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REPORTAGE SPIELER-FREUNDSCHAFTEN<br />
zumindest in der westlichen Welt an seiner<br />
Entfaltung gehindert. Im Spiel ist dank Anonymität<br />
eine „Nach mir die Sintflut“-Mentalität<br />
an der Tagesordnung, die <strong>of</strong>t keine Rücksicht<br />
zulässt. Das „Ich-zuerst-Prinzip“ gipfelt<br />
in wüsten Beschimpfungen, Egozentrik, dem<br />
Verlust von Empathie, einer Loslösung von<br />
gesellschaftlich allgemeingül tigen Regeln<br />
und letztendlich auch dem völligen Abgehen<br />
des Spielspaßes. Wie Arbeit am Fließband,<br />
die macht schließlich auch niemand gerne.<br />
Wenn dann auch noch der Arbeitskollege dafür<br />
sorgt, dass das Band klemmt und deswegen<br />
Überstunden anstehen, ist man eben<br />
gereizt. Ob der Kollege nun tatsächlich was<br />
dafür kann oder nicht.<br />
In der Sozialwissenschaft und Psychologie<br />
lassen sich Theorien über das menschliche<br />
Verhalten nicht beweisen, Indizien<br />
deuten lediglich auf bestimmte Muster hin.<br />
Online-Spiele sind zum perfekten Versuchslabor<br />
für Forschungen geworden, an keinem<br />
anderen Ort sind so viele Menschen verschiedener<br />
Schichten und Kulturen vereint.<br />
Die entscheidende Frage der Forscher ist,<br />
ob die Online-Verhaltensmuster auch Rückschlüsse<br />
auf das Verhalten in der Realität<br />
zulassen. In der nordamerikanischen Fachzeitung<br />
Nature warnt der Forscher Dmitri<br />
Williams vor einer Fehlanalyse, denn das<br />
Verhalten der Spieler in einem virtuellen<br />
Raum wie etwa WoW hat in der Regel keine<br />
realen Konsequenzen – dieser Fakt verzerre<br />
die Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
enorm. Wohin die Reise geht,<br />
wissen wir wohl erst nach den nächsten<br />
zehn WoW-Erweiterungen. Eine Verrohung<br />
„<br />
ALLE ERFOLGE<br />
UND ALLES ER-<br />
REICHTE SIND<br />
VERGÄNGLICH.<br />
WIE DAS ECHTE<br />
LEBEN. UND<br />
DAS IST LEIDER<br />
VIEL ZU KURZ. “<br />
Maria lässt sich nicht mehr stressen<br />
MARIAS SPIELERKARRIERE<br />
Wahrscheinlich bin ich das, was man als<br />
Gilden-Hopper bezeichnet. Richtig glücklich<br />
war ich nirgendwo lange. Meine engsten Online-Freunde<br />
habe ich aber immer mitgenommen.<br />
Die Gemeinschaft, die am längsten Bestand<br />
hatte, ist meine erste Gilde in Guild<br />
Wars 1 mit dem bescheuerten Namen Supreme<br />
Evil Gangsters[SEG]. Gegründet wurde<br />
sie von sehr engen Real-Life-Freunden von mir,<br />
die ich seit mehr als 15 Jahren kenne und immer<br />
noch regelmäßig treffe. Natürlich auch<br />
mit meinen beiden Dreamteam-Kollegen Ashira<br />
und Shady, mit denen ich nach einiger Zeit<br />
von den Gangsters auszog, um die PvP-Welt zu<br />
erobern. Die Gilde besteht zwar formal heute<br />
noch, auch wenn die Anzeige inzwischen sehr<br />
wahrscheinlich sagt: XY…war seit 3 Jahren und<br />
245 Tagen nicht mehr online.<br />
der Zwischenmenschlichkeit durch MMOs<br />
ist derzeit nicht zu befürchten. Zumindest<br />
nicht im echten Leben. In einer virtuellen<br />
Realität sollten es alle halten wie wir in unserer<br />
lockeren Plauderrunde im Biergarten<br />
oder wie der Großteil unserer Leser. Versuchen,<br />
den Menschen hinter dem Avatar zu<br />
sehen, und Spiele als das nehmen, was sie<br />
eigentlich sein sollten: entspannte Unterhaltung<br />
für den Feierabend, in der alle Erfolge<br />
und alles Erreichte vergänglich sind.<br />
Wie das echte Leben. Und das ist leider viel<br />
zu kurz. Viel Spaß!<br />
MB<br />
Immerhin sind wir uns am Ende einig:<br />
Tolle Menschen und Freunde gibt’s<br />
überall. Ob nun in MMOs oder in der<br />
realen Welt.<br />
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