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<strong>Orkus</strong>: Wie kam es zur Idee, und wie wurde Fräkmündt ins Leben gerufen?<br />

Res: Fräkmündt entstand aus der Idee, alten, vom Vergessen bedrohten<br />

Liedern und Sagen, vornehmlich aus der Region der Zentralschweiz, neues<br />

Leben einzuhauchen. Musikalisch wollten wir an die traditionelle Volksmusik<br />

anknüpfen, die schon immer von den verschiedensten Musikstilen geprägt und<br />

bereichert wurde.<br />

O: Und wie kam es zu der Entscheidung, die Formation Fräkmündt zu nennen?<br />

R: Fräkmündt war der alte Name des Pilatus, dem sagenumwobenen Hausberg<br />

Luzerns. Der Begriff stammt vom triviallateinischen „fractus mons“, was „der<br />

gebrochene Berg“ bedeutet und die schroffe Form des Gebirges zum Ausdruck<br />

bringt. Den heutigen Namen verdankt der Berg der Legende, man habe den<br />

rastlosen Leichnam des Pontius Pilatus in einem See unter seinen Gipfeln<br />

versenkt, und es gibt zahllose weitere Geschichten von Drachen, Hexen, Geistern<br />

und Unwesen. Der Name steht also sowohl für die Region, über die wir singen,<br />

und ist gleichzeitig sinnbildlich für deren Sagenreichtum.<br />

O: Zuvor wurden bereits musikalische Erfahrungen unter anderen Namen<br />

gesammelt...?<br />

R: Die meisten Mitglieder waren und sind in diversen anderen Formationen<br />

unterwegs. Am bekanntesten dürfte wohl Annelis Hauptband Eluveitie sein.<br />

Fräkmündt selbst existierte aber immer nur als Fräkmündt.<br />

O: Wie kam es dazu, dass Auerbach Tonträger eure neue Labelheimat wurde?<br />

R: Natürlich war uns Auerbach beziehungsweise Prophecy ein Begriff, und als wir<br />

uns nach einem neuen Label umsahen, haben wir uns spontan dort gemeldet<br />

und wurden tatsächlich aufs Herzlichste aufgenommen und fühlen uns mehr<br />

als gut aufgehoben.<br />

O: Kannst du Landlieder & Frömdländler in zwei bis drei Sätzen beschreiben?<br />

R: Eine abenteuerliche, ruppige, verspielte, wehmütige, lustige, ausgefallene und<br />

stets authentische Klangreise durch die urigen Landschaften, Sagen und Klänge<br />

der Zentralschweiz. Mit unseren anderen Worten: Äfach huere verreckt rüüdig<br />

guet!<br />

O: Wenn ihr lediglich zwei Lieder einem neuen Publikum live vorstellen könntet,<br />

welche wären dies – und wovon handeln sie?<br />

R: Pfaffechälleri, da es ein sehr abwechslungsreiches und repräsentatives Stück<br />

ist, in dem viele musikalische Elemente zum Tragen kommen, und welches eine<br />

sehr schöne Sage über eine Hexe erzählt, die wild und frei den Konventionen<br />

der Gesellschaft trotzt. Wieso semmer eso? Ein wildes, lustiges Tanzstück,<br />

gespickt mit zahllosen instrumentalen Ein- und Anfällen, dessen Text in lauter<br />

Dialektredewendungen (erfolglos) zu erklären versucht, warum wir so sind, wie<br />

wir eben sind.<br />

O: Wo ist der Unterschied zwischen Fräkmündt und Kitsch?<br />

R: Mit Sicherheit die Tatsache, dass wir mit unserer Musik authentisch und in<br />

gewissem Sinn ein regionales Lebensgefühl zu vermitteln versuchen, ohne uns<br />

dabei auf regionale Stilmittel einengen zu lassen. Wir wollen eher durch unsere<br />

eigenen Interpretationen die Faszination für Dinge wecken, die zu Unrecht<br />

als verstaubt und konservativ gelten, anstatt (vermeintlich) alte Traditionen<br />

überstilisiert und überblendet auszuschlachten, wie das in der modernen<br />

Volksmusikindustrie häufig passiert.<br />

O: Welche zwei Sagen, die nun vertont wurden, bewegen euch innerlich<br />

besonders?<br />

R: Klarydä beinhaltet eine in vielen Variationen vertonte Sage einer einst<br />

fruchtbaren Alp, die durch die Eismassen eines Gletschers verschlungen wurde.<br />

In dieser Variante lebte ein Älpler mit seiner Geliebten auf einer abgelegenen,<br />

aber fruchtbaren Alp. Die beiden lebten dort so, wie sie es für richtig hielten, und<br />

legten den christlichen Glauben ab. Man warnte sie, dass sie dadurch großes<br />

