Kommentare und Übersichten zu den Lehrveranstaltungen

Prof. Dr. Werner Stegmaier
4010072 Hauptseminar zur Praktischen Philosophie:
Ethik in der Literatur: Theodor Fontanes perspektivische Ethik
Do 18-20 Uhr, 2-st, SR Philosophie
Das Hauptseminar schließt die Reihe der Seminare zur Ethik in der Literatur ab. In ihr wurde
gefragt und soll nun noch einmal gefragt werden, wie das Ethische, wenn es so etwas gibt,
sich im Leben, soweit man davon sprechen kann, zeigt und wie sich dabei philosophische
Konzepte des Ethischen bewähren. Leben ist immer nur begrenzt zu fassen, in klareren
Umgrenzungen anhand von mehr oder weniger fiktiver Literatur, Epen, Dramen,
Erzählungen, Romanen, Lebensbeschreibungen, die als Texte allen gleichermaßen zugänglich
sind. Theodor Fontane (1819-1898), der sehr bewusst die Probleme seiner Zeit
aufnahm und doch bis heute viele Menschen stark anspricht, ist der wohl bedeutendste
Romancier des sog. literarischen Realismus deutscher Sprache. Er hat nicht vom >Ethischen=
gesprochen und schon gar nicht von seiner >Ethik=. Er hat einfach beschrieben, wie
Menschen miteinander umgehen, sei es in lockeren Gesellschaften, sei es in schweren
Bedrängnissen, hat dabei gegenüber all seinen Figuren, gleichgültig, welchen gesellschaftlichen
Rängen sie zugehörten, ganz unpathetisch Achtung, Güte und Liebe bewahrt und sie
auch, bei aller Distanz, einander Respekt erweisen lassen. In seinen Romanen begegnet
vieles von dem, was wir heute vielleicht noch mehr als zu Fontanes Zeit im Alltag ethisch
schätzen. Am stärksten wohl in seinem ersten Roman Vor dem Sturm, seiner liebevoll
ausführlichen Erzählung eines scheiternden >Sturms= aller Stände und Schichten einiger
Dörfer des südlichen Oderbruchs gegen die Truppen Napoleons, mit wachsender literarischer
Meisterschaft aber auch in seinen berühmten Romanen Irrungen, Wirrungen, Effi
Briest und Der Stechlin. Im letzten Werk porträtierte sich der alte Fontane auch selbst. Es
geschieht dort, wie er sagte, nichts, als dass zwei Junge heiraten und ein Alter stirbt. Wie er
den Alten mit seinem Leben abschließen lässt, zeigt mehr vom Ethischen, als Theorien des
Ethischen darlegen und begründen könnten.
[Texte] Fontanes Romane Vor dem Sturm, Irrungen, Wirrungen, Effi Briest und Der Stechlin
in jeder beliebigen Ausgabe. Alle sind auch als Hörbücher auf dem Markt, kongenial gelesen
von Gert Westphal.
[Vorbereitung und Voraussetzung zur Teilnahme am Hauptseminar] Wer am Hauptseminar
teilnehmen will, sollte zu Beginn des Semesters mindestens einen der genannten
Romane gründlich gelesen haben. Die Entscheidungen, wie viele und welche Romane auf
das Ethische hin, das sich in ihnen zeigt, untersucht werden sollen, werden in der ersten
Sitzung gemeinsam getroffen.
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