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märz 2012 - experimenta.de

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en<strong>de</strong>n we<strong>de</strong>r gut noch schlecht, und das ist, was mir am meisten gefällt.“ Auf Reisen schrieb<br />

sie Limericks und gereimte Scherzgedichte; sie begeisterte sich für Boxkämpfe, vor allem<br />

wenn Andrzej Gołota in <strong>de</strong>n Ring stieg. Sie las Jaspers und Frauenzeitschriften, verehrte die<br />

Schriftsteller Michel <strong>de</strong> Montaigne, Charles Dickens und Thomas Mann. Sie sammelte alte<br />

Postkarten und Magazine, aus <strong>de</strong>nen sie witzige Collagen bastelte, sie liebte Nippes, zu<br />

<strong>de</strong>nen eine überlebensgroße abgeschnittene Hand aus Marzipan und ein Nachttopf mit<br />

einem Spiegel gehörten: lauter skurrile und unnütze Dinge, die „ihre“ Menschen überlebten.<br />

Sie hatte ein Herz fürs Detail und <strong>de</strong>n flüchtigen Augenblick, sah das Große im Kleinen und<br />

das Kleine im Großen, beobachtete und befragte das Leben staunend wie ein Kind: „Warum<br />

bin ich hier und jetzt, und nicht früher o<strong>de</strong>r später ganz woan<strong>de</strong>rs? Warum bin ich ein Mensch,<br />

wo ich genauso gut ein Tier, eine Pflanze o<strong>de</strong>r ein Stein auf dieser kleinen Er<strong>de</strong> sein könnte?“<br />

Und sie versuchte darauf, wie etwa in <strong>de</strong>m Gedicht „Im Überfluss“, zu antworten:<br />

Ich bin, wer ich bin.<br />

Unbegreiflicher Zufall<br />

wie je<strong>de</strong>r Zufall.<br />

Gereimte Aufgabe<br />

Die am 2. Juli 1923 in Kórnik bei Posen geborene Maria Wisława Anna war die zweite Tochter<br />

von Anna Rottermund (1890-1960) und Wincenty Szymborski (1870-1936). 1929 zog ihre<br />

Familie nach Krakau, wo die zukünftige Dichterin fast ihr ganzes Leben verbrachte. Seit 1935<br />

besuchte sie das private Mädchengymnasium <strong>de</strong>r Ursulinerinnen in <strong>de</strong>r Krakauer Innenstadt.<br />

Während <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges nahm sie am Geheimunterricht ihres Gymnasiums teil und<br />

machte dort im Frühjahr 1941 ihr Abitur. Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges studierte sie an <strong>de</strong>r<br />

Jagellonen-Universität Polonistik und Soziologie, brach jedoch ihr Studium nach drei Jahren<br />

ab. Von 1948 bis 1954 war sie mit <strong>de</strong>m Journalisten Adam Wło<strong>de</strong>k verheiratet, <strong>de</strong>m sie nach<br />

<strong>de</strong>r Scheidung bis zu seinem Tod 1986 freundschaftlich verbun<strong>de</strong>n blieb. Seit 1967 war ihr<br />

Lebensgefährte <strong>de</strong>r Schriftsteller Kornel Filipowicz, <strong>de</strong>r 1990 starb. Anfang <strong>de</strong>r 1950er Jahre<br />

trat die Lyrikerin <strong>de</strong>r Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei bei, schrieb durchschnittliche, aber<br />

fortschrittliche Gedichte, in <strong>de</strong>nen sie <strong>de</strong>n Sozialismus und seine I<strong>de</strong>ologen und Führer Lenin<br />

und Stalin lobte, während sie die Imperialisten anprangerte. 1966 trat sie aus <strong>de</strong>r Partei aus<br />

und hat sich seit<strong>de</strong>m von keiner I<strong>de</strong>ologie verführen, blen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r irreführen lassen. Zu ihrer<br />

Parteivergangenheit äußerte sie sich öffentlich erst 1991 in Frankfurt am Main, als ihr die<br />

Goethe-Medaille verliehen wur<strong>de</strong>: „Ich erfüllte meine gereimte Aufgabe mit <strong>de</strong>r Überzeugung,<br />

dass ich richtig handle. Das war die schlimmste Erfahrung in meinem Leben.“<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong> 52<br />

März <strong>2012</strong>

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