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Orkus! ASP (Vorschau)

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„Chirurgisch<br />

bin ich nicht ganz unbeleckt...“<br />

Das Projekt Grausame Töchter bedarf wohl keiner einleitenden Worte mehr. Und falls<br />

doch, so muss man sich selbst vielleicht fragen, wo man in den letzten Jahren musikalisch<br />

unterwegs war, wenn es an einem vorübergezogen ist... Das bald erscheinende Album<br />

Glaube Liebe Hoffnung bot Anlass für einen erneuten Gedankenaustausch mit Mastermind<br />

Aranea Peel.<br />

<strong>Orkus</strong>: Steigen wir mit einer symbolischphilosophischen<br />

Frage ein: Wenn die Welt ein<br />

Zirkus ist – wo befindest du dich?<br />

Aranea Peel: Aber die Welt ist doch ein Zirkus...<br />

so kommt es mir nicht gerade selten vor. Ich bin<br />

dabei nur Publikum. Die gewagtesten Aktionen<br />

der Trapezkünstler langweilen mich; über die<br />

Clowns kann ich nur dann nicht lachen, wenn sie<br />

lustig sein wollen; und wenn der Tigerdompteur<br />

kommt, rufe ich seinem Tier zu: „Friss ihn! Friss<br />

ihn doch!“<br />

O: Warum hast du als Titel für das neue Werk<br />

Glaube Liebe Hoffnung gewählt?<br />

AP: Diese Worte haben eine seltsame Feierlichkeit<br />

und lassen uns gleichzeitig merkwürdig im Nebel<br />

stehen. Man meint, etwas Wichtiges damit zu<br />

verbinden, und bleibt doch ganz im Vagen und<br />

Unbestimmten. Die Religion nutzt das sehr<br />

geschickt. Verdecken gerade diese starken Worte<br />

jede Klarheit und verführen möglicherweise sogar<br />

dazu, sich ein schlechtes Gewissen zuzulegen. Wir<br />

gehen durch die Nacht und suchen Glaube, Liebe,<br />

Hoffnung – aber da wir im Dunkel nichts sehen<br />

können, will uns die Religion oder irgendwer sonst<br />

an die Hand nehmen, der angeblich Bescheid<br />

weiß. Niemals wird gepredigt: Denken statt<br />

Glauben, Handeln statt Hoffen, Lieben mit Lust<br />

und Leidenschaft. Es ist der Albumtitel, weil mich<br />

die Feierlichkeit dieser Worte genauso fasziniert<br />

wie deren Zerstörung.<br />

O: Es geht also um Religion.<br />

AP: Religion aus verschiedenen Perspektiven.<br />

In manchen Liedern sage ich sehr direkt, was<br />

ich denke, zum Beispiel in Lust und Tod oder im<br />

Titelsong. In anderen Liedern, wie Verlassen oder<br />

etwas variiert in Paradies, nehme ich die Rolle<br />

Gottes ein und strafe mit grausamer Lust, was die<br />

Anbetung einer göttlichen Autorität ad absurdum<br />

führt. In Liedern wie Mensch und Tier oder Tränen<br />

in einer toten Welt sind es mehr beobachtende<br />

Positionen. Die Titelworte kommen in fast jedem<br />

Lied vor, und jetzt, wo das Album fertig ist, fallen<br />

mir immer noch weitere Themen und Texte dazu<br />

ein.<br />

O: Ich finde, euer Sound hat sich nochmals in neue<br />

Höhen aufgeschwungen. Er ist irgendwie wärmer,<br />

was mir sehr gut gefällt. Was ist anders?<br />

AP: Neu ist auf jeden Fall das wunderbare Cello,<br />

das Bojana Tadic eingespielt hat. Sie geht mit<br />

uns übrigens jetzt auch auf Tour. Es ist auch<br />

sehr viel analoges Klavier auf dem Album, wobei<br />

wir die Saiten mit Metallstreifen verbunden<br />

haben, wodurch das Klavier einen leichten<br />

Cembalosound bekommt. Neila Fynn, Era Kreuz<br />

und ich haben einzeln Bass- und Gitarrenpassagen<br />

eingespielt. Jedes meiner Alben hat eine Tonfolge,<br />

die jedem Lied auf dem Album zugrunde liegt.<br />

Beim letzten Album waren das zwei Quarten<br />

im Tritonusabstand, und hier ist es der Wechsel<br />

