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<strong>Technische</strong> Universität München<br />
Fakultät für <strong>Informatik</strong><br />
Lehrstuhl für <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> <strong>Informatik</strong><br />
Schriftliche Hausarbeit gemäß §30 LPO I<br />
im Studiengang Lehramt an Gymnasien<br />
für die Fächer <strong>Informatik</strong> und Mathematik<br />
Möglichkeiten und Grenzen<br />
einer reflexiven Koedukation<br />
im <strong>Informatik</strong>unterricht des Gymnasiums<br />
in Bayern<br />
eingereicht von: Daniela Drexler<br />
Ruffinistr. 7<br />
80637 München<br />
eingereicht am: 10.07.2007<br />
Betreuer: Prof. Dr. Peter Hubwieser
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung 4<br />
2 Historischer Überblick 6<br />
2.1 Beginn <strong>der</strong> höheren Mädchenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
2.2 Einführung <strong>der</strong> Koedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
2.3 Koedukationsdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
3 Geschlechtsspezische Unterschiede und Stereotype in <strong>der</strong> Schule 11<br />
3.1 Koedukationsdebatte heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
3.2 Leistung und Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
3.3 Selbstkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
3.4 Kommunikation und Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
3.5 Zugang und Arbeitsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
4 Das Konzept <strong>der</strong> Reexiven Koedukation 17<br />
4.1 Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
4.2 Umsetzung in <strong>der</strong> Schulpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
4.3 „Partielle Seedukation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
5 Ziele einer För<strong>der</strong>ung für Mädchen und Jungen 23<br />
5.1 Unterricht für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
5.2 Gratwan<strong>der</strong>ung zwischen „Wollen“ und „Sollen“ . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
5.2.1 Mädchenför<strong>der</strong>ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
5.2.2 Jungenför<strong>der</strong>ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
6 Umsetzung einer reexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht 26<br />
6.1 Grundkonzept des <strong>Informatik</strong>unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
6.2 Realität des <strong>Informatik</strong>unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
6.3 „Reflexive Koedukation“ im <strong>Informatik</strong>unterricht . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
6.3.1 Zielplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
6.3.2 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
6.3.3 Struktur des Stundenverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
6.3.4 Vorüberlegungen zur Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen 37<br />
7.1 Die erste Stunde - Informationen und ihre Darstellung . . . . . . . . . . . 39<br />
7.2 Pixel- und Vektorgraphiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
7.3 Multimediapräsentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
7.4 Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
7.5 Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
7.6 Ideen und Anregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
7.6.1 Textverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
7.6.2 Objektorientierte Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
7.6.3 E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
7.6.4 Projekt „Gefahren im Internet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
8 Fazit und Ausblick 64<br />
Glossar 66<br />
Literaturverzeichnis 67<br />
Abbildungsverzeichnis 70<br />
Anhang 71<br />
3
1 Einleitung<br />
In den letzten Jahren galt <strong>der</strong> geschlechtsdifferenzierte Unterricht – also die Trennung<br />
von Mädchen und Jungen in <strong>der</strong> Schule – als veraltetes, lange überholtes Prinzip.<br />
Neue Erkenntnisse aus <strong>der</strong> Geschlechterforschung belegen jedoch den Wert einer zeitweisen<br />
Trennung für verschiedene Schulfächer. So berichtete <strong>der</strong> „Tölzer Kurier“ am<br />
27.07.2007 im Abschnitt „Bayern kompakt“ über die positiven Ergebnisse eines Projektes<br />
am Münchner St. Anna-Gymnasium, in welchem die Schülerinnen und Schüler<br />
im Physik- und Sprachunterricht getrennt unterrichtet werden. Während bayernweit<br />
<strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Mädchen in Physikleistungskursen bei 11% liegt, belegen am St.<br />
Anna-Gymnasium stets zwischen 25% und 40% diesen Kurs. Lehrerinnen und Lehrer<br />
machten gute Erfahrungen mit diesem Versuch. Sie berichteten von entspannterem<br />
Lernklima, effektiverem Unterricht und positiver Resonanz seitens <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendlichen.<br />
Derartige Schulversuche sind Teilaspekte einer Gesamtkonzeption, die um eine „geschlechtersensible“<br />
Umgestaltung des Schulsystems und um eine maximale spezifische<br />
Mädchen- und Jungenför<strong>der</strong>ung bemüht ist. Vorhandene Strukturen des koedukativen<br />
Schullebens werden hierzu in Frage gestellt und es wird versucht, ein kooperatives<br />
Sozialklima an <strong>der</strong> Schule herzustellen. Das Konzept <strong>der</strong> „partiellen Seedukation“,<br />
also die stunden- o<strong>der</strong> fächerweise Trennung <strong>der</strong> Mädchen und Jungen, wie es<br />
oben beschrieben wurde, ist dabei eine Möglichkeit. Diese ist jedoch organisatorisch<br />
für den einzelnen Lehrer kaum zu realisieren, wenn sie nicht in <strong>der</strong> Gesamtkonzeption<br />
<strong>der</strong> Schule verankert ist. In vorliegen<strong>der</strong> Arbeit werden weitere Möglichkeiten<br />
und Grenzen für ein „geschlechtssensibles“ Schulkonzept aufgezeigt und bezüglich<br />
Realisierungsmaßnahmen innerhalb des <strong>Informatik</strong>unterrichts untersucht.<br />
Zum besseren Verständnis <strong>der</strong> Entwicklung dieser Diskussion, wird in Kapitel 2 ein<br />
kurzer Überblick über die Geschichte <strong>der</strong> Koedukation und ihrer Debatte aufgezeigt.<br />
In Kapitel 3 werden geschlechtsspezifische Unterschiede und Stereotypen in den Bereichen<br />
Leistung, Interesse, Selbstkonzept, Kommunikation, Interaktion und Arbeitsweise<br />
dargestellt. Anhand des <strong>Informatik</strong>unterricht als Schwerpunkt wird ein beson<strong>der</strong>er<br />
Fokus auf naturwissenschaftlich-technische Lernbereiche und den Umgang mit dem<br />
Computer gelegt. Da die Diskussionen und Forschungsschwerpunkte zu diesem Thema<br />
einige Jahre in den Hintergrund gerückt waren und erst in letzter Zeit wie<strong>der</strong><br />
aufleben, musste zur Darstellung dieses Abschnitts hauptsächlich auf Literatur aus<br />
den 1980er und 1990er Jahren zurückgegriffen werden.<br />
Die Umsetzung eines „geschlechtssensiblen“ Schullebens erfolgt durch das Konzept<br />
<strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“, welches in Kapitel 4 vorgestellt wird. In diesem Kon-<br />
4
1 Einleitung<br />
zept geht es um die Berücksichtigung <strong>der</strong> geschlechtsspezifischen Unterschiede im<br />
Sinne einer angemessenen För<strong>der</strong>ung bei<strong>der</strong> Geschlechter ohne die Zuschreibung o<strong>der</strong><br />
Verstärkung von Rollenklischees. Zur Vorbereitung <strong>der</strong> Ausführung <strong>der</strong> praktischen<br />
Umsetzungsmöglichkeiten werden in Kapitel 5 auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> vorhergehenden<br />
Kapitel die speziellen För<strong>der</strong>schwerpunkte für Mädchen und Jungen zusammengefasst.<br />
Kapitel 6 stellt Umsetzungsstrategien für „geschlechtssensiblen“ Unterricht im Fach<br />
<strong>Informatik</strong> dar und gibt Hilfestellung für die Unterrichtsvorbereitung. Diese Strategien<br />
werden in Kapitel 7 auf ausgewählte Themen aus dem <strong>Informatik</strong>anfangsunterricht<br />
des Gymnasiums angewandt und in Form von konkreten Konzeptvorschlägen aufgezeigt.<br />
Für einen unterrichtsnahen Praxisbezug wurde als Grundlage für Kapitel 6 und 7 <strong>der</strong><br />
genehmigte Lehrplan des achtstufigen Gymnasiums in Bayern sowie eine Handreichung<br />
des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) verwendet.<br />
Nach einer Zusammenfassung dieser Ausarbeitung und eines Ausblicks befinden sich<br />
im Anhang Vorschläge für Arbeitsblätter und an<strong>der</strong>e Unterrichtsmaterialien.<br />
5
2 Historischer Überblick<br />
Auf Grundlage <strong>der</strong> Beiträge aus [Fau87], [Gud06], [Hur86], [Pfi88] und [Wil86] wird im<br />
Folgenden ein kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung <strong>der</strong> Koedukation<br />
dargestellt.<br />
2.1 Beginn <strong>der</strong> höheren Mädchenbildung<br />
Die Geschichte <strong>der</strong> allgemeinen Schulbildung lässt sich bis in das antike Griechenland<br />
(ca. 300 v. Chr.) zurückverfolgen. Sie entwickelte sich durch alle Epochen und Zeitalter<br />
