibt die Einschnitte, Absätze und die Schlußsätze als „Ruhepunkte des<br />
Geistes“ und betont, dass sie in der Dichtkunst und Melodie notwendig sind, um den<br />
dargestellten Gegenstand bzw. die Empfindungen verständlich zu machen:<br />
„Dieser Eintheilung zu Folge haben wir drey verschiedene Arten der melodischen Theile kennen<br />
zu lernen, nemlich die Einschnitte, die Absätze und die Schlußsätze; kömmt nach Anleitung des<br />
vorhergehenden §phs theils<br />
die Formel, durch welche sie als Ruhepuncte des Geistes merklich<br />
werden, oder unserm gewählten Ausdrucke zu Folge, das interpunctische Zeichen derselben, theils<br />
aber auch der Umfang oder die Anzahl ihrer Tacte in Betracht.“ 17<br />
Nbsp. 5: Koch, Versuch, II. Band,<br />
S. 372<br />
Einschnitt<br />
Satz<br />
Nbsp. 6: Koch, Versuch, S. 453<br />
Absatz<br />
Schlusssatz<br />
16 Heinrich Christoph Koch,<br />
Versuch einer Anleitung zur Composition, 3 Bde.,<br />
Leipzig und<br />
Rudolstadt 1782-93, Studienausgabe heruasgegeben von Jo Wilhelm Siebert, Hannover (Siebert)<br />
2007, Bd. 2, S. 345.<br />
17 Ebda., S. 347.<br />
10
Johann Nikolaus Forkel (1749–1818) bezeichnet die „ästhetische Anordnung der<br />
musikalischen Gedanken“ 18 als das zentrale Thema musikalischer Rhetorik, und<br />
beklagt die mangelhafte Ausführung dieser Forderung in der Musik seiner Zeit als<br />
Grund für die „Degeneration“ der Musik. 19 Nach Forkel soll der Komponist in der<br />
„Klangrede“ (ein Begriff Matthesons) seinem Publikum Gedanken und Empfindungen<br />
in einer bestimmten Folge vermitteln:<br />
„Die Anordnung musikalischer Gedanken, und die Fortschreitung der durch sie ausgedrückten<br />
Empfindungen, so daß sie unserm Herzen in einem gewissen Zusammenhange beigebracht<br />
werden, wie die in einer Rede enthalteten, nach logischen Grundsätzen auf einander folgenden<br />
Ideen unserm Geiste, ist daher ein Hauptpunkt in der musikalischen Rhetorik und Ästhetik.“ 20<br />
Im 16. bis 18. Jahrhundert hatten Pausen also besonders in Vokalwerken häufig<br />
musikalisch-rhetorische Funktionen. Die Symbolisierung der Todes-Sphäre durch eine<br />
Pause, schon 1592 von Sethus Calvisius erwähnt („In interitu aut silentio, interdum<br />
omnes voces silent“) 21 , findet sich z. B. in Heinrich Schütz’ Motette Die sieben letzten<br />
Worte SWV 478 (1645) oder in Bachs Johannes-Passion BWV 245 (1724, Nbsp. 7).<br />
In beiden Beispielen bricht der musikalische Satz nach dem Tod Jesu unvermittelt ab.<br />
Bei Bach endet die Singstimme auf dem Dominantton ehe die Schlusskadenz vom<br />
Continuo nachgeliefert wird. Die musikalische Figurenlehre kennt dafür den Begriff<br />
abruptio, während die darauffolgende Stille als aposiopesis bezeichnet wird.<br />
18 Johann Nikolaus Forkel, Allgemeine Geschichte der Musik, 1778/1, hg. von Othmar Wessely, <strong>Graz</strong><br />
(Akad. Dr. - und Verl.- Anst) 1967, S.120. Vgl. auch Andreas Liebert: Die Bedeutung des<br />
Wertesystems der Rhetorik für das deutsche Musikdenken im 18. und 19. Jahrhundert (=<br />
Europäische Hochschulschriften), Frankfurt am Main (Lang) 1993.<br />
19 Andreas Liebert: Die Bedeutung des Wertesystems der Rhetorik für das deutsche Musikdenken im<br />
18. und 19. Jahrhundert (= Europäische Hochschulschriften), Frankfurt am Main (Lang) 1993, S.<br />
281.<br />
20 Johann Nikolaus Forkel: Allgemeine Geschichte der Mussik, 1778/1, S. 31. Zit. nach: Liebert:<br />
Bedeutung, S. 278.<br />
21 Katrin Bartels, Musikalisch-rhetorische Figuren in deutschen Evangelienmotetten um 1600,<br />
Dissertation, Univ. Göttingen 1991, S. 234.<br />
11
Nbsp. 7: J. S. Bach, Johannes-Passion, 31. Recitativo<br />
Pausen im Kontext der musikalischen Rhetorik waren also sehr häufig an die<br />
Ausdeutung eines Textes (hypotyposis) 22 gebunden. In der Motette Jesu, meine Freude<br />
(1723-7) veranschaulicht Bach durch Generalpausen das Wort „nichts“ im Text „Es ist<br />
nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind“ (Nbsp. 8).<br />
Nbsp. 8: Bach, Motette Jesu, meine Freude, 2. Satz, Es ist nun nichts Verdammliches, T. 1-6<br />
1<br />
Dem Wort „nichts“ wird durch Pausen von der umgebenden Faktur abgehoben bzw.<br />
durch seine Wiederholung<br />
auf verschiedenen melodischen Stufen bzw.<br />
Tonhöhen<br />
besonders hervorgehoben.<br />
22 Die hypotyposis ist eine musikalisch-rhetorische Figur, bei der ein Textinhalt so ausgedrückt wird,<br />
dass er unmittelbar verständlich wird.<br />
12
2.2. Die Pause als strukturierendes und formbildendes Element<br />
Nbsp. 9: Händel, „Messiah“ („Hallelujah“-Chor), T. 89-94<br />
Bereits seit den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts wird die rhetorische e Pause auch<br />
zur musikalischen Strukturierung eingesetzt, das ist besonders deutlich in Händels<br />
Oratorium Messiah HWV 56 (1741) sowie in Mozarts und Haydns Messen zu<br />
erkennen. Am Ende des Hallelujah-Chors (Nbsp. 9) wird die Schlusskadenz durch<br />
eine Generalpause deutlich von der vorangehenden Struktur angehoben. Die<br />
Generalpause dient also als wichtiges Gliederungsmoment. Die musikalisch-<br />
rhetorische Figur aposiopesissis drückt die Ehrfurcht vor der Ehre Gottes aus.<br />
Die häufigste Funktion einer Pause im 18. Jahrhundert bestand im Erzeugen einer<br />
deutlichen Zäsur zwischen<br />
unterschiedlichen Formteilen: am Anfang und<br />
Ende von<br />
Sätzen und Perioden, vor<br />
dem erneuten Eintritt des Ritornells in den Rondos,<br />
zwischen Exposition und Durchführung und zwischen Durchführung und Reprise des<br />
Sonaten-Allegros.<br />
13
Die strukturelle Pause diente dabei oft als Verstärkung der Schlusswirkung einer<br />
vollständigen Kadenz. Ein Beispiel dafür ist die Generalpause vor dem<br />
Repriseneinsatz in Haydns Streichquartett op. 20, 6 (Hob. III: 36, 1772, Nbsp. 10).<br />
Nbsp. 10: Haydn, Streichquartett op. 20, 6, 1. Satz, T. 99-114<br />
Besonders interessant sind die Fälle, in denen die Pause als Schlussersatz<br />
zwischen<br />
dem zweiten und dritten Teil in der Sonatensatzform eingesetzt wird, da<br />
der zweite<br />
Teil sich in der Regel gegenüber dem ersten und dem dritten durch eine schwächere<br />
Schlussbildung auszeichnet. et. Die Pause wirkt strukturbildend, wenn der zweite Teil<br />
nicht mit einem Ganzschluss<br />
auf der Dominante, sondern mit einem Halbschluss oder<br />
auf einer Nebenstufe kadenziert. Dies kann sowohl zwischen dem zweiten Teil und<br />
der rückleitenden Passage<br />
als auch zwischen der rückleitenden Passage<br />
und dem<br />
dritten Teil erfolgen. Der erste Fall findet sich im ersten Satz von Haydns F-Durhier<br />
in Takt<br />
Quartett op. 74, 2 (Hob. III: II: 73, 1793, Nbsp. 11): Der zweite Teil endet<br />
171 auf einem Halbschluss ss in d-Moll. Dann folgt eine ganztaktige Generalpause (T.<br />
14
172) und anschließend die Rückleitung von der VI. zur I. Stufe von F-Dur (T. 173),<br />
mit welcher in Takt 175 der<br />
dritte Teil beginnt. Die Pause direkt vor dem Beginn der<br />
Reprise findet sich im „Rondo“-Finale des C-Dur-Quartetts op. 33, 3 (Hob. III: 39,<br />
1781, Nbsp. 12): Dem abgeschwächten Abschluss des zweiten Teils der<br />
Sonatensatzform folgt unvermittelt eine Passage, welche in die Haupttonart C-Dur<br />
moduliert. Sie wird bis zum Dominantseptakkord geführt, worauf<br />
sich eine<br />
Generalpause anschließt. Der Satz der Reprise folgt in Takt 72.<br />
Nbsp. 11: Haydn, F-Dur-Quartett tt op. 74, 2, 1. Satz, T. 163-178<br />
15
Nbsp. 12: Haydn, Streichquartett op. 33, 3, Rondo – Finale, T. 61-75<br />
Eine strukturelle Pause wird<br />
auch für strukturelle Ergänzungen benutzt, so<br />
wird z. B.<br />
die Länge einer Phrase durch<br />
Pausentakte zu einer geraden Taktanzahl ergänzt (Nbsp.<br />
13).<br />
Nbsp. 13: Beethoven, Klaviersonate op. 14, 1, 2. Satz, Coda, T. 101-116<br />
→ 4+4+4+4 oder<br />
4+4+8 =16 Takte<br />
In der Coda des zweiten Satzes von Beethovens Klaviersonate E-dur op. 14, 1 (1798)<br />
vervollständigt der leere Schlusstakt den vierten bzw. achten Takt des nach e-Moll<br />
zurückführenden melodischen Teils. Ein ähnliches Beispiel bietet der Schluss des<br />
Finales von Haydns Streichquartett op. 50, 3 (Hob. III: 46, 1787).<br />
16
2.3. Die Pause als Vermittlung zwischen Struktur und Emotion<br />
Eine Finalpause sammelt die Energie der einzelnen Stimmen und führt sie in eine<br />
unbegrenzte Ferne weiter, welche die Musik über den Schlusstakt hinaus reichen lässt.<br />
Ein solches Kräftespiel von<br />
Antrieb und Stauung findet sich aber auch innerhalb der<br />
Stücke. Es ist etwa grundlegend für Haydns musikalischen Witz.<br />
In der Coda des Streichquartetts op. 33,2 (Hob. III: 38, 1781, Nbsp. 14) ) wird nach<br />
jedem Zweitakter – immer mit der kadenzierenden harmonischen Folge D-T D – durch<br />
die folgende Generalpause e der Schluss des Stückes bzw. das Satzende suggeriert. Die<br />
Musik setzt aber wiederum von Neuem an. Der Komponist spielt mit der strukturellen<br />
Pause, wodurch eine Verbindung zur rhetorischen Pause hergestellt wird. Dadurch<br />
entsteht eine große Ungewissheit bzw. Unsicherheit über den weiteren Verlauf.<br />
Nbsp. 14: Haydn, Streichquartett op. 33, 2, Finale, Coda, T. 144-172<br />
17
Wenn eine Pause auf die Dominantharmonie folgt, steigert sie die Erwartung. Im<br />
ersten Satz des Streichquartetts op. 33,5 (Hob. III: 41, Nbsp. 15) entsteht eine<br />
scherzhafe Wirkung dadurch, dass diese Erwartung gerade nicht eingelöst wird,<br />
sondern nach den Generalpausen die Dominantharmonie fortgesetzt wird.<br />
Nbsp. 15: Haydn, Streichquartett op. 33, 5, 1. Satz, T. 168-187<br />
168<br />
Reprise<br />
Der Charakter der Pause beginnt sich seit dem frühen 19. Jahrhundert zu ändern. Die<br />
Poetik der musikalischen Romantik ging von extremen Gegensätzen wie<br />
Liebe und<br />
Tod, Licht und Dunkel, Dur<br />
und Moll aus, die jedoch im musikalischen Werk oft zu<br />
einer hybriden Gestalt verschmolzen. Die Pause bildete dabei meist weniger ein rein<br />
strukturelles Element, sondern vermittelte zwischen Struktur und Emotion.<br />
Am Beginn der Durchführung von Schuberts Tragischer Symphonie (Symphonie<br />
Nr. 4) aus dem Jahr 1816 (Nbsp. 16) erscheint nach einer viertaktigen, ansteigenden<br />
Skala eine abrupte Unterbrechung des Orchesterklangs, welcher ein unerwarterter<br />
18
scharf akzentuierter verminderter Septakord folgt. Dieser versinkt<br />
in einer<br />
Generalpause, nach der ein völlig neuer absinkender Charakter (Trauersymbolik) bzw.<br />
eine völlig neue Sruktur hervortritt. Die Generalpause steht gleichzeitig als ein<br />
Gliederungsmittel zwischen<br />
zwei musikalischen Phrasen und als ein emotionaler<br />
Ausdruckgehalt bzw. als der<br />
Auslöser einer spannungsvollen Erwartung.<br />
Nbsp. 16: Schubert, Tragische Symphonie, Nr. 4, 1. Satz, Durchführung, T. 134-142<br />
In der Exposition des erstenen Satzes von Schuberts Unvollendeter Symphonie aus dem<br />
Jahr 1822 (Nbsp. 17) wird in Takt 62 die vom Hörer erwartete Kadenz nach G-Dur<br />
durch eine Generalpause unterbrochen. Das Ländler-Thema verstummtt plötzlich.<br />
Danach steht ein Aufschrei im fremden c-Moll, der in eine groß angelegte dramatische<br />
Passage mündet. Die Einfügung des der Komposition fremden c-Moll-Tons und die<br />
chromatische Fortschreitung<br />
drücken äußerste Gespanntheit und Erregung aus. Die<br />
Pause ist hier gleichsam eine Verbindung zwischen Unverbindbarem,<br />
zwischen<br />
Heiterkeit und Wahnsinn, die nur eine dünne Wand trennt.<br />
19
Nbsp. 17: Schubert, Unvollendeten<br />
Syimphonie, 1. Satz, Exposition, T. 59-68<br />
Überleitung<br />
In Schuberts Musik erhält<br />
die Pause die Bedeutung von „Stille“, und mit der<br />
Unvollendeten (1822) beginnt ein Komponieren mit Erwartungssituationen bzw.<br />
Hörerwartungen. Die Pause<br />
lässt hier alle bisherigen Funktionen hinter sich. Sie wird<br />
nun nicht mehr verwendet et als Mittel zur Unterbrechung von Musik, sondern als<br />
völlige Stille, in der die Musik tatsächlich zu verstummen scheint. Sie manifestiert<br />
sich als eigenständiger Parameter der Musik.<br />
Im 19. Jahrhundert wirkt die Pause zunehmend als Einschnitt in das musikalische<br />
Geschehen, und weniger als ein musikalisch-syntaktisches Gliederungsprinzip, das auf<br />
