Kommentare und Übersichten zu den Lehrveranstaltungen

Dr. Carola Häntsch
4010062 Hauptseminar zur Praktischen Philosophie (Rechtsphilosophie):
Axel Hägerström: Schwedischer Wertnihilismus oder radikale Kant-Interpretation?
Mo 18-20 Uhr, 2-st, SR Philosophie
Wenn man über „schwedische Philosophie“ spricht, fällt in der Regel der Name Axel
Hägerströms. Hägerström (1868–1939) begründete am Beginn des 20. Jahrhunderts die
sogenannte Uppsala-Schule. Sie steht für eine radikale (Metaphysik-kritische) Abkehr von
den idealistischen Systementwürfen des 19. Jahrhunderts – in Schweden repräsentiert durch
den ”Staatsphilosophen” Christopher Jakob Boström (1797–1866) – ebenso wie von den
neukantianischen Wurzeln seines Philosophierens, die Hägerström durch intensive Kontakte
zu deutschen Philosophen ausgeprägt hatte. Diese philosophische Umorientierung schließt
bei Hägerström an seine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Kant aus dem Jahre 1902
an. Sie ist mit einer Hinwendung zur Praktischen Philosophie (Moralphilosophie,
Rechtsphilosophie) verbunden und führt zur Ausarbeitung des sogenannten Wertnihilismus
auf diesen Gebieten: zur These, dass moralischen Urteilen kein Wahrheitswert zukommen
könne.
Was verbirgt sich hinter der spektakulären philosophischen Neuorientierung, die die
Philosophie in Schweden im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt hat? Ist sie Beweis und
Dokumentation der Abwendung von Kant bzw. dessen neukantianischer Interpretation oder
möglicherweise eine adäquate Interpretation von Kants radikaler Trennung von Moral auf der
einen und Recht und Politik auf der anderen Seite? Kann man Hägerströms „Wertnihilismus“
verstehen als konsequente Interpretation von Kant, möglicherweise beeinflußt durch
Nietzsche? Das Seminar hat die Erarbeitung einer Hägerström-Interpretation zum Ziel, die
den strikten und kontinuierlichen Rekurs des Schweden auf Kant sichtbar macht.
Schwedisch-Kenntnisse sind von Vorteil.
Text: A. Hägerström, Kants Ethik, im Verhältnis zu seinen erkenntnistheoretischen
Grundgedanken systematisch dargestellt, Upsala und Leipzig 1902; ders., Das Prinzip der
Wissenschaft. Eine logisch-erkenntnistheoretische Untersuchung, Uppsala 1908; ders., Om
moraliska föreställningars sanning, Stockholm 1911 (Installationsvorlesung); Axel
Hägerström, in: Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen Bd. 7, Leipzig 1929,
110-159.
Forschungsliteratur: Ernst Cassirer, Axel Hägerström. Eine Studie zur schwedischen
Philosophie der Gegenwart, in: Göteborgs högskolas årsskrift 1939 (erneut in: E. Cassirer,
Axel Hägerström. Eine Studie zur schwedischen Philosophie der Gegenwart, Gesammelte
Werke Bd. 21, Hamburg: Meiner 2005); Svante Nordin, Från Hägerström till Hedenius,
Lund: Doxa AB 1984; S. Nordin, Axel Hägerström. En studie I samtida svensk filosofi,
Stockholm: Thales, 2006; Carl-Göran Heidegren, Den nya Uppsala-filosofin och brytningen
med transcendentalismen, in: Lychnos. Årsbok för Idé- och Lärdomshistoria Uppsala 2001;
Hans Ruin, Hägerström, Nietzsche och den svenska nihilismen, in: Tidskrift för politisk
filosofi, 2000:1, 5–30; Max Lyles, A Call for Scientific Purity. Axel Hägerström´s Critique od
Legal Science, Institut för rättshistorisk forskning, 2006.
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