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Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2010 - Kramp & Kramp

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Dokumentiert wurden exemplarisch nachfolgende Schadensbilder:<br />

• vielfältige Glasurschäden, z.B. Glasurkorrosion, Glasurrisse/Glasurabbrüche<br />

• partielle Abplatzungen, auch durch Kantendruck zu<br />

eng verlegter Fliesen<br />

• Salzkristallisation an Rissen, Glasurrändern, Glasurabbrüchen<br />

• Feuchteflecken und Feuchteränder, z. B. sichtbar am<br />

glasurfreien Scherben<br />

• ausgeprägte, vertikale und horizontale, oberflächenparallele<br />

Rissbildung und Brüche<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die schädigenden<br />

Auswirkungen der Salze, neben dem rein visuellen<br />

Eindruck, dominant auf Vorgängen beruhen, die<br />

als Salzhydratation und Salzkristallisation bezeichnen<br />

werden. Hierbei werden Wassermoleküle aus der Luft<br />

und der Bausubstanz in Form von Kristallwasser auf festen<br />

Gitterplätzen <strong>im</strong> Kristall eingebaut. Es kommt zu<br />

einer Volumenerweiterung mit regelrechter Sprengwirkung,<br />

die als Prozess bis zur Substanzzerstörung führt.<br />

Bei Trockenheitsphasen verdunstet das aufgenommene<br />

Wasser wieder, und die Salze kristallisieren. Bei Überschreitung<br />

des Löslichkeitsproduktes, bedingt durch<br />

den Wassereintrag z. B. bei fortschreitender Feuchte an<br />

den Verdunstungszonen, beginnt der schädigende Prozess<br />

erneut.<br />

Der Umfang der Schädigungen veranlasste die Entscheidung<br />

zum kompletten Rückbau des keramischen<br />

Mosaikfußbodens und das Auskoffern der belasteten<br />

Kiesgründung sowie der Verlegesande.<br />

Der Rückbau begünstigte in jedem Fall eine umfassende<br />

Zustandserfassung und begleitend werktechnische<br />

Beobachtungen – ein Sachverhalt, der wesentlich spezielle<br />

Bearbeitungsmethoden, die Materialauswahl, Restaurierungsmaßnahmen<br />

sowie die verantwortungsbewusste<br />

Fliesenrekonstruktion unterstützte. Die Fliesen,<br />

in der großen Stückzahl und in den Bearbeitungsphasen<br />

ständiger Betrachtung unterzogen, lassen sich charakterisieren<br />

und ihre Besonderheiten, z. B. Material und<br />

Herstellung, sicher zusammenfassen.<br />

Grundlage der Fertigung keramischer Fliesen in<br />

der vorindustriellen Epoche waren neben Kenntnissen<br />

zu Vorbildern, realen Beispielen der Anwendung sowie<br />

bewährten funktionalen Nutzungen umfangreiche Rohstoffvorkommen,<br />

räumliche Eignung, sich fortentwickelnde<br />

handwerkliche Fertigkeiten und die Kontinuität<br />

regionaler sowie überregionaler Nachfrage.<br />

Zur Herstellung der Fliesen des Mosaikfußbodens<br />

für die nördlichen Chorkapelle verarbeiteten die damaligen<br />

<strong>Handwerk</strong>er einen hellrot brennenden Ziegelton aus<br />

Tongruben regionaler Vorkommen.<br />

Tonballen, verdichtend geschlagen (sogenannte Kluten),<br />

werden in gewässerte Holzformen eingeschlagen<br />

und oberhalb des Rahmens mit einem abgerundeten<br />

Holzstock bzw. mit einer in einen Bügel eingespannten<br />

Sehne nahezu parallel zum Grund abgezogen oder mit<br />

den Händen glattgestrichen. Hinweis für diese Technik<br />

sind <strong>im</strong> Querbruch festgestellte oberflächenparallele<br />

Risse oder schichtförmige Einlagerungen. Gerichtete<br />

Gefüge und Mehrlagigkeit, Quetschungen und Lufteinschlüsse<br />

belegen einen manuellen, z. T. diskontinuierlichen<br />

sowie inhomogenen Formungsprozess.<br />

Die Fliesen sind in der Draufsicht äußerst exakt und<br />

scharfkantig. Die Seitenflächen weisen umlaufend ebenfalls<br />

ausgerichtete Rillen von mitgezogenen Sandkörnern<br />

auf. Diese Qualitäten sind ausführbar, wenn ausgeformte<br />

Plattenrohlinge mit Hilfe einer scharfen Klinge entlang<br />

einer die Form best<strong>im</strong>menden Metall- oder Holzlehre<br />

( hier Trapez oder Quadrat) umschnitten wurden. Der<br />

Zuschnitt der Seitenflächen erfolgte konisch, damit bei<br />

der engen Verlegung genug Platz für den Mörtel vorhanden<br />

war.<br />

Die bereits erwähnte Farbigkeit des Scherbens nach<br />

dem Brand ist durch die unterschiedlichen Bedingungen<br />

in der Brennkammer, so Temperaturunterschiede von<br />

mehreren Grad, je nach Lage des Ziegel <strong>im</strong> Brennraum,<br />

diskontinuierliche Befeuerung und nicht konstante<br />

Ofenatmosphäre zu erklären. Die damaligen Brennöfen/<br />

Feldbrandöfen wurden nur mit Reisig, Holz und bei visueller<br />

Kontrolle ohne Temperaturmesseinrichtungen<br />

betrieben.<br />

Typisch ist die Ausbildung eines grauen Reduktionskernes<br />

<strong>im</strong> Inneren des Scherbens der meisten Fliesen. Er<br />

Craquelierte glasierte<br />

Oberfläche<br />

mit Rissbildung<br />

Glasurkorrosion,<br />

Glasurausbrüche,<br />

Aufwerfungen,<br />

Salzkristallisation<br />

in kleinen<br />

Nestern, grauer<br />

Reduktionskern<br />

Horizontaler<br />

Bruch einer<br />

Mittelfliese<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2010</strong><br />

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