die Kadenz hinzielt. Ihr Auftreten zeigt Diskontinuität an und geht häufig<br />
mit einer<br />
unregelmäßigen musikalischen Syntax einher.<br />
20
In Beethovens späten<br />
Werken fungieren die Pausen in ähnlichem Sinn<br />
vorwiegend als Spannungsmittel zwischen einzelnen Akkorden oder Takten, sie<br />
trennen deren harmonische Folge und unterstreichen den Kontrast zwischen<br />
benachbarten Akkorden oder Motiven (Nbsp. 18). Wir haben es also seit dem 19.<br />
Jahrhundert auch mit einer „Störung“ der motivischen Entwicklung durch die Pause zu<br />
tun. Die Unterbrechung des musikalischen Ablaufs dient einer energetischen<br />
Spannung, ihr Verklingen wird durch besonders lange Pausen unterstrichen. n.<br />
Nbsp. 18: Beethoven, Streichquartett op. 132, 1. Satz, Koda, T. 188-198<br />
188<br />
195<br />
Durch die Pause und die abbrechende Struktur wird auch der auf die Pause folgende<br />
neue musikalische Gedanke e zugespitzt. Im 1. Satz von Schuberts später B-Dur-Sonate<br />
D 960 (Nbsp. 19) endet<br />
die Exposition mit einer Reihe von fragmentarischen<br />
gleichartigen Kadenzen, die<br />
duch Generalpausen voneinander getrennt sind und die<br />
Tonarten g-Moll, as-Moll, a-Moll und B-Dur isoliert voneinander andeuten<br />
bevor die<br />
Exposition in der Dominantente F-Dur endet.<br />
21
Nbsp. 19: Schubert, Klaviersonateate B-Dur, 1. Satz, Exposition, T. 98-108<br />
98<br />
103<br />
<br />
Im Zusammenspiel mit anderen musikalischen Komponenten (Melodie,<br />
Harmonik,<br />
Rhythmus) bekommt die Pause eine spezifische emotionale Bedeutung:<br />
Irritation,<br />
Verwandlung, Überraschung, Witz, Furcht, Erregung, Entspannung. Haydns<br />
Witz kam<br />
durch eine Störung der erwarteten bzw. gewohnten musikalischen Syntax und Struktur<br />
zustande. Dagegen sammelt<br />
sich in Schuberts Pausen eine Spannung auf den Eintritt<br />
des nächsten Ereignisses, welche Erwartung insgesamt zum Gegenstand von Musik<br />
macht.<br />
22
3. Die Pause als Grundlage der musikalischen Sprache und Struktur in<br />
der Musik Anton Weberns<br />
Das Interesse für die rhetorische und strukturelle Pause erneuert sich in der Musik der<br />
Wiener Schule, und dabei besonders bei Anton Webern. Der Mangel an „Fasslichkeit“<br />
in den Werken des späten 19. Jahrhunderts, der aus dem Weiterströmen bzw. der<br />
fortgesetzten Entfaltung der musikalischen Linie resultierte, und die dadurch<br />
entstandene oft erhebliche Gesamtdauer musikalischer Werke wurden zunehmend als<br />
Problem aufgefasst.<br />
Für Webern waren der Ausdruck in Barockmusik, und die Ordnung der Gedanken<br />
in der klassischen und romantischen Musik zentrale Orientierungspunkte, die er in<br />
seinen eigenen Werken zu verdeutlichen trachtete. Vor diesem Hintergrund lassen sich<br />
vier wichtige Merkmale seiner Musik unter dem Gesichtspunkt der Pause<br />
unterscheiden:<br />
1. „Hauch“ und Atem tragen wesentlich zur Wirkung von Weberns musikalischer<br />
Sprache bei; die Anweisung „wie ein Hauch“ wird dabei in seiner Vokal- und<br />
Instrumentalmusik für die Ausdeutung einer Atmosphäre eingesetzt, die ein<br />
Atemholen und damit die Betonung eines Wortes anzeigt. Webern entwickelte<br />
daraus das kompositorische Prinzip des ausgelassenen Hauptakzents (vgl. 3.1.2).<br />
2. Die Reduktion von ehemals formbildenden Elementen wie z.B. Wiederholung und<br />
Sequenz erfolgt durch Pausen bzw. durch eine elliptische Formulierung<br />
musikalischer Gedanken und Konzentration auf wenige essenzielle<br />
Grundbestandteile. In seiner Instrumentalmusik bedeutete das zunächst die Abkehr<br />
vom Ideal der „großen Form“ des späten 19. Jahrhunderts bzw. den Weg zu kürzeren<br />
Stücken, die klassische Formprozesse in äußerster Knappheit zusammenfassen<br />
(3.2.2.). Den Reichtum an (oft gleichzeitig erklingenden) Varianten des<br />
Grundmaterials und die Ellipse nennt Webern als wichtigste Mittel der Verdichtung<br />
und stellt dabei die Aussparung vermittelnder „Zwischenglieder“ heraus. 23<br />
23 Eva-Maria Houben, Die Aufhebung der Zeit, Stuttgart (Steiner) 1992, S. 91.<br />
23
3. Die Gliederung eines Werks durch die Pause basiert auf stark in sich<br />
geschlossenen einzelnen Teilen (3.3.1) und Stimmen (3.3.2), wobei sowohl vertikale<br />
als auch horizontale Prozesse sehr autonom verlaufen können.<br />
4. Die Emanzipation von Tonpunkten, intervallischen Beziehungen und Gruppen als<br />
Mittel zur Auflösung traditioneller Themen- und Motivgestalten ist ein<br />
Charakteristikum von Weberns Instrumentalmusik (3.4.1.). Die formale<br />
Komprimierung geht dabei immer wieder ins Schweigen über. Das wird besonders<br />
bedeutsam für die Neukonstitution der musikalischen Form als musikalischer Raum,<br />
in welchem alle musikalischen Elementen einschließlich Pausen gleichberechtigt<br />
sind (3.4.2): Höhe, Dauer, Lautstärke und Klangfarbe werden zu „klanglicher<br />
Evidenz“. 24<br />
3.1. Pause und Textausdeutung in Weberns frühen Vokalwerken<br />
3.1.1. Die Eindrücke der Stille<br />
Webern hatte eine große Vorliebe für Vokalmusik und schrieb nicht weniger als<br />
siebzehn Vokalzyklen. In diesen entwickelten sich meist die entscheidenden<br />
stilistische Änderungen seiner musikalischen Sprache, die dann auf Instrumentalwerke<br />
angewandt wurden.<br />
Die Lieder Vorfrühling (Nr. 1, 1899) aus dem Zyklus Drei Gedichte für Gesang<br />
und Klavier (WoO, 1899-1902) und Sommerabend (Nr. 5, 1903) aus dem Zyklus Acht<br />
frühe Lieder für Gesang und Klavier (WoO, 1901-1903) schildern Eindrücke der<br />
Stille. Vorfrühling beschreibt eine ländliche Szene vor dem Erwachen des Frühlings,<br />
Sommerabend handelt vom Ende eines Tages. Die Ruhe der Szenen wird durch die<br />
Worte „leise“, „lichter Schlummer“, „lieblich“, „Traum“, „sanft“, „kein Laut“,<br />
„Lauschen“, „Schweigen“ angezeigt, die stets von Pausen umgeben sind. In Takt 4<br />
24 Pierre Boulez, Schönberg ist tot, in: Melos, Mainz (Schott), Bd. 41, 1974, S. 62-64: „...nicht<br />
struktureller Zweck, sondern Struktur im Dienste ‚klanglicher Evidenz‘, ‚gestalterischer<br />
Phantasie‘, ‚Empfindungsvermögen‘“.<br />
24
von Vorfrühling (Nbsp. 20)<br />
kann man die Pause im Sinne einer Textausdeutung, d.h.<br />
als eine rhetorische Pause auffassen.<br />
Nbsp. 20: Webern, Drei Gedichte<br />
für Gesang und Klavier, Nr. 1: Vorfrühling, T. 1-7<br />
1<br />
5<br />
Die Pause bezieht sich auf<br />
den Text „Leise tritt auf“. Ihre Dauer evoziert die Stille<br />
beim leisen Auftreten des Frühlings. Am Ende des Liedes findet<br />
sich kein<br />
instrumentales Nachspiel, es verlischt in der Luft des Vorfrühlings.<br />
Nbsp. 21: Webern, Drei Gedichte<br />
für Gesang und Klavier, Nr. 1: Vorfrühling, T. 19-22<br />
19<br />
25
Nbsp. 22: Webern, Acht frühe Lieder für Gesang und Klavier, Nr. 5: Sommerabend, T. 34-43<br />
In Takt 42 und 43 von Sommerabend (Nbsp. 22) ist die rhetorische Funktion<br />
der Pause<br />
in der Gesangstimme deutlich als Bild der Reflexion des Schweigens der „dunklen<br />
Himmelsstunden“ zu verstehen.<br />
3.1.2. Der ausgelassene Hauptakzent<br />
Die Ausdeutung eines Texts durch die Pause auf der ersten Zählzeit ist bereits in<br />
Textvertonungen des 19. Jahrhundert zu beobachten. (Nbsp. 23).<br />
In Schuberts Lied Der Doppelgänger aus dem Schwanengesang (D 957) lässt der<br />
durch die Pause ausgelassene Hauptakzent in der Gesangstimme den Hörer einen<br />
Einsatz erwarten, der erst<br />
verspätet erfolgt. Die Pulsation wird durch<br />
die Pause<br />
aufgehalten bzw. unterbrochen.<br />
26
Nbsp. 23: Schubert, Schwanengesang, Nr. 13: Der Doppelgänger T. 1-21<br />
1<br />
9<br />
16<br />
In Weberns Musik wird der<br />
Hauptakzent auffallend häufig ausgelassen, seine Werke<br />
beginnen oft mit einer Generalpause.<br />
Im ersten von Weberns<br />
Fünf Liedern op. 3 (1907, Nbsp. 24) kommtmt durch die<br />
vorhergehende Viertel- und<br />
nachfolgende triolische Achtelpause in der Singstimme<br />
eine starke Betonung des Wortes „Dies“ zum Ausdruck. Noch vor dem Einsatz der<br />
Singstimme, nach einer Achtelpause auf der ersten Zählzeit erklingt im ppp zunächst<br />
in der rechten Hand des Klaviers ein Akkord.<br />
27
Nbsp. 24: Webern, Fünf Lieder op. 3, Nr. 1: Dies ist ein Lied, T. 1-3<br />
1<br />
Die einzelnen Verszeilen sind so angeordnet bzw. gegliedert, dass der Beginn jeweils<br />
durch einen Pauseneinschnitt markiert wird. Ausnahmen bilden allein die zweite und<br />
die achte Zeile, in denen die Doppelverse zu einer geschlossenen Gestalt<br />
verknüpft<br />
sind (1/2: „Dies ist ein Lied für dich allein“; 7/8: „Nur dir allein möcht es ein Lied“).<br />
3.1.3. Unvermittelte Aussage<br />
Die Pausen in Weberns<br />
frühen Vokalwerken sind mehr der fortlaufenden<br />
Textausdeutung geschuldetet als einer musikalischen Konstruktion. Die<br />
einzelnen<br />
Lieder von op. 3 (1908) etwa sind auf äußerste Knappheit angelegt. Webern sprengt<br />
durch die konzentrierte Aussage hier erstmals herkömmliche Formprinzipien. Er<br />
findet damit seinen individuellen Stil auf der Grundlage von kleinsten Motiven.<br />
Mit den Liedern nach George ist es mir zum ersten mal gelungen, einem Ausdrucks- und<br />
Formideal näher zu kommen, das mir seit Jahren vorschwebt […] Nun ich aber<br />
diese Bahn<br />
endgültig betreten habe, bin ich mir bewußt, alle Schranken einer vergangenen Ästhetik<br />
durchbrochen zu haben. 25<br />
Die Musik in Weberns op.<br />
3 besitzt keinen gleichbleibenden rhythmischenhen Puls, die<br />
Tempi sind sehr flexibel und<br />
die Phrasen von unregelmäßiger Länge (Nbsp.<br />
25).<br />
25 Aus dem Programm der Uraufführung der Lieder, Wien 1910.<br />
28
Nbsp. 25: Phrasengliederung in Weberns Fünf Lieder op. 3, Nr. 1: Dies ist ein Lied, T. 1-10<br />
1 2<br />
3<br />
4<br />
1. Teil<br />
5<br />
6<br />
2. Teil<br />
7<br />
8<br />
9<br />
3. Teil<br />
Die formale Gliederung der Teile des Liedes durch die Pause bleibt latent, da die<br />
Unterteilung in der Klavierbegleitung motivisch überbrückt wird (Nbsp. 26).<br />
Nbsp. 26: Webern, Fünf Lieder op. 3, Nr. 1: Dies ist ein Lied, T. 4-12<br />
II. Teil<br />
4<br />
29
III. Teil<br />
7<br />
9<br />
Die Kürze der Lieder und<br />
die Konzentration musikalischer Gedanken führen zum<br />
Prinzip des musikalischen Aphorismus und der komprimierten Form.<br />
3.2. Aphorismus<br />
3.2.1. Unlogik<br />
Um 1910 wurde die Problematik erkannt, dass eine als ständiger Klangstrom<br />
konzipierte Musik an die Grenzen der Fasslichkeit stößt. Mit dem seit 1909/10 immer<br />
deutlicher vollzogenem Verzicht auf die Dur-Moll-Tonalität begann eine umfassende<br />
Infragestellung der alten musikalischen Ordnungsmechanismen mit dem<br />
Ziel einer<br />
grundlegenden Erneuerung<br />
der musikalischen Sprache. Diese erforderte<br />
nach dem<br />
Wegfall der Kadenz neue Mittel, um die verschiedenen musikalischen Gedanken bzw.<br />
Phrasen „faßlich“ zu machen. Dafür fiel der Pause eine entscheidende Rolle<br />
zu.<br />
In einem Brief an Busoni vom August 1909 legt Schönberg ein<br />
von ihm<br />
angestrebtes ästhetisches Programm dar, das als Credo jener Zeit bezeichnet werden<br />
30
kann. Schönberg drückt darin pointiert seine Abwendung von der Ästhetik der späten<br />
Romantik aus: 26<br />
Ich strebe an: Vollständige Befreiung von allen Formen.<br />
Von allen Symbolen<br />
des Zusammenhangs und<br />
der Logik.<br />
also:<br />
weg von der „motivischen Arbeit“<br />
Weg von der Harmonie, als<br />
Cement oder Baustein einer Architektur.<br />
Harmonie ist A u s d r u c k<br />
und nichts anderes als das.<br />
Dann:<br />
Weg vom Pathos!<br />
Weg von den 24pfündigen Dauermusiken; von den gebauten und konstruierten Thürmen,<br />
Felsen und sonstigen gigantischem Kram.<br />
Meine Musik muss<br />
k u r z sein<br />
Knapp! in zwei Noten: nicht bauen, sondern „a u s d r ü c k e n “ !!<br />
Und das Resultat, das ich erhoffe:<br />
keine stylisierten und sterilisierten Dauergefühle.<br />
Das giebts im Menschen nicht:<br />
dem Menschen ist es unmöglich nur ein Gefühl gleichzeitig zu haben.<br />
Man hat t a u s e n d e auf einmal. [… ]<br />
Und diese Buntheit, diese Vielgestaltigkeit, diese U n l o g i k [,] die unsere Empfindungen<br />
zeigen, diese Unlogik, die die Associationen aufweisen, die irgend eine aufsteigende Blutwelle,<br />
