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Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2010 - Kramp & Kramp

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diesem Bestreben direkt und massiv gegenüber stehen.<br />

Aber jedes Gesetz kennt Ausnahmeregelungen, und in<br />

der Restaurierung bewegen wir uns <strong>im</strong> Feld der Ausnahmen.<br />

2009 wurde von uns das Parkettfoyer der 1958 neu<br />

gebauten Oper Leipzig teilweise restauriert. Um dort<br />

Gleichartigkeit der Fassungen zu ermöglichen, war es<br />

unumgänglich, Anstriche alter Prägung anzuwenden.<br />

Die Ausnahmegenehmigungen wurden nach einigem<br />

amtlichen Formalismus auch seitens der EU erteilt. So<br />

konnte die historische Fassung der Furniere aus Schweizer<br />

Birnbaum, die mit altem SH – Lack aus früher DDR-<br />

Zeit – erfolgt war, mit einem sehr ähnlichen Material<br />

aus einer Sonderanfertigung nahezu artgleich gestaltet<br />

werden.<br />

Damit ist aber noch die Frage nach dem Bezug des<br />

Materials offen. Die meisten namhaften Hersteller von<br />

Anstrichstoffen folgen den gesetzlichen Trends: Ablösung<br />

der alten Systeme durch moderne Bindemittel und<br />

alter Lösemittel durch Wasseranteile. Sie müssen ihnen<br />

folgen, um am Markt bestehen zu können, und die wenigen<br />

Hersteller von Farben nach altem Rezept lassen sich<br />

diese Produkte zwischenzeitlich nahezu vergolden. Darum<br />

ist es in der Restaurierung ein Muss, sich wieder selbst<br />

mit der Herstellung von geeigneten Farben auseinander<br />

zu setzen. Die Ausgangsstoffe sind auch heute sämtlich<br />

verfügbar, und es ist kein Zauberwerk eine eigene und<br />

gut funktionierende Farbe zu bereiten. Für dieses weite<br />

Feld verweise ich auf die gute einschlägige Literatur, als<br />

Beispiel sei hier das „Werkstattbuch des Johann Arendt<br />

Müller zu Quakenbrück“ angeführt. Müller ist ein sogenannter<br />

Fassmaler des frühen 19. Jahrhunderts und hat<br />

in dem einzigartigen Buch wichtige Details festgehalten,<br />

die sonst selten so lebensnah abgehandelt werden.<br />

Der Inhalt des Buches entstammt nachweislich sogar der<br />

zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und ist eine Sammlung<br />

von gesammelten Anweisungen wesentlich älterer<br />

<strong>Handwerk</strong>er. Im Jahre 2002 wurde das Buch in einer Bearbeitung<br />

