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Christus, Elf Visionen.

Rainer Maria Rilke, Christus Elf Visionen

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S 45<br />

<strong>Christus</strong> <strong>Elf</strong> <strong>Visionen</strong><br />

Mein Alles war mir, Vater, deine Näh...<br />

Du Grausamer, und wenn du niemals warst,<br />

so hätte meine Liebe und mein Weh<br />

dich schaffen müssen bei Gethsemane."<br />

.....................................................................<br />

Im Wärterhäuschen ist das Licht verlöscht.<br />

Und in dem Bett von Gräbern breit umböscht<br />

fließt schon des blauen Mondquells Wunderwelle.<br />

Und Sterne schaun mit Kinderaugenhelle<br />

verstohlen über schwarzen Giebelrand. -<br />

Und <strong>Christus</strong>, zu des Rabbi Gruft gewandt:<br />

"Dir auch gefiel es., Alter, manchen Spruch<br />

zur Ehre jenes Gotts zusammzuschweißen.<br />

Wer hat dich, morscher Tor, auch blättern heißen<br />

in alten Psalmen und im Bibelbuch?<br />

Du hast so viel gewußt, stehst im Geruch,<br />

dich gar geheimer Weisheit zu befleißen.<br />

Heraus damit jetzt! Weißt du keinen Fluch,<br />

daß ich des Himmels blaues Lügentuch<br />

mit seiner Schneide kann in Stücke reißen.<br />

Hast du kein Feuer in den Dämmerungen<br />

des Alchymistenherdes je entdeckt,<br />

das fürchterlich und ewig unbezwungen<br />

mit gierem Lecken seine Rachezungen<br />

bis zu des Weltalls fernen Angel streckt?

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