irgend eine Sinnes- oder Nerven-Reaktion aufzeigt, möchte ich in meiner Musik haben.<br />
Diese Haltung findet sich auch noch zwei Jahrzehnte später in Schönbergs<br />
bekannter Definition von „musikalischer Prosa“ im Aufsatz Brahms, der<br />
Fortschrittliche:<br />
Große Kunst muß zu Präzision und Kürze fortschreiten. Sie setzt den beweglichen Geist eines<br />
gebildeten Hörers voraus, der in einem einzigen Denkakt bei jedem Begriff alle Assoziationen, die<br />
26 Brief von Schönberg an Busoni, Poststempel von 13. oder 18. August 1909, in: Jutta Theurich<br />
(Hg.), Briefwechsel zwischen Arnold Schönberg und Ferruccio Busoni 1903 – 1919 (1927)<br />
(= Beiträge zur Musikwissenschaft 19), Berlin 1979, S. 171.<br />
31
zu dem Komplex gehören, einschließt. Dies gibt einem Musiker die Möglichkeit, für die geistige<br />
Oberschicht zu schreiben, indem er nicht nur tut, was Grammatik und Idiom erfordern, sondern<br />
indem er in anderer Hinsicht jedem Satz die ganze Bedeutungsschwere einer Maxime, eines<br />
Sprichworts, eines Aphorismus gibt. Das sollte musikalische Prosa sein - eine direkte und<br />
unumwundene Darstellung von Gedanken ohne jegliches Flickwert, ohne bloßes Beiwerk und<br />
leere Wiederholung. 27<br />
Die Auflösung bzw. Zerstörung von Sinnzusammenhängen wird einige Jahrzehnte<br />
später evident in den dramatischen Werken Samuel Becketts (1906-1989), in denen<br />
Stille oft mit dem dezidierten Hinweis „Pause“ im Text genannt ist.<br />
Es sei denn, wir täten uns zusammen und lebten zusammen, bis dass der Tod uns scheidet. Pause.<br />
[…] Habe ich etwas gesagt, was ich besser nicht – Pause. [...] Ja ... ja ... macht nichts ... was los<br />
ist? ... sie enden ... ENDEN ... heute morgen ... was? ... nein! ... keinesfalls ... sie ENDEN, sag’ ich<br />
dir ... 28<br />
Auch in Warten auf Godot verwendet Beckett dieses Stilmittel:<br />
Pause. Plötzlich wütend: Lass mich in Gottes Namen los und falle! Pause. […] Sie sehen sich an.<br />
Lange Pause. 29<br />
Der Begriff „Aphorismus“ bezeichnet einen aufs Äußerste konzentrierten Ausdruck<br />
wesentlicher Empfindungen oder Gedanken ohne redundante Wiederholung oder<br />
Ausschmückung. Die Pause verstärkt die Wirkung einer solchen konzentrierten<br />
Aussage. Die Anordnung der Pause folgt dabei keinen vorbestimmten<br />
Darstellungsarten und Formen.<br />
Erwin Stein schreibt, dass die Auflösung der Tonalität „alle formbildenden<br />
Prinzipien der Musik erschüttert“ habe, deshalb sei es zu einer „Krise der<br />
musikalischen Form“ sowie „zu einer Reihe von Übergangserscheinungen“<br />
gekommen. „Zu den interessantesten von ihnen gehören jene Stücke aphoristischen<br />
Charakters, denen es Kürze erlaubt, dem Formproblem recht eigentlich aus dem Wege<br />
zu gehen“. 30<br />
27 Arnold Schönberg, Brahms, der Fortschriftliche, in: Stil und Gedanke, Frankfurt am Main (Fischer<br />
Taschenbuch Verl.) 1992, S. 49.<br />
28 Samuel Beckett, Szenen, Prosa, Verse, Frankfurt (Suhrkamp) 1995, S. 9, 14, 25.<br />
29 Samuel Beckett, Warten auf Godot, Frankfurt (Suhrkamp) 1953, S. 203, 207.<br />
30 Erwin Stein, Neue Formprinzipien, in: Musikblätter des Anbruch 6 (1924), S. 287f., zit. nach:<br />
Simon Obert, Musikalische Kürze zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Stutgart (Franz Steiner Verlag)<br />
2007, S. 269.<br />
32
Im Gegensatz zu symphonischen Werken sollten die aphoristischen Stücke einen<br />
ganz bestimmten Charakter r tragen. Weberns bekannter apologetischer Ausspruch über<br />
Schönbergs drittes Klavierstück aus op. 11 (1909, Nbsp. 27) bezeichnet et dieses als<br />
eines der ersten Meisterwerke der freien Atonalität: „einmal aufgestellt, t, drückt das<br />
Thema alles aus, was es zu sagen hat; es muß wieder Neues kommen.“ 31 Das Stück<br />
wird durch das Fehlen motivischer Wiederholungen charakterisiert,<br />
durch die<br />
Befreiung der symmetrisch<br />
ausgeweiteten Anlage von traditionellen Formschemata,<br />
durch eine radikale aphoristische Konzentration und informelle Konstruktion.<br />
Schönberg suchte hier nach einer Sprache der Innerlichkeit, nach dem Verlust<br />
jeglicher Gewissheit. Die musikalischen Elemente stellen sich in einemem gänzlich<br />
neuen Zusammenhang dar, der für die Ausdruckskraft der Musik wesentlich<br />
ist.<br />
Nbsp. 27: Schönberg, Drei Klavierstücke op. 11, 3, T. 1-6<br />
1<br />
5<br />
5<br />
Weberns im selben Jahr entstandene Fünf Stücke für Streichquartett op. 5 (1909,<br />
Nbsp. 28) widersprechen ebenso wie Schönbergs op. 11 einem Musikverständnis, das<br />
31 Anton von Webern, Schönbergs Musik, in: Alban Berg, Arnold Schönberg, München n (Piper) 1912,<br />
S. 41. Zit. nach: Obert, Musikalische Kürze, S. 122.<br />
33
auf der Grundlage motivisch-thematischer Entwicklung bzw. organischer<br />
Formvorstellung geprägt ist.<br />
Richard Specht spricht im Zusammenhang mit Weberns Musik von „scheinbar<br />
vollkommener Fessellosigkeit“: „Die Sätze nur flüchtige Bilder von wenigen Takten;<br />
aber nicht ein Ton zu viel, von allem nur die letzte Frucht, das innerste Wesen, die<br />
kleinste Bewegung.“ 32 Specht vertrat die Meinung, dass die Musik Prinzipielles bzw.<br />
Wichtiges ausdrücke. Karl Linke argumentierte, dass die Kürze im Anspruch der<br />
Musik begründet sei, um „nur die innerlichsten und dringendsten Dinge“ 33 zu sagen.<br />
„Ein Hauch, ein stockender und versickernder Rhythmus genügt, um die zitternde<br />
Bewegtheit auszudrücken. Es ist klar, daß bei solch steigender Sensibilität ein Ohr, das<br />
nicht von innen heraus darauf eingestellt ist, nicht mehr mitkommt. Es wird an den<br />
geheimnisvollsten Dingen versagen und wird nur bemerken, was scheinbar fehlt: die<br />
Melodie und die Form.“ 34<br />
In den Fünf Sätzen für Streichquartett op. 5 kommt zum ersten Mal Weberns<br />
Schreibweise in einer charakteristisch aphoristischen Kürze und äußersten<br />
motivischen Konzentration bzw. im Abrücken von der herkömmlichen thematischen<br />
Arbeit zum Ausdruck.<br />
Seit op. 5 aber wird die Kürze zu einem der auffallendsten Merkmale des Webernschen Stils. Die<br />
kürzesten Stücke der abendländischen Musik überhaupt finden sich in den Opera 9-11. Opus 10/4<br />
enthält nur 6 Takte, op. 11/III besteht aus nur 20 Tönen. Wenn diese Musik, wie vielleicht alle<br />
Musik Weberns, ‚am Rande des Verstummens‘ [H. Eimert, Die notwendige Korrektur] erklingt,<br />
dann nicht in dem Sinn, daß ‚Entwicklung, Gestalt, Wille zum Bauen‘ aus ihr geschwunden ist [H.<br />
Mersman, Moderne Musik], sondern allein in dem Sinn, daß nur das Notwendigste, und zwar in<br />
notwendiger Form, gesagt werden soll. 35<br />
In ihrer aufgelockerten Rhythmik und einer auf das Extremste gespannten Dynamik<br />
zählen die Stücke aus op. 5 zu den frühesten Dokumenten des musikalischen<br />
Expressionismus. Das Geräusch hat einen hohen Anteil an der Klangbildung, das<br />
32 Richard Specht, in: Die Musik 12, (1912/13), S. 383.<br />
33 Karl Linke, Anton von Webern und Alban Berg, in: Paul Stefan (Hg.), Das musikfestliche Wien,<br />
Wien (Akademischen Verband für Literatur und Musik) 1912, S. 8. Zit. nach: Obert, Musikalische<br />
Kürze, S. 102.<br />
34 Zit. nach: ebda., S. 102.<br />
35 Friedhelm Döhl, Weberns Beitrag zur Stilwende der Neuen Musik (= Berliner musikwissenschaftliche<br />
Arbeiten Bd. 12), München-Salzburg (Katzbichler) 1976, S. 153-154.<br />
34
hythmische Bild ist von auffallender Diskontinuität geprägt. Die kurzen Pausen<br />
dienen dabei als Mittel der Verstärkung und Gliederung der klanglich<br />
fixierten,<br />
melodischen und harmonischen Abschnitte und einer Eliminierung thematischer<br />
Gestaltung und Entwicklung.<br />
Nbsp. 28: Webern, Fünf Stücke für Streichquartett op. 5, 1. Satz, T. 1-6<br />
Das zweite Stück von Weberns op. 7 für Geige und Klavier (1910, Nbsp. 29) 2 vereint<br />
in sich noch schärfere Gegensätze: Es umfasst ein sehr weites Spektrum musikalischer<br />
Ausdrucksweisen auf den Ebenen von Dynamik, Ambitus, Tempo und Spieltechnik.<br />
Das Stück zeigt den Höhepunkt im Bestreben Weberns nach der<br />
kürzestmöglichen Form jedes musikalischen Gedankens und bildet damit ein Modell<br />
für die Werke seiner ersten Schaffensperiode. Die extrem kurzen Motive stellen<br />
hochexpressive Tonfolgen dar, die durch kurze Pausen besonders unterstrichen und<br />
deutlich voneinander abgehoben werden.<br />
35
Nbsp. 29: Webern, Vier Stücke für Geige und Klavier op. 7, 2. Satz, T. 1-4<br />
1<br />
1911 komponierte Schönberg seine Sechs Kleinen Klavierstücke op. 19 (Nbsp. 30).<br />
„Die neuen Klavierstücke e sind ganz kurze, unglaublich zarte und ausdrucksvolle<br />
Gebilde. Was man auch sagt, alles wird zur Phrase dieser Musik gegenüber.“ 36 Kurze<br />
Geistesblitze und plötzliche<br />
Einwürfe treiben den musikalischen Erfindungsprozess<br />
voran. Im ersten Stück tritt der Verzicht auf einigende Elemente besonders klar<br />
zutage, und dementsprechend wird die Konzentration auf Wesentliches, die<br />
Ausschaltung von Vermittlungen identisch mit der ästhetischen Aussage.<br />
36 Matthias Schmidt: Musik ohne Noten. Arnold Schönbergs „Pierot lunaire“ und Karl Kraus, in:<br />
Studien zur Musikwissenschaft 47, Tutzing (Schneider) 1999, S. 365-393.<br />
36
Nbsp. 30: Schönberg, Sechs Kleine<br />
Klavierstücke op. 19, I. Stück (1911), T. 1-5<br />
1<br />
5<br />
Auch am Ende seines Melodie-Aufsatzes aus dem Jahr 1913 spielt Schönberg auf den<br />
Aspekt der Kürze an: „Solche Kürze ist unbequem für den, der behaglich<br />
genießen<br />
will. Aber warum sollten gerade die Recht behalten, die zu langsam denken?“ 37 Aus<br />
diesen Sätzen spricht eine<br />
Haltung zum Topos der Kürze im Sinnene geistiger<br />
Überlegenheit, die seit der Antike mit dem Begriff „brevitas“ verbunden wurde.<br />
3.2.2. Komprimierte Form<br />
1913 schrieb Webern seine Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9 (Nbsp. 31), sehr<br />
kurze Stücke, unter denen<br />
eines seiner Meinung nach schon mit zwölf Tönen<br />
komponiert worden sei:<br />
37 Zit. nach: Obert, Musikalische<br />
Kürze, S. 148.<br />
37
Ungefähr 1911 habe ich die<br />
‚Bagatellen für Streichquartett‘ geschrieben, lauter kurze Stücke, die<br />
zwei Minuten dauern; vielleicht das Kürzeste, das es in der Musik bisher gegeben hat. Ich habe<br />
dabei das Gefühl gehabt: Wenn die zwölf Töne abgelaufen sind, ist das Stück zu Ende. 38<br />
Diese Aussage aus einem Vortrag Weberns vom 12. Februar 1932 bezog sich auf den<br />
ersten Satz des op. 9. Nach dem ersten Abschnitt dieses Satzes (T. 1-3), der<br />
alle zwölf<br />
Töne enthält, wird der musikalische Gedankengang durch eine Pause in den oberen<br />
drei Stimmen unterbrochen. n. Die Melodie im Cello führt einen neuen Abschnitt ein.<br />
Das irritierende Moment dieser Musik liegt im Widerspruch, dass sie zwar als<br />
Wahrnehmungseinheit rezipiert wird, nicht aber formal einzuordnen ist.<br />
Ein völlig<br />
verändertes Verhältnis dem<br />
Phänomen der musikalischen Form gegenüber zeichnet<br />
sich ab.<br />
Nbsp. 31: Webern, Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9, 1. Satz<br />
38 Zit. nach: Hans und Rosaleen Moldenhauer, Anton von Webern, Chronik seines es Lebens und<br />
Werkes, Zürich– Freiburg (Atlantis) 1980, S. 174.<br />
38
Webern erreicht hier die äußerste Grenze seines Strebens nach Konzentration und<br />
Verinnerlichung des musikalischen Gedankens. Wie dargestellt wurde die anhaltend<br />
große Dichte in den Werken vor der aphoristischen Phase zu einem Problem, das<br />
schließlich zur Fragmentierung der Form führte. „Erst im fragmentarischen, seiner<br />
selbst entäußerten Werk wird der kritische Gehalt frei.“ 39<br />
Nach Adorno lassen sich in den drei Abschnitten von Weberns op. 9,1 noch<br />
Spuren von Exposition, Durchführung und Reprise der Sonatensatzform erkennen.<br />
Insgesamt stellt er im Hinblick auf die Bagatellen fest, dass sich „hinter den Formen<br />
der Stücke traditionelle Typen […] verstecken, die von jenen gewissermaßen kritisiert<br />
werden“. 40 Wolfgang Burde spricht gleichfalls über „die verkürzten<br />
Sonatenhauptsätze“ in diesem Werk. 41 Auch Weberns Einstellung zur klassischen<br />
Form ist evident:<br />
Also das wollen wir festhalten: über die Formen der Klassiker sind wir nicht hinaus. Was später<br />
