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Rosemarie Daumüller - Diakonisches Werk der EKD

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Armut in Stuttgart<br />

allem die Haushalte <strong>der</strong> allein Lebenden von Armut<br />

bedroht. Ich möchte diese Sozialhilfeempfängergruppe<br />

hervorheben, da sie oft in <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Medien<br />

und in <strong>der</strong> Politik untergehen. Herausragend sind darüber<br />

hinaus die Haushalte mit fünf und mehr Personen,<br />

also so genannte kin<strong>der</strong>reiche Familien.<br />

Beschäftigen wir uns mit dem Thema Kin<strong>der</strong>, Ein-<br />

Eltern und Zwei-Elternfamilien: Hier werden die<br />

Risiko- und Verteilungsstrukturen überdeutlich: Es<br />

sind vor allem die allein Erziehenden, <strong>der</strong>en Armutsrisiko<br />

hoch ist. Wohl liegt ihr Anteil nur bei 20,5 Prozent<br />

<strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger, bezogen auf die Einwohnerzahlen<br />

liegt jedoch die Sozialhilfedichte bei<br />

271. Zwei-Elternfamilien liegen dagegen mit 40 HLU-<br />

Empfänger auf 1.000 Einwohner im Risikobereich von<br />

Haushalten ohne Kin<strong>der</strong>.<br />

Und die Kin<strong>der</strong>? Wo leben sie? Von den 7.715 Kin<strong>der</strong>n,<br />

die Sozialhilfe beziehen, d.h. Personen unter 18 Jahren,<br />

leben 53,4 Prozent also 4.118 Kin<strong>der</strong>, bei nur einem<br />

Elternteil, 46,6 Prozent leben bei beiden Eltern. Dies<br />

zeigt, dass gerade diese spezifischen Haushaltskonstellationen,<br />

das Armutsrisiko von Kin<strong>der</strong>n erhöhen.<br />

Ein Blick über die Grenzen zeigt dabei interessante<br />

Befunde: In den skandinavischen Län<strong>der</strong>n mit ihren<br />

großzügigen Maßnahmen in <strong>der</strong> Familienpolitik mit<br />

<strong>der</strong> entsprechenden Infrastruktur und <strong>der</strong> hohen (Teilzeit-)Erwerbsquote<br />

<strong>der</strong> Frauen ist das Problem <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>armut<br />

nicht anzutreffen (3,9 Prozent in Dänemark,<br />

5,9 Prozent in Finnland).<br />

Direkte Ursachen sind also Arbeitslosigkeit, die so<br />

genannte häusliche Bindung – dies trifft oft auf die<br />

alleinerziehenden Frauen zu – und nicht ausreichendes<br />

Einkommen. Hier tritt die aufstockende Sozialhilfe ein.<br />

Sekundäre Ursachen sind Trennung und Scheidung,<br />

Überschuldung et cetera. Wir haben somit eindeutige<br />

Indikatoren die das Armutsrisiko steigern, das geht aus<br />

allen wissenschaftlichen Untersuchungen und auch<br />

unseren Stuttgarter Befunden hervor:<br />

Das Geschlecht,<br />

die Nationalität,<br />

<strong>der</strong> Familienstand<br />

und die Bildung.<br />

Weitere Faktoren, die zur Arbeitslosigkeit führen, sind<br />

ein schlechter Bildungsabschluss, Sprachprobleme,<br />

psychosoziale Probleme, wie Sucht o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Defizite,<br />

und schließlich gesundheitliche Probleme.<br />

Die dargelegten Ergebnisse beschreiben den sozioökonomischen<br />

Status <strong>der</strong> Menschen, die Sozialhilfe beziehen.<br />

Zu fragen ist nun: wie lange sind die Empfänger im<br />

Bezug von Sozialhilfe? Wie lange dauert ein Lebensabschnitt<br />

materieller Notlage in Stuttgart?<br />

Wir haben hierfür den Begriff <strong>der</strong> Verweil- bzw. Bezugsdauer<br />

in <strong>der</strong> Sozialhilfe gewählt. Die wenigen<br />

Untersuchungen, die es bisher in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

gibt und auch unsere erste Analyse <strong>der</strong> Bezugsdauer<br />

von Hilfe zur Lebensunterhalt machen klar, dass wir<br />

von einem Kurzzeitbezug ausgehen können.<br />

Unsere Berechnung von laufenden Fällen und abgeschlossenen<br />

Fällen brachte folgendes Ergebnis: Die<br />

mittlere Bezugsdauer liegt bei 1,47 Jahre. Die Anzahl<br />

<strong>der</strong> Kurzzeitbezieher bis zu einem Jahr liegt bei 50 Prozent.<br />

An dieser Stelle möchte ich klar formulieren, dass<br />

die Befunde sich nur auf eine erste so genannte Episode<br />

beziehen. Ob also die aus <strong>der</strong> Sozialhilfe ausgestiegenen<br />

Personen länger materiell auf eigenen Füßen<br />

stehen o<strong>der</strong> ob sie später wie<strong>der</strong> etwa durch erneute<br />

Arbeitslosigkeit in den Sozialhilfebezug kommen,<br />

bleibt zunächst offen. Im Rahmen einer weiteren notwendigen<br />

Evaluation werden wir eine Auswahl von<br />

Fällen in eine Langzeitbeobachtung einbeziehen.<br />

Wo ist Armut und Unterversorgung in<br />

Stuttgart räumlich angesiedelt?<br />

Ein erster Blick auf Verteilungsmuster im Stadtgebiet ist<br />

wie<strong>der</strong>um über die Analyse <strong>der</strong> allgemeinen Sozialhilfedichte<br />

in den Stadtbezirken und Stadtvierteln möglich.<br />

Wie bereits gezeigt, lag die Sozialhilfedichte in Stuttgart<br />

bei 42 HLU-Empfangenden auf 1.000 Einwohner.<br />

Die Werte in den Stadtvierteln schwanken zwischen<br />

0 und 119 HLU-Empfangende pro 1.000 Einwohner.<br />

Die höchsten Empfängerzahlen sind in den Bezirken<br />

Bad Cannstatt, Süd, Ost und West anzutreffen. Die<br />

Stadtbezirke Münster, Birkach, Hedelfingen, Plieningen<br />

und Degerloch weisen die niedrigsten Empfängerzahlen<br />

auf. Augenscheinlich bei diesem räumlichen<br />

Verteilungsmuster ist also, dass sich die Bezirke mit<br />

überdurchschnittlicher Sozialhilfedichte überwiegend<br />

im Stuttgarter Talkessel, entlang des Neckars und im<br />

nördlichen äußeren Stadtgebiet befinden. Bezirke mit<br />

unterdurchschnittlicher Sozialhilfedichte sind auf den<br />

Höhenlagen des Stuttgarter Kessels, im südlichen<br />

Stadtgebiet und auf <strong>der</strong> Fil<strong>der</strong>hochebene zu finden.<br />

03/2002 Diakonie Dokumentation 19

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