Unheil über sich brächten und ihr Seelenheil verspielten. Ihre Antwort aber war<br />

immer, solange sie einander hätten, sei ihnen das nicht wichtig. Schließlich kam<br />

es wie vorhergesagt: Die Alp und ihre Bewohner wurden von Schnee und Eis<br />

begraben. Ihre ruhelosen Seelen aber müssen für immer auf dem Gletscher<br />

wandeln. Wir haben den Text absichtlich auf der Idee betont, dass das den<br />

beiden vielleicht ganz recht ist so, immerhin haben sie einander immer noch.<br />

D’Züüsler behandelt den Werdegang von besonders schlimmen Übeltätern<br />

nach deren Tod. Diese müssen nämlich für immer an dem Ort, an dem sie<br />

eine besonders grausame Tat verübten, als brennende Gestalten wandeln und<br />

können nicht ins Jenseits übertreten. Im Gegensatz zu anderen armen Seelen,<br />

können sie nicht erlöst werden. Im Gegenteil: Wer diesen Gestalten helfen will,<br />

wird von ihnen immer Böses erfahren.<br />

O: Was kann man von so manch alten Sagen auch in der heutigen Zeit noch<br />

lernen?<br />

R: Sagen helfen einem dabei, die Mentalität der Leute zu verstehen, welche<br />

sie sich einst erzählt haben und sie sich ja (zum Glück) noch heute erzählen.<br />

Es werden viele, meist sehr simple Werte und Vorstellungen vermittelt, die<br />

beinahe instinktiv nachvollziehbar sind. Daher wohl auch die grundsätzliche<br />

Ähnlichkeit zwischen den Märchen und Sagen weltweit, wenn man diese auf ihre<br />

Grundaussage reduziert. Sie versuchen in Form von Geschichten zu vermitteln,<br />

was gut und was schlecht ist, wie sich gewisse Naturphänomene und Tatsachen<br />

erklären lassen, und dass diese Dinge die Menschen schon seit jeher beschäftigt<br />

haben.<br />

O: Was ist an der Vergangenheit gut, was besser?<br />

R: Das Stöbern in der Vergangenheit ist interessant. Fast noch interessanter ist<br />

aber, was von der Vergangenheit geblieben ist und wie sich Vergangenheit immer<br />

wieder im Hier und Jetzt wiederfindet. Eine Romantisierung der Vergangenheit<br />

ist sicherlich verfehlt, gleichzeitig fehlt heute aber sehr vielen Menschen das<br />

Bewusstsein, dass die Vergangenheit den Grundstein für das Heute darstellt und<br />

eine Auseinandersetzung damit durchaus bereichernd sein kann.<br />

O: Und was ist an der Gegenwart gut, was<br />

besser?<br />

R: Das Beste an der Gegenwart ist sicherlich,<br />

dass wir sie aktiv gestalten können. Es liegt<br />

an uns, was wir aus der Gegenwart machen,<br />

wohingegen die Vergangenheit bereits<br />

abgeschlossen ist. Gerade deshalb macht sie<br />

wohl für viele einen so großen Reiz aus: Es ist<br />

schon klar, wie es ausgeht. Die Vergangenheit<br />

lässt sich geduldig als einfacher und<br />

geordneter darstellen als die Gegenwart,<br />

wenn das auch meistens ganz und gar nicht<br />

der Fall war. Die Gegenwart birgt eher die<br />

Bedrohung durch das Ungewisse in sich –<br />

und das aktive Gestalten ist aufwändiger, als<br />

nachzumachen, was bereits vorgemacht wurde.<br />

O: Inwieweit ist euch bewusst, an einem der besten Orte der Welt zu leben?<br />

R: Das ist uns täglich sehr bewusst. Sicherlich einerseits durch die sehr hohe<br />

generelle Lebensqualität und den Fakt, dass wir durch die weitestgehend<br />

direkte Demokratie tatsächlich selbst bestimmen können, was hier passiert<br />

und was nicht. Aber viel mehr noch durch die grandiose, abwechslungsreiche<br />

Natur und die auf derart kleinem Raum so vielfältige und reiche Kultur, die<br />

sich glücklicherweise entgegen allen Wohlstandstendenzen wacker hält, ohne<br />

krampfhaft aufrechterhalten werden zu müssen.<br />

O: Was sind eure Geheimtipps für einen Besuch in der Zentralschweiz?<br />

R: Immer lohnenswert ist eine Wanderung vom Eigenthal auf den Pilatus,<br />

der Bergwald, Steinböcke und eine wilde Gebirgslandschaft mit schönen<br />

Alpwirtschaften zum Einkehren bietet. Da 99 Prozent der Touristen mit der<br />

Seil- und Zahnradbahn auf den Berg befördert werden, nehmen praktisch nur<br />

Einheimische den Weg unter die Füße. Noch etwas geheimer sind die Bergtäler<br />

und -gipfel im Urnerland, die sehr wild und einsam sind. Es gibt mittlerweile<br />

