4 Individuelle Unterschiede des Verstehens - Universität Bamberg
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4 <strong>Individuelle</strong> <strong>Unterschiede</strong> <strong>des</strong> <strong>Verstehens</strong> – 180<br />
weiteren individuellen Ausgestaltung, einer Amplifikation um Dependenzen (der Erklärung,<br />
warum man Phantasie braucht: „Vielleicht nicht lebensnotwendig aber es macht Spaß...“).<br />
4.1.2.1.9 Zusammenfassung: Janas Springbrunnen<br />
In diesem Abschnitt konnte zum einen gezeigt werden, dass es möglich ist, anhand <strong>des</strong><br />
Modells einen speziellen Fall zu erklären und die der Interpretation zugrundeliegenden<br />
kognitiven Prozesse zu identifizieren.<br />
Die Einzelfallanalyse lässt darüber hinaus weitere Rückschlüsse zu: Die drei Strategien <strong>des</strong><br />
Schema-Aufbaus, die grammatikalische Korrektur, die Anpassung der Objekte an ihre<br />
grammatikalische Stelle und der Austausch von Wörtern aufgrund von Phonem- bzw.<br />
Graphemähnlichkeit, werden nur dann eingesetzt, wenn der Text entsprechende Merkmale<br />
aufweist und wenn der Auflösungsgrad der Bearbeitung fein genug ist, um diese Merkmale zu<br />
berücksichtigen. Jana wendet jede der drei Strategien genau einmal an: die grammatikalische<br />
Korrektur bei der Interpretation von „die blumen haben namen um“, die Anpassung der<br />
Objektschemata an die Anforderungen der grammatikalischen Rolle beim Satz „wolken tanken<br />
blaues benzin“ und den Austausch aufgrund Phonem- bzw. Graphemähnlichkeit bei der<br />
Zuordnung <strong>des</strong> unbekannten sensorischen Wortschemas „straßenbahnkontrollore“.<br />
Beim Einsatz von Strategien <strong>des</strong> Schema-Umbaus zeigen sich dagegen individuelle<br />
Präferenzen. Jana bevorzugt Prozesse <strong>des</strong> Austauschs und der Synthese von Schemata<br />
gegenüber der vergleichsweise groben Strategie der Neukonstruktion der Grammatik. Im<br />
Verlauf der Rezeption zeigt sich das folgende Muster: Der zunächst sehr feine Auflösungsgrad<br />
der Betrachtung führt dazu, dass Jana Schemata aufbaut, ggf. durch Prozesse <strong>des</strong> Austauschs<br />
und der Synthese modifiziert und anschließend individuell ausgestaltet (vgl. Abschnitte<br />
4.1.2.1.1 bis 4.1.2.1.3). Bei der Modifikation von Schemata werden teilweise mehrere<br />
Alternativen entwickelt (vgl. Abschnitt 4.1.2.1.4). Allerdings entdeckt Jana, bedingt durch die<br />
Feinheit der Betrachtung, zu viele Diskrepanzen, sodass die Synthese von Subschemata<br />
mehrmals nicht gelingt (vgl. Abschnitte 4.1.2.1.4 und 4.1.2.1.5). Dieser „Misserfolg“ wird von<br />
Jana in einer Phase der Selbstreflexion analysiert und im Anschluss daran ändert sie ihr weiteres<br />
Vorgehen: die Bearbeitung wird gröber, was sich darin äußert, dass die strenge Prüfung auf<br />
Kompatibilität mit dem Weltwissen gelockert wird und ganze Textpassagen übersprungen<br />
werden. Am Ende der Interpretation findet Jana zu ihrer ursprünglichen Detailliertheit zurück<br />
(vgl. Abschnitte 4.1.2.1.7 und 4.1.2.1.8).<br />
4.1.2.2 Janas „Schluß-Stück“<br />
Die Überschrift „Schluß-Stück“ setzt sich aus zwei bekannten Wörtern zusammen. Mit<br />
einem Bin<strong>des</strong>trich verbunden bilden die beiden Wörter jedoch ein ungewöhnliches<br />
Kompositum.<br />
„Ich überlege gerade was das Gedicht an sich aussagen könnte. Vielleicht ist es das<br />
letzte Gedicht eines Dichters oder einer Dichterin. Vielleicht ist es einfach auch die<br />
Veränderung „Schlussstrich“ oder „Schluss - aus“, dass statt der zweiten Wörter<br />
nur ein „Stück“ eingesetzt worden ist. Weil ein Gedicht bzw. ein Text ist ja auch<br />
ein Stück.“<br />
Versuchspersonen-Beispiel 48: Verstehen <strong>des</strong> Kompositums „Schluß-Stück“<br />
durch Austausch und Synthese von Schemata (Versuchsperson Jana).