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Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2010 - Kramp & Kramp

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Kolumne<br />

Ra i n e r W. Le o n h a r d t<br />

Kurz nach der Bundestagwahl<br />

<strong>im</strong> Herbst 2009 überraschte die neue<br />

Bundesregierung die Bürger mit einer<br />

Neuigkeit: Fortan unterliegen die<br />

Kosten für Hotelübernachtungen nicht mehr<br />

dem regulären Steuersatz in Höhe von 19%, sondern<br />

dem verminderten von 7%. Alle rieben sich verwundert<br />

die Augen. Es gab keine Argumente dafür, bzw. die vorgebrachten<br />

waren so fadenscheinig, dass sich jeder fragte,<br />

was geschehen war. Der Hotelbranche geht es nicht anders<br />

wie vielen anderen Branchen in Deutschland auch,<br />

wobei sie noch allen Grund hat, opt<strong>im</strong>istisch in die Zukunft<br />

zu blicken, da der Trend der Deutschen, vermehrt<br />

<strong>im</strong> eigenen Land Urlaub zu machen, seit Jahren anhält.<br />

Kurz danach wurde durch die Presse aufgedeckt, dass<br />

eine Familie, die maßgeblich an einem großen Hotelkonzern<br />

beteiligt ist, sowohl vor der Wahl wie auch kurz<br />

danach mehrere hunderttausend EUR der FDP gespendet<br />

hat, der Partei, die in den Koalitionsverhandlungen<br />

die Verminderung des Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie<br />