gekommen ist, war nur Veränderung, Erweiterung, Verkürzung – aber die Formen sind geblieben<br />
– auch bei Schönberg! 42<br />
Das Prinzip der musikalischen Sprache der Wiener Schule um 1910 ist laut Adorno<br />
eine komprimierte Kürze der musikalischen Form, in der viele Bestandteile innerhalb<br />
kurzer Zeit angeordnet werden. So werde ein musikalisches Gebilde erzeugt, das<br />
„Protokoll und Konstruktion in einem“ 43 sei.<br />
Die Kürze eines Stücks hat bei Webern ihr Analogon in kurzen Gesten und<br />
Einzeltönen. Sie sind zu klein, um als sebständige Gestalten erfasst bzw. begriffen<br />
werden zu können. Alles huscht von einem Ton bzw. von einer Geste zur nächsten,<br />
nichts wiederholt sich eindeutig. 44 Die elliptische Darstellung der Gedanken weist<br />
offene Stellen auf, durch welche die musikalischen Elemente leichter in Bezug zu<br />
39 Theodor W. Adorno, Philosophie der neuen Musik (Gesammelte Schriften 12), Frankfurt am Main<br />
(Suhrkamp) 1997, S. 119.<br />
40 Theodor W. Adorno, Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musikalischen Praxis, Frankfurt<br />
am Main (Fischer) 1963, S. 132.<br />
41 Wolfgang Burde: Anton von Weberns instrumentale Miniaturen, in: NZfM, 1971, S. 286.<br />
42 Anton Webern, Der Weg zur neuen Musik, hg. von Willi Reich, Wien (Universal-Edition) 1960,<br />
S. 37.<br />
43 Th. W. Adorno, Philosophie der Neuen Musik, S. 45.<br />
44 Die motivische Arbeit ist in ein Spiel mit Farben und Klängen umgewandelt: Die 2. Violine<br />
exponiert im 2. Takt der 1. Bagatelle ein Dreitonmotiv, es wird im gleichen Takt von der<br />
1. Violine in umgekehrter Bewegungsrichtung aufgenommen, das Motiv wandert im 3. Takt ins<br />
Cello, und wird dann zwei Takte später wieder von der 1. Violine aufgenommen.<br />
39
anderen gesetzt und dabei entweder als Weiterführung, Beantwortung oder Kontrast<br />
aufgefasst werden können.<br />
Der Anfang der zweiten<br />
Bagatelle in op. 9, drei aufsteigende Achtel (Nbsp. 32),<br />
entzieht sich immer leiser und höher werdend schließlich in einer Pause dem Hören.<br />
Die Pause erweist sich also als Fortsetzung des decrescendo in eine undeutliche Ferne.<br />
Gleichzeitig stellt sie eine<br />
Abgrenzung dar. Sie gibt der Figur einenen Rahmen,<br />
unterstreicht ihre rhythmische und farbliche Einheitlichkeit, denn das Folgende in<br />
einem deutlichen Kontrast<br />
zu ihr steht. Die musikalische Kürze und die nur ¼<br />
Sekunde dauernde Pause eröffnet eine Vielfalt musikalischer Bedeutungen, in denen<br />
sich der Einzelton hörend verstehen lässt. Die letzten eineinhalb Takte erhalten durch<br />
die Generalpause in T. 7 Coda-Charakter.<br />
Nbsp. 32: Webern, Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9, 2. Satz<br />
40
Bei Novalis finden sich vergleichbare fragmentarische und labyrinthartige Strukturen,<br />
die gleichsam Endlichkeit und Unendlichkeit, „Willkür und Zufall“, „Wunder und<br />
gesetzmäßige Wirkung“ vereinen. 45 Labyrinth und Fragment koinzidierenen im Topos<br />
des Unendlichen. Die Ferne e erscheint als spezifisch romantische Denkfigur.<br />
In seiner vierten Bagatelle (Nbsp. 33) stellt Webern heterogene<br />
Elemente<br />
nebeneinander. Der Klang<br />
der Instrumente wirkt wie das Aussprechenen einzelner<br />
Worte, oft in die Stille hinein. Dadurch nähert sich das Werk dem Modell<br />
des „Lieds<br />
ohne Worte“ an. Im Vorwortort der Partitur schrieb Schönberg dazu:<br />
„Man bedenke, welche Enthaltsamkeit dazugehört, sich so kurz zu fassen. Jeder Blick<br />
lässt sich zu<br />
einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen. Aber: einen Roman durch<br />
eine einzige<br />
Geste, ein Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken: zu solcher Konzentration findet sich<br />
nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Maße fehlt.“ 46<br />
In einem Brief an Schönberg vom 24. November 1913 versucht Webern<br />
das Wesen<br />
der vierten Bagatelle und ihrer Form zu erklären: „zuerst ein Wort: Engel. Daher<br />
kommt die ‚Stimmung‘ dieses Stücks. Die Engel im Himmel. Der unfaßliche Zustand<br />
nach dem Tode.“ 47<br />
Nbsp. 33: Webern, Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9, 4. Satz<br />
45 Zit. nach: Döhl, Weberns Beitrag, S. 37.<br />
46 Moldenhauer, Anton von Webern, S. 174.<br />
47 Ebda, S. 173.<br />
41
Das dichterische Bild als Zusammenstellung aus heterogenen musikalischen<br />
Elementen lässt sich mit der heterogenen Wortfügung vergleichen.<br />
Die<br />
unterschiedliche Herkunft der Worte verdeutlicht die berühmte Beschreibung Ezra<br />
Pounds im Roman In a Station of the Metro (1913), welche eine tiefgreifende<br />
plötzliche emotionale Wirkung beim Leser als „Imagism“ definiert:<br />
“Three years ago in Paris I got out of a ‘metro’ train at La Concorde and saw suddenly a beautiful<br />
face, and then another and another, and then a beautiful child’s face, and then another beautiful<br />
woman, and I tried all that t day to find words for what this had meant to me, and I could not find<br />
any words that seemed to me worthy, or as lovely as that sudden emotion.” 48<br />
Die Abschnitte des 4. Satzes<br />
von op. 9 lassen sich folgendermaßen charakterisieren:<br />
1. Andeutung (T. 1-3),<br />
2. Kräftesammeln (T 3-4),<br />
3. Zusammentreten, Höhepunkt (Blüte) und abschließendes Auseinanderdriften und<br />
Verlöschen (T. 5-8).<br />
48 Ezra Pound, Vorticism, in: Gaudier-Brzeska: A Memoir, New York (New Directions) 1974, S. 86<br />
und 89. Zit. nach: Obert, Musikalische Kürze, S. 178.<br />
42
Die Reihe von „Augenblicken“ bzw. „Blitzlichtmomenten“ ruft eine starke ästhetische<br />
Wirkung hervor, vergleichbar mit den plötzlichen Eindrücken, die Pound beschreibt.<br />
Das dieser Erfahrung zugrunde liegende „Unendliche“ und „Heterogene“ sind<br />
sprachlich bzw. musik-sprachlich nicht anders zu vermitteln.<br />
Nach dem Erscheinen von Filippo Tommaso Marinettis Technischem Manifest<br />
der futuristischen Literatur in der Zeitschrift Der Sturm (Oktober 1912), dem der<br />
Autor seinen ersten Text in parole in libertá folgen ließ, formulierte Alfred Döblin<br />
einen „Offenen Brief“ an seinen italianischen Kollegen, der sich gegen diese in<br />
elliptischer Parataxe verfassten Wortketten richtete:<br />
Sie geben dem Leser, Hörer kurze Stichworte zu dem Hauptwort; [...] Wie bequem und wie dünn<br />
ist das, wenn schon Bilder, Assoziationen, Indirektes, dann auch ganz. Sie überschätzen nämlich<br />
den Hörer, Leser; Sie schieben Ihre Aufgabe, dies Bildmaterial zu formen, ihm zu.“ 49<br />
Aus dieser Kritik wird deutlich, dass Bruchstücke, die nicht durch grammatikalische<br />
Syntax vermittelt sind, auch als Mangel empfunden werden konnten.<br />
Im fünften Stück von op. 9 (Nbsp. 34) werden durch die Pausen acht verschiedene<br />
harmonische und chromatische Felder mit jeweils unterschiedlich angeordneten<br />
Tongruppen von einander abgehoben. Der Anfangston jedes Feldes erhält durch die<br />
Pause die Ausdrucksintensität eines neuen gesprochenen Satzes. Die Felder sind durch<br />
chromatische Schritte miteinander verknüpft.<br />
Die Pausen als nicht klingendes zeitliches Intervall sind bedeutungsvoll für die<br />
Realisierung der musikalischen Struktur. Die Takte 1 bis 7 machen ungefähr die erste<br />
Hälfte des Stückes aus. Die zweite Hälfte bringt einen ähnlichen Vorgang. Das<br />
„sprechende“ aufsteigende Sekundmotiv am Anfang wird durch spannungsgeladene<br />
Pausen unterbrochen. Es folgt eine allmähliche Steigerung (T. 1-7), abschließendes<br />
Zusammenfassen (T. 8-10) und Zerfall (T. 11-13).<br />
49 Alfred Döblin: Futuristische Worttechnik. Offener Brief an F. T. Marinetti, in: Manifeste und<br />
Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909-1938), Stuttgart (Metzler) 2005. Zit. nach:<br />
Obert: Musikalische Kürze, S. 179.<br />
43
Nbsp. 34: Webern, Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9, 5. Satz<br />
Im Weberns op. 9 lässt sich der Begriff „Aphorismus“ auf den formalen Aspekt<br />
beziehen, vor allem als Hinweis auf die Befreiung der Musik vom Zwang eines<br />
vorgegebenen formalen und<br />
metrischen Schemas. Die kurzen Stücke befinden sich in<br />
permanenter Offenheit, da die Gestalten bzw. Themen enden, noch bevor<br />
sie richtig<br />
entwickelt werden. Sie lassen sich mit dem Aufbrechen einer zarten Blüte vergleichen,<br />
die kurz nach ihrem Entstehen wieder verwelkt. Eine Pause dient zur Verinnerlichung<br />
des musikalischen Werks durch die Nebeneinanderstellung der verschiedenen kurzen<br />
44
musikalischen Gadanken. Die formale Gliederung der motivisch miteinander in<br />
Beziehung stehenden Abschnitte wird durch eine Generalpause oder eine längere<br />
Unterbrechung im Nebeneinander der Stimmen markiert.<br />
Die Sechs Bagatellen liegen an der Scheidelinie zwischen zwei Schaffensperioden<br />
Weberns, der frühen und der mittleren: Die Formkonzentration der frühen atonalen<br />
Werke geht über in die neuen Formkonstruktionen der mittleren.<br />
45
3.3. Die Pause als strukturierendes und formbildendes Element in Weberns<br />
Vokalwerken<br />
3.3.1. Vollständige musikalische Gedanken<br />
Webern entfernte sich in den Jahren nach 1913 vom musikalischen Aphorismus der<br />
opera 9-11 (op. 11 stellte einen extremen Endpunkt der konzentrierten Kürze dar). Der<br />
Komponist entdeckte in den Vokalwerken op. 12-16 die Möglichkeit wieder größere<br />
Formen durch Verwendung eines Textes oder eines Gedichts bzw. durch die Bindung<br />
an das Wort zu bilden. Dabei konzentrierte er sich jedoch weiterhin auf in sich<br />
geschlossene musikalische Strukturen (etwa in Anlehnung an die Modelle „Satz“ und<br />
„Periode“ des klassischen Stils, 3.3.3.) bzw. auf den Gegensatz von „festen“ und<br />
„lockeren“ Strukturen. Anstelle harmonischer Flächen und der Diskontinuität des<br />
musikalischen Verlaufs zeigt sich eine starke Tendenz zu linearer Organisation und<br />
zur Kontinuität der musikalischen Ereignisse. Die Pausen werden nicht mehr zur<br />
Konzentration des musikalischen Gedankens gebraucht, sondern vielmehr zu ihrer<br />
strukturellen Abgrenzung.<br />
Die Lieder op. 12 (1915-1917, Nbsp. 35) erscheinen aufgrund der Verwendung<br />
von in sich geschlossenen Motiven einfacher, verständlicher und durchsichtiger als die<br />
aphoristischen Instrumentalwerke. Ein wichtiges Mittel für das Erzeugen dieser<br />
Geschlossenheit sind Pausen, die die Motive voneinander abgrenzen. Durch die Pause<br />
in Gesang und Klavier am Ende des dritten Taktes im ersten Lied Der Tag ist<br />
vergangen wird die Einleitung von der ersten Strophe abgegrenzt. Die Pausen folgen<br />
danach nicht unbedingt der Versstruktur des Gedichts. Sie finden sich eher nach einem<br />
geschlossenen musikalischen Gedanken, wie etwa in T. 7.<br />
46
Nbsp. 35: Webern, Vier Lieder für Gesang und Klavier op. 12, 1: Der Tag ist vergangen, T. 1-7<br />
1<br />
5<br />
Webern kam zu einer strengeren Form, als er sich Karl Kraus’ Poesie<br />
zuwandte.<br />
Analog der klaren Gliederung der drei vierzeiligen Strophen in Kraus’ Gedicht Wiese<br />
im Park gliedern die Pausen in Weberns Vertonung jeweils das Zeilenende (Vier<br />
Lieder op. 13, 1914-18, Nbsp. 36). Jeder Vers ist durch die regelmäßige Abfolge von<br />
Erscheinen und Verschwinden bzw. Auftakt, Hauptakzent und Zurücksinken deutlich<br />
abgegrenzt.<br />
Nbsp. 36: Webern, Vier Lieder fürr Gesang und Orchester op. 13, Nr. 1: Wiese im Park, T. 1-6, 1<br />
Klavierfassung<br />
47
Webern führt die Ansicht von Karl Kraus an, „daß das Schicksal der Menschheit vom<br />
richtigen Beistrich [Komma]<br />
bestimmt sei“. 50 Die Rezeption der Sprachlehre von Karl<br />
Kraus hatte einigen Einfluss auf die Musiker des Schönberg-Kreises. Kraus’<br />
Forderung einer sprachlichen Moral als präzise (rationale) „Erfassung der<br />
Gestalt“ 51<br />
wurden auf die Musik übertragen.<br />
Nbsp. 37: Webern, Vier Lieder<br />
für Gesang und Klavier op. 12, 1: Der Tag ist vergangen,<br />
Gesangsstimme<br />
Vordersatz<br />
Nachsatz<br />
a<br />
b<br />
c<br />
a 1<br />
c 1<br />
1<br />
b 1 48<br />
In Weberns Vokalwerken seit op. 12 werden Pausen also meist dazu verwendet die<br />
Vollständigkeit eines Gedankens, eines Motivs oder einer Phrase, zu verstärken. Zwei<br />
