märz 2012 - experimenta.de
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Ämter bereits im März nie<strong>de</strong>rgelegt hat, scheint <strong>de</strong>r Popularität <strong>de</strong>s abgeleiteten Verbs kaum<br />
Abbruch zu tun. Das ist umso auffälliger, als <strong>de</strong>r Name Guttenberg und das Verb guttenbergen/-<br />
borgen sprachlich ja relativ sperrig sind. Dies gilt natürlich noch mehr für Formen <strong>de</strong>s Verbs, wie<br />
sie in einem Satz auftreten können, etwa geguttenbergt, aber auch diese Formen kann man<br />
durchaus im Sprachgebrauch fin<strong>de</strong>n.“<br />
Aktuell drängt das Verb wulffen in die Alltagssprache. Als zwiefaches kommt es daher: als<br />
Floskel für verbales Vollmüllen von Anrufbeantwortern sowie als Emulsion aus Wahrheit und<br />
Lüge, ein sprachliches Wackelbild. Je nach Blickwinkel und politisch-empathischer Einstellung<br />
fokussiert die Wahrnehmung nun eine Wahrheit o<strong>de</strong>r ein Lüge. Aber <strong>de</strong>r Witz dabei ist, dass<br />
bei<strong>de</strong> untrennbare Bestandteile <strong>de</strong>r gleichen Argumentation sind.<br />
Paradiesisch erscheinen mir plötzlich, trotz begrün<strong>de</strong>tem inneren Wi<strong>de</strong>rstand, Zustän<strong>de</strong> wie in<br />
Italien und Frankreich, wo eine beinah 500jährige Acca<strong>de</strong>mia <strong>de</strong>lla Crusca o<strong>de</strong>r die nur wenig<br />
jüngere Académie Francaise über die Reinheit <strong>de</strong>r Sprache wachen. Natürlich ist es legitim in<br />
Reaktion auf Handlungen und nachfolgen<strong>de</strong> Rechtfertigungen unseres Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nten<br />
auch meinungsbil<strong>de</strong>nd zu reagiern, mit Spott, mit Ironie und – warum auch nicht – kleinen<br />
Sticheleien rund um seinen Namen. Doch die ungezügelte Häme, die spottlustige<br />
Verunglimpfung einer Person mittels solcher Stigmatisierung überschreitet Grenzen, die nicht<br />
nur eine Frage <strong>de</strong>s Geschmacks sind. So wie beifälliger Ruhm Röntgens o<strong>de</strong>r Wecks auch<br />
<strong>de</strong>ren Familien einschloss, treffen wulffen, guttenborgen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ihrer Zunft auch<br />
Familienangehörige o<strong>de</strong>r sonstige Träger gleichen Namens, verletzen, schädigen,<br />
beschmutzen. Dies billigend in<br />
Kauf zu nehmen hieße, letztlich<br />
in gleicher Unbeirrbarkeit und<br />
vorallem in ebensolcher<br />
Kurzsichtigkeit bezüglich <strong>de</strong>r<br />
K o n s e q u e n z e n w i e d i e<br />
Verbstifter <strong>de</strong>ren Handlungen<br />
zu tolerieren, ja, dies zu<br />
fringsen, eben umgekehrt<br />
proportional.<br />
Es gibt Ereignisabfälle, welche<br />
Sprache düngen und för<strong>de</strong>rn,<br />
und welche, die sind einfach<br />
nur Müll.<br />
www.eXperimenta.<strong>de</strong> 31<br />
März <strong>2012</strong>