gefordert und durchgesetzt hat.<br />

Es gibt einige weitere Branchen in Deutschland wie<br />

z.B. den Blumenhandel, die in den Genuss des verminderten<br />

Steuersatzes von 7% kommen und bei denen man<br />

sich ebenfalls nach dem Sinn dieses Provilegs fragen<br />

kann; einleuchtender sind da schon die 7%, die bei Büchern<br />

und kulturellen Veranstaltungen zu zahlen sind,<br />

zielen sie doch darauf, möglichst viele Menschen an Bildung<br />

und Kultur teilhaben zu lassen. Und wie, so möchte<br />

ich fragen, ist es bei uns <strong>Restaurator</strong>en?<br />

Im Jahre 2001 gab es eine Initiative der Interessengemeinschaft<br />

Bauernhaus, des Fördervereins Alter Kirchen,<br />

des Bundesverbands der Haus –und Grundstückseigentümer<br />

und des Unternehmerverbands Historische<br />

Baustoffe zur Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes<br />

auf 7% für Reparatur und Baumaßnahmen <strong>im</strong> Denkmalschutz,<br />

Vorbild dafür war Großbritannien. Dort<br />

besteht seit einigen Jahren der verminderte Mehrwertsteuersatz<br />

für Arbeiten an Denkmälern. Im Gegensatz<br />

zur Hotelbranche hatte diese Initiative eine ganze Reihe<br />

von Argumenten für die Reduzierung, ihre Anwendung<br />

würde der gesamten Gesellschaft zugute kommen und<br />

nicht einer Gruppe.<br />

1. Arbeiten zur Erhaltung und Wiederherstellung von<br />

Altbauten haben einen hohen Anteil an direkten Lohnkosten.<br />

Das Verhältnis von Lohn- zu Materialkosten ist<br />

70%:30%, der Lohnanteil kann auch auf bis zu 90% steigen;<br />

<strong>im</strong> Neubau ist es genau umgekehrt. Hier zu einer<br />

Verminderung des Mehrwertsteuersatzes zu kommen,<br />

bedeutet mehr Arbeitsplätze.<br />

2. Die Mehrwertsteuer ist eine Konsumsteuer. Denkmalschutz<br />

dient dem Gemeinwohl, er ist kein Konsum.<br />

Während Bücher, Kulturveranstaltungen und Sportveranstaltungen<br />

steuerlich privilegiert sind, ist der Erhalt<br />

von Kulturdenkmälern steuerlich dem normalen Konsum<br />

gleichgestellt.<br />

3. Altbauerneuerung ist als Bauen <strong>im</strong> Bestand Ressourcen<br />

schonend und Abfall vermeidend.<br />

4. Öffentliche Mittel zum Erhalt und Instandsetzen<br />

werden <strong>im</strong>mer knapper. „Die finanziellen Lasten des<br />

Kulturerbes<br />

in Deutschland sind<br />

zum großen Teil vom jeweiligen Eigentum<br />

selbst getragen.“ (Bauschadensbericht 1996) Es<br />

gibt kaum noch staatliche Zuschüsse, bzw. die zu entrichtende<br />

Mehrwertsteuer übersteigt dann oftmals die<br />

Höhe der Zuschüsse.<br />

5. Die Möglichkeit der Abschreibung und Geltendmachung<br />

von Sonderausgaben ist sozial unausgewogen.<br />

Viele Denkmalbesitzer verfügen gar nicht über Einkommen<br />

in solcher Höhe um auf diesen Wege zu einer Förderung<br />

zu gelangen. Ein verminderter Mehrwertsteuersatz<br />

würde dies angleichen. Dies gilt auch für Kirchen,<br />

Kommunen, Stiftungen und Vereinen, die keine Einkommenssteuer<br />

zahlen. Diesem Aufruf schloss sich auch<br />

das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz an,<br />

die Initiative hatte dennoch keinen Erfolg.<br />

Anfang 2006 gab es eine neue Initiative. Die Europäische<br />

Union hatte das Pilotprojekt “Reduzierte Mehrwertsteuersätze<br />

auf arbeitsintensive Dienstleistungen“<br />

verlängert und für alle Mitgliedstaaten möglich gemacht.<br />

Dazu hätte aber die Bundesrepublik bis März 2006 einen<br />

Antrag in Brüssel vorlegen müssen. Es bestand nun<br />

die Möglichkeit, den reduzierten Mehrwertsteuersatz<br />

auf alle arbeitsintensiven Dienstleistungen auszudehnen<br />

sowie auf alle Arten von Reparaturmaßnahmen an<br />

elektrischen Geräten, desweiteren auf Kleidung, Autos,<br />

Gebäude usw. Es wäre der Schritt gewesen weg von der<br />

Wegwerf- hin zur Erhalt- und Reparaturgesellschaft.<br />

Arbeitsplätze – Wertschöpfung vor Ort – Müllvermeidung<br />

– Ressourcenschonung: Insgesamt wäre damit<br />

ein Wertewandel vollzogen worden. Der von allen Politikern<br />

<strong>im</strong>mer wieder angeführte Begriff der Nachhaltigkeit<br />

hätte einen Inhalt bekommen. Dieser Initiative<br />

schloss sich unter anderem auch der Zentralverbund des<br />

Deutschen <strong>Handwerk</strong>s an. Unser Verband schickte einen<br />

Brief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück.<br />

Das <strong>im</strong>mer wieder vorgebrachte Argument gegen<br />

diese Initiative war die mit der Maßnahme verbundene<br />

steuerliche Mindereinnahme. Dies trifft kurzfristig zu,<br />

aber schon mittelfristig brächte eine Reduzierung des<br />

Steuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen genau<br />

das Gegenteil. Man könnte dies nachhaltige Steuerpolitik<br />

mit vielen positiven Steuereffekten nennen. Aber<br />

auch diese Initiative, getragen von vielen Vereinen, Verbänden<br />

und Institutionen, scheiterte. Wir hatten wohl<br />

eben nicht das richtige Parteibuch, und es fehlte uns das<br />

notwendige Sprendengeld.<br />

P.S.: Eine positive Seite <strong>im</strong>merhin hat das Wahlgeschenk<br />

an die Hoteliers: Es zeigte, wie schnell Verwaltung<br />

und Bürokratie in unserem Land reagieren können,<br />

wenn sie nur wollen, die Umsetzung brauchte gerademal<br />

2 Monate – es müssen nur die richtigen Interessen dahinter<br />

stehen.<br />

64<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2010</strong>

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