motivisch und inhaltlich verwandte Strophen aus op. 12,1 werden durch die<br />
Pausen zu<br />
geschlossenen achttaktigen<br />
Phrasen. Webern entwirft durch diese quasi periodische<br />
Gestaltung eine sehr „fassliche“ Gliederung (Nbsp. 37).<br />
50 Zit. nach: Döhl, Weberns Beitrag, S. 382.<br />
51 Ebda.
3.3.2. Der „strenge Satz“ der Vokalpolyphonie<br />
Webern vertrat die Meinung, dass ein geschlossener Gedanke in mehreren Stimmen<br />
dargestellt werden sollte. Erst durch die Kanontechnik wird ein Gedanke ganz zum<br />
Ausdruck gebracht. Die Beschäftigung mit Heinrich Isaac war in diesem<br />
Zusammenhang von prägender Wirkung für Webern, der sich im Rahmen seines<br />
Studiums der Musikwissenschaft ausführlich mit der Satztechnik der frankoflämischen<br />
Vokalpolyphonie auseinandersetzte. Sein Theorieunterricht basierte auf<br />
dem „strengen Satz“ der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts. Er versuchte die<br />
Eigenarten von Isaacs Polyphonie als eine „feine Gliederung im Nebeneinander der<br />
Stimmen“ zu erfassen. 52 Das Gebot dieser Gliederung betrifft sowohl die Horizontale<br />
bzw. Sukzessivität wie die Vertikale bzw. Simultaneität der Strukturellemente.<br />
Die Vorstellung musikalischer Geschlossenheit beruht laut Webern auf der<br />
Beschaffenheit eines klanglichen Gebildes aus Teilen, der Zusammengehörigkeit<br />
dieser Teile sowie deren Vollständigkeit, woraus eine Ganzheit entstehe: „Jede<br />
Stimme hat ihre eigene Entwicklung und ist ein vollständig in sich geschlossenes, aus<br />
sich heraus verständliches, wunderbar beseeltes Gebilde.“ 53 Isaacs Kunst realisierte für<br />
Webern das Ideal, die einzelnen Stimmen vollkommen selbständig zu behandeln.<br />
Das polyphone Grundprinzip kommt in den stark linear konzipierten Kanons<br />
op. 16 (1923-24, Nbsp. 38) besonders deutlich zum Vorschein. Die Musik erhält einen<br />
deutlicher konzeptuelleren Grundcharakter. Die Behandlung der Rhythmik ist<br />
regelmäßiger als bisher.<br />
Die Kanons op. 16 zeugen bereits von einer wesentlichen Erkenntnis des<br />
„konstruktiven“ Webern. Er versucht immer dichtere motivische Entsprechungen und<br />
Entwicklungen und damit eine schlüssige formale Gliederung zu finden. Diesem Ziel<br />
dienen vor allem die Pausen, die motivische Imitationen durch alle Stimmen<br />
markieren. Eine Viertelpause im ersten Kanon (T. 8 und 11) trennt jeweils die<br />
verschiedenen rhythmischen Bewegungen bzw. imitierenden Melodien voneinander,<br />
52 Zit. nach: Döhl, Weberns Beitrag, S. 358.<br />
53 Ebda., S. 359.<br />
49
so dass eine dreiteilige Liedform entsteht. Die Bassklarinette gibt die Melodie der<br />
Klarinette in Spiegelung wieder.<br />
Nbsp. 38: Webern, Fünf Canons<br />
nach lateinischen Texten für Gesang und Kammerensemble, op. 16,<br />
Nr. 1: Christus factus est<br />
Webern verwendet in den drei Teilen der Komponisition unterschiedliche rhythmische<br />
Grundwerte: Einleitung („Christus factus“) und Reprise („Quod est super“) werden<br />
durch Halbe und Viertel-Noten bestimmt, im Mittelteil („Propter quod“) dominieren<br />
Achtelnoten.<br />
Die Pausen verdeutlichen im Kontext der kanonische Schreibweise die<br />
Selbständigkeit, aber auch h die Zusammengehörigkeit der Stimmen, ihre melodische<br />
und formale Übereinstimmung, die Logik des Ablaufs. Sie markieren die formale<br />
Gliederung der musikalischen Gedanken auf horizontaler und vertikaler Ebene.<br />
50
3.3.3. Musikalische Formen: Satz, Periode, Dreiteilige Form<br />
Seit dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, nachdem die Komponisten der<br />
Atonalität die Regeln der traditionellen Dur-Moll-Harmonik außer Kraft gesetzt<br />
hatten, stellte sich die Frage nach einer neuen musikalischen Syntax. Es musste ein<br />
Ersatz für den Wegfall der Möglichkeiten tonal organisierter Formbildung gefunden<br />
werden, der eine Systematisierung des atonalen Tonmaterials und damit wieder<br />
größere Formen ermöglichen könnte. „Erst als Schönberg das Gesetz der<br />
Zwölftontechnik aussprach“, sagte Webern, seien solche größeren Formen wieder<br />
denkbar geworden. 54 Schönberg betrachtete die Zwölftontechnik als Vorformung des<br />
musikalischen Materials. Webern jedoch sah in der Zwölftontechnik selbst bereits ein<br />
formales Prinzip angelegt. Seinen Vortragszyklus Der Weg zur Komposition mit zwölf<br />
Tönen (1932) eröffnet Webern unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Musik als<br />
Sprache und stellt den Aspekt der „Fasslichkeit“ stark in den Vordergrund:<br />
Die Musik ist Sprache. Ein Mensch will in dieser Sprache Gedanken ausdrücken […] Ich will<br />
etwas sagen, und es ist selbstverständlich, daß ich mich bemühe, es so ausdrücken, daß die<br />
anderen es verstehen […] Die Faßlichkeit ist überhaupt das oberste Gesetz. Es muß ein<br />
Zusammenhang da sein. 55<br />
Willi Reich, der sich mit Weberns Formsprache beschäftigte, spricht davon, dass es<br />
„mit Hilfe des reinen Zwölftonstils […] gelungen“ sei, „seinen [Weberns] Werken<br />
formale Geschlossenheit zu verleihen.“ 56<br />
Webern versucht also einer traditionellen Syntax näher zu kommen. Das ebenso<br />
grundlegende Konzept der Polyphonie wiederum trägt dazu bei, jedes musikalische<br />
Detail bewusst zu gestalten und zu verdichten. Dabei spielt das Prinzip der Symmetrie<br />
eine entscheidende Rolle.<br />
Nach Weberns Auffassung benötigten zwölftönige Werke klar erkennbare<br />
Formen. Dadurch erhielt die Gliederung in einzelne Abschnitte erhöhte Bedeutung.<br />
54 Anton Webern: Der Weg zur Neuen Musik, S. 57 f.<br />
55 Ebda. S. 46<br />
56 Zit. nach: Susanne Pusch, Die Rezeption der Schönberg-Schule in der Zeitschrift „Die Musik“ in:<br />
Studien zur Musikgeschichte Österreichs Bd. 6, hg. von Friedrich C. Heller, Wien (Peter Lang)<br />
1997, S. 191.<br />
51
Denn, wie oben dargestellt, war Webern davon überzeugt, dass die Wahrnehmung der<br />
Großform eine deutliche Unterscheidung ihrer einzelnen Teile voraussetze.<br />
Die syntaktischen Strukturen des klassischen Stils werden bei Webern in einen<br />
engen Konnex mit zwölftontechnischen Verfahrensweisen gebracht. Die Aufgabe der<br />
Gliederung innerhalb eines Zwölftonwerks erläutert Webern als „Abschnitte<br />
hineinbringen! […] Um die Dinge auseinanderzuhalten, Haupt- und Nebensachen zu<br />
unterscheiden.“ 57 Als wichtige Strukturprinzipien von Satz und Periode führt Webern<br />
an:<br />
-die Elemente der sprachlichen Grammatik – Interpunktion: Punkt, Beistrich,<br />
Gedankenstrich;<br />
-Unterscheidung von Haupt- und Nebensachen, Setzen von Interpunktionen;<br />
-Unterscheidung der Interpunktion zwischen Mitte und Schluß: Beistrich und Punkt,<br />
Einschnitt und Abschluß. „Vordersatz der Periode schließt ab und der Nachsatz der<br />
Periode schließt kräftig ab. Zwischen beiden ist ein Einschnitt, der wie der Beistrich<br />
in einem Wortsatze wirkt. Der Vordersatz wird abschließen, in der musikalischen<br />
Struktur zeigt ein Einschnitt, daß etwas Neues kommt. Der Vordersatz schließt also<br />
ab, wenn auch nicht so bestimmt, wie der Nachsatz, dessen Abschluß noch kräftiger<br />
ist, also dem Punkt im Wortsatze entspricht“;<br />
-Gliederung als Unterteilung in Abschnitte, um die Teile auseinanderzuhalten, um<br />
sie in Haupt- und Nebensachen zu unterscheiden. „Die Gliederung ist eine der<br />
Hauptsachen der Gestaltung“. 58<br />
In der Vorbereitung für die Uraufführung der Variationen für Klavier op. 27 merkte<br />
der Komponist an, dass die Melodie „als gesprochener Satz erzählend sein muss.“ 59<br />
Weberns Variationen für Klavier op. 27 sind beispielhaft für ein auf allen Ebenen<br />
realisiertes Prinzip der Symmetrie. Im ersten Satz (Nbsp. 39) wirkt die Pause als<br />
Gliederungselement zwischen zwei Reihenformen (G und K in der rechten Hand bzw.<br />
K7 und KU7 in der linken Hand) der Grundreihe (e-f-des-es-c-d-gis-a-b-fis-g-h) sowie<br />
57 Zit. nach: Döhl, Weberns Beitrag, S. 394.<br />
58 Anton Webern, Über musikalische Formen, Aus den Vortragsschriften von Ludwig Zenk, hg. von<br />
Neil Boynton (= Veröffentlichungen der Paul-Sacher-Stiftung Bd. 8), Mainz (Schott) 2002, S. 209-<br />
216.<br />
59 Peter Stadlen: Serialism Reconsidered, in: The Score and I.S.C.M. Magazine 22, 1958, S. 12.<br />
52
innerhalb einer Reihe, wodurch sich in beiden Fällen eine horizontale<br />
Symmetrie<br />
ergibt (Abb. 1).<br />
Webern setzte einen erweiterten Begriff der periodischen Formung voraus.<br />
Vorder- und Nachsatz sind<br />
jedoch nicht wie in der Standard-Periodenformorm parallel-<br />
Die<br />
symmetrisch (ab-ab), sondern spiegelsymmetrisch (ab-ba) angeordnet.<br />
Achttaktigkeit ist für ihn keine Bedingung. Die Gliederung in zwei analoge Hälften<br />
bleibt aber beibehalten. Erwin Ratz schreibt mit Bezug auf die Gliederung der Periode<br />
auf Vorder- und Nachsatz:<br />
Die Achttaktigkeit stellt nur den häufigsten Fall dar: selbstverständlich kommen auch alle<br />
Vielfachen vor. Ebenso kann eine sechstaktige Periode aus einem dreitaktigen Vordersatz und<br />
einem dreitaktigen Nachsatz<br />
bestehen. Der Achttakter ist nur das Paradigma, der Normalfall. 60<br />
Um die Achse der Sechzehntelpause im zweiten Takt wird die erste Phrase (T. 1-4)<br />
aus motivischen Zellen zusammengesetzt. Durch das axialsymmetrische Zentrum der<br />
Sechzehntelpause im vierten<br />
Takt ist ein Verhältnis von Vordersatz (3.5 [2+1.5]) und<br />
Nachsatz (3.5 [2+1.5]) in Krebssymmetrie deutlich hörbar. Die Pause zeigt also an,<br />
dass nun der zuerst präsentierte, musikalische Gedanke rückwärts gehört wird.<br />
Nbsp. 39: Webern, Variationen op. 27, 1. Satz, T. 1-7<br />
G<br />
K7<br />
K<br />
KU7<br />
60 Erwin Ratz, Einführung in die musikalische Formenlehre, Über Formprinzipien in den<br />
Inventionen<br />
und Fugen J. S. Bachs und ihre Bedeutung für die Kompositionstechnik Beethovens, Wien<br />
(Universal Edition) 1973, S. 22.<br />
53
Abb. 1: Symmetrische Gestalten im ersten Satz von op. 27, T. 1-7<br />
In den Variationen op. 27<br />
kommt es nach der ersten Sinneinheit (T. 1-7) zu einer<br />
Verdichtung mit gleichzeitiger Intensivierung des Ausdrucks (Nbsp. 40) ). Dadurch<br />
kommt es zu einer Steigerung vergleichbar der Überleitung zum zweiten Thema in der<br />
Sonatenform. Der zweite Teil (T. 8-15) basiert auf einer neuen Reihenform<br />
und wird<br />
von dem ersten Teil durch eine Pause getrennt. Er ist durch das weitgehende<br />
Wegfallen von Pausen stärker kontinuierlich gehalten und bildet einen Kontrast zur<br />
periodischen Struktur des Beginns.<br />
Nbsp. 40: Webern, Variationen op. 27, 1. Satz, T. 8-10<br />
Überleitung<br />
Der Satz ist durch die<br />
Pausen, den Wechsel von Reihenformenen und die<br />
unterschiedliche Bewegungen der Stimmen deutlich in drei Teile (ABA 1 -Form)<br />
gegliedert:<br />
Takt 1-18 mit vorherrschender Sechzehntelbewegung (A)<br />
Takt 19-36 mit vorherrschender Zweiunddreißigstelbewegung (B)<br />
Takt 37-54 Reprise des 1. Teils (A 1 )<br />
54
Nbsp. 41: Webern, Variationen op. 27, 1. Satz, T. 19-21<br />
B<br />
Entsprechend der Tondauern<br />
in jedem Teil des Satzes erhalten die Pausen<br />
den Wert<br />
von Sechzehnteln bzw. Zweiunddreißigsteln.<br />
Die durch die Pausen gegliederten, einprägsamen Dreitongruppen erleichtern dem<br />
Hörer ab Takt 37 das Erfassen der formalen Gliederung bzw. der Formdisposition im<br />
Sinne einer Reprise (Nbsp. 42).<br />
Nbsp. 42: Webern, Variationen op. 27, 1. Satz,T. 1-7 und 37-43<br />
A<br />
a<br />
G<br />
A 1<br />
K7<br />
K11<br />
G4<br />
Das Thema des ersten Satzes<br />
des Streichquartetts op. 28 (1937, Nbsp. 43) gliedert sich<br />
in einen achttaktigen Vordersatz (T. 1-8/9) und einen ebenfalls achttaktigen<br />
Nachsatz<br />
(T. 9-15/16). 61<br />
Der gesamte Vordersatz<br />
wird durch eine Viertelpause mit ritardando-Anweisung<br />
vom Nachsatz abgesetzt. Es<br />
gibt wie in op. 27 eine zugrunde liegende Reihe<br />
(des-c-es-<br />
d-fis-g-e-f-a-gis-h-b), die weitgehend durch die Pause strukturiert ist. Der Nachsatz<br />
61 Ebda., S. 444.<br />
55
ingt Motive aus dem Vordersatz in diminuierter Form. Vorder- und Nachsatz sind<br />
durch die Viertelpausen in T. 7 (das Ende der Reihenform G6) und 12 (ebenfalls das<br />
Ende der Reihenform G6) jeweils in zwei Phrasen unterteilbar. Die erste e Phrase des<br />
Vordersatzes (T. 1-6) beginnt im forte und ist nur in ganzen und halben Noten gesetzt.<br />
Die zweite Phrase setzt nach der Viertelpause in Takt 7 ein und endet mit der<br />
Reihenform G2 auf zwei<br />
Viertelpausen in Takt 8 bzw. 9. Sie wird durch eine<br />
