märz 2012 - experimenta.de

untersuchte erst sorgfältig seine greifbare Umgebung, bevor er sich in Bewegung setzte.
Diese grundlegenden Eigenschaften blieben auch, als die Kinder in den Kindergarten
gingen. Isabell saugte alles Neue auf und schloß schnell Freundschaften. Max war
vorsichtig, dafür aber genau.
Als Max anfing, sich selbst das Lesen beizubringen, war Anne endgültig klar, dass das,
was die Kinder hier ganz natürlich taten, nichts mit dem zu tun hatte, was sie in der Schule
erwarten würde.
Sie mußte immer lächeln, wenn sie an jenen Sonntagmorgen dachte, als Max das erste
Mal eine Zeitung studierte. Da war er fünf. Er sass hochkonzentriert in Papas Bett, vor sich
die aufgeschlagene Zeitung, deren riesige Seiten er nicht halten konnte. Erst hatte Anne
gedacht, er wolle seinen Papa nachahmen. Sie brachte ihm eine Tasse Kakao und sagte
in einem gespielten Ton zu ihm: "Möchtest Du einen Kaffee?" Aber Max reagierte nur mit
einem unwilligen: "Mama, stör mich jetzt nicht." und starrte weiter angestrengt auf die
Buchstaben. Sein kleiner Finger glitt über die Worte, wobei er immer leicht auf eines der
schwarzen Zeichen tippte. Er murmelte dabei vor sich hin. In dem Moment begriff Anne
staunend, dass ihr kleiner Max ernsthaft versuchte zu lesen. Am nächsten Tag kaufte sie
ein Buchstaben-Spiel aus Holz.
Max und Isabell, die sich ihrem Bruder bald anschloß, spielten es nicht lange; denn bald
schon war es ihnen zu langweilig. Max wollte wissen, wie die ganzen Wörter zu den
Bildern aussehen und nachdem Anne sie ihm auf einem Stück Papier vorgeschrieben
hatte, verbrachte er die meiste Zeit damit, immer und immer wieder diese Wörter
© Florian Czech
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März 2012