hindurch weiter bzw. passte sich den jeweils vorherrschenden Ideen von Bildung<br />
und gesellschaftlichen Anfor<strong>der</strong>ungen an. Jedoch bezieht sich diese Geschichte, mit<br />
Ausnahme von vereinzelten zaghaften Versuchen, bis ins 16. Jh. ausschließlich auf die<br />
Bildung von Knaben und jungen Männern.<br />
In <strong>der</strong> Zeit vom 14. bis zum 16. Jh. wurden die ersten Überlegungen über die Notwendigkeit<br />
einer allgemeinen Schulbildung für Mädchen angestellt. Dabei gab es verschiedene<br />
Ansätze, bei denen entwe<strong>der</strong> über eine geschlechtsspezifische o<strong>der</strong> eine inhaltlich<br />
gleichberechtigte Bildung für Mädchen und Jungen nachgedacht wurde. Man<br />
ging jedoch stets davon aus, dass diese getrennt voneinan<strong>der</strong> unterrichtet werden. Die<br />
Idee von Johann Valentin Andrea (1568–1654) z.B. war, dass „die Mädchen [...] <strong>der</strong><br />
wissenschaftlichen Bildung gleichermaßen teilhaft werden [sollen] wie die Knaben; sie<br />
werden außerdem in alle häuslichen Arbeiten eingeführt (Spinnen, Weben, Nähen ...)“<br />
[Fau87: 9].<br />
Dies führte ab dem 16. Jh. zur schrittweisen Einführung von Elementarschulen, die<br />
allen Kin<strong>der</strong>n bis zum Alter von 10–12 Jahren eine grundlegende allgemeine Bildung<br />
(Lesen, Schreiben, Singen und ein wenig Rechnen) ermöglichen sollten. Die Elementarschulen<br />
sollten nach Geschlechtern getrennt werden, was jedoch aus finanziellen Gründen<br />
und Mangel an Lehrkräften oft nicht realisierbar war. Durch die Bereitstellung von<br />
nur einer Schule in ländlichen Gebieten herrschte dort „Zwangskoedukation“, bei <strong>der</strong><br />
allerdings <strong>der</strong> Unterricht auf die Jungen ausgerichtet war und die Mädchen am Rande<br />
mitbeschult wurden. Problematisch war dabei auch die Tatsache, dass viele Eltern, vor<br />
allem aus unteren Gesellschaftsschichten, den Schulbesuch ihrer Kin<strong>der</strong> verweigerten,<br />
da sie diese als Arbeitskräfte benötigten o<strong>der</strong> ihn, vor allem bei den Mädchen, nicht für<br />
sinnvoll und notwendig erachteten. Eine höhere Bildung, also <strong>der</strong> Zugang zu Gymnasien<br />
und Universitäten, war ohnehin weiter ausschließlich den Knaben vorbehalten.<br />
Mit <strong>der</strong> Zunahme <strong>der</strong> Industrialisierung im 18. Jh. verän<strong>der</strong>ten sich die Anfor<strong>der</strong>un-<br />
6
2 Historischer Überblick<br />
gen an Mädchen und junge Frauen in <strong>der</strong> Gesellschaft. Die Familien des Bürgertums<br />
wollten ihren Töchtern eine höhere Bildung ermöglichen, um ihnen einerseits die Möglichkeit<br />
auf eine eventuelle spätere Berufstätigkeit offen zu halten. An<strong>der</strong>erseits wollten<br />
sie sich dadurch von den Familien <strong>der</strong> Unterschicht abheben. So kam es zu Beginn des<br />
19. Jh. zur Gründung von privaten, kostenpflichtigen „Höheren Töchterschulen“, die<br />
das Primärziel verfolgten, die Mädchen auf ihren späteren „Beruf als Gattin, Hausfrau<br />
und Mutter“ [Pfi88: 123] vorzubereiten. Es gab jedoch keinen einheitlichen Lehrplan<br />
und die Abschlüsse dieser Schulen wurden staatlich nicht anerkannt, wodurch ihnen<br />
<strong>der</strong> Zugang zur Universität weiterhin verwehrt blieb.<br />
Diese Umstände führten in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts im Rahmen <strong>der</strong><br />
bürgerlichen Frauenbewegung zu For<strong>der</strong>ungen nach Anerkennung weiblicher Leistungen<br />
sowie mehr Freiheiten und Möglichkeiten in Bildungs- und Berufswahl. Deshalb<br />
sollte die Mädchenbildung verstaatlicht werden und <strong>der</strong>en Organisation von Frauen<br />
ausgehen, was zudem eine Verbesserung <strong>der</strong> Lehrerinnenausbildung mit sich hätte<br />
bringen sollen. Der Fächerkanon für Mädchen und Jungen sollte gleich sein, wobei<br />
die Gestaltung bei den Mädchen nach dem „organischen“ Prinzip und bei den Jungen<br />
nach dem „mechanischen“ Prinzip zu erfolgen hätte 1 . Generelle For<strong>der</strong>ung dieser<br />
Bewegung war es, den Frauen den bisher verwehrten Universitätszugang zu ermöglichen.<br />
Zum Diskussionspunkt „Koedukation“ gab es verschiedene Ansichten innerhalb <strong>der</strong><br />
Frauenbewegung. Das feministische Lager sah die Koedukation als den einzigen Weg<br />
zur einer gleichwertigen Bildung für Mädchen und Jungen und berief sich dabei auf<br />
