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märz 2012 - experimenta.de

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Christine Hidringer<br />

Bild Dir Deine Meinung<br />

Moralische Betrachtung zur Verb-Bildung in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Sprache<br />

Silvester 1946. Deutschland lag geschlagen und erstarrt in Kälte, in Hunger, in Armut. Der<br />

Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings hielt in St. Engelbert in Köln-Riehl seine<br />

Jahresendpredigt, unter an<strong>de</strong>rem über die zehn Gebote. Zum 7. Gebot (Du sollst nicht stehlen)<br />

sagte er zum Entsetzen <strong>de</strong>r britischen Besatzungsmacht: „Wir leben in Zeiten, da in <strong>de</strong>r Not<br />

auch <strong>de</strong>r einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner<br />

Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf an<strong>de</strong>re Weise, durch<br />

seine Arbeit o<strong>de</strong>r Bitten, nicht erlangen kann“.<br />

Die Worte <strong>de</strong>s Erzbischofs schienen Menschen, die etwa Briketts<br />

von Eisenbahnzügen o<strong>de</strong>r Lebensmittel stahlen, um nicht zu<br />

erfrieren und zu verhungern, eine moralische Rechtfertigung für<br />

die Entwendung frem<strong>de</strong>n Eigentums. Schnell kam für<br />

„Kohlenklau“ das Wort „fringsen“ auf, und fand später sogar<br />

Eingang in ein „Lexikon <strong>de</strong>r Umgangssprache“. Wer kennt es<br />

nicht? Fringsen war Selbsthilfe, wenn nichts mehr half –auch<br />

Gebete nicht. Ein Wort mit barmherziger Note, warum nicht.<br />

Dicke fette Sahne für himmlischen Kaffeegenuss haltbar zu<br />

machen, entwickelte Louis Pasteur. Zur Belohnung verbalisierte<br />

unser Sprachgebrauch seinen Namen. Auch Herrn Weck<br />

Christine Hidringer lebt<br />

und arbeitet in einem<br />

Dorf in Unterfranken.<br />

Ihre wirkliche<br />

Lei<strong>de</strong>nschaft gehört<br />

ihrer Familie. Vor allem<br />

über und für diese<br />

schreibt sie ihre<br />

Geschichten, verfasst<br />

aber auch<br />

Firmenchroniken,<br />

Rezeptionen und Artikel<br />

über Sachthemen <strong>de</strong>r<br />

Kulturgeschichte.<br />

Absolventin <strong>de</strong>s INKAS<br />

Instituts<br />

wi<strong>de</strong>rfuhr diese Ehre, würdigend seine Metho<strong>de</strong> zum Einmachen von Obst und Gemüse.<br />

Wilhelm Konrad Röntgen bemühte sich zwar nicht um kulinarische Genüsse, aber seine<br />

Erfindung <strong>de</strong>r Durchleuchtung menschlicher Körper wirkt sich noch segensreicher aus, weshalb<br />

sein Name ein ganzes Spektrum spezifischer Fachausdrücke anführt. Ich selbst glaubte lange,<br />

eine Litfaßsäule hieße so, weil an einem Fass Lithografien aufgehängt wer<strong>de</strong>n und staunte nicht<br />

schlecht, als ich von Herrn Ernst Theodor Amandus Litfaß erfuhr.<br />

Meist sind wir uns <strong>de</strong>r Namensgeber gar nicht mehr bewusst, <strong>de</strong>r Bezug zu <strong>de</strong>n zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong>n Eigennamen sind ganz o<strong>de</strong>r teilweise vergessen. Nun han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n<br />

genannten Beispielen zweifelsohne um <strong>de</strong>r Menschheit zuträgliche Entwicklungen, zu<strong>de</strong>m<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong> 29<br />

März <strong>2012</strong>

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