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„Alles hatte seinen Sinn verloren.“<br />
Nach drei Jahren Funkstille melden sich die schwedischen Progressive Metaller von Evergrey mit Hymns For The Broken zurück. Ein gut<br />
aufgelegter Frontmann Tom S. Englund berichtet über seinen tiefen persönlichen Fall und Licht am Ende des Tunnels.<br />
<strong>Orkus</strong>: Hymns For The Broken ist ein einprägsamer und passender Titel für<br />
euer neues Album. Was genau steckt hinter dieser Formulierung?<br />
Tom Englund: Als ich das Stück schrieb, habe ich an einen Teil unserer Fans<br />
gedacht. Es ist wirklich bloß ein Teil, aber diesen Leuten sind vor allem unsere<br />
Texte sehr wichtig. Ich kriege eine Menge Post dazu, manche saugen die<br />
Worte regelrecht auf. Ich wollte mit dem Titel ein Band zwischen ihnen und<br />
Evergrey spannen. Wir sind eins, denn wir empfinden gleich. Wobei ich uns<br />
nicht als „gebrochen“ bezeichnen würde, das sind eher die anderen. (lacht)<br />
Wir sind einfach anders. Aber Hymns For The Different klingt einfach nicht gut.<br />
O: Trotzdem scheint in deinen Texten wieder viel Melancholie, bisweilen<br />
sogar Pessimismus vorzuherrschen. Anhand der Liedtitel ist zu vermuten,<br />
dass du ein Konzept entwickelt hast. Stimmt das?<br />
TE: Ja, es gibt einen roten Faden. Hier muss ich allerdings ein wenig ausholen.<br />
Auf der Releaseparty zum letzten Album Glorious Collision erlitt ich einen<br />
schweren Anfall von Depressionen. Ich hatte bereits in den Jahren zuvor<br />
damit zu kämpfen gehabt, aber das war der Tiefpunkt. Ich wusste plötzlich<br />
nicht mehr, ob ich wirklich ein Familienvater sein wollte, ob ich weiter Musik<br />
machen möchte. Alles hatte seinen Sinn verloren. Seitdem kämpfe ich<br />
mich zurück. Ich stecke noch im Tunnel, aber ich sehe endlich wieder Licht.<br />
Aufgrund dieser Erfahrungen entstanden die Texte zu Hymns For The Broken.<br />
Ich habe absichtlich eine sehr brutale Sprache gewählt. Man kann die Worte<br />
auch auf aktuelle Kriege wie den in Israel oder den in der Ukraine beziehen.<br />
Für mich schildern sie jedoch den Kampf eines Menschen heraus aus der<br />
Sinnkrise.<br />
O: Passend dazu, mutet das Cover wie das Plakat einer kommunistischen<br />
Partei von vor 70 Jahren an.<br />
TE: Ich liebe einfach diese Bildsprache. Sie wirkt so kraftvoll. Wir haben<br />
lange diskutiert, ob wir das echt so machen sollen. Und ich warte schon<br />
darauf, wann uns die erste Frage nach Russland und Putin gestellt wird.<br />
Wahrscheinlich wirkt es sich zudem nicht positiv auf unsere Verkäufe aus,<br />
besonders in den USA. (lacht) Natürlich haben Evergrey keine politische<br />
Agenda, wir propagieren nichts. Das Bild drückt einfach nur Stärke aus,<br />
sowohl was den Kampf jedes Einzelnen betrifft, als auch die Verbundenheit<br />
mit Menschen, die so denken und fühlen wie man selbst.<br />
O: Eine kleine Überraschung ist das Stück Archaic Rage, dessen Titel nach<br />
einer harten, schnellen Nummer klingt. Tatsächlich handelt es sich um eine<br />
Halbballade.<br />
TE: Archaic Rage ist vielleicht mein Lieblingssong auf diesem Album. Es geht<br />
um die unglaubliche Wut, die ich während meiner Krankheit verspürt habe.<br />
42 - <strong>Orkus</strong>!