die guten Erfahrungen aus dem Volksschulbereich und einigen Schulversuchen, bei denen<br />
vereinzelt begabte Mädchen an Knabengymnasien zugelassen wurden, die „vielfach<br />
einen för<strong>der</strong>nden Einfluss auf die Knaben“ [Hur86: 98] ausübten. Das eher konservative<br />
Lager hatte dagegen die Befürchtung, dass die Koedukation die Bedürfnisse<br />
<strong>der</strong> Mädchen vernachlässigen und die sittliche und moralische Gesundheit bei<strong>der</strong><br />
Geschlechter gefährden würde. Es for<strong>der</strong>te daher eine Beschulung <strong>der</strong> Mädchen an<br />
eigenen Schulen durch Lehrerinnen.<br />
So wurde in <strong>der</strong> preußischen Schulreform (1906/1908) neben <strong>der</strong> Verstaatlichung<br />
<strong>der</strong> höheren Mädchenbildung, die Einführung eines einheitlichen Lehrplans für Mädchenschulen<br />
umgesetzt. Obwohl die Anerkennung <strong>der</strong> Mädchenschulen als höhere<br />
Lehranstalt durchgesetzt werden konnte, war die Lehrerschaft immer noch eine männliche<br />
Domäne. Zudem gab es die Tendenz zu geschlechtsdifferenzierter Erziehung und<br />
Bildung durch die Gründung von staatlichen Mädchengymnasien. In Gegenden, in<br />
denen keine höhere Mädchenschule existierte, war es Mädchen mit einer Son<strong>der</strong>genehmigung<br />
gestattet, die Knabenschule zu besuchen.<br />
Der Übergang von <strong>der</strong> Weimarer Republik zum Nationalsozialismus brachte eini-<br />
1 Die Begriffe „organisch“ und „mechanisch“ werden in <strong>der</strong> Literatur oft verwendet, jedoch meist nicht<br />
erklärt. Es scheint jedoch auf die Annahme zurückzugehen, dass sich die Mädchen den Inhalten<br />
über die Gefühlsebene nähern, die Jungen über die Sachebene.<br />
7
2 Historischer Überblick<br />
ge Verän<strong>der</strong>ungen mit sich. „Das Ziel <strong>der</strong> weiblichen Erziehung hat unverrückbar<br />
die kommende Mutter zu sein.“, Adolf Hitler, Mein Kampf (zitiert nach [Pfi88: 231]).<br />
Nach diesem und weiteren Leitgedanken im Sinne <strong>der</strong> nationalsozialistischen Ideologie<br />
wurden im Rahmen einer allgemeinen Bildungsreform im Jahr 1938 auch die<br />
gerade erworbenen Verbesserungen in <strong>der</strong> höheren Mädchenbildung erheblich beschnitten.<br />
So wurde für die Mädchen eine spezielle „Hauswirtschaftliche Form <strong>der</strong><br />
Oberschule“ mit Fokus auf Haus- und Handarbeiten eingerichtet und die Naturwissenschaften<br />
und Sprachen erheblich reduziert. Der Anteil <strong>der</strong> weiblichen Studierenden<br />
wurde auf maximal 10% eingeschränkt. Den Jungen blieben die mathematischnaturwissenschaftlichen<br />
und sprachlichen Zweige zwar erhalten, wurden jedoch mit<br />
einigen Kürzungen und einer Schwerpunktsetzung in körperlicher Ertüchtigung versehen.<br />
Die Nachkriegszeit war in den westlichen Besatzungszonen eine Zeit <strong>der</strong> Restauration,<br />
in <strong>der</strong> das Schulsystem und die Konzepte <strong>der</strong> Weimarer Republik wie<strong>der</strong> aufgenommen<br />
wurden, wie zum Beispiel die Differenzierung in Jungen- und Mädchenschulen<br />
im höheren Schulwesen und die Dreigliedrigkeit. In <strong>der</strong> sowjetischen Besatzungszone<br />
wurde ein koedukatives Einheitsschulsystem unter dem Einfluss <strong>der</strong> Besatzungsmacht<br />
eingeführt 2 .<br />
2.2 Einführung <strong>der</strong> Koedukation<br />
Anfang <strong>der</strong> 1960er Jahre entfachte in Westdeutschland eine große Diskussion um die<br />
Reform des Schulwesens und <strong>der</strong> Curricula. Innerhalb dieser Diskussion wurde auch<br />
starke Kritik am System <strong>der</strong> monoedukativen höheren Bildung laut. Neben dem Vorwurf<br />
<strong>der</strong> Verstärkung von Rollenklischees durch getrennte Mädchen- und Jungenschulen<br />
wurde beklagt, dass die Abschlüsse <strong>der</strong> Mädchenschulen gesellschaftlich abgewertet<br />
werden und somit keine Chancengleichheit bestehe. For<strong>der</strong>ungen nach Umstellung<br />
auf ein koedukatives Schulwesen wurden thematisiert und folgen<strong>der</strong>maßen begründet:<br />
Die Koedukation entspricht <strong>der</strong> natürlichen familiären Situation (in Anlehnung<br />
an familiäre Geschwisterschaft), bereitet auf spätere berufliche Zusammenarbeit und<br />
privates Zusammenleben vor und ermöglicht bessere gesellschaftliche, insbeson<strong>der</strong>e<br />
berufliche, Chancengleichheit.<br />
So wurden – auch begünstigt durch den Umstand, dass Jungenschulen mit rückläufigen<br />
