MUSIK UND SPRACHE - KH-Konrath.de
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2.3.5.1. DER STANDPUNKT VON THOMAS H. STOFFER<br />
Wie die Linguistik für die Sprachpsychologie, so sucht Stoffer für die Musikpsychologie<br />
nach Strukturbeschreibungen, um zu klären, welche „Aspekte kognitiver Verarbeitung<br />
beim Hören von Musik […] mit musiktheoretischen Konzepten zur Beschreibung musikalischer<br />
Struktur korrespondieren“ 42 . Eine Möglichkeit bietet für ihn Gibsons Betrachtungen<br />
<strong>de</strong>r Reizmuster, „so daß Mechanismen mo<strong>de</strong>lliert wer<strong>de</strong>n können, die mit <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>r<br />
Reizmuster in Einklang stehen.“ 43 Solche Mo<strong>de</strong>lle wür<strong>de</strong>n einerseits zur methodologischen<br />
Klarheit über die musikalische Vorlagen beitragen, dienten an<strong>de</strong>rerseits aber auch<br />
heuristisch <strong>de</strong>r Hypothesenbildung über kognitive Repräsentationen, solange sie sich sowohl<br />
durch <strong>de</strong>skriptive, als auch durch kognitive Adäquatheit auszeichnen. „Wenn z.B.<br />
das musikalische Strukturbeschreibungsmo<strong>de</strong>ll von einer hierarchischen Struktur <strong>de</strong>r Musik<br />
ausgeht (z.B. Riemann, 1905), wird die Hypothese nahegelegt, daß die kognitive Repräsentation<br />
wahrgenommener Musik eine hierarchische Struktur besitzt (z.B. Stoffer,<br />
1981). Es kann außer<strong>de</strong>m die Hypothese nahegelegt wer<strong>de</strong>n, daß diejenigen musikalischen<br />
Einheiten, die das Strukturbeschreibungsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>finiert, potentielle funktionelle<br />
Verarbeitungseinheiten für kognitive Prozesse darstellen (Stoffer, 1981).“ 44 In<strong>de</strong>s unterschei<strong>de</strong>t<br />
Stoffer kognitive Adäquatheit von kognitiver Realität. Strukturen müßten keineswegs<br />
gleich, son<strong>de</strong>rn entsprechend sein, wie die <strong>de</strong>skriptive Adäquatheit nicht Musik,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Musik entsprechend sei. Ein vollständiges Verarbeitungsmo<strong>de</strong>ll ergebe sich<br />
daraus aber noch nicht, das aussage, „unter welchen Bedingungen und zu welchem Zeitpunkt<br />
eine potentiell wahrnehmbare Einheit zur funktionell wirksamen Verarbeitungseinheit<br />
wird.“ 45<br />
Anfangs verbreitete sich ein hierarchisches Mo<strong>de</strong>ll, das auf Intervallbeziehungen, rhythmischen<br />
Mustern und Harmoniefolgen basierte, bei <strong>de</strong>m zunächst aufsteigen<strong>de</strong> Prozesse<br />
(Reizweiterleitung) erklärt wer<strong>de</strong>n sollten. Aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r »Künstlichen Intelligenz«<br />
stammte die Annahme eines Induktionsmusters, das „Beziehungen zwischen benachbarten<br />
Elementen eines seriellen Reizmusters mittels rationaler Konzepte auf <strong>de</strong>r untersten<br />
Ebene, anschließend auf <strong>de</strong>n übergeordneten Ebenen“ 46 erkennt, wobei die einzelnen Induktionsschritte<br />
durch Extrapolationen jeweils überprüft wür<strong>de</strong>n. In<strong>de</strong>s lei<strong>de</strong>n solche Mo<strong>de</strong>lle<br />
daran, daß die für exakte Bestimmungen notwendige Unabhängigkeit <strong>de</strong>r Bereiche<br />
Melodie, Rhythmus und Harmonie durch Interaktionen unterwan<strong>de</strong>rt wird, wie auch die –<br />
42<br />
Stoffer: Mo<strong>de</strong>lle, S. 148<br />
43 Stoffer: Mo<strong>de</strong>lle, S. 149<br />
44 Stoffer: Mo<strong>de</strong>lle, S. 149<br />
45 Stoffer: Mo<strong>de</strong>lle, S. 150<br />
46 Stoffer: Mo<strong>de</strong>lle, S. 151