kontrastierende Motivform<br />
in Viertelnoten geprägt. Ein analoger Einschnitt im<br />
Nachsatz ergibt sich durch<br />
die Viertelpause in Takt 12. Die zweite e Phase des<br />
Nachsatzes endet mit der Reihenform G4 auf drei Viertelpausen in Takt 15 bzw. 16.<br />
Die große Periode teilt sich in zwei analoge Teile.<br />
Nbsp. 43: Webern, Streichquartettett op. 28, 1. Satz, T. 1-16<br />
56
Über den ersten Satz seineses Quartetts op. 28 (Nbsp. 44) sagte Webern: „Als Ganzes<br />
mußt du das ‚Quartett‘ in seiner formalen Erscheinung so aufnehmen, n, wie es so<br />
manche der dreisätzigen Beethoven Klaviersonaten sind!“ 62 Den ersten Satz<br />
beschreibt<br />
Webern als eine Adagio-Form auf der Grundlage von kanonisch<br />
gesetzten<br />
Variationen: „Also Thema und 6 Variationen. Die Variationen sind rein<br />
c a n o n i s c h e r Natur!“ 63<br />
Die Variationen bzw. die Teile der Adagio-Form werden durch den<br />
Abschluss<br />
einer Reihenform, eine Generalpause und das Auftreten einer neuen Reihenform<br />
voneinander getrennt.<br />
Nbsp. 44: Webern, Streichquartettett op. 28, 1. Satz, T. 13-16 und 33-36<br />
Wiederholung<br />
des Themas<br />
(I. Variation)<br />
62 Anton Webern: Über musikalische Formen. Aus den Vortragsschriften von Ludwig Zenk, hg. von<br />
Neil Boynton (= Veröffentlichungen der Paul-Sacher-Stiftung Bd. 8), Mainz (Schott) 2002, S. 186.<br />
63 Döhl, Weberns Beitrag, S. 444.<br />
57
Überleitung<br />
II. Variation<br />
G5<br />
Im ersten Abschnitt des zweiten Satzes von op. 28 (Nbsp. 45) werden verschiedene<br />
Gruppierungen der Reihenformen in Vierteln durch Pausen ergänzt. Die Stimme der<br />
ersten Geige enthält drei durch die Pause getrennten Reihenformen: K3, G11 (nur die<br />
erste vier Töne) und K11.<br />
Die jeweilige Gliederung der Reihenformen durch die Pausen in der ersten Geige<br />
zeigt dabei deutliche Symmetrien: 12 Töne (1-[6] -1-[6]-1) bzw. 8 Takte – 4 Töne (1-<br />
[4]-1) bzw. 3 Takte – 12 Töne (1-[8]-1-[4]-1) bzw. 8 Takte. Die mittlerenen vier Töne<br />
(T. 8-10, c-h-d-cis – ein transponiertes BACH-Motiv) werden durch zwei<br />
Viertelpausen deutlich abgehoben.<br />
Nbsp. 45: Webern, Streichquartettett op. 28, 2. Satz, 1. Violine, T. 1-18<br />
1<br />
K3<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8 6<br />
7<br />
5 4<br />
3 2<br />
1<br />
G11<br />
2<br />
3<br />
12<br />
4 K11<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7 6 5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Der Abschnitt wird durch eine strenge kontrapunktische Faktur charakterisiert – er<br />
enthält einen Kanon zwischen der ersten Violine (1-[6]-1-[6]-1-[4]-1-[8]-1-[4]) und<br />
der Viola (1-[6]-1-[6]-1-[4] 4]-1-[8]-1-[4]) und zwischen der zweiten Violine (1-[3]-1-<br />
[2]-1-[2]-1-[3]-1-[4]-1-[2]-1-[5]-1-[4]) und dem Violon-cello (1-[3]-1[2]-1-[2]-1-[3]-<br />
1-[4]-1-[4]-1-[3]-1-[4]). Dadurch entsteht eine Viel-fahl von Gliederungen im<br />
Nebeneinander der Stimmen<br />
(Abb. 2, Nbsp. 46).<br />
58
Abb. 2: Gliederung im Nebeneinander der Stimmen durch die Pause<br />
T. 1 T. 2 T. 3 T. 4<br />
I. Geige 6<br />
K3<br />
T. 5 T. 6 T. 7 T. 8 T. 9 T. 10 T. 111 T. 12<br />
6 4<br />
Bratsche 6<br />
G7<br />
6 4<br />
II. Geige 3 2 2 3 4<br />
K7<br />
Cello 3 2<br />
G3<br />
2 3 4<br />
Nbsp. 46: Webern, Streichquartettett op. 28, 2. Satz, T. 1-19<br />
K3<br />
G7<br />
K7<br />
G3<br />
K11<br />
G11<br />
K3<br />
G7<br />
Die Pausen artikulieren die Kanonstruktur des ersten Abschnitts in verschiedenen<br />
rhythmischen Zellen, um eine Tonverdopplung von Reihentöne zu vermeiden. Sie<br />
werden durch Pausen ersetzt.<br />
59
Abb. 3: Durchbrochene Kanonstruktur als Löschung doppelter Reihentöne<br />
K3 cis - d - h - c - as - g - (b) - b - a - f - fis - dis- e -<br />
- c - h - d<br />
G7 - - as - g - b - (a)- cis - d - (h) - h - c - (e)- dis- fis - f - <br />
- a-f<br />
K7 - - - f - fis - dis - e - c - h - - d - cis - a - b - g - as - <br />
G3 - e - dis - fis - (f) - a - b - - g - as - (c) -h - d - cis- (f) - f - fis<br />
g - as<br />
- cis<br />
Der erste Abschnitt endet mit den Reihenformen K11 (Vn. I), G11 (Vn. 2), K3 (Vla),<br />
und G7 (Vc.). Das Ende der Reihenformen wird durch Pausen verstärkt und vom<br />
zweiten Abschnitt abgesetzt.<br />
Nbsp. 47: Webern, Streichquartetttt op. 28, 2. Satz, T. 19-24<br />
60
Durch die verstärkte Systematisierung des atonalen Tonmaterials erhält die Pause<br />
wieder die Funktionen eines formalen Mittels. Musikalische Gedanken werden durch<br />
Pausen in deutlich getrennte Sinneinheiten gegliedert und dadurch klassischen<br />
Themenstrukturen angenähert. Das Ersetzen von unerwünschten Tonverdopplungen<br />
durch Pausen im Rahmen der Reihentechnik lässt sich dabei vielleicht mit der<br />
Dissonanzbehandlung in der tonalen Musik vergleichen.<br />
3.4. Die Pause als Vermittlung zwischen Äußerem und Innerem<br />
3.4.1. Punktuelle Motivik und Emanzipation der Pausen<br />
Mit den späten Werken Weberns (ab der Sinfonie op. 21) werden konventionelle<br />
Formen der Zeitorganisation von Musik durch neue Modelle ersetzt. Die Stille bzw.<br />
Pause spielt dabei eine Schlüsselrolle.<br />
Der durch die Pausen bewirkte maximale Ausdruck der Klänge erzeugt eine<br />
starke Konzentration des kompositorischen Gedankens, die im weitesten Sinn mit<br />
Berlioz’ „idée fixe“, Wagners „Leitmotiven“ oder Skrjabins „mystischem Akkord“<br />
vergleichbar ist: Weberns späte Musik ist von individualisierten Klangereignissen<br />
geprägt, in denen die Parameter Klangfarbe/Dynamik und Tonhöhe in immer neue<br />
Verhältnisse treten. Adorno bemerkt hierzu: „ [...] seine verwegene Kunst des<br />
Kontrapunkts und der Konstruktion gelangt, als zu ihrer künstlichen Spitze, zum<br />
bloßen, einzelnen Ton: dem reinen kreatürlichen Laut.“ 64 Die zeitliche<br />
Komprimierung der Form widerspricht dabei den äußerlich meist vorausgesetzten<br />
Proportionen der klassischen Form. Die formale Gliederung der Werke erhält durch<br />
diese Komprimierung also eine neue Komplexität. Die Autonomie des musikalischen<br />
Materials durch die Emanzipation der Pause resultierte bei Webern aus der Erkenntnis,<br />
dass auch einzelne Töne bzw. Klänge bedeutungsvoll sein können. „Jeder Ton faßt in<br />
64 Theodor W. Adorno, Anton von Webern, in: Musikalische Schriften V (=Gesammelte Schriften 18),<br />
Frankfurt (Suhrkamp) 1984, S. 518.<br />
61
der Musik Weberns eine<br />
Welt in sich.“ 65 Das bedeutete die Anerkennung<br />
dynamischer, agogischer und<br />
klangfarblicher Differenzen bzw. die Wahrnehmung von<br />
einzelnen Klangereignissen n in ihrer Einzigartigkeit. Diese Klangereignisse e sind in der<br />
Regel analog zu den größeren Gliedern der klassischen Form konzipiert: Ein oder<br />
zwei Töne können so einemem Motiv entsprechen, ein Motiv einer Phrase, eine Phrase<br />
einer Themengestalt, einige Takte der (kleinen) dreiteiligen Liedform. Die<br />
musikalische Form vergleicht Webern mit einer gegliederten Fläche. Dabei nehmen<br />
Pausen eine entscheidende e Funktion ein: Sie folgen den Tönen und gehen ihnen<br />
voraus. Die Klänge erklingen<br />
und verklingen.<br />
Der erste Formteil des<br />
dritten Satzes von op. 27 (Nbsp. 48) wird gemäß den<br />
Pausen und drei Reihenabläufen in drei asymmetrische Perioden zu je drei<br />
Tongruppen gegliedert. Die<br />
erste Periode zeigt drei durch Pausen getrennte Gruppen<br />
von 4, 5 und 3 Tönen. Die<br />
Tonbeziehungen der kleinen Sekunde greifen über die<br />
Gliederung hinaus.<br />
Nbsp. 48: Webern, Variationen op. 27, 3. Satz , T. 1-6<br />
1. Periode<br />
1<br />
K11<br />
7<br />
3<br />
4<br />
6<br />
9<br />
2<br />
5<br />
8<br />
2. Periode<br />
10<br />
11<br />
12<br />
65 Dieter Schnebel, Denkbare<br />
Musik, Schriften 1952-1972, hrsg. v. Hans Rudolf<br />
Zeller, Köln<br />
(DuMont) 1972, S. 161.<br />
62
Einer der auffallendsten Züge in der sparsamen Verwendung von klanglichem<br />
Material ist daher die Tendenz zur Stille. Das Werden und Vergehen des Klangs<br />
ermöglicht ein neues Verstehen. Das Interesse richtet sich auf die Mikrostruktur bzw.<br />
lokale Klangfarben und Tonhöhenbeziehungen.<br />
Webern legt in seinen Vokalwerken op. 23 und 25 das Gewicht auf die<br />
punktuelle<br />
Kurzmotivik. Die beiden Werke zeichnen sich durch eine auffällige Sparsamkeit der<br />
Mittel aus. Im Klavierpart des ersten Satzes von op. 23 (Nbsp. 49), einem der längsten<br />
Lieder Weberns, dominiert eine kleingliedrige und mit Pausen durchsetzte e Gestaltung.<br />
Das Verhältnis von Singstimme und Klavier tendiert zum Hoquetus: Die eine Stimme<br />
singt bzw. spielt, während die andere pausiert.<br />
Nbsp. 49: Webern, Drei Lieder aus „Viae inviae“ für Gesang und Klavier, Nr. 1: Das<br />
dunkle Herz<br />
(1934), T. 1-6<br />
In seinen auf die punktuelle Motivik begründeten Werken schreibt Webern weder<br />
klassische homophone Strukturen noch „traditionellen“ Kontrapunkt im Sinn des<br />
„Note gegen Note“. Es gibt keine Hauptstimme, keine Begleitung g und kein<br />
traditionelles musikalisches s Gewebe mehr. Die Tendenz zur Stille erschließt<br />
eine „Zeit<br />
63
zum Hören jedes Klangs und zur Bereitschaft für den nächsten“ 66 (Abb. 4). „Webern<br />
hat die Musik auf das Intervall und den Einzelton reduziert, er hat<br />
Strukturen<br />
komponiert, die nicht mehr<br />
kontinuierlich im traditionellen Sinne verlaufen, sondern<br />
‚Sprünge‘ machen.“ 67<br />
Abb. 4: Dialektik zwischen Klang<br />
und Stille<br />
<br />
Die Dialektik zwischen Klang und Stille bzw. Mobilität und Statik ist auch ein<br />
wesentliches Thema der Kunst Alexander Calders. Ein Mobile ist ein leichtes Gebilde,<br />
das vom Luftzug bewegt wird. Vom Mobile als Kunstform spricht Calder: „Wenn<br />
alles klappt, ist ein Mobile ein Stück Poesie, das vor Lebensfreude e tanzt und<br />
überrascht“. 68<br />
66 Ebda., S. 162.<br />
67 Ebda., S. 127.<br />
68 Zit. nach: Jacob Baal-Teshuva, Alexander Calder, 1898-1976, Köln (Taschen Verlag) 2004.<br />
64
Abb. 5: Mobilität und Statik, Alexander Calder: Rotes Mobile (1956)<br />
Die Pause ist in Weberns punktueller Musik mehr als nur eine Unterbrechung bzw.<br />
Gliederung von melodischenen Linien. Sie nimmt serielles Denken insofern n voraus, als<br />
sie einen Extrempunkt innerhalb einer Reihe möglicher Dynamikgrade bezeichnet.<br />
Die Pausen [werden] zum Aussageelement [...], die im entthematisierten Struktursystem nicht<br />
mehr Spannungspausen sind, sondern tektonische Pausen, sozusagen schweigende Töne [...], ins<br />
Schweigen hinein [komponierte] hörbare Ereignisse [...]. Pausen, die – nicht anders als die Noten,<br />
mit denen sie die Eigenschaft der Dauer gemein haben – Bestandteil einer rhythmischen Struktur<br />
und zugleich dynamische Werte sind. 69<br />
Pausen erscheinen im drittenten Satz von op. 27 in diesem Sinn als integrale Bestandteile<br />
rhythmischer Struktur und Dynamik (Nbsp. 50). Töne und Pausen sind Bestandteile B<br />
einer kontrapunktischen Gegenüberstellung realer und irrealer bzw.<br />
imaginärer<br />
Rhythmen. In den ersten beiden Takten herrscht Ruhe. Die am Beginn<br />
stehende<br />
Viertelpause lässt sich als eine atemholende Geste vor den Melodietönenen auffassen.<br />
Die halbe Pause nach dem d in Takt 2 stellt ein Spannungsmoment dar. Vor Takt 3<br />
wird die Spannung durch die dynamische Anweisung „forte“ gesteigert. t. Durch die<br />
lange Dauer der Pause in Takt 4 beruhigt sich der Fluss wieder. Die langen<br />
Pausen in<br />
Takt 2 und 4 haben einen<br />
den Tönen gleichgestellten Grundcharakter, sie sind<br />
eigenständige „Klangereignisse“. Zwischen dem d und dem cis in Takt 2 lässt sich ein<br />
crescendo empfinden, in der Pause in Takt 4 nach dem g (Ende Takt 3) ein<br />
diminuendo.<br />
69 Zit. nach: Kolneder, Anton Webern, S. 143.<br />
65
Nbsp. 50: Webern, Variationen op. 27, 3. Satz , T. 1-5.<br />
p 3<br />
2<br />
3<br />
4 4<br />
4<br />
(cresc.) f<br />
(decresc.) p<br />
(cresc.) c.) f<br />
4<br />
3 3<br />
3<br />
Die Stille gerät in Bewegung. Sie fließt ruhig dahin, trägt und bedroht. In Takt 44<br />
(Nbsp. 51) erscheint ein accelerando über einem ganzen Takt Pause. Die stillen Pulse<br />
führen den zeitlichen Impuls<br />
der Töne bruchlos fort.<br />
Nbsp. 51: Webern, Variationen op. 27, 3. Satz, T. 43-45<br />
45<br />
Die Emanzipation der Pausen und der Bruch mit jeglicher traditioneller Linienführung<br />
bedeutete bei Webern die Erschaffung einer neuen Sprache. Die längere Dauer einer<br />
Pause als Nachklang des Erklungenen diente der Wahrnehmung<br />
einer<br />
Übereinstimmung zwischen<br />
