Wir teilen Gerechtigkeit - Kirchenblatt
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Wie aus Sklaven<br />
Landbesitzer wurden<br />
Thema<br />
gang zu den Ressourcen, zu den Lebensgrundlagen.<br />
In Indien zum Beispiel<br />
gibt es viele von uns unterstützte<br />
Dörfer, die sich mit Hilfe von Reisbanken<br />
aus der sklavenähnlichen Abhängigkeit<br />
von den Geldverleihern und<br />
Grossgrundbesitzern befreiten. Sie haben<br />
ihr Land zurückgewonnen und<br />
können ihre Nahrung wieder selbst<br />
produzieren. Jetzt kämpfen sie gemeinsam<br />
weiter: für den Zugang zu<br />
Wasser, zu Schulen und zu politischen<br />
Grundrechten, für ihre Würde.<br />
Für die Partner im Süden zählt übrigens<br />
nicht nur die finanzielle Unterstützung<br />
– genau so wichtig ist ihnen,<br />
zu erfahren, dass es Menschen in der<br />
Schweiz gibt, die sich für ihre Anliegen<br />
einsetzen. So <strong>teilen</strong> wir nicht nur Güter,<br />
sondern arbeiten gemeinsam für<br />
mehr <strong>Gerechtigkeit</strong>.<br />
Wie ist es für Sie, wenn Sie auf Projektreisen<br />
hautnah miterleben, wie<br />
schlecht es der armen Bevölkerung in<br />
vielen Ländern geht?<br />
Auf meinen Reisen erfahre ich hautnah,<br />
was Armut und Ungerechtigkeit<br />
bedeuten. Gleichzeitig treffe ich Menschen,<br />
die gemeinsam dagegen angehen<br />
und sich mit einer unglaublichen<br />
Ausdauer und Kraft für ein besseres<br />
Leben einsetzen. Sie helfen mir zu verstehen,<br />
was an der Basis, in unseren<br />
Landesprogrammen und Projekten<br />
vorgeht. Spürbar ist oft auch ein grosses<br />
Gottvertrauen, eine starke Spiritualität.<br />
Das gilt nicht nur für christliche<br />
Gemeinschaften, man findet die gleiche<br />
Haltung auch in muslimischen<br />
Dörfern oder im buddhistisch geprägten<br />
Nepal. Ich empfinde es als Privileg,<br />
für das Fastenopfer zu arbeiten und zu<br />
erleben, wie unser Einsatz Menschen<br />
in ihrem Einsatz für ein menschenwürdiges<br />
Leben unterstützt. Für mich ist<br />
das ein sichtbarer Beitrag zum Aufbau<br />
des Reiches Gottes im Hier und Jetzt.<br />
PATRICK FREI-GISI, FASTENOPFER<br />
Früher durften sie nicht einmal Schuhe<br />
tragen, heute fordern sie das Recht auf<br />
den eigenen Boden ein. Die Dalit aus dem<br />
indischen Dorf Thoradi haben sich dank einer<br />
Partnerorganisation des Fastenopfers<br />
aus Sklaverei befreit.<br />
Vor rund 30 Jahren hatte das Schicksal<br />
der Dalit («Unberührbare») aus Thoradi<br />
mit einer einfachen Bitte eine verhängnisvolle<br />
Wendung genommen: Weil sie<br />
kein Land besassen, fragten sie einen<br />
Grossgrundbesitzer um Erlaubnis, ein<br />
paar einfache Häuser errichten zu dürfen.<br />
Dieser willigte ein. Unter der Bedingung,<br />
dass sie auf seinen Feldern arbeiteten, um<br />
die Pacht zu bezahlen. Für ihre Arbeit erhielten<br />
sie keinen Lohn. Um nicht zu verhungern,<br />
brauchten sie schon bald ein<br />
weiteres Darlehen vom Grossgrundbesitzer.<br />
Und gerieten noch mehr in dessen<br />
Abhängigkeit. So blieb ihnen schliesslich<br />
nichts anderes übrig, als für Jahre und<br />
Jahrzehnte weiterzuarbeiten, um zu<br />
überleben. Als Sklaven.<br />
Die Menschen aus Thoradi kannten lange<br />
Zeit nur zwei Mahlzeiten: Reis zum Frühstück,<br />
Reis zum Nachtessen. Sie hungerten.<br />
Die Grossgrundbesitzer belästigten<br />
die Frauen und verlangten, dass die Dalit<br />
noch mehr arbeiteten, auch wenn sie<br />
krank waren. Bis Rose, eine Partnerorganisation<br />
des Fastenopfers, die Idee der<br />
Reisbanken ins Dorf brachte. Das war vor<br />
sechs Jahren. Die rund zwanzig Familien<br />
begannen, sich zu organisieren: Die<br />
Frauen gründeten eine Spargruppe für<br />
Reis, die Männer eine solche für Paddy<br />
Die Frauen von Thoradi im indischen<br />
Bundesstaat Karnataka sind stolz auf<br />
ihre Landtitel. Dank der Unterstützung<br />
von Rose und Fastenopfer haben sie<br />
sich aus jahrzehntelanger Abhängigkeit<br />
von Grossgrundbesitzern befreit.<br />
(ungeschälten Reis). Sie selber legten fest,<br />
wieviel Reis und Paddy jede Familie in<br />
welcher Zeitspanne in die Spargruppen<br />
einzuzahlen hat.<br />
Rose brachte aber auch den Zweifel ins<br />
Dorf: War der Grossgrundbesitzer<br />
tatsächlich der Besitzer des Landes, für<br />
das die Dalits seit Jahren Pacht entrichteten?<br />
Die Abklärung ergab: Das Land<br />
gehörte dem Staat. Rose leistete nun<br />
rechtlichen Beistand: Denn als langjährige<br />
Bewohner des Grundstücks hatten<br />
die Dalit das Recht, legale Landbesitzer<br />
zu werden. Sobald sie im Besitz der<br />
entsprechenden Papiere waren, wagten<br />
es die Männer und Frauen, die Rechtmässigkeit<br />
aller weiteren Darlehen zu bestreiten.<br />
Weil sie jahrelang für viel zu wenig<br />
Lohn gearbeitet hatten, war für sie<br />
die Rechnung längst beglichen. Die Sklaverei<br />
gehörte der Vergangenheit an.<br />
Dank Rose erlangten die Bewohnerinnen<br />
und Bewohner von Thoradi die staatlichen<br />
Rationskarten und konnten so die<br />
jährlich wiederkehrende Hungerzeit weiter<br />
reduzieren. Mit dem Grossgrundbesitzer<br />
handelten sie aus, dass sie künftig den<br />
doppelten Lohn erhielten. Nun können<br />
sich auch die Dalit das Schulgeld leisten<br />
und die Kinder zur Schule schicken.<br />
Bereits denken die Männer und Frauen aus<br />
Thoradi daran, weiteres Staatsland ganz<br />
legal zu besetzen, um darauf eigene Felder<br />
zu bebauen. Bis sie die soziale Ausgrenzung<br />
als «Unberührbare» überwunden<br />
haben, ist es aber noch ein langer Weg.<br />
KIRCHENBLATT 5 08<br />
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