märz 2012 - experimenta.de
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Menachem Schenkin, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Namen Tel Aviv für die neue Stadt vorgeschlagen hatte, war<br />
gegen die Entwicklung <strong>de</strong>s Business:<br />
„Entwickeln wer<strong>de</strong>n wir nur Kultur!“<br />
Heute trägt die größte Einkaufsstraße <strong>de</strong>r Mittelmeerstadt Tel Aviv <strong>de</strong>n Namen Menachem<br />
Schenkin.<br />
Und sie begannen <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r ersten Stadt <strong>de</strong>r jüngeren jüdischen Geschichte nicht mit <strong>de</strong>r<br />
Synagoge son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m Herzl Gymnasium. Das sollte das erste jüdische Gymnasium <strong>de</strong>r<br />
Welt wer<strong>de</strong>n, wo alle Fächer auf Hebräisch unterrichtet wur<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n<br />
dort 80% <strong>de</strong>r Schüler über Tolstoi und Dostojewski diskutieren und russische Lie<strong>de</strong>r singen.<br />
Ein Lokführer, <strong>de</strong>r mit seinem Zug die Linie Jaffa-Jerusalem fuhr, hielt an dieser Stelle seine<br />
Dampfmaschine an: „Seht her, hier wird eine weiße Stadt entstehen!“<br />
Die Passagiere zweifelten. Aber <strong>de</strong>r Zug bewegte sich nur unwillig mit einer Geschwindigkeit<br />
von 35kmh weiter.<br />
Über jenen Zug erzählte man sich Folgen<strong>de</strong>s: Jemand wollte sich umbringen. Also legte er<br />
sich auf die Gleise und wartete. Er wartete so lange, bis er vor Hunger starb.<br />
Aber ich will lieber noch mehr von <strong>de</strong>m Menschen erzählen, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Tisch stand und mit<br />
Bialik stritt. Das war ein meschugger ledawar (Wahnsinniger)!<br />
Es ist unmöglich, die grenzenlose Naivität und die dazugehörige Dickköpfigkeit zu<br />
beschreiben! Einem ganzen Volk ein umgangssprachliches Hebräisch beizubringen! Aber<br />
warum eigentlich nicht? Soll man über ihn lachen? Hat etwa über Rothschild nicht die ganze<br />
Familie gelacht, als er auf <strong>de</strong>n sinnigen Gedanken kam, Land in Palästina zu kaufen und<br />
russische, ukrainische, polnische, weißrussische, litauische, rumänische o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Möchtegern-Sozialisten mit ihrem ungünstigen Charakter zu unterstützen? Hat man über ihn,<br />
Edmund Rothschild, <strong>de</strong>r sogar die Klagemauer von <strong>de</strong>n Arabern kaufen wollte, gelacht? Wer<br />
war dagegen? Natürlich, ein Jerusalemer Rabbi wi<strong>de</strong>rsetzte sich!<br />
Also sprechen wir über <strong>de</strong>n jüdischen Narodnik (Volkstümler, sozialrevolutionäre Bewegung<br />
<strong>de</strong>s zaristischen Russlands in <strong>de</strong>r Zweiten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, A.d.Übers.) Lasar<br />
Perlman. Von ihm sagte man, er sei nicht ganz richtig im Kopf, er hätte nicht mehr alle Tassen<br />
im Schrank gehabt. Er war gebürtiger Litauer. Er war Schüler einer Jeschiwa (Talmudschule,<br />
A.d.Übers.) und las russische Literatur (das heißt, er las weltliche Literatur, A.d.Übers.). Er<br />
hatte die Tochter seines Lehrers geheiratet und dieser hatte wie<strong>de</strong>rum sein Interesse für diese<br />
Art von Büchern geweckt. Er been<strong>de</strong>te seine Ausbildung zum Lehrer und ging nach Palästina.<br />
www.eXperimenta.<strong>de</strong> 44<br />
März <strong>2012</strong>