4 Individuelle Unterschiede des Verstehens - Universität Bamberg
4 Individuelle Unterschiede des Verstehens - Universität Bamberg
4 Individuelle Unterschiede des Verstehens - Universität Bamberg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4 <strong>Individuelle</strong> <strong>Unterschiede</strong> <strong>des</strong> <strong>Verstehens</strong> – 167<br />
illustrieren, dass sich auch Jans Rezeption mit Hilfe <strong>des</strong> Modells erklären lässt. Anhand der<br />
Ergebnisse der beiden Analysen wird auch für Jan eine Personencharakterisierung erstellt. Die<br />
beiden Versuchspersonen werden schließlich einander gegenübergestellt. Der genaue Vergleich<br />
und der Versuch einer Systematisierung der individuellen Differenzen dienen der<br />
Hypothesengenerierung.<br />
4.1.2 Versuchsperson Jana<br />
Die Versuchsperson Jana ist weiblich und zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Versuchs 19 Jahre alt. Sie ist<br />
wohnhaft in <strong>Bamberg</strong> und studiert dort im ersten Semester Psychologie. Die Verbaldaten der<br />
Versuchsperson Jana beim Verstehen von Jandls „springbrunnen“ und Rilkes „Schluß-Stück“<br />
werden nun anhand <strong>des</strong> Modells analysiert. Es wird geprüft, ob sich Janas Gedichtrezeption mit<br />
Hilfe <strong>des</strong> Modells ausreichend erklären lässt.<br />
4.1.2.1 Janas „springbrunnen“<br />
4.1.2.1.1 Springbrunnen<br />
Beim Lesen der Überschrift baut Jana eine bildhafte Vorstellung auf:<br />
„Wenn ich die Überschrift anschaue denke ich an einen Brunnen, aus dem ganz<br />
viel Wasser sprudelt, vielleicht aus den Mündern irgendwelcher Steinfiguren.“<br />
Versuchspersonen-Beispiel 38: Überschrift „springbrunnen“ (Versuchsperson<br />
Jana).<br />
Um die Überschrift „springbrunnen“ zu verstehen, ist es notwendig, das sensorische<br />
Wortschema zu identifizieren und über die semantische Grundrelation ein Schema zu aktivieren,<br />
welches mit dem Wortschema verknüpft ist. „springbrunnen“ ist klein geschrieben. Der<br />
Hypercept-Prozess der Wahrnehmung erlaubt Konstanzleistungen, welche es ermöglichen, dass<br />
kleinere Abweichungen von der korrekten Schreibweise toleriert werden. Zum Substantiv<br />
„Springbrunnen“ lässt sich mühelos ein Objektschema finden. Die Charakteristika <strong>des</strong><br />
Objektschemas werden von vielen Versuchspersonen nicht explizit genannt. Das Schema wird<br />
lediglich aktiviert und es kann eine Vorstellung erzeugt werden. Jana vergegenwärtigt sich eine<br />
Reihe von Eigenschaften „ihres“ Prototyps eines Springbrunnens, baut eine Vorstellung auf und<br />
beschreibt einige Aspekte im Detail. Das Objektschema „Springbrunnen“ enthält die Elemente<br />
Steinfiguren und Wasser. Die Steinfiguren haben wiederum Münder und die Elemente lassen<br />
sich zu einem Geschehnisschema zusammenbauen, in dem aus den Mündern der Figuren das<br />
Wasser fließt (vgl. Abbildung 37).