Rosemarie Daumüller - Diakonisches Werk der EKD
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Verarmungsgründe und Armutsprävention bei Privathaushalten<br />
Privathaushalte sind Wohlfahrtsproduzenten<br />
Ausgangspunkt für Maßnahmen <strong>der</strong> Armutsprävention<br />
durch Stärkung von Haushalts- und Familienkompetenzen<br />
ist ein mehrdimensionaler Armutsbegriff. Armut<br />
wird nicht mit Einkommensarmut gleichgesetzt, son<strong>der</strong>n<br />
als Mangel an ökonomischen, sozialen, physischen<br />
und/o<strong>der</strong> psychischen Ressourcen verstanden. Einkommensarmut<br />
ist zwar ein wesentlicher, aber nicht <strong>der</strong><br />
alleinige Grund und Indikator für eine defizitäre Lebenslage.<br />
Neben <strong>der</strong> Ressourcenausstattung, insbeson<strong>der</strong>e<br />
mit Geld, sind <strong>der</strong> effiziente Mitteleinsatz sowie die<br />
Möglichkeit des Rückgriffs auf soziale Netzwerke von<br />
Bedeutung<br />
Maßnahmen zur sozioökonomischen Stabilisierung von<br />
Privathaushalten durch Stärkung von Haushalts- und<br />
Familienkompetenzen können sich insbeson<strong>der</strong>e auf die<br />
Arbeiten von Gary S. Becker und Amartya K. Sen, die<br />
Wirtschaftsnobelpreisträger von 1992 und 1998, stützen.<br />
Becker hat die Grundlagen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Theorie <strong>der</strong><br />
Haushaltsproduktion gelegt. Und Sen hat die entscheidende<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Kompetenzen für die effiziente<br />
Güternutzung – gegenüber <strong>der</strong> potenziellen Verfügbarkeit<br />
über Güter – für die Bedürfnisbefriedigung betont.<br />
Danach werden in den Privathaushalten – selbständige<br />
Haushaltsführung vorausgesetzt – in einem arteigenen<br />
Produktionsprozess private und öffentliche Güter verfügbar<br />
gemacht und in konsumreife Haushaltsendprodukte<br />
umgewandelt und damit Lebensqualität und Wohlfahrt<br />
für die Individuen und die Gesellschaft konkret produziert.<br />
In diesem Produktionsprozess sind Wissen und<br />
Fähigkeiten ein maßgeblicher Produktionsfaktor.<br />
Systematische Armutsprävention<br />
durch Bildung und Beratung<br />
Ein Blick auf Zusammenstellungen sozialstaatlicher<br />
Vorkehrungen gegen Armut bzw. zu <strong>der</strong>en Mil<strong>der</strong>ung<br />
zeigt, dass die Maßnahmen vor allem auf die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> finanziellen Lage und <strong>der</strong> Erwerbschancen<br />
sowie <strong>der</strong> Versorgung mit Wohnraum und sozialen<br />
Diensten, zum Teil auch auf die För<strong>der</strong>ung sozialer<br />
Netzwerke gerichtet sind. Dagegen wird <strong>der</strong> Bereich<br />
<strong>der</strong> Stärkung von Kompetenzen für Haushalt und Familie<br />
ganz weitgehend vernachlässigt. Die oben angesprochenen<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> Lebenslagen- und Armutsforschung<br />
zeigen aber, dass mangelhafte Haushalts-<br />
und Familienkompetenzen hinsichtlich ihrer Ursächlichkeit<br />
für eine suboptimale bzw. defizitäre Lebensgestaltung<br />
den fehlenden Erwerbskompetenzen als<br />
Risikofaktoren für eine erfolgreiche Erwerbsbiographie<br />
entsprechen. Hier kann Armutsprävention durch<br />
entsprechende Bildung und Beratung ansetzen, soweit<br />
Defizite bestehen.<br />
Im Folgenden wird ein System von Maßnahmen skizziert,<br />
das eine auf Haushalt und Familie bezogene<br />
Allgemeinbildung an den Anfang stellt und – darauf<br />
aufbauend – nach Dringlichkeit abgestufte problemadäquate<br />
Informationen und Interventionen für Zielgruppen<br />
beinhaltet.<br />
Familien- und haushaltsbezogene<br />
Schulbildung<br />
Schulische Bildung ist vor allem auf die Teilhabe am<br />
Erwerbsleben ausgerichtet. Dagegen wird die För<strong>der</strong>ung<br />
von Haushalts- und Familienkompetenzen vernachlässigt.<br />
Ein für alle Schulformen und Schulstufen<br />
in allen Bundeslän<strong>der</strong>n sowie für Jungen und Mädchen<br />
gleichermaßen durchgehend angebotenes Fach, das<br />
sich ausschließlich mit den Fragen <strong>der</strong> Haushaltsführung<br />
und dem Familienleben befasst, gibt es in<br />
Deutschland nicht. Dieses defizitäre Angebot steht im<br />
krassen Wi<strong>der</strong>spruch zu den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> –<br />
nur banal klingenden – Alltagsbewältigung.<br />
Die Rahmenbedingungen privater Haushaltsführung<br />
unterliegen einem beschleunigten Wandel, <strong>der</strong> erhebliche<br />
Adaptions- o<strong>der</strong> besser noch Antizipationsfähigkeiten<br />
erfor<strong>der</strong>t. Zunehmende Optionalisierung, Virtualisierung<br />
und Unsicherheit auf den Arbeits-, Warenund<br />
Geldmärkten, aber auch in den privaten Lebensformen<br />
sowie Verän<strong>der</strong>ungen von Angeboten im Bereich<br />
öffentlicher Infrastruktur erzwingen Informations-<br />
und Entscheidungsprozesse, die auf den Begriff<br />
<strong>der</strong> Neuen Hausarbeit gebracht worden sind. Da traditionelles<br />
Wissen zunehmend schneller veraltet, können<br />
auch die eigenen Haushalte und Familien als Vermittlungsinstanzen<br />
für haushalts- und familienbezogenes<br />
Wissen und Können, selbst dort, wo es angeboten und<br />
angenommen wird, nur Stückwerk leisten.<br />
Eine entsprechende Basis für ein „Lebenslanges Lernen”<br />
auch in diesem Bereich kann nur – und muss – die<br />
allgemeinbildende Schule legen. Ohne ein solches Fundament<br />
wird sich nicht än<strong>der</strong>n, was oft zu Recht beklagt<br />
12 Diakonie Dokumentation 03/2002