vorläufigen und folgenden musikalischen Gedanken.<br />
3.4.2. Zeit und Raum<br />
Weberns Bestreben nach<br />
einer Synthese von horizontaler und<br />
vertikaler<br />
Darstellungsweise ist vergleichbar mit Kompositionsprinzipien der Vokalpolyphonie<br />
und trug entscheidend zum neuen Stil seines Spätwerks bei.<br />
66
Der Zwischenraum zwischen Statik und Bewegung im Orchestersatz des späten<br />
Webern eröffnete einen neuen Gestaltungsspielraum. Die Vielfalt von Darstellungen<br />
der Gedanken führt Webern auf die Freiheit der schöpferischen Vorstellung zurück:<br />
„Eine Aschenschale, von allen Seiten angesehen, ist immer das gleiche – und doch<br />
etwas anderes. – Ein Gedanke soll also auf die mannigfaltigste Art dargestellt<br />
werden.“ 70 Die Entwicklung der einzelnen gestischen Figuren neigt dabei zur Ellipse,<br />
zum Zerfall und zum erneuten Zusammenfinden in anderen Konstellationen.<br />
Intervallbeziehungen fließen nach einer Pause in andere Tonhöhenverhältnisse ein.<br />
Die ursprüngliche Überschaubarkeit aller musikalischer Momente weicht einer<br />
mehrschichtigen Kreisbewegung.<br />
Die Vielfalt von Tonbeziehungen in Weberns späten Werken trägt entscheidend<br />
zu einer transparenten, dreidimensionalen Struktur bei. Sie stellt eine<br />
„Diagonalverbindung“ zwischen gestischen Figuren, Intervallen und Einzeltönen her.<br />
Der Gegensatz von horizontal und vertikal verschwindet. Als dritte Dimension<br />
erscheint die Verbindung von melodischen und rhythmischen Schichtungen einerseits<br />
und akkordischen Schichtungen andererseits. Der Zusammenklang vertikaler<br />
Ereignisse bzw. der Zusammenhang zwischen horizontalen Ereignissen dehnt sich<br />
durch die Zeitstauchung in den dreidimensionalen Tonraum aus. „Im Formalen<br />
überwiegt die ‚horizontale‘ [Periodik], in allem übrigen die ‚vertikale‘<br />
[Kontrapunktik] Darstellung“ 71 .<br />
Die zwei Zwölftonfelder zu Beginn des Konzerts op. 24 (Nbsp. 52), die durch die<br />
Pausenzäsur voneinder abgesetzt sind, enthalten vier korrespondierende<br />
Dreitongruppen, die sich in Bezug auf Tonhöhe, Klangfarbe und Rhythmus<br />
unterscheiden. Die zwei aufeinander bezogenen Dreitongruppen (a und b bzw. c und<br />
d) lassen sich als eine Periode beschreiben. Die horizontale Symmetrie zwischen den<br />
Dreitongruppen (Nbsp. 53) und die vertikale Symmetrie ihrer Struktur als Sechstonoder<br />
Zwölftonakkord (Nbsp. 54) wird durch eine polyphone Brechung und Kanonik<br />
im musikalischen Raum dargestellt.<br />
70 Webern: Der Weg zur Neuen Musik, S. 57.<br />
71 Döhl, Weberns Beitrag, S. 341.<br />
67
Nbsp. 52: Webern, Konzert op. 24, 1. Satz, T. 1-5<br />
a<br />
b<br />
d<br />
c<br />
Nbsp. 53: Horizontale Symmetrie<br />
der Dreitongruppen:<br />
- 1 + 4 + 1 + 4 - 1 /+2/ - 4 + 1 - 5 + 1 - 4<br />
Nbsp. 54: Vertikale Symmetrie der Dreitongruppen als Sechstonakkorde und Zwölftonakkord:<br />
68
Die spiegelbildliche Korrespondenz der Dreitongruppen wird durch die Pause<br />
rhythmisch variiert. Die Zeit<br />
wird also verlangsamt bzw. beschleunigt. Der<br />
Rhythmus<br />
der Flöte „verlangsamt“ die<br />
Zeit der Oboe, der Rhythmus der Trompete beschleunigt<br />
wieder, die letzte Dreitongruppe der Reihe in der Klarinette verlangsamt noch stärker<br />
bis zum Stillstand (Abb. 6).<br />
Abb. 6: Die Pause als die Verlangsamung bzw. Beschleunigung der Zeit im Orchestersatz<br />
Durch die Autonomie von<br />
Klängen und Pausen schafft Webern „eine Art der<br />
Anordnung von Punkten, Blöcken oder Figuren, welche jetzt nicht mehr<br />
auf einer<br />
Klangebene, sondern im Klangraum erfolgt.“ 72 Die einzelnen Tongruppen n vollziehen<br />
einerseits eine chromatische, eindimensionale Bewegung. Die zweidimensionale<br />
Spannung zwischen den Linien jedoch führt zu einer Fläche, und<br />
durch die<br />
dreidimensionale Bewegung<br />
schließlich kommt ein Körper zustande. Das dissoziative<br />
Moment der vielen Pausen trägt entscheidend zur Transparenz der Stimmführung bei<br />
und stärkt dadurch den<br />
Zusammenhang und den Eindruck musikalischer<br />
Räumlichkeit. Durch die flexiblere Gestaltung des Tonsatzes wird dem musikalischen<br />
Ausdruck größerer Freiraum<br />
gewährt.<br />
72 Pierre Boulez, Musikdenken heute, Bd. I, Mainz (Schott) 1963, S. 366.<br />
69
Weberns Theorie von der „Einheit des musikalischen Raumes“ 73 als Verwandlung<br />
der eindimensionalen Zeit in einem abstraktem musikalischem Raum zeigt<br />
sich auch<br />
deutlich am Beispiel seinerer Symphonie op. 21 (Nbsp. 55). Hier zeichnet sich die<br />
Individualisierung der Töne<br />
im Sinne eigenständiger Klangereignisse bereits ab: „Ein<br />
hoher Ton, ein tiefer Ton, ein Ton in der Mitten – wie die Musik eines<br />
Wahnsinnigen“ 74 äußerte Webern selbstironisch bei der Uraufführung dieses Werks<br />
durch Otto Klemperer.<br />
Fasslichkeit war jedoch auch hier für Webern von großer Bedeutung. „Ich<br />
verstehe unter ,Kunst‘ die Fähigkeit, einen Gedanken in die klarste, einfachste, das<br />
heißt, ‚faßlichste‘ Form zu<br />
bringen“ schrieb Webern in einem Brief vom<br />
6. August<br />
1928. 75 Pausen dienten ihm dabei als eine Möglichkeit zum Erhöhen dieser<br />
Fasslichkeit. Dadurch entsteht oft eine rhythmische Verzerrung der Reihe.<br />
Nbsp. 55: Webern, Symphonie op.<br />
21 (1928), 1. Satz, T. 1-7<br />
73 Döhl, Weberns Beitrag, S. 206.<br />
74 Moldenhauer, Anton von Webern, 426 ff.<br />
75 Zit. nach: Kolneder, Anton Webern, S. 85.<br />
70
Die Tongruppierungen resultieren aus dem durch die Pausen durchbrochenen Satz, der<br />
die Linearität der Kanonstimmen aufhebt. Wie die linearen Zusammenhänge der<br />
Reihen sich durch die Pausen in Tongruppen und Tongruppenbeziehungen<br />
auflösen,<br />
so lösen sich die Tongruppen in Einzeltönen und Tonbeziehungen auf. So<br />
wird z. B.<br />
im Cello, T. 3-5, eine Dreitongruppe durch Pausenartikulation in 3 Einzeltönen<br />
aufgelöst (Nbsp. 56).<br />
Nbsp. 56: Webern: Symphonie op.<br />
21, I Satz, T. 3-5, Cello<br />
Das Ideal der von Webern<br />
angesprochenen „Fasslichkeit“ basierte gleichzeitig auf<br />
Anknüpfung an und auf Bruch mit der traditionellen Bedeutung dieses Konzepts. Die<br />
Dissoziation herkömmlicher<br />
musikalischer Sprachähnlichkeit durch die transparente<br />
dreidimensionale Struktur kann im Sinne eines Verzichts auf alte Sicherheiten und<br />
damit als Quelle einer kreativen Verunsicherung verstanden werden.<br />
Durch die<br />
häufigen Pausen werden bei Webern die Töne innerhalb der gegebenen Gruppe als<br />
individuelle Werte wahrnehmbar. Die musikalische Organisation von Punkten und<br />
Linien eröffnet neue Ausdrucksbereiche und eine gesteigerte Aufmerksamkeit, ein<br />
gespanntes Lauschen in die Stille, das durch Weberns „Emanzipation der Pause“<br />
ermöglicht wird.<br />
In der Coda des 2. Satzes von op. 21 (Nbsp. 57) wird ein Verstummen<br />
auskomponiert. Von den<br />
44 Achteln der letzten 11 Takte entfallen 22 auf<br />
(General-)Pausen.<br />
71
Nbsp. 57: Webern, Symphonie op. 21 (1928), 2. Satz, T. 86-100, Coda, T. 90-100<br />
86<br />
91<br />
Dieses Bestreben nach dem<br />
Eigenleben der Tongruppen auf Kosten der Linie zeigt<br />
sich auch in Weberns Bearbeitung des Ricercare à 6 für Orchester (1935) aus dem<br />
Musikalischen Opfer von J. S. Bach (Nbsp. 58 und 59). In der Strenge des<br />
Konzepts<br />
9<br />
und der Ausdruckstendenz<br />
offenbart sich eine Übereinstimmung zwischen beiden<br />
Komponisten. Bachs Thema, das durch eine Pause in zwei große Bögen gegliedert ist,<br />
wird von Webern durch die<br />
Pausen in sieben Motive aufgespalten. Webernern bemerkte<br />
72
zu den langen Linien ohne Pausen in Bachs Partitur: „Das ist keine lange Wurst“. 76<br />
Damit wollte er ausdrücken, dass man die einzelnen Teilelemente jeder Linie deutlich<br />
herausarbeiten müsse. Die kunstvolle Abfolge von Impulsen und Artikulationen<br />
sowohl in rhythmischer als auch in melodisch-intervallischer Hinsicht kristallisiert<br />
sich durch verändernde Klangfarben und neue Instrumentaleinsätze heraus.<br />
Jede der absteigenden kleinen Sekunden setzt sich von der nächstfolgenden durch<br />
Teilpausen bzw. durch Phrasierung und durch das wechselnde Timbre der drei<br />
alternierenden Instrumente ab. Die inneren Beziehungen der absteigenden Halbtöne<br />
werden durch die Teilpausen bzw. den Wechsel der Instrumentation – das Übergehen<br />
von einem Instrument zu anderem – unterstrichen. In einem Brief an Hermann<br />
Scherchen vom 1. 1. 1938 hat Webern die Fuga (Ricercata) mit den Worten „meine<br />
Bach-Fuge“ als eigene Deutung apostrophiert. Die instrumentale Aufteilung<br />
(polyphone Brechung) wird von Webern strukturell begründet:<br />
„Ich empfinde nämlich diesen Teil des Themas, diesen chromatischen Gang (g-h), als im<br />
Charakter wesentlich verschiedenen von den ersten fünf Noten […], im innerlichen Vortrag ist<br />
dieses erste Viertel des 5. Taktes (das angebundene „es“ im Horn und die gleichzeitige<br />
Viertelpause in der Posaune) stark betont.“ 77<br />
Weberns Bach-Bearbeitung und sein Verständnis dieser Musik versucht das Material<br />
durch die Pause zur Sprache zu bringen, in „Worte zu fassen“. Das Thema erscheint<br />
als ein Wechsel von Spannung und Entspannung, der mit der sprungbetonten „Frage“<br />
und der „Antwort“ als chromatischem Abstieg mit abschließender Kadenz ausgedrückt<br />
wird.<br />
Webern versucht durch die Pause also die Struktur der Bach-Fuge deutlich<br />
werden zu lassen. Er teilt die einzelne Motive auf verschiedene Instrumente auf und<br />
konzentriert sich dabei auf den motivischen Zusammenhang. In einem Brief an<br />
Scherchen bekennt Webern: „Meine Instrumentation versucht [...], den<br />
m o t i v i s c h e n Zusammenhang bloß zu legen. [...] Alles ist Hauptsache in diesem<br />
Werk und – in dieser Instrumentation.“ 78<br />
76 Zit. nach: Moldenhauer, Anton von Webern, S. 401.<br />
77 Döhl, Weberns Beitrag, S. 352-353.<br />
78 Ebda. S. 355 f.<br />
73
Webern interessiert sich für Intervallbeziehungen innerhalb jeder Phrase des<br />
Ricercar-Materials. Dadurch<br />
entsteht der Eindruck einer Farbfläche, die<br />
durch die<br />
Weiterführung von einem Instrument zum anderen einen großen musikalischen Raum<br />
öffnet. Das Werk, das von<br />
vielen Musikern als „Abstraktum“ angesehen wurde,<br />
entpuppte sich durch die Orchesterbearbeitung Weberns als „tiefste Musik“.<br />
Nbsp. 58: Bach: Ricercar a 3 aus dem Musikalische Opfer, BWV 1079, T. 1-8<br />
Nbsp. 59: Webern, Ricercare à 6 für Orchester aus dem Musikalische Opfer von Joh. Seb.<br />
Bach,<br />
T. 1-10<br />
Webern versuchte also ein „abstraktum“ durch die Hinzufügung von Pausen und die<br />
Instrumentation in eine e „akustisch mögliche Realität“ 79 zu verwandeln. v<br />
79 Zit. nach: Karlheinz Essl, Das<br />
Synthese Denken bei Anton Webern, Tutzing (Schneider) 1991,<br />
S. 88.<br />
74
Instrumentation und Emanzipation der Pausen bedeutete für Webern die<br />
Verdeutlichung strukturellerer Zusammenhänge.<br />
Am Beginn der Variationen n op. 30 (1940, Nbsp. 60) werden die einzelnen Tongruppen<br />
der Reihe a-b-des-c-h-d-es-ges-f-e-g-as durch Pausen unterbrochen.<br />
Die<br />
Zwölftonreihe ist in drei viertönige Gruppen zergliedert, wobei jede dieser Gruppen<br />
von einem anderen Instrument gespielt wird. Es handelt sich<br />
um eine<br />
krebsumkehrungsgleiche Reihe. Dadurch lässt sich eine Fülle von Zusammenhängen<br />
erkennen. Zwischen der angestrebten lockeren Fügung der einzelnen Momente, den<br />
individualisierenden Prinzipien und motivischen Zusammenhängen bleibt eine<br />
Spannung bestehen. Die Pause löst die Wirkung des Klangs mit seiner<br />
Harmonik,<br />
Rhythmik, Dauer und Intensität bzw. Dynamik als Nachklang des letzten<br />
musikalischen Verlaufs aus, vergleichbar mit einem Echo. Das Werk ist in seinem<br />
Bewegungsablauf des unendlichen Doppelkanons durch die Pause geordnet. et.<br />
Nbsp. 60: Webern, Variationen Op. 30, I. Satz, T. 1-5<br />
1<br />
75
In gesamten Satz dominiert eine nicht zuletzt mittels Pausen<br />
erzeugte<br />
satztechnische Vielfalt. Die durch die Pausen durchbrochenen traditionelle<br />
satztechnische Prinzipien werden mit den einzelnen Tongruppen ersetzt. Keine der<br />
durch Pausen artikulierten Tongruppen gleicht dabei einer anderen.<br />
Jede Phrase bzw. Zwölftonreihe wird wie erwähnt in drei Viertongruppen<br />
gegliedert, die durch Pausen<br />
voneinander getrennt sind. Die zweite bis vierte Phrase<br />
bringen Umkehrung, Krebs<br />
und Krebsumkehrung der Reihe. Dadurch entsteht ein<br />
Verhältnis von Vorder- und<br />
