07.07.2012 Aufrufe

Mut zu neuen Perspektiven

Mut zu neuen Perspektiven

Mut zu neuen Perspektiven

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

42<br />

Einen übergewichtigen Patienten fährt sie mit Bett <strong>zu</strong>r Kniespiegelung, die Dr. Hubert<br />

Waldheim macht, ein niedergelassener Chirurg aus Heiligenhafen, der seit neun Jahren<br />

auch auf Fehmarn operiert. Der medikamentös beruhigte Patient auf dem OP-Tisch bleibt<br />

wach und hört über Kopfhörer Musik. Auf einem Monitor kann er das Innere seines Knies<br />

sehen: Oberschenkelknochen, Unterschenkelknochen, Meniskus. Denn mikroinvasiv hat<br />

ihm Waldheim eine Videokamera ins Knie geschoben. Knorpelschäden und Ablagerungen<br />

fräst er mit einem motorisierten Knorpelglätter weg, der an einen Rasenmäher erinnert.<br />

Mit dem Anästhesisten und ärztlichen Direktor der Klinik, Dr. Uwe Schewe, diskutiert<br />

Waldheim nach der OP, inwieweit die Menschen für ihre Gesundheit vorbeugen sollten. Ist<br />

es richtig, dass Patienten hier<strong>zu</strong>lande, nachdem sie ihren Zustand jahrelang durch falsches<br />

Verhalten verschlechtert haben, als ultima ratio operiert werden? Welche Pflichten haben<br />

sie <strong>zu</strong>vor sich selbst gegenüber <strong>zu</strong> erfüllen? Oder anders: Wer die Autonomie der Patienten<br />

stärken will, ignoriert ihren Unwillen, sich in ihren ungesunden Lebenswandel reinreden<br />

<strong>zu</strong> lassen. „Was steht wem <strong>zu</strong>?“ fragt Schewe, „was gehört <strong>zu</strong>r Grundversorgung,<br />

die von der Allgemeinheit finanziert wird? Diese Diskussion müssten Ethiker und Gesundheitsexperten<br />

endlich mal führen.“<br />

Da hat sein Chefarzt-Kollege Maghsudi in Eutin eine klare Meinung. Selbst einer 105-Jährigen<br />

hat er nach einem Schenkelhalsbruch noch ein neues Hüftgelenk eingesetzt, damit<br />

sie wieder einige Schritte gehen konnte. Auch wenn die Frau danach nur noch ein knappes<br />

Jahr (schmerzfrei) gelebt hat. „Ja, das leisten wir uns. Und das ist gut so! Ich halte<br />

das für wichtig! In Amerika habe ich dagegen reine Kosten-Nutzen-Rechnungen erlebt.“<br />

Seine Wirbelsäulen-Operation ist jetzt beendet, mit Fäden, die sich selbst auflösen,<br />

vernäht er die Wunde. Die Anästhesistin ist zwar <strong>zu</strong>frieden: Blutdruck, Schlagvolumen<br />

und -frequenz des Herzens, Temperatur des Patienten, seine Beatmungsfrequenz, die<br />

Kohlendioxid-Ausatmung und die Blutsauerstoffwerte sind durchgehend gut gewesen.<br />

Aber trotz der perfekten Arbeit ist das gesamte OP-Team auffallend ruhig, im Vollbesitz<br />

seiner Zweifel, ob die Mühe <strong>zu</strong> einem guten Ende führt und Begemann wieder laufen<br />

wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!