und Mädchenschulen mit ansteigenden Schülerzahlen konfrontiert waren – bis<br />
1965 alle staatlichen Gymnasien in Westdeutschland für beide Geschlechter geöffnet.<br />
Allerdings wurden dabei die Lehrpläne <strong>der</strong> beiden Schulformen nicht aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Lehrplan <strong>der</strong> Jungenschulen für alle übernommen. Bedenken<br />
bezüglich <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Koedukation gab es vor allem von Seiten <strong>der</strong> kirchlich<br />
gestützten Schulen. Diese befürchteten, dass die Koedukation eine Nivellierung <strong>der</strong><br />
2 Es soll angemerkt werden, dass in folgenden Ausführungen nur die Weiterentwicklung <strong>der</strong> höheren<br />
Schulbildung (Gymnasium) in Westdeutschland betrachtet wird.<br />
8
2 Historischer Überblick<br />
geschlechtsspezifischen Qualitäten, eine verfrühte Erotik und damit eine sexuelle Beunruhigung<br />
sowie eine zu starke Fixierung auf die Knabenbildung zur Folge habe. Aus<br />
diesem Grund blieben jene meist bei ihren Konzepten <strong>der</strong> monoedukativen Bildung.<br />
Während die – meist immer noch kirchlich gestützten – Mädchenschulen bis heute<br />
großen Anklang finden, sind Jungenschulen in Deutschland kaum mehr vertreten.<br />
2.3 Koedukationsdebatte<br />
Die Koedukationsdebatte besteht aus zwei Hauptströmungen und zieht sich, wenn<br />
auch nicht mehr mit so großer Intensität, bis in die heutige Zeit hinein.<br />
Die erste Strömung zog sich durch die zweite Hälfte <strong>der</strong> 80er Jahre, ausgelöst durch<br />
verschiedene Studien zur Lehrer-Schüler-Interaktion, vorangetrieben von <strong>der</strong> Frauenbewegung<br />
in Deutschland und bekannt geworden durch provokante Titel in Zeitschriften<br />
und Zeitungen, wie z.B. „SIEziehung statt ERziehung“ (aus Die Zeit, Nr. 15, 1990),<br />
„K.O.edukation“ (aus Emma, Nr. 1, 1989) und „Koedukation – Sabotage <strong>der</strong> Chancengleichheit“<br />
(aus rotpress – Zeitschrift für Hochschule, Politik und Kultur, Nr.<br />
3, 1989). Eine dieser Studien stammt von Frasch und Wagner (1983), die das Verhalten<br />
von Lehrkräften in zwölf verschiedenen 4. Klassen untersuchten 3 . Dabei stellten<br />
sie fest, dass Jungen signifikant häufiger aufgerufen wurden, doppelt so häufig gelobt<br />
wurden und auch häufiger getadelt wurden als Mädchen, wobei männliche Lehrkräfte<br />
dies noch deutlicher praktizierten als weibliche. In weiten Kreisen <strong>der</strong> Frauenbewegung<br />
stießen diese Ergebnisse auf großes Interesse und einige engagierte Mitglie<strong>der</strong><br />
zeigten ein (scheinbar vorhandenes) Netzwerk systematischer Benachteiligungen<br />
von Mädchen im koedukativen Schulsystem auf. Allerdings bezogen sich diese Entdeckungen<br />
oftmals auf vereinzelte Beobachtungen mit subjektiven Interpretationen.<br />
Insgesamt wurden verschiedene Ebenen <strong>der</strong> Benachteiligung aufgezeigt:<br />
Auf <strong>der</strong> Strukturebene wurde beobachtet, dass sich die Geschlechter signifikant auf<br />
ihre „spezifischen“ Fachrichtungen und Zweige verteilten. Bemängelt wurden zudem<br />
die mangelnde Bereitschaft vieler Familien ihren Töchtern auch eine höhere Bildung<br />
zu ermöglichen sowie die männlich dominierte Hierarchie innerhalb <strong>der</strong> Personalstruktur<br />
in allen Schularten. Auf Ebene <strong>der</strong> Inhalte und <strong>der</strong> curricularen Vorgaben<br />
setzte die Kritik bei <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Koedukation in den 60er Jahren an. In<br />
Folge <strong>der</strong> unreflektierten Übertragung des Jungenschullehrplans für die neuen koedukativen<br />
Schulen sei es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass sich einige Lernbereiche und ganze<br />
Fächer für Mädchen sehr unattraktiv gestalteten, da sie sich we<strong>der</strong> in ihr Interessengebiet<br />
fügten, noch eine gezielte Motivationsför<strong>der</strong>ung angedacht war. Weiter verschlimmert<br />
werde dies durch fehlende o<strong>der</strong> stereotype, teilweise sogar diskriminierende,<br />
Darstellung von Mädchen und Frauen in Schulbüchern. Im Bereich <strong>der</strong> Methoden<br />
und <strong>der</strong> Unterrichtsdurchführung bezog man sich auf die oben angesprochene und<br />
ähnliche Studien. Neben <strong>der</strong> verstärkten Aufmerksamkeit, welche Lehrpersonen den<br />
3 Die Ergebnisse <strong>der</strong> Studie sind nachzulesen bei [Pfi88, Kapitel II.2.2]<br />