einen Wanderführer namens Alpenkranz Uri für das Gebiet, welcher in 39 (auch<br />

einzeln begehbaren) Etappen durch die schönsten Gegenden der Region führt.<br />

Wer es gemütlicher mag, sollte die Spreuerbrücke mit den eindrücklichen<br />

Totentanztafeln in der Altstadt von Luzern besuchen und anschließend mit<br />

einem Dampfschiff über den Vierwaldstättersee schippern und dann von der<br />

Station Treib mit der Standseilbahn auf den Seelisberg fahren.<br />

O: Ganz ehrlich: Was sollte ein deutscher Tourist in der Schweiz bitte<br />

unterlassen?<br />

R: Auf der Autobahn so schnell fahren, wie man lustig ist, ist eine schlechte und<br />

sehr teure Idee. Ansonsten ist die Schweiz ein simples Terrain: Es gibt kaum<br />

Liegestühle, die man reservieren müsste, und so, wie der Sommer derzeit<br />

daherkommt, stoßen sogar die weißen Socken in den Sandalen auf Verständnis.<br />

Überhaupt wird man üblicherweise sowieso danach fragen, wo in der Schweiz<br />

du arbeitest. Der Export von Steuerdaten-CDs gilt als unhöflich. Peer Steinbrück<br />

sein, ist auch nicht so gut.<br />

O: Und wofür mag man die Deutschen?<br />

R: „Die Deutschen“ gibt es aus helvetisch-föderalistischer Perspektive gar<br />

nicht. Da gibt’s nur Bayern, Franken, Schwaben, Rheingauer und viele andere.<br />

Jedenfalls ist ganz generell das Bier hervorragend, und es gibt einiges an Essen,<br />

wofür sich der Grenzübertritt lohnt. Deutscher Metal kann auch was. Als Gäste<br />

dürfte man die Deutschen in der Schweiz vor allem dafür schätzen, dass sie<br />

sich mit Interesse und Wagemut in die Sache stürzen und nicht einfach in einer<br />

Gruppe durch die Ortschaften watscheln. Wenn man einen Touristen auf der<br />

abgelegensten Berghütte findet, die sonst keiner kennt, dann ist es meistens<br />

ein Deutscher.<br />

O: Wo sind die meisten Fräkmündt-Hörer zu finden? In der Schweiz oder...?<br />

R: Was uns besonders freut, ist, dass unsere Hörer eben nicht nur aus<br />

der Schweiz kommen, sondern sich aus einem bunten Nationalitätenmix<br />

zusammensetzen, der gar Länder wie den Iran, Chile oder Australien umfasst.<br />

O: Welches begleitende Essen und Trinken empfehlt ihr dem neuen Fräkmündt-<br />

Hörer zu Landlieder & Frömdländler?<br />

R: In dieser Reihenfolge und da capo al fine: Migi Moscht (Apfelwein aus<br />

Nidwalden), Stiär Biär (Urner Kleinbrauerei), Kaffee Schnaps (heller Kaffee<br />

wahlweise mit Zwetschgen-, Pflaumen-, Kräuter- oder Tresterbrand – es<br />

empfehlen sich Zentralschweizer Hofbrände, sofern diese in Deutschland nicht<br />

unter das Sprengstoffgesetz fallen). Essen: Älplermagronen, Stunggis (Eintopf<br />

mit Fleisch und Gemüse), Häfelichabis (Weißkohleintopf), Metzgete (eine<br />

Schlachtplatte, bei der man so ziemlich alles an und in einer Sau isst), Speckrösti<br />

mit Alpkäse und Spiegeleiern und als leichtes Dessert Vermicelles (Würmchen<br />

aus Kastanienpaste).<br />

O: Was ist der perfekte Zeitpunkt, Landlieder & Frömdländler erstmalig zu hören?<br />

R: In einer gemütlichen Runde in einer Schweizer Alphütte mit einem<br />

zünftigen Kaffee Schnaps vor der Nase, wenn draußen gerade das Abendrot<br />

über den Gletschern glüht. Oder allein auf einem gerade bestiegenen Gipfel,<br />

während man über die Bergwelt schaut. Wahrscheinlich geht es aber auch<br />

unspektakulärer ganz gut. In der Badewanne oder beim Autofahren. Die<br />

Bergwelt kommt dann sowieso von allein durch die Ohren geschlichen.<br />

www.facebook.com/fraekmuendt<br />

Claus Müller<br />

Line-Up:<br />

Res – Gesang, Thematik, Maultrommel<br />

Anneli – Drehleier, Flöte, Bass, Gesang, Komposition<br />

Käthi – Akkordeon, Balalaika, Ukulele, Mundharmonika, Komposition<br />

Guschti – Gitarre, Banjo, Flöte, Komposition<br />

Ursula – Kuhglocke<br />

Hagu Hans – Schlagzeug<br />

<strong>Orkus</strong>! - 25

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