Rosemarie Daumüller - Diakonisches Werk der EKD
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Verarmungsgründe und Armutsprävention bei Privathaushalten<br />
Michael-Burkhard Piorkowsky: Verarmungsgründe und<br />
Armutsprävention bei Privathaushalten – Armutsprävention<br />
durch Stärkung von Kompetenzen für Haushalt und Familie 1<br />
Einkommensarmut hat zugenommen<br />
In den Armuts- und Sozialberichten von Institutionen<br />
und Gebietskörperschaften, wie auch im 1. Armutsund<br />
Reichtumsbericht <strong>der</strong> Bundesregierung, <strong>der</strong> im<br />
April 2001 veröffentlicht worden ist, wird übereinstimmend<br />
festgestellt, dass die Zahl und <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen<br />
bzw. Haushalte mit geringem Einkommen seit<br />
Jahren steigt. Für die Messung von Einkommensarmut<br />
bzw. Armutsnähe werden meist drei Indikatoren verwendet:<br />
Überschuldung, Sozialhilfebezug und unterdurchschnittliches<br />
Nettoäquivalenzeinkommen.<br />
Nach den Ergebnissen des 1. Armuts- und Reichtumsberichts<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung ist die Zahl <strong>der</strong> Überschuldungsfälle<br />
in Deutschland von rund 2 Millionen<br />
1994 auf rund 2,8 Millionen 1999 gestiegen. Als überschuldet<br />
gilt, wer seine finanziellen Verpflichtungen<br />
nicht aus laufendem Einkommen (bzw. Vermögen)<br />
abdecken kann.<br />
Auch die Zahl <strong>der</strong> Empfänger von laufen<strong>der</strong> Hilfe zum<br />
Lebensunterhalt in Privathaushalten ist seit <strong>der</strong> Einführung<br />
<strong>der</strong> Sozialhilfe im langfristigen Trend gestiegen.<br />
Im früheren Bundesgebiet hat sie sich zwischen<br />
1973 und 1989 auf 2,5 Millionen erhöht und damit<br />
nahezu vervierfacht; in den neuen Län<strong>der</strong>n stieg die<br />
Zahl von Ende 1991 bis Ende 1998 von rund 0,2 Millionen<br />
auf 0,4 Millionen Sozialhilfebezug gilt zumindest<br />
als armutsnahe Lebenslage („bekämpfte Armut”).<br />
Schätzungen zufolge könnte die Zahl <strong>der</strong> Personen, die<br />
ihren Sozialhilfeanspruch nicht wahrnehmen („verdeckte<br />
Armut”) <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfe beziehenden<br />
Personen entsprechen.<br />
Nettoäquivalenzeinkommen sind – am Alter und <strong>der</strong><br />
Haushaltsgröße orientierte – bedarfsgewichtete Einkommen,<br />
die etwas über die individuelle Einkommensposition<br />
im Vergleich zur gesellschaftlichen Einkommenssituation<br />
aussagen. Als relativ einkommensarm<br />
gelten Personen, die über weniger als 50 Prozent des<br />
durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens verfügen,<br />
also weniger als die Hälfte des in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
im bedarfsgewichteten Durchschnitt verfügba-<br />
ren Einkommens ausgeben können. Unterschiedliche<br />
Berechnungsmethoden, die verschiedene altersgestufte<br />
Bedarfsgewichte und alternative Mittelwerte (z.B.<br />
Arithmetisches Mittel und Median) verwenden, kommen<br />
zwar zu recht unterschiedlichen Ergebnissen, aber<br />
stets zeigt sich ein Anstieg <strong>der</strong> nach diesem Grundkonzept<br />
gemessenen Armutsquoten in <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />
Armutsrisiken sind vielschichtig<br />
Untersuchungen zur sozioökonomischen Lage von<br />
Haushalten und Familien kommen übereinstimmend<br />
zu dem Ergebnis, dass Anstoß- und Verstärkungsereignisse<br />
von Verarmungsprozessen vorrangig mangelhafte<br />
Erwerbsbedingungen sowie schwierige Haushaltsund<br />
Familiensituationen sind. Risikofaktoren im Erwerbsbereich<br />
sind vor allem fehlen<strong>der</strong> Schulabschluss,<br />
fehlende Berufsausbildung bzw. fehlen<strong>der</strong> Berufsabschluss,<br />
gering entlohnte Erwerbsarbeit, daneben auch<br />
Krankheit, fortgeschrittenes Alter und ausländische<br />
Nationalität. Risikofaktoren im Bereich von Haushalt<br />
und Familie sind insbeson<strong>der</strong>e fehlende Planungskompetenz,<br />
mangelhafte Kenntnisse von Märkten, Produkten<br />
und Verfahren, beson<strong>der</strong>s in Bezug auf Geld, naive<br />
Risikoabwägung, Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden<br />
und nicht adäquate Nutzung öffentlich bereitgestellter<br />
Güter sowie Partnerschaftsprobleme, Alleinelternschaft<br />
und Trennung bzw. Scheidung o<strong>der</strong> Partnerverlust<br />
durch Tod.<br />
Die Risiken lassen sich teilweise gesellschaftlichen<br />
Ursachen zurechnen, etwa im Erwerbsbereich den globalen<br />
Einflüssen auf die Arbeitsmärkte und im Bereich<br />
von Haushalt und Familie dem Wandel <strong>der</strong> Lebensformen.<br />
Hinsichtlich dieser Ursachen von Armut und Verarmung<br />
sind die Einwirkungsmöglichkeiten zum Gegensteuern<br />
sehr begrenzt. Vor allem die Globalisierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft und die Pluralisierung <strong>der</strong> Lebensformen<br />
sind Tendenzen, die sich administrativ kaum<br />
än<strong>der</strong>n lassen. Dagegen besteht eine wirksame Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Armutsprävention in <strong>der</strong> Stärkung von<br />
Bewältigungskompetenzen auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> individuellen<br />
Haushalte und Familien.<br />
03/2002 Diakonie Dokumentation 11