9
2 Historischer Überblick<br />
Jungen zuteil werden ließen, kritisierte man auch die Zuschreibung von Leistungen,<br />
die bei den Jungen auf das Talent und die Intelligenz zurückgeführt wurden, bei den<br />
Mädchen hingegen auf ihren Fleiß und ihre Sorgfalt. Nicht zuletzt wurde die Ebene<br />
<strong>der</strong> Unterrichtssprache kritisch beäugt, da hier durch das generalisierte Maskulinum,<br />
bei welchem die männlichen Begriffe für beide Geschlechter galten, <strong>der</strong> Eindruck vermittelt<br />
würde, das „Männliche“ sei das Absolute, an dem es sich zu orientieren gelte.<br />
Die Frauenbewegung for<strong>der</strong>te eine Radikalverän<strong>der</strong>ung des Schulsystems. Feministische<br />
Inhalte, Methoden und Lehrmittel sollten im koedukativen System Einzug halten;<br />
einige gingen sogar so weit, eine feministische Mädchenschule zu for<strong>der</strong>n. Trotz<br />
<strong>der</strong> vielen Vorwürfe und Anklagen, o<strong>der</strong> vielleicht gerade wegen <strong>der</strong> überzogen provokativen<br />
und oftmals belächelten Aufmachung, ebbte die Debatte schon nach kurzer<br />
Zeit wie<strong>der</strong> ab, obwohl bei weitem nicht alle angesprochenen Missstände behoben waren.<br />
Es lässt sich nicht belegen, welche Än<strong>der</strong>ungen dieser erste Strom <strong>der</strong> Koedukationsdebatte<br />
tatsächlich bewirkte. Sein größter Verdienst ist jedoch darin zu sehen, das<br />
Thema „Koedukation“ von seinem Status <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit zu lösen, kritisch<br />
zu betrachten und eine ständige Reflexion anzuregen.<br />
Nachdem Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre die Koedukationsdebatte bereits abgeschlossen<br />
schien, erregten um die Jahrtausendwende verschiedene neue Erkenntnisse <strong>der</strong> Schulentwicklung<br />
Aufmerksamkeit. Diese läuteten die zweite Strömung <strong>der</strong> Koedukationsdebatte<br />
ein. Statistiken ergaben, dass Mädchen inzwischen den höheren Anteil <strong>der</strong><br />
Abiturienten stellten, während die Jungen signifikant höher auf Haupt- und Son<strong>der</strong>schulen<br />
vertreten waren. Sie stellten auch den größeren Anteil <strong>der</strong> Jugendlichen ohne<br />
Schulabschluss. Auffallend bei diesen Erkenntnissen war, dass die Mädchen im Bildungsniveau<br />
insgesamt die Jungen zwar überholt hatten, im Bereich <strong>der</strong> Naturwissenschaften<br />
durch alle Schularten hinweg jedoch immer noch weit hinter ihnen zurücklagen.<br />
Der allgemeine Konsens <strong>der</strong> neuen Koedukationsdebatte for<strong>der</strong>te daher eine<br />
spezielle Jungenför<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Schule, welche ihnen die Möglichkeit geben sollte,<br />
ihre Fähigkeiten in den „starken Fächern“ auszuschöpfen und ihre Defizite in den<br />
„schwachen Fächern“ zu kompensieren. Außerdem sollten ihnen Hilfestellungen in<br />
ihrer Sozialisation sowie ihrer kognitiven und moralischen Entwicklung gegeben werden,<br />
die oft als Ursache <strong>der</strong> schulischen Schwierigkeiten gesehen wurde. Im Bereich<br />
<strong>der</strong> Mädchenför<strong>der</strong>ung sollten die auffallend schlechteren schulischen Leistungen in<br />
den naturwissenschaftlichen Fächern ausgeglichen werden und ihnen so <strong>der</strong> Zugang<br />
zu Berufsfel<strong>der</strong>n in diesem Bereich ermöglicht werden.<br />
Wie einleitend schon angemerkt, ist die Koedukationsdebatte bis heute ein Thema.<br />
In den folgenden Kapiteln werden die aktuellen Kritikpunkte <strong>der</strong> Debatte ausführlich<br />
dargestellt, überprüft und nach Lösungsansätzen gesucht.<br />
10
3 Geschlechtsspezische<br />
Unterschiede und Stereotype in<br />
<strong>der</strong> Schule<br />
3.1 Koedukationsdebatte heute<br />
Nachdem die Diskussion um die Koedukation etwas abgeflaut ist, stellt sich nun die<br />
Frage, ob eine gleichberechtigte Erziehung und Bildung in deutschen Schulen ohne<br />
Tradierung spezifischer Geschlechterstereotype bereits erreicht ist, o<strong>der</strong> ob nur an<strong>der</strong>e<br />
Problemstellungen diese Fragen in den Hintergrund gedrängt haben. Zur eigenen<br />
Herausarbeitung bestehen<strong>der</strong> Kritikpunkte wird vorgeschlagen, sich im Schulalltag<br />
mit folgenden Fragestellungen auseinan<strong>der</strong>zusetzen:<br />
• Institution Schule: Gibt es Geschlechterunterschiede innerhalb <strong>der</strong> Schulhierarchie?<br />