von Dur- zu Mollterz. Aber wen interessiert das<br />

schon? Letztendlich bin ich gespannt, welchen<br />

Unterschied die Hörer spüren. Wir sind alle<br />

so lange mit den Liedern beschäftigt, dass wir<br />

inzwischen wenig Abstand dazu haben.<br />

O: Glaube Liebe Hoffnung wird in einer limitierten<br />

Ausgabe mit einer rein instrumentalen Bonus-CD<br />

veröffentlicht. Wie kam es dazu?<br />

AP: Ich habe mit einigen mir nahestehenden<br />

Musikern die Idee gehabt, alte Titel der<br />

Grausamen Töchter instrumental zu produzieren.<br />

Die Stimmung der Lieder sollte ruhig, lyrisch,<br />

geheimnisvoll, düster und unheimlich sein. Mal<br />

geradeheraus: Wir wollten gute Musik für S/M-<br />

Sessions. Die Gelegenheit für die Aufnahmen<br />

kam dann plötzlich eher zufällig. Ich habe<br />

vorgeschlagen, sie mit herauszubringen, und mein<br />

Label war sehr angetan.<br />

O: Wo wir gerade bei Ideen sind: Du meintest<br />

einmal, dass dir der Produzent Gregor Hennig<br />

in der Anfangszeit deines Projekts geholfen hat,<br />

deine Kopfwelt musikalisch umzusetzen. Sieht die<br />

heute anders aus als damals?<br />

AP: Pervers, emotional, lustvoll, böse,<br />

unvernünftig und frei. Ich bin noch derselbe<br />

Mensch. Es hat sich also nichts geändert, außer<br />

dass ich inzwischen noch mehr erlebt habe, noch<br />

mehr Menschen kennengelernt habe und noch<br />

vieles weitergedacht habe.<br />

O: Ihr werdet auch wieder live spielen. Was war<br />

bisher eigentlich das Krasseste, mit dem du dabei<br />

konfrontiert wurdest?<br />

AP: Immer wieder werde ich von Konzertbesuchern<br />

angeschrieben, dass sie gerne von mir zu Sklaven<br />

gemacht werden würden. Dabei haben einige<br />

Menschen auch schon ausgesprochen detaillierte<br />

Vorstellungen. Von Männern kommt immer wieder<br />

der Wunsch, ich solle ihnen ihren Penis operativ<br />

entfernen. Ich wäre sogar dazu in der Lage;<br />

chirurgisch bin ich nicht ganz unbeleckt, aber ich<br />

muss dann ablehnen, weil ich nicht genau weiß,<br />

ob das überhaupt legal wäre, und außerdem und<br />

überhaupt kostet es mich viel zu viel Zeit. Frauen<br />

haben übrigens nicht unbedingt harmlosere<br />

Ansinnen. Einmal war eine Fernsehmoderatorin<br />

von einem Konzert so geschockt, dass sie eine<br />

Auszeit brauchte, um die Eindrücke in ihrem Kopf<br />

zu verarbeiten.<br />

O: Ich weiß, dass viele eurer Fans von anderen<br />

Kontinenten gern zu euren GastgeberInnen<br />

werden würden. Besteht Hoffnung darauf?<br />

AP: Ich freue mich erst einmal, dass wir 2015 auch<br />

nach England und Frankreich kommen. Es gibt<br />

auch schon Kontakte in die USA, aber noch nichts<br />

Konkretes. In Mittel- und Südamerika haben wir<br />

erstaunlich viele Fans. Eigentlich steht da auch mal<br />

eine Reise an.<br />

O: Worauf freust du dich in den kommenden<br />

Monaten besonders?<br />

AP: Auf die Live-Tour mit meinen Frauen, auf neue<br />

Städte, auf die Musik, auf gutes Essen, Sex und all<br />

diese Dinge des Lebens.<br />

www.grausame-toechter.de<br />

Lydia Aufschlager<br />

Discographie (Alben):<br />

mein eigentliches Element (2011)<br />

Alles für Dich (2012)<br />

Glaube Liebe Hoffnung (2014)<br />

Line-Up:<br />

Aranea Peel – Gesang, Musik, Performance<br />

Era Kreuz – Bass<br />

Neila Fynn – Keyboard<br />

Bojana Tadic – Cello<br />

Gregor Hennig – Mix, Schlagzeug<br />

Charona – Performance, Gesang<br />

Harpyiena – Performance, Gesang<br />

<strong>Orkus</strong>! - 15

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