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S 62<br />
<strong>Christus</strong> <strong>Elf</strong> <strong>Visionen</strong><br />
Erklärungen.<br />
Rainer Maria Rilkes Vorstellung von Jesus, ist die eines <strong>Christus</strong>, der sich aller<br />
Illusionen über die Menschheit begeben hat. Christi Worte künden von der<br />
Spannung, die zwischen dem göttlichen Wort und der Welt besteht.<br />
Zu des Rabbi Gruft gewandt, sagt <strong>Christus</strong>:<br />
"Dir auch gefiel es, Alter, manchen Spruch zur Ehre jenes Gotts<br />
zusammzuschweißen."<br />
Das Interessante an dieser Rede ist für unseren Zusammenhang die Charakteristik<br />
des Nazareners. Denn an dieser hält Rilke auch noch in seinen <strong>Christus</strong>-<strong>Visionen</strong> fest,<br />
an denen er vom Herbst 1896 bis Sommer 1897 schreibt. Bei den elf in poetischer<br />
Prosa entworfene Szenen, in denen <strong>Christus</strong> als der verwirrte, milde, leidende Mann,<br />
der sich am besten mit Kindern versteht, in Erscheinung tritt.<br />
Seine Qual resultiert daraus, dass er sich nicht mehr als Gott begreift und seine<br />
Werke als nichtig erlebt. Rilke unternimmt noch einmal den Versuch,eine<br />
antichristliche Position zu beziehen, ganz an die von Nietsche entlehnte Rhetorik<br />
angepasst, mit seinen eigenen Versuch die christliche Wertewelt umzustoßen, so in<br />
den <strong>Elf</strong> <strong>Christus</strong>visonen geschehen. Diese antichristliche Position nimmt Rilke<br />
hiermit ein.<br />
Michael Georg Conrad, der Herausgeber der Münchener „Gesellschaft", in der einige<br />
der <strong>Christus</strong>-<strong>Visionen</strong> abgedruckt werden sollten, machte Rilke auf den 1896 in der<br />
„Freien Bühne" erschienenen Aufsatz:<br />
Jesus der Jude von Lou Andreas-Salome aufmerksam.<br />
Rainer Maria Rilke beschäftigte sich unverzüglich mit der ihm empfohlenen Lektüre<br />
und fand darin geschichtlich fundierte Argumente gegen die Vergottung Jesus' in der<br />
christlichen Religion, die er attackierte.<br />
Es überrascht daher kaum, daß Rilke unbedingt die Verfasserin von Jesus der Jude'<br />
kennenlernen wollte. - Seine <strong>Christus</strong> <strong>Visionen</strong> betrafen ihn auch persönlich, nämlich<br />
als Versuch, das eigene Seelenleben zu ergründen.<br />
"Judenfriedhof"<br />
schildert den gemeinen Angriff einer räuberischen Welt auf den Ahnungslosen, einen<br />
Angriff, den nur das Wort abzuwehren und unter Kontrolle zu halten vermag.<br />
Da ist ein "Gift, das süß ist wie der Kuß der Mutter", und den Ahnungslosen "nach<br />
seligem Genuß" tötet.