• Curricula/Schulbücher: Werden Rollenklischees und -zuschreibungen durch<br />
Lehrpläne und Schulbücher verstärkt? Gerade im Hinblick auf den neuen Lehrplan<br />
des achtstufigen bayerischen Gymnasiums sollten die Inhalte des Lehrplans<br />
und <strong>der</strong> neuen Schulbücher kritisch reflektiert werden, bevor sie umgesetzt werden.<br />
• Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsmuster: Entspricht die persönliche<br />
Einschätzung und Wahrnehmung im Bezug auf Gleichbehandlung auch <strong>der</strong> tatsächlichen<br />
Umsetzung?<br />
• Vorbildfunktion: Wie wirkt die Lehrerin selbst als Frau bzw. <strong>der</strong> Lehrer als Mann<br />
und was wird dadurch den Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen suggeriert?<br />
• Interaktions- und Kommunikationsstrukturen in <strong>der</strong> Schule: Wie läuft die Interaktion<br />
zwischen Lehrperson und Schülerin bzw. Schüler? Welchen Umgang<br />
haben die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen untereinan<strong>der</strong>?<br />
• Sozialisation und Entwicklung: Wird die Entwicklung und die Sozialisation <strong>der</strong><br />
jungen Menschen angemessen geför<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> in manchen Bereichen sogar unterdrückt<br />
und gehemmt?<br />
11
3 Geschlechtsspezifische Unterschiede und Stereotype in <strong>der</strong> Schule<br />
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es in Abgrenzung zur Koedukationsdebatte<br />
<strong>der</strong> 80er Jahre (siehe Kap 2.3) bei den heutigen Fragestellungen nicht um<br />
verallgemeinerte Vorwürfe aufgrund einzelner Beobachtungen und <strong>der</strong>en Interpretationen<br />
geht, son<strong>der</strong>n um eine Bewusstwerdung und Hinterfragung möglicher Benachteiligungen<br />
und spezieller För<strong>der</strong>möglichkeiten für Mädchen und Jungen in konkreten<br />
Fällen.<br />
Hierbei gilt, dass Aussagen über Geschlecherstereotype und geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede immer nur tendenzielle Angaben sind. Es muss stets berücksichtigt werden,<br />
dass erstens nicht alle Mädchen und Jungen, wie auch Frauen und Männer, diesen<br />
Stereotypen entsprechen und zweitens sich die Gewichtung und Form von geschlechtsspezifischen<br />
Zuschreibungen im Laufe <strong>der</strong> Zeit wandelt. Nicht-geschlechtskonforme<br />
Verhaltens- und Denkweisen dürfen nicht Anlass für Benachteiligung o<strong>der</strong><br />
Diskriminierung sein.<br />
3.2 Leistung und Interessen<br />
Zur Untersuchung <strong>der</strong> Leistungs- und Interessensunterschiede werden die schulischen<br />
Abschlüsse verglichen, die Unterschiede bezüglich Zweig- und Fächerwahl analysiert<br />
und Interviewergebnisse zum Thema „Berufswunsch“ dargestellt.<br />
Bezeichnend sind die Statistiken <strong>der</strong> Absolventenzahlen <strong>der</strong> verschiedenen Schularten<br />
und die Daten hinsichtlich <strong>der</strong> Fächerwahl. Nach dem Statistischen Bundesamt<br />
verließen im Schuljahr 2004/2005 136.719 Jugendliche – 69.364 (50,7%) Jungen, 67.355<br />
(49,2%) Mädchen – in Bayern die Schule. 25.953 erreichten die allgemeine Hochschulreife<br />
am Gymnasium. Davon waren 11.584 Schüler und 14.369 Schülerinnen, was einer<br />
Verteilung von etwa 44,6% zu 55,4% entspricht. Unter Einbezug <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schulen<br />
und Institutionen, bei denen die allgemeine Hochschulreife erlangt werden kann,<br />
ergeben sich gleichartige Verteilungen. Während sich ein ähnliches Bild bei den Realschulen<br />
abzeichnet (39.278 Absolventen, davon 17.745, also etwa 45,2% männlich<br />
und 21.533, also etwa 54,8% weiblich) dreht sich die Verteilung bei den Hauptschulen<br />
um. Machen von den 42.006 Absolventen <strong>der</strong> Hauptschule mit Abschluss die Jungen<br />
einen Anteil von 56,4% (23.694) aus, ergibt sich für die Mädchen ein Anteil von 43,6%<br />
(18.312). Betrachtet man die Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss und die Absolventen<br />
<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule ergeben sich noch drastischere Unterschiede. Von den 4.955<br />
Jugendlichen, welche die Hauptschule ohne Abschluss verlassen haben, waren 3.357<br />
(67,7%) männlich und 1.598 (32,3%) weiblich. Für die Son<strong>der</strong>schule ergibt sich eine<br />
Verteilung <strong>der</strong> 5.003 Jugendlichen auf 3.034 (60,6%) Jungen und 1.969 (39,4%) Mädchen<br />
4 .<br />
Bei <strong>der</strong> internationalen Vergleichsstudie TIMSS (Third International Mathematics<br />
