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MUSIK UND SPRACHE - KH-Konrath.de

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29<br />

he. Insofern seien alle „Erklärungen <strong>de</strong>s Verstehens mit <strong>de</strong>r Unein<strong>de</strong>utigkeit <strong>de</strong>r »Zwar-<br />

Aber-Argumentation« verbun<strong>de</strong>n. Alle Verstehensbegriffe – <strong>de</strong>r philologisch-hermeneutische,<br />

<strong>de</strong>r phänomenologische, <strong>de</strong>r ontologische und <strong>de</strong>r psychologische – sind mit gleichen<br />

theoretischen Schwierigkeiten konfrontiert. […] Verstehen ist gänzlich subjektiv, und<br />

die erwähnte Verankerung im Evi<strong>de</strong>nzgefühl, das als Wahrheitskriterium dient, macht die<br />

Subjektivität, die durchaus mit richtigen Einsichten gepaart sein kann, zu einem theoretisch<br />

unauflösbaren Problem. Es ist daher auch eine utopische Hoffnung, die distanziert<br />

reflektieren<strong>de</strong> Interpretation mehr als nur graduell vom spontanen Ergriffensein abgrenzen<br />

zu wollen.“ 58 Daher schlägt la Motte-Haber folgen<strong>de</strong>s vor: „Um im Zusammenhang mit<br />

<strong>de</strong>m Thema »Musik als Sprache« eine Betrachtungsweise zu betonen, die nicht auf eine<br />

»theologisch«-existentialphilosophische Begründung ausgerichtet ist, wur<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n<br />

erkenntnistheoretischen Begriffe von Piaget, nämlich Assimilation und Akkommodation 59 ,<br />

gewählt, um – von <strong>de</strong>n psychologischen Prozessen ausgehend – Verstehen erklärbar zu<br />

machen. Die allgemeinen Probleme bleiben schwierig genug, auch wenn man sie in die<br />

konkrete Frage transformiert, wie Musik verstan<strong>de</strong>n wird. Denn damit verbin<strong>de</strong>n sich nicht<br />

nur die Untersuchungen <strong>de</strong>r […] Bedingungen und Voraussetzungen <strong>de</strong>s Verstehens, son<strong>de</strong>rn<br />

auch die Versuche, zu beantworten, was <strong>de</strong>nn eigentlich verstan<strong>de</strong>n wird, wenn ein<br />

Mensch Musik hört.“ 60<br />

Ehe sich jedoch la Motte-Haber <strong>de</strong>n Elementen musikalischen Ausdrucks zuwen<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>finiert<br />

sie in einem hirnpsychologischen Exkurs 61 : „Verstehen wird beschrieben als ein Prozeß<br />

<strong>de</strong>r anverwan<strong>de</strong>lten Assimilation von Musik und <strong>de</strong>r anpassen<strong>de</strong>n Akkommodation<br />

<strong>de</strong>r kategorialen Struktur <strong>de</strong>s Hörers. Dabei spielen immer gleichzeitig emotionale und<br />

kognitive Faktoren eine Rolle. Ihr unterschiedliches Zusammenwirken erlaubt es, zwischen<br />

verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>s Verstehens zu differenzieren, im Extremfall zwischen<br />

emotionalem Ergriffensein und <strong>de</strong>m Symbolverständnis.“ 62<br />

Musikalischer Ausdruck setzt sich laut la Motte-Haber zusammen aus Tempo, Artikulation,<br />

Metrum und rhythmischen Proportionen, sowie aus Tonhöhe- und Charakteristik und<br />

eventuell <strong>de</strong>r Tonart, obwohl dafür eine immense Gedächtnisleistung erfor<strong>de</strong>rlich sei.<br />

„Die gesamte Ausdruckslehre ist seit nunmehr zweitausend Jahren, seit <strong>de</strong>r aristotelischen Physiognomie,<br />

von <strong>de</strong>m Konflikt geprägt, sowohl <strong>de</strong>r unmittelbaren Macht <strong>de</strong>s Eindrucks gerecht wer<strong>de</strong>n<br />

zu müssen als auch Möglichkeiten einer analytisch rationalen Begründung zu fin<strong>de</strong>n. So stellt die<br />

58<br />

la Motte-Haber: Musikpsychologie, S. 19<br />

59<br />

Assimilation integriert Erfahrungen in ein individuell etabliertes System, Akkommodation erweitert es,<br />

damit nicht-zuor<strong>de</strong>nbare Erfahrungen assimiliert wer<strong>de</strong>n können, die somit verstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n.<br />

60 la Motte-Haber: Musikpsychologie, S. 21<br />

61 vgl. dazu 2.4.2.<br />

62 la Motte-Haber: Musikpsychologie, S. 24

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