4 Individuelle Unterschiede des Verstehens - Universität Bamberg
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4 <strong>Individuelle</strong> <strong>Unterschiede</strong> <strong>des</strong> <strong>Verstehens</strong> – 201<br />
Subsumption: Eine „Subsumption“ wird immer dann kategorisiert, wenn Textpassagen durch<br />
einen Oberbegriff zusammengefasst werden. Dieser Prozess erfordert die Abstraktion<br />
von Details und die Suche nach einem übergeordneten Schema.<br />
Elaboration: Bei Prozessen der individuellen Ausgestaltung wird die Elaboration von der<br />
Amplifikation unterschieden. Eine Elaboration entspricht der Ausgestaltung um<br />
zusätzliche Details.<br />
Amplifikation: Bei der Amplifikation werden dagegen ganze Szenen, d. h. neue Elemente und<br />
Relationen, hinzugenommen.<br />
In den Einzelfallanalysen wurde bereits illustriert, wie anhand der Verbaldaten auf die<br />
zugrundeliegenden Prozesse geschlossen wurde. So wurden die jeweils fünf<br />
Gedichtinterpretationen der zehn Versuchspersonen kategorisiert.<br />
Eine <strong>des</strong>kriptive Auswertung soll zeigen, welche Prozesse in welchen Gedichten<br />
dominieren. Es soll untersucht werden, ob sich das Überwiegen bestimmter Prozesse in den<br />
Rezeptionen einzelner Gedichte durch Strukturmerkmale der Gedichte erklären lässt.<br />
Schließlich werden unterschiedliche Stile im Umgang mit Textunbestimmtheit ermittelt, die<br />
unabhängig von Merkmalen <strong>des</strong> Gedichtes, individuelle Präferenzen bestimmter Prozesse der<br />
Unbestimmtheitsreduktion illustrieren.<br />
4.2.1.2 Ergebnisse<br />
4.2.1.2.1 Welche Strategien der Unbestimmtheitsreduktion dominieren durch die<br />
spezifischen Anforderungen der Gedichte?<br />
Je<strong>des</strong> Gedicht weist bestimmte Eigenschaften auf. Die Sprache Schwitters ist abstrakt und<br />
experimentell, der „Zipferlake“ enthält viele Neologismen, im „springbrunnen“ werden<br />
ungewöhnliche Zusammenhänge hergestellt, die Gedichte Hölderlins und Rilkes sind<br />
vergleichsweise realistisch. Diese Eigenschaften müssten Auswirkungen auf die Art und Weise<br />
haben, wie diese Gedichte verarbeitet werden. Um das Gedicht „Der Zipferlake“ zu verstehen,<br />
ist es beispielsweise notwendig, bereits in der Phase <strong>des</strong> Schema-Aufbaus, den Neologismen<br />
eine Bedeutung zuzuweisen. Eine vergleichsweise hohe Anzahl an Prozessen der Kategorie<br />
„Aufbau“ wäre zu erwarten.<br />
Ein gedichtspezifisches Auszählen der Prozesse führt zu dem folgenden Ergebnis (vgl.<br />
Abbildung 53): Die beiden Gedichte „springbrunnen“ und „Frühe Rundet Regen Blau“ werden<br />
ähnlich verarbeitet. Die Kategorie Subsumption dominiert. Bei der Rezeption der beiden<br />
Gedichte versuchen die Versuchspersonen häufig, durch Oberbegriffe die abstrakten<br />
Textpassagen zusammenzufassen. Gelingt dies, so folgen Prozesse der Elaboration und der<br />
Amplifikation. Ausgehend von einem Oberbegriff wird das Thema <strong>des</strong> Textes durch<br />
individuelle Assoziationen angereichert. Die Dominanz der Subsumption zeigt, dass die beiden<br />
Gedichte auf einem relativ groben Auflösungsniveau verarbeitet werden. Die Versuchspersonen<br />
entfernen sich schnell vom genauen Wortlaut der Texte. Es genügt, ein passen<strong>des</strong> Thema zu<br />
finden und anschließend eigene Ideen zu diesem Thema zu entwickeln.<br />
Anders bei den Gedichten „Schluß-Stück“ und „Wie Vögel langsam ziehn...“. In den<br />
Verbaldaten sind hier vorwiegend Austauschprozesse und Amplifikationen nachzuweisen. Die<br />
hohe Anzahl der Austauschprozesse ist ein Indiz dafür, dass ein höherer Auflösungsgrad der