Mut zu neuen Perspektiven
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Einen übergewichtigen Patienten fährt sie mit Bett <strong>zu</strong>r Kniespiegelung, die Dr. Hubert<br />
Waldheim macht, ein niedergelassener Chirurg aus Heiligenhafen, der seit neun Jahren<br />
auch auf Fehmarn operiert. Der medikamentös beruhigte Patient auf dem OP-Tisch bleibt<br />
wach und hört über Kopfhörer Musik. Auf einem Monitor kann er das Innere seines Knies<br />
sehen: Oberschenkelknochen, Unterschenkelknochen, Meniskus. Denn mikroinvasiv hat<br />
ihm Waldheim eine Videokamera ins Knie geschoben. Knorpelschäden und Ablagerungen<br />
fräst er mit einem motorisierten Knorpelglätter weg, der an einen Rasenmäher erinnert.<br />
Mit dem Anästhesisten und ärztlichen Direktor der Klinik, Dr. Uwe Schewe, diskutiert<br />
Waldheim nach der OP, inwieweit die Menschen für ihre Gesundheit vorbeugen sollten. Ist<br />
es richtig, dass Patienten hier<strong>zu</strong>lande, nachdem sie ihren Zustand jahrelang durch falsches<br />
Verhalten verschlechtert haben, als ultima ratio operiert werden? Welche Pflichten haben<br />
sie <strong>zu</strong>vor sich selbst gegenüber <strong>zu</strong> erfüllen? Oder anders: Wer die Autonomie der Patienten<br />
stärken will, ignoriert ihren Unwillen, sich in ihren ungesunden Lebenswandel reinreden<br />
<strong>zu</strong> lassen. „Was steht wem <strong>zu</strong>?“ fragt Schewe, „was gehört <strong>zu</strong>r Grundversorgung,<br />
die von der Allgemeinheit finanziert wird? Diese Diskussion müssten Ethiker und Gesundheitsexperten<br />
endlich mal führen.“<br />
Da hat sein Chefarzt-Kollege Maghsudi in Eutin eine klare Meinung. Selbst einer 105-Jährigen<br />
hat er nach einem Schenkelhalsbruch noch ein neues Hüftgelenk eingesetzt, damit<br />
sie wieder einige Schritte gehen konnte. Auch wenn die Frau danach nur noch ein knappes<br />
Jahr (schmerzfrei) gelebt hat. „Ja, das leisten wir uns. Und das ist gut so! Ich halte<br />
das für wichtig! In Amerika habe ich dagegen reine Kosten-Nutzen-Rechnungen erlebt.“<br />
Seine Wirbelsäulen-Operation ist jetzt beendet, mit Fäden, die sich selbst auflösen,<br />
vernäht er die Wunde. Die Anästhesistin ist zwar <strong>zu</strong>frieden: Blutdruck, Schlagvolumen<br />
und -frequenz des Herzens, Temperatur des Patienten, seine Beatmungsfrequenz, die<br />
Kohlendioxid-Ausatmung und die Blutsauerstoffwerte sind durchgehend gut gewesen.<br />
Aber trotz der perfekten Arbeit ist das gesamte OP-Team auffallend ruhig, im Vollbesitz<br />
seiner Zweifel, ob die Mühe <strong>zu</strong> einem guten Ende führt und Begemann wieder laufen<br />
wird.