Nachsatz zwischen den Reihenformen G+U und K+KU<br />
(Nbsp. 61). Das Thema der Variationen ist also periodisch gedacht.<br />
Nbsp. 61: Die Pausen als Konstruktionsmerkmale satztechnischer Vielfalt<br />
G<br />
Vordersatz<br />
U<br />
K<br />
Nachsatz<br />
KU<br />
Die Emanzipation der Pausen bedeutete bei Webern einerseits äußerste Reduktion der<br />
Satzelemente, andererseits<br />
eine Verdichtung der Zusammenhänge des Satzes.<br />
Dahlhaus hat am Beispiel von op. 30 festgestellt, dass „die Armut an Material“ „das<br />
Korrelat eines Reichtums an Beziehungen“ 80 ist.<br />
Bei Weberns letzter Komposition, der II. Kantate op. 31 (1941/43,, Nbsp. 62),<br />
handelt es sich um das längste Werk des Komponisten. Zusammen mit der<br />
I. Kantate<br />
op. 29 bezeichnet sie eine Rückkehr zur Frage der Wort-Ton Beziehungen. n. Die Pause<br />
80 Carl Dahlhaus, Probleme des Rhythmus in der neuen Musik, in: Terminologie der<br />
neuen Musik<br />
(=Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt 5), Berlin<br />
(Merseburger) 1965, S. 35.<br />
76
helfen dabei Inhalt des<br />
Textes zu vermitteln. Das Gedicht beschreibt den<br />
Sonnenschein, bei dem sich<br />
die schweigende Welt in Farben darzustellen vermag.<br />
Durch die von der Pause bewirkte Betonung des Wortes „schweigt“ wird<br />
der Hörer<br />
gleich zu Anfang stutzig. Die vorangehende und nachfolgende Generalpause verleiht<br />
der Viertongruppe am Anfang des Gesangs großes Gewicht. Die<br />
Solisten<br />
(Instrumentalisten und Sänger) wechseln sich, vermittelt durch Pausen, innerhalb eines<br />
großen dreidimensionalen Raumes ab.<br />
Nbsp. 62: Webern, II. Kantate op. 31, I. Satz, T. 7-10<br />
Im 4. Satz werden zwei<br />
Reihenformen durch die Pause in Gesangstimme und<br />
Instrumenten unterteilt. Im ersten Teil erscheint die Krebsform der Grundreihe in erste<br />
Geige und Gesangstimme. Im zweiten Teil erscheint die Krebsumkehrung<br />
in Harfe,<br />
Horn und Gesangstimme.<br />
Die rhythmischen Werte der Grundreihe und ihrer Krebsform im ersten Teil und<br />
der Umkehrung und Krebsumkehrung im zweiten Teil unterscheiden sich<br />
durch die<br />
77
verschiedenen Pausenstellungen. Die Pausen nehmen dabei einem dem Erklingendem<br />
äquivalente Stellung ein. Das lässt sich etwa beobachten beim achten Ton<br />
(„h“) der<br />
Grundreihe und ihrer Krebsform bzw. beim ersten und zweiten Ton („fis“<br />
und „dis“)<br />
der Umkehrung und Krebsumkehrung (Abb. 7).<br />
Abb. 7: Die Pausen als erklingende rhythmische Wertfolge<br />
Ges. (T. 1-8)<br />
G<br />
1.Gg. (T. 9-11)<br />
K<br />
Hrn. (18-20)<br />
Hrf. (T. 20-21)<br />
KU<br />
Ges. (T. 12- 17)<br />
U<br />
Nbsp. 63: Verschiedene Pausenstellungen in Reihenformen:<br />
G<br />
K<br />
U<br />
KU<br />
78
H. Deppert leitet aus diesen Gegebenheiten eine Ausgangsfolge der rhythmischen<br />
Werte ab:<br />
Man erkennt, daß diese vier<br />
rhythmischen Wertfolgen sich nur durch Viertelpausenen voneinander<br />
unterscheiden, die entweder er am Anfang oder am Ende eines rhythmischen Wertes abgezogen sind.<br />
Vernachlässigt man diese Pausen, so erhält man eine Folge rhythmischer Werte, dergestalt, daß<br />
die einzelnen Werte der Ausgangsfolgen immer innerhalb des Feldes eines rhythmischen Wertes<br />
dieser Folge liegen. 81<br />
Im 6. Satz haben die Pausen<br />
neben einer strukturellen auch eine rhetorische<br />
Funktion.<br />
Entsprechend der inhaltlichen Aussage teilt Webern die Verszeilen durch<br />
zwei bzw.<br />
drei Halbepausen. Durch die längere Pause von drei Halben erhält der fünfte Vers<br />
mehr Gewicht (Nbsp. 64).<br />
Nbsp. 64: Webern, II. Kantate op.<br />
31, VI. Satz<br />
Die Pausen sind in beiden Fällen „sprechend“ d.h. tektonische Pausen bzw.<br />
schweigende Töne, da ihr<br />
Wert (Halbepause) sich auch in den gesungen Werten<br />
findet.<br />
81 Heinrich Deppert, Studien zur Kompositionstechnik im instrumentalen Spätwerk Anton Weberns,<br />
Darmstadt (Ed. Tonos) 1972,<br />
S. 17.<br />
79
4. Die Auswirkung der Pausenbehandlung bei Webern auf nachfolgende<br />
Komponisten<br />
Unter Berufung auf Webern bewegt sich John Cage in Richtung einer Materialisierung<br />
der Stille bzw. Pause. In Defense of Satie (1947) begründet er seine Theorie einer auf<br />
Dauern basierenden Strukturkonstitution:<br />
If you consider that sound is characterized by its pitch, its loudness, its timbre, and its duration,<br />
and that silence, which is the opposite and, therefore, the necessary partner of sound, is<br />
characterized only by its duration, you will be drawn to the conclusion that of the four<br />
characteristics of the material of music, duration, that is, time length, is the most fundamental.<br />
Silence cannot be heard in terms of pitch or harmony: It is heard in terms of time length. 82<br />
John Cages Lecture on Nothing (1950, Abb. 8) richtet die Aufmerksamkeit auf die<br />
Leere. Die Struktur, in die Klangereignisse bzw. Wörter implementiert werden, ist<br />
nach Cages Vorstellung strukturierte Leere, strukturierte Stille.<br />
Cage verwendet den Begriff des „Klangraums”, als er Boulez im Dezember 1950<br />
seinen Umgang mit Tabellen erläuterte:<br />
I keep, of course, the means of rhythmic strucuture feeling that that is the ‘espace sonore’ in<br />
which of these souds may exist and change. Composition becomes ‘throwing sound into silence’<br />
and rhythm which in my Sonatas had been one of breathing becomes now one of a flow of sound<br />
and silence. 83<br />
1951 hält Cage wieder einen Vortrag über die Stille, diesmal unter dem Titel Lecture<br />
on Something. Stille bzw. Pause ist hier nicht mehr Abwesenheit von Klang, sondern<br />
wird als etwas Reales aufgefasst. Ihre Formen ändern sich äbhängig von der<br />
Klangdichte. An manchen Stellen wird sie so lang, dass ein Moment irritierenden<br />
Schweigens entsteht.<br />
82 Zit. nach: Inge Kovács, Wege zum musikalischen Strukturalismus, Schliengen (Edition Argus)<br />
2004, S. 214-215.<br />
83 Ebda., S. 229.<br />
80
Abb. 8: Cage, Lecture on Nothing, in: Silence. Lectures and Wrtings. Hanover/New Hampsire 1961, S.<br />
109 (entnommen aus Kovács, Wege zum musikalischen Strukturalismus, S. 229)<br />
LECTURE ON NOTHING<br />
I am here , and there is nothing to say .<br />
If among you are<br />
those who wish to get somewhere , let them leave at<br />
any moment . What we re-quire is<br />
silence ; but what silence requires<br />
is that I go on talking .<br />
Give any one thought<br />
a push : it falls down easily .<br />
; but the pusher and the pushed pro-duce that entertainment<br />
called a dis-cussion .<br />
Shall we have one later ?<br />
Or , we could simply de-cide not to have a discussion<br />
. What ever you like. But<br />
now there are silence and the<br />
words make help make the<br />
silences .<br />
I have nothing to say<br />
and I am saying it<br />
and that is<br />
poetry<br />
as I need it<br />
This space of time<br />
is organized<br />
We need not fear these silence, –<br />
Auch bei Luigi Nono nimmt die Stille bzw. Pause in seiner späten Phase eine wichtige<br />
Rolle ein. Er entwirft in seinem Streichquartett Fragmente – Stille. An Diotima (1979-<br />
1980, Nbsp. 65) eine Musik, deren Grundprinzip Stille ist.<br />
81
Nbsp. 65: Luigi Nono, Fragmente-Stille. An Diotima, T. 1<br />
Die Fragmente ragen aus der Stille wie Inseln aus dem Meer. 84 Die Klänge<br />
sind Inseln<br />
in einem stillen Ozean. Die Musik bricht in die Stille hinein.<br />
Stille ist nicht künstlerische<br />
Leere sondern ein Raum der leisen Bewegungen. Sie ist<br />
Fortsetzung der Klänge. Phasen der Pause umgeben und verbinden die Fragmente. Das<br />
Werk beschreibt keine gezielte Form, sondern eine Ausbreitung ins Unhörbare.<br />
84 Wilhelm Seidel, Tönende Stille, S. 254.<br />
82
5. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Pause als kompositorisches Gestaltungmittel wird durch die Jahrhunderte immer<br />
wieder von Komponisten verwendet. In der Musik des Barocks wird ihre Bedeutung<br />
oft im Zusammenhang mit einem Text bzw. Affekt verstanden, häufig in der Funktion<br />
einer Textausdeutung.<br />
In der klassischen Instrumentalmusik erforderte die musikalische Gestaltung deutliche<br />
strukturelle Pausen und zwar als Schlussverstärkerung nach einer vollständigen oder<br />
Schlussergänzung nach einer unvollständigen Kadenz. In der strengen klassischen<br />
formalen Konzeption konnte sie auch als strukturelle Ergänzung zu einer geraden<br />
Taktanzahl in Erscheinung treten.<br />
Mit der Entwicklung der Harmonik und der Verselbständigung dissonanter Akkorde in<br />
der Romantik wurden Pausen zunehmend auch in Zusammenhang mit<br />
„Erwartungssituationen“ verwendet. Hörerfahrungen, die zwischen einer erwarteten<br />
und der tatsächlichen Fortsetzung des musikalischen Verlaufs schwankten, bedeuteten<br />
ein Moment, das zwischen Struktur und Emotion vermittelte. Die extremen<br />
Gegensätze der romantischen Poetik verursachten oft unregelmäßige Strukturen. Eine<br />
Pause konnte dabei ein Motiv bis zur Zelle verknappen oder den Kontrast zwischen<br />
Tongruppen und Einzeltönen hervorheben.<br />
Weberns Begeisterung für die Pausen resultierte in einer neuen Auffassung vom<br />
musikalischen Material. 85 Er geht in seinen frühen Vokalwerken aus von ihrer<br />
rhetorschen Funktion im Sinne der Ausdeutung eines Texts bzw. wichtiger Aussagen.<br />
Die strukturelle Konzentration mittels Pausen diente einem Kampf gegen die<br />
expansive Tendenz des steten Weiterströmens der „unendlichen Melodie“ in der<br />
spätromantischen Musik. In der atonalen Musik Weberns wird der Fluss der Zeit durch<br />
Fragmentierung des musikalischen Materials immer wieder unterbrochen. Beim<br />
Erzeugen dieser Diskontinuität spielen Pausen eine zentrale Rolle. Die Pause dient zur<br />
Verstärkung des Widerspruchs. Die durch die Pausen voneinander abgehobenen kurze<br />
Motive wechseln zunehmend von Instrument zu Instrument. Dadurch entsteht eine<br />
85 Webern bezeichnete seinen Zyklus als „Weg“. Auf diesem sollte gezeigt werden, was im Laufe der<br />
Jahrhunderte in der Kunst der Musik noch nicht gesagt worden war.<br />
83
Fragmentierung der Form. Weberns Innovationen ähneln in dieser Hinsicht denen<br />
Schuberts, da beide ihrer Instrumentalmusik ein Moment von „Blitzlichtaufnahmen<br />
des Unterbewusstseins“ verleihen.<br />
Weberns Interesse an der Präzision musikalischer Gestalten waren durch die<br />
Musik der flanko-flämischen Vokalpolyphonie und die Sprachlehre von Karl Kraus<br />
geprägt. Pausen dienten dabei wieder stärker der formalen Gliederung. Klassische<br />
Formen werden wieder zu maßgeblichen Organisationsmodellen. Abschnitte werden<br />
durch Pausen klar voneinander abgehoben, Haupt- und Nebensache separiert.<br />
Das Streben nach Fasslichkeit führte bei Webern schließlich zur vollständigen<br />
Emanzipation der Pause. Die Reduktion der Satzelemente durch die häufigen Pausen<br />
zwischen Tongruppen und Einzeltönen erhöhte die Beziehung zwischen Pause und<br />
Ton. Ein musikalischer Gedanke kann durch die Pause beschleunigt bzw. beruhigt<br />
werden. Melodik, Harmonik und Rhythmik der zwölftönigen Werke werden durch die<br />
Pausen zu einer Art „durchsichtigem Labyrinth“ 86 , für das man den Ausdruck<br />
„strukturelle Komposition“ 87 verwendet hat.<br />
Webern verzichtete durch die Pausen in allen seinen Schaffensperioden auf ein<br />
bloß „kosmetisches“ Ausfüllen von Zwischenräumen durch verbindende Motivik und<br />
erzielte dadurch die Konzentration auf Wesentliches. Dies erhöhte entscheidend die<br />
Durchsichtigkeit und musikalische Klarheit des Webernschen Satzes.<br />
Die Pause bzw. Stille ist ein wesentliches Teil der musikalischen „Grammatik“.<br />
Durch sie wird ein Innehalten des musikalischen Verlaufs artikuliert und die<br />
„Fasslichkeit“ der Musik erhöht. Sie ist Voraussetzung des Klangs bzw. wäre ohne sie<br />
der Klang nicht wahrnehmbar. Die aus der Stille enstandene Musik drängt wiederum<br />
zu ihrer Auflösung in die Stille. Wo die Musik verstummt, beginnt die Stille. Sie ist<br />
mit ihrer Dauer ein dem Klang gleichberechtigter Partner und die Zeit stellt die<br />
Grundlage der Musik dar. Vielleicht kann man sagen, dass Musik ohne Stille bzw.<br />
Pause nicht erreichbar ist.<br />
86 Ligeti, Aspekte der Webernschen Kompositionstechnik, in: Anton Webern II, hg. Heinz-Klaus<br />
Metzger und Rainer Riehn (= Musik-Konzepte Sonderband), München (ed. Text + Kritik)<br />
1984, S. 54.<br />
87 Ebda.<br />
84
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