von Frau Jirina Lehmann in Hildeshe<strong>im</strong> neu<br />

veröffentlicht.*<br />

Materialien und Mischungen für die Lasuren<br />

Bis zu diesem Punkt wurde das magische Bier, das Bindemittel<br />

der lasierenden Malfarben bei der sog. Biermalerei,<br />

nicht erwähnt. Erst jetzt kommt diese Kompomente<br />

in den Blick. Auf den oben beschriebenen Grundfarbton<br />

und den damit ausgeführten deckenden Anstrich werden<br />

nun die eigentlichen Malereien mit den Lasuren aufgetragen.<br />

Auch hier müssen wir uns kurz mit der Maltechnologie<br />

befassen. Jede klassische Malfarbe……Die erste<br />

Komponente sind die Pigmente, die Zweite das Lösemittel,<br />

in welchem die dritte Komponente, das Bindemittel,<br />

aufgelöst ist. Das Lösemittel ist in der Regel zugleich das<br />

Verdünnungsmittel für die Malfarbe. Da die Lasuren für<br />

die Holzmalerei grundsätzlich selbst zu zubereiten sind,<br />

wollen wir uns der Lösemittelfrage und der Bindemittelfrage<br />

besonders zuwenden. Wiederum klassisch gibt<br />

es dazu zwei Varianten. Einerseits gibt es Malfarben mit<br />

Bindemitteln, die in Wasser oder in organischen Lösemitteln<br />

aufgelöst sind. Sie trocknen durch Verdunstung<br />

des Lösemittels, d. h. physikalisch. Andererseits gibt es<br />

Malfarben auf Basis von trocknenden Ölen, sie trocknen<br />

durch chemische Reaktionen (Oxidation und Polymerisation<br />

zugleich, sog. chemische Trocknung).<br />

Bier als Bindemittel und Lösemittel für Lasurfarben<br />

Jedes Bier enthält Wasser, Ethanol, kleine Menge von<br />

unvergorenem Malzzucker (Maltose) und Dextrin,<br />

sowie Eiweißstoffe, Bitterstoffe und Kohlensäure. Zu<br />

manchen Biersorten darf als Farbstoff auch karamellisierter<br />

Zucker zugesetzt werden.<br />

Die Maltose ist ein zusammengesetzter Zucker (Disaccharid),<br />

bestehend aus zwei chemisch gebundenen<br />

Glukosemolekülen. Sie ist ebenso wie Dextrin ein Abbauprodukt<br />

von Stärke aus Gerste bzw. Weizen. Maltose<br />

und Dextrin sind zusammen mit Eiweißstoffen die<br />

eigentlichen Bindemittel in den Bier - Lasurfarben. Das<br />

Wasser, Ethanol und Kohlensäure sind <strong>im</strong> Bier die Lösemittel.<br />

Die Menge von den Bestandteilen mit Bindemittel -<br />

Funktion ist <strong>im</strong> Bier relativ klein (ca. 3% Maltose, noch<br />

kleinere Anteile der übrigen Stoffe kommen hinzu). Deshalb<br />

haben frühere Holzmaler für die Bierlasuren gerne<br />

das sog. „Tropfbier“ genommen, also das Bier, das in<br />

der Schenke daneben fließt<br />

und unter dem Zapfhahn<br />

gesammelt wird. Durch<br />

teilweise Verdunstung vom<br />

Wasser, Ethanol und Kohlensäure<br />

ist dieses Bier reicher<br />

an den bindefähigen<br />

Bestandteilen.<br />

Selbstverständlich gibt es<br />

Unterschiede in der Zusammensetzung<br />

der zahlreichen<br />

Biersorten, weil ihre Produktion<br />

vielfach variabel<br />

ist. Hier ist es eine Sache<br />

von Versuchen, wieviel Bier<br />

und welche Sorte zum Einsatz<br />

kommen sollte. Man<br />

kann Bier durchaus unverdünnt<br />

verwenden und hat<br />

damit opt<strong>im</strong>ale Bindekraft.<br />

Man kann es aber auch mit<br />

Wasser verdünnen, auch<br />

dann genügt die Bindekraft<br />

noch. Entscheidend ist die<br />

Haltbarkeit der Lasur. Bier<br />

verdirbt relativ schnell und<br />

wird so für die Malerei unbrauchbar.<br />

Darum sollte<br />

nicht zu viel Lasur angesetzt<br />

werden, und es sollten<br />

die Lagerbedingungen der<br />

Lasur dem Lebensmittel<br />

Bier angepasst werden.<br />

Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle die für<br />

Holzmalerei ideale Eigenschaft des Bieres als Bindeund<br />

Lösemittel. Das Bier gewährleistet damit die opt<strong>im</strong>ale<br />

Verschiebbarkeit der noch nassen Lasur auf dem<br />

Untergrund. Dieser Vorgang des Vertreibens der Lasur<br />

ist nämlich der wichtigste bei der ganzen Holzmalerei.<br />

Der oben beschriebne Hütchenstapel, welcher das Maserbild<br />

ergibt, hat ja die Eigenschaft, dass die Farbintensität<br />

der Jahrringe innerhalb eines Wachstumsjahres der<br />

Bäume erheblich variiert. Diese Übergänge geschehen<br />

niemals schlagartig, sondern <strong>im</strong>mer in feinen Abstufungen<br />

innerhalb des gleichen Farbtones. Darum wer-<br />

Ein 2003 neu<br />

angefertigter<br />

Clairitz, der aber<br />

seinen Zweck<br />

nur sehr ungenügend<br />

erfüllt, weil<br />

einige markante<br />

Merkmale des<br />

alten Pinsels trotz<br />

Vorlage nicht<br />

beachtet wurden.<br />

Auch der mit<br />

Lasur gefüllte<br />

und durchkämmte<br />

nachgebaute<br />

Clairitz lässt<br />

seine Schwächen<br />

erkennen.<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2010</strong><br />

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