MUSIK UND SPRACHE - KH-Konrath.de
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Wahrnehmung allein ist nicht kommunikativ, d.h. „nicht ohne weiteres anschlussfähig.<br />
Man kann das, was ein an<strong>de</strong>rer wahrgenommen hat, nicht bestätigen und nicht wi<strong>de</strong>rlegen,<br />
nicht befragen und nicht beantworten.“ 108 Erst und nur mittels <strong>de</strong>r drei Selektionsvorgänge<br />
Information, Mitteilung und Verstehen könne Kommunikation konstituiert wer<strong>de</strong>n,<br />
welche sodann – konsequent autopoietisch – auch keinen äußeren Zweck verfolgt,<br />
son<strong>de</strong>rn „zur Zuspitzung <strong>de</strong>r Frage [führt], ob die mitgeteilte und verstan<strong>de</strong>ne Information<br />
angenommen o<strong>de</strong>r abgelehnt wer<strong>de</strong>n wird. […] Kommunikation dupliziert also […] die Realität.<br />
Sie schafft zwei Versionen: die Ja-Fassung und die Nein-Fassung, und zwingt damit<br />
zur Selektion.“ 109 Am Beispiel von Wertbeziehungen in <strong>de</strong>r Kommunikation führt Luhmann<br />
aus, daß Werte nicht kommuniziert wer<strong>de</strong>n, weil bekanntlich die Option zur Ablehnung<br />
dieser Werte besteht. Sie wer<strong>de</strong>n daher implizit vorausgesetzt, so daß eine ggf. konträre<br />
Wertvorstellung ausführlich argumentiert wer<strong>de</strong>n muß, wobei unmöglich so viele Werte<br />
erörtert wer<strong>de</strong>n können, wie implizit vorausgesetzt sind.<br />
„Man diskutiert nicht über Werte, son<strong>de</strong>rn über Präferenzen, Interessen, Vorschriften, Programme.<br />
[…] Psychologisch scheinen Werte eine ausseror<strong>de</strong>ntlich labile Existenz zu führen. Sie wer<strong>de</strong>n mal<br />
benutzt, mal nicht benutzt, ohne dass man dafür eine Art psychologische Tiefenstruktur ent<strong>de</strong>cken<br />
könnte. Ihre Stabilität ist […] ein ausschliesslich kommunikatives Artefakt, und das autopoietische<br />
System <strong>de</strong>s Bewusstseins geht damit um, wie es ihm gefällt. […] Denn es gibt keinen Selbstvollzug<br />
<strong>de</strong>r Werte, und man kann alles, was sie zu for<strong>de</strong>rn scheinen, im Vollzug immer noch entgleisen lassen,<br />
im Namen von Werten natürlich.“ 110<br />
Als Konsequenz resümiert Luhmann, daß das psychologische System – auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>s<br />
Bewußtseins operierend – differenziert wer<strong>de</strong>n muß von <strong>de</strong>m soziologischen System mit<br />
<strong>de</strong>r Kommunikation als Basis. Gegenseitige Wechselwirkungen <strong>de</strong>r Systeme sind beobachtbar<br />
und <strong>de</strong>mnach vorhan<strong>de</strong>n. Doch „man muss berücksichtigen, dass die Systeme<br />
füreinan<strong>de</strong>r intransparent sind, sich also wechselseitig nicht steuern können.“ 111 Letztlich<br />
spielt nach Luhmann das Bewußtsein mit <strong>de</strong>n Worten, wie umgekehrt die Worte mit <strong>de</strong>m<br />
Bewußtsein spielen. „Die autopoietische Autonomie <strong>de</strong>s Bewusstseins wird, so kann man<br />
sagen, in <strong>de</strong>r Kommunikation durch Binarisierung [ja/nein] repräsentiert und abgerufen.<br />
[…] Die Kommunikation lässt sich, an<strong>de</strong>rs gesagt, durch Bewusstsein stören und sieht dies<br />
sogar vor; aber nur in Formen, die in <strong>de</strong>r weiteren Kommunikation anschlussfähig sind,<br />
also kommunikativ behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n können.“ 112<br />
an<strong>de</strong>rer. Im Verstehen erfasst die Kommunikation einen Unterschied zwischen <strong>de</strong>m Informationswert ihres<br />
Inhalts und <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Inhalt mitgeteilt wird.“<br />
108<br />
Luhmann, S. 6<br />
109 Luhmann, S. 10f.<br />
110 Luhmann, S. 12f.<br />
111 Luhmann, S. 14<br />
112 Luhmann, S. 16