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Rosemarie Daumüller - Diakonisches Werk der EKD

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Armut in Stuttgart<br />

dass mit dem Moment des Beginns einer neuen Arbeit<br />

viele Probleme sich von selbst gelöst hätten.<br />

Mehrere Gesprächspartner beschrieben uns neben<br />

positiven Ressourcen auch Erfahrungen und soziale<br />

Prozesse, die sich demotivierend, also negativ, auswirkten:<br />

Demütigung durch soziale Einrichtungen und<br />

ihre Vertreter, Undurchschaubarkeit von Verfahren und<br />

Regeln und damit <strong>der</strong> eigenen Lebensumstände und<br />

schließlich, fast als die schlimmste Erfahrung, <strong>der</strong> armutsbedingte<br />

Umzug in ein Wohnviertel, das als sozial<br />

schwächer erlebt wird und ein schlechtes Image hat. Ich<br />

zitiere einen Befragten: „Da wusste ich, da kommst du<br />

nicht mehr heraus.”<br />

Meine Damen und Herren, mit diesem Zitat schließe<br />

ich die Berichterstattung über unsere statistischen<br />

Befunde und qualitativen Ergebnisse <strong>der</strong> Befragungen.<br />

Was noch zu sagen bleibt<br />

Wie sehen die Perspektiven aus? Deutlich wurde, dass<br />

unsere Befunde sich mit den Ergebnissen des Armutsberichtes<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung decken. Perspektivisch<br />

ist davon auszugehen, dass die Möglichkeiten<br />

bestimmter Empfängergruppen, wie die <strong>der</strong> allein<br />

Erziehenden o<strong>der</strong> auch allein Lebenden mit schlechten<br />

Chancen am Arbeitsmarkt, von ihrem Vermögen<br />

abhängen, dem diskontinuierlichen Erwerbsverlauf<br />

Kontinuität zu geben. Darüber hinaus sind weitere<br />

Faktoren, wie Heiratsverhalten, die persönliche Ausgestaltung<br />

des Lebensweges o<strong>der</strong> psychosoziale<br />

Konstellationen ausschlaggebend. Die Perspektiven<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen, die in einem armen<br />

Elternhaus aufwachsen sind schwierig zu prognostizieren:<br />

Bildung und För<strong>der</strong>ung sind stark herkunftsbezogen;<br />

jedoch kann eine zuverlässige Infrastruktur<br />

nicht nur für die Kin<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch für die Eltern<br />

eindeutig das Armutsrisiko min<strong>der</strong>n.<br />

Wenn wir uns wie<strong>der</strong> den Rahmenbedingungen<br />

zuwenden und auch einen Blick auf die Handlungsmöglichkeiten<br />

werfen: Armut ist immer im Zusammenhang<br />

zu sehen mit den ökonomischen und<br />

wohlfahrtsstaatlichen Rahmenbedingungen eines<br />

Landes und so auch einer Kommune. Wir wissen,<br />

dass den kommunalen Handlungsmöglichkeiten<br />

Grenzen gesetzt sind. Entscheidende Weichenstellungen<br />

werden auf Bundesebene im Bereich <strong>der</strong><br />

Familien- und Sozialpolitik, <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>politik<br />

und in <strong>der</strong> Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik vorgenommen.<br />

Das Sozialreferat <strong>der</strong> Stadt Stuttgart verfügt über vielfältige<br />

Maßnahmen zur Armutsverhin<strong>der</strong>ung, die immer<br />

wie<strong>der</strong> modifiziert und den Erfor<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong><br />

Gruppen und <strong>der</strong> Rahmenbedingungen angepasst werden.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Rolle kommt dem Programm<br />

„Arbeit statt Sozialhilfe” und zukünftig <strong>der</strong> Hilfeplanung<br />

zu, die zentraler Baustein <strong>der</strong> Armutsbekämpfung<br />

sein wird. Bruno Pfeifle hat in seinem Grußwort weitere<br />

Interventionsinstrumente und Angebote erwähnt.<br />

Wie geht nun eine Kommune, wie die Stadt Stuttgart<br />

mit den konkreten sozialwissenschaftlichen Ergebnissen<br />

des ersten Sozialberichtes um? Wo sehe ich persönlich<br />

den sozialplanerischen Handlungsbedarf in <strong>der</strong><br />

Thematik „Armut und Unterversorgung in Stuttgart”?<br />

In den Ausschüssen des Gemein<strong>der</strong>ates wurde <strong>der</strong> erste<br />

Sozialbericht „Armut in Stuttgart – quantitative und<br />

qualitative Analysen” nicht nur vorgestellt und diskutiert.<br />

Darüber hinaus wurde Folgendes beschlossen: Es<br />

wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Ergebnisse<br />

des Armutsberichtes hinsichtlich Maßnahmen zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Situation materiell bedürftiger Einwohner<br />

diskutiert und daraus Vorschläge entwickelt.<br />

Die Erarbeitung einer Konzeption für einen Fachkongress<br />

bzw. einen Fachtag, <strong>der</strong> das Thema „Armut und<br />

Unterversorgung” in ihren verschiedenen Perspektiven<br />

zum Inhalt hat, ist die weitere Aufgabe dieser Arbeitsgruppe.<br />

Die Arbeitsgruppe sollte interdisziplinär<br />

zusammengesetzt sein und auf <strong>der</strong> Ebene konkreter<br />

Vorschläge und Maßnahmen arbeiten.<br />

Ich sehe nun Handlungsbedarf – ohne auf das Programm<br />

<strong>der</strong> zukünftigen interdisziplinären Arbeitsgruppe<br />

einzugehen – auch in <strong>der</strong> Vernetzung <strong>der</strong> Maßnahmen.<br />

Ich erwarte mir davon, dass unter <strong>der</strong> Überschrift<br />

„Vermeidung und Bekämpfung <strong>der</strong> Armut in <strong>der</strong> Stadt<br />

Stuttgart” <strong>der</strong> Bedarf abgefragt und formuliert wird und<br />

somit auch Defizite aufgezeigt werden können. Dies<br />

wird ein wesentlicher Bestandteil einer passgerechteren<br />

Maßnahmenplanung sein.<br />

In diesem Sinne wünsche ich mir für das Thema „Armut<br />

und Unterversorgung” eine konstruktive, auch öffentliche<br />

Diskussion, eine effektive Bestandsanalyse und<br />

gegebenenfalls Maßnahmenplanung und eine offensive<br />

und fruchtbare Umsetzung des Programms im Sinne<br />

einer Verbesserung <strong>der</strong> Lebenssituation aller Bürgerinnen<br />

und Bürger, die in einer materiell prekären Lage<br />

sind.<br />

03/2002 Diakonie Dokumentation 21

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