4 Individuelle Unterschiede des Verstehens - Universität Bamberg
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<strong>Individuelle</strong> <strong>Unterschiede</strong> <strong>des</strong> <strong>Verstehens</strong> - 213<br />
Stile zugeordnet werden konnte, wurde von den Teilnehmern in die engere Wahl gezogen. Die<br />
„Laien“ setzten die Versuchsperson 10 vier mal auf Rang eins. Hier zeigt sich deutlich, dass die<br />
„Experten“ von der theoretischen Einführung profitieren. Die Versuchsperson 10 lässt sich<br />
anhand der Textlänge nicht von Jana unterscheiden, wohl aber anhand der Prozesse der<br />
Informationsverarbeitung. Während Janas Interpretationen am Anfang einen sehr hohen Anteil<br />
an Umbauprozessen aufweisen, dominieren in den Interpretationen der Versuchsperson 10 von<br />
Anfang an Amplifikationen. Dieser Unterschied wird von den „Laien“ nicht erkannt. Die<br />
„Experten“ erkennen auch die Ähnlichkeit bezüglich der Textlänge, sind jedoch dazu in der<br />
Lage die beiden Versuchspersonen explizit voneinander abzugrenzen. Dies wird deutlich, wenn<br />
man die Begründungen der Entscheidungen im Einzelnen betrachtet:<br />
Die Teilnehmer unterscheiden sich stark bezüglich der Anzahl unterschiedlicher Kriterien.<br />
Die „Expertin“ leitet aus Janas Interpretation <strong>des</strong> „springbrunnens“ Charakteristika ab und<br />
versucht diese in den anderen Texten wiederzufinden. Drei aus dem Modell abgeleitete<br />
Kriterien werden herangezogen, um Jana zu identifizieren: Das wichtige Kriterium für<br />
die „Expertin“ ist der Auflösungsgrad. Janas Stil zeichnet sich dadurch aus, dass die<br />
Verarbeitung auf hohem Auflösungsgrad abläuft, jedoch auch Wechsel zu verzeichnen<br />
sind und die Interpretation Janas nach dem Muster „grob – fein – grob“ aufgebaut ist.<br />
Dieses Muster erkennt die „Expertin“ in den Interpretationen der Gedichte von Rilke,<br />
Carroll und Hölderlin wieder. Weitere Indizien sind der hohe Anteil an<br />
Umbauprozessen sowie die explizite Nennung von Diskrepanzen zum Weltwissen.<br />
Neben Kriterien aus den Modell nennt die „Expertin“ noch weitere Merkmale, anhand<br />
derer sie die Interpretationen Janas erkennt: beispielsweise benutzt Jana häufiger das<br />
Wort „interessant“, verwendet viele Adjektive und begründet ihre Interpretationen<br />
anhand von Textbeispielen.<br />
Ihre Entscheidungen trifft die „Expertin“ zügig und selbstsicher. Zweifel kommen<br />
lediglich bei den Interpretationen von Lewis Carrolls „Zipferlake“ auf. Hier schwankt<br />
die „Expertin“ zwischen zwei Interpretationen. In die nähere Auswahl fällt die<br />
Interpretation der Versuchsperson 10. Als die „Expertin“ versucht, für beide<br />
Interpretationen die Merkmale zusammenzutragen, trifft sie schnell die richtige<br />
Entscheidung. Die Interpretation der Versuchsperson 10 ist zwar ebenfalls ausführlich,<br />
jedoch zu grob. Sie enthält wenig Umbauprozesse und keine Beispiele.<br />
Auch der „Experte“ leitet anhand der „springbrunnen“-Interpretation Charakteristika ab und<br />
versucht, diese in den darauf folgenden Interpretationen wiederzuentdecken. Er nennt<br />
Janas Stil „analytisch“. Textteile werden untersucht und Umbauprozesse begründet.<br />
Janas Interpretationen zeichnen sich zudem dadurch aus, dass zunächst Umbau- und<br />
Syntheseprozesse stattfinden und sich Jana erst dann vom Text entfernt und ihre<br />
Interpretation durch weitere Assoziationen anreichert. Auch er nutzt bei der Auswahl<br />
das Kriterium <strong>des</strong> Auflösungsgrads und bemerkt ebenfalls, dass Jana den<br />
Auflösungsgrad steuern kann, dass also der Auflösungsgrad im Laufe der Verarbeitung<br />
wechselt.<br />
Der „Experte“ liest die Interpretationen durch und nennt anschließend Anhaltspunkte,<br />
warum es sich um Jana handeln könnte bzw. klare Ausschlusskriterien. Bei den<br />
Interpretationen von Kurt Schwitters „Frühe Rundet Regen Blau“ grenzt der „Experte“