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MUSIK UND SPRACHE - KH-Konrath.de

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Welche Be<strong>de</strong>utung aber <strong>de</strong>r körperliche Aspekt für la Motte-Haber hat, zeigt sich in <strong>de</strong>m<br />

Zitat:<br />

„Grundsätzlich wird eine direkte Abhängigkeit von Musik und körperlichen Reaktionen durchkreuzt<br />

von kognitiven Variablen, von <strong>de</strong>r Vorbildung und <strong>de</strong>n ästhetischen Einstellungen einer Person. Fast<br />

alle Untersuchungen, die sich einer empfindlichen Anzeige von Mitempfindungen bedienen, fin<strong>de</strong>n<br />

sich im Unterschie<strong>de</strong> zwischen Personen mit verschie<strong>de</strong>ner musikalischer Bildung im Sinne einer<br />

höheren Reagibilität <strong>de</strong>r Vorgebil<strong>de</strong>ten. Zu<strong>de</strong>m erweist sich bei musikalischer Bildung das ästhetische<br />

Wohlgefallen als intensivieren<strong>de</strong>r Faktor, <strong>de</strong>r über die Stärke von Mitempfindungen entschei<strong>de</strong>t.<br />

[…] Die Ursache eines Gefühls sind die körperlichen Reaktionen wahrscheinlich nicht. Aber auch<br />

wenn die physische Resonanz, die individuell verschie<strong>de</strong>n ausgeprägt sein kann, auf komplizierte<br />

Weise erklärt wer<strong>de</strong>n muß, so ist sie <strong>de</strong>nnoch von unmittelbarer Relevanz, weil von ihr die Intensität<br />

<strong>de</strong>s Erlebens abhängt. Diese Erregung reagiert <strong>de</strong>r Konzertbesucher im Beifall ab.“ 67<br />

Weiterhin spielten für la Motte-Haber die Gedanken eine wesentliche Rolle, <strong>de</strong>ren Verhältnis<br />

zu <strong>de</strong>n Gefühlen im Hinblick auf <strong>de</strong>n musikalischen Ausdruck sie so beschreibt:<br />

„Daß wir an Musik Freu<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Trauer i<strong>de</strong>ntifizieren können, ohne uns unmittelbar selbst diesem<br />

Affekt hinzugeben, zwingt nicht zur Preisgabe einer Theorie <strong>de</strong>s musikalischen Ausdrucks, <strong>de</strong>r eine<br />

Entsprechung in seinem Eindruck hat und <strong>de</strong>shalb verstehbar ist. Der Eindruck wird nur nicht verinnerlicht.<br />

Daher wird <strong>de</strong>r Hörer nicht das Objekt seiner Gefühle, son<strong>de</strong>rn tritt ihnen als Subjekt gegenüber.<br />

[…] Fast alle Theorien <strong>de</strong>s Gefühls bauen auf zwei Faktoren auf. Ohne geistige Interpretation,<br />

so wird angenommen, fehlen die spezifischen Qualitäten eines Gefühls; ohne physische Erregung<br />

mangelt es an Intensität und Wärme.“ 68<br />

Darin aber tut sich die Kluft zwischen Musik und Sprache recht <strong>de</strong>utlich auf, insofern<br />

Sprache durchaus im Stan<strong>de</strong> ist, mit neuen Ausdrücken neue Be<strong>de</strong>utungen zu entwickeln:<br />

„Ein Individuum kann jedoch grundsätzlich keine ganz neuen, noch nie im menschlichen<br />

Dasein aufgetretenen Gefühlsqualitäten ausbil<strong>de</strong>n. Daher ist <strong>de</strong>r musikalische Ausdruck<br />

nur innerhalb gesteckter Grenzen nuancierbar. Im Unterschied zu <strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen tonsystemlicher<br />

Ordnungen kann er von <strong>de</strong>n Komponisten nicht selbst gesetzt, höchstens<br />

getilgt wer<strong>de</strong>n.“ 69 Von hieraus spannt sich <strong>de</strong>r Bogen zur psychologischen Realität <strong>de</strong>r<br />

Grammatik, wovon Riemann bereits überzeugt war:<br />

„Riemann erhoffte von <strong>de</strong>r Psychologie in <strong>de</strong>r phänomenologischen Spielart, die Stumpf vertrat, eine<br />

Begründung dafür, daß <strong>de</strong>r menschliche Geist nur im Sinne <strong>de</strong>r von ihm aufgestellten Regeln<br />

funktionieren könne. Sehr viel später hat Chomsky im Bereich <strong>de</strong>r Sprache von <strong>de</strong>r Psychologie<br />

ebenfalls <strong>de</strong>n Nachweis eingeborener I<strong>de</strong>en verlangt, als er die psychologische Realität <strong>de</strong>r Grammatik<br />

postulierte. […] Wesentliche Stützen [dafür] waren die interkulturell gleichen formalen Strukturen<br />

<strong>de</strong>r Sprachen und <strong>de</strong>r Nachweis, daß Sprachbenutzer nicht assoziativ verstehen und re<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn eine hierarchische Struktur von Regeln anwen<strong>de</strong>n, also <strong>de</strong>r Grundi<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r transformationellen<br />

generativen Grammatik folgen. Ein gleiches gilt für Musik nicht. Ein Blick auf die Geschichte<br />

67 la Motte-Haber: Musikpsychologie, S. 68<br />

68 la Motte-Haber: Musikpsychologie, S. 71<br />

69 la Motte-Haber: Musikpsychologie, S. 73

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