and Science Study) Version II und III aus den Jahren 1997 und 2000, welche naturwissenschaftliche<br />
Leistungen in <strong>der</strong> Sekundarstufe I und II messen sollten, ließen sich<br />
4 alle Zahlen aus [Stat07]<br />
12
3 Geschlechtsspezifische Unterschiede und Stereotype in <strong>der</strong> Schule<br />
„substantielle Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern nachweisen“<br />
[TIM07]. Diese zeigten deutlich schlechtere Leistungen <strong>der</strong> Mädchen auf, die sich mit<br />
zunehmendem Alter stetig vergrößerten (vgl. [Tim07]).<br />
Hinsichtlich geschlechtsspezifischer Interessen lässt sich beobachten, dass die Interessensentwicklung<br />
bei Mädchen und Jungen vom Kleinkindalter an zwar schon<br />
geringfügig unterschiedlich verläuft, Umfragen bei Grundschulkin<strong>der</strong>n jedoch noch<br />
keine signifikanten Interessensunterschiede zwischen den Hauptfächern „Deutsch“,<br />
„Mathematik“ und „Heimat- und Sachunterricht“ ergeben. Erst mit Beginn <strong>der</strong> Pubertät<br />
ist ein großer Anstieg <strong>der</strong> Interessensdifferenzen und die Aufteilung in die beiden<br />
„Lager“ – Naturwissenschaften für die Jungen und Sprachen für die Mädchen – zu<br />
beobachten (vgl. [ISB96: 58]). Es wird angenommen, dass sich beide Geschlechter ihren<br />
stereotypen Interessen annähern, um Anerkennung und Bestätigung innerhalb <strong>der</strong><br />
eigenen und <strong>der</strong> gegengeschlechtlichen Gruppe zu gewinnen und soziale Isolation zu<br />
vermeiden. Mädchen, die sich für Naturwissenschaften interessieren haben oft Angst,<br />
als unweiblich und für die Jungen unattraktiv zu wirken. Sie kämpfen gegen das Klischee<br />
als „Mannsweib“ o<strong>der</strong> „Emanze“. Ähnlich geht es den Jungen, die sich nicht<br />
für Naturwissenschaften, son<strong>der</strong>n für Sprachen o<strong>der</strong> künstlerisch-musische Bereiche<br />
interessieren. Sie müssen sich oft gegen Vorurteile zur Wehr setzen, die sie als verweichlicht<br />
o<strong>der</strong> homosexuell bezeichnen (vgl. [Pfi88: 130ff]). Innerhalb <strong>der</strong> „typischen“<br />
Mädchen- und Jungenfächer gilt es jedoch zu beachten, dass sich die Interessen bezüglich<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Inhalte nochmals unterscheiden. So interessieren sich Mädchen<br />
im Fach „Physik“ tendenziell mehr für Naturphänomene, während sich die Jungen oft<br />
mehr von technischen Geräten begeistern lassen. Durch die Berücksichtigung solcher<br />
Interessensgewichtungen kann versucht werden, die tendenzielle Ablehnung eines Faches<br />
abzuschwächen (vgl. [Pfi88: 127ff]).<br />
Befragt man junge Menschen nach ihren Berufswünschen und -interessen, ergibt<br />
sich eine signifikante Verteilung auf typische Frauen- und Männerberufe, d.h. Berufe,<br />
in denen <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Männer bzw. <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Frauen bei unter 20% liegt.<br />
Als Frauenberufe gelten künstlerische und soziale Berufe wie z.B. Arzthelferin, Kauffrau<br />
im Einzelhandel und Bürokauffrau, aber auch Tierärztin und Lehrerin werden als<br />
Berufswunsch genannt. Die meisten Mädchen setzen sich schon früh mit <strong>der</strong> Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie auseinan<strong>der</strong>. Als Männerberufe gelten zumeist technische<br />
Berufe und Berufe im IT-Bereich. Im Gegensatz zu den Mädchen machen sich die<br />
Jungen weniger Gedanken über familiäre Pläne (vgl. [ISB96: 76f], [Met91: 84]).<br />
3.3 Selbstkonzept<br />
Im Bezug auf des Selbstkonzeptes ist die Bestimmung <strong>der</strong> geschlechtsspezifischen Unterschiede<br />
schwieriger. Es existieren zwar einige Befragungen zu diesem Thema, die<br />
Repräsentativität ist jedoch meist nur bedingt gegeben, da häufig kleine Stichproben<br />
von wenigen, oft sogar nur von einer Schule gewählt wurden. Dennoch werden im<br />
13
3 Geschlechtsspezifische Unterschiede und Stereotype in <strong>der</strong> Schule<br />
Folgenden einige dieser Ergebnisse vorgestellt, jedoch mit <strong>der</strong> Anmerkung, dass dies<br />
nur Richtwerte sind, die nicht als wissenschaftlich belegte Tatsachen gelten können.<br />
Analysiert man die Nebenergebnisse <strong>der</strong> TIMSS-Studie, fallen die Unterschiede im<br />
fachspezifischen Selbstvertrauen und <strong>der</strong> Selbsteinschätzung <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />
Schüler auf. Bei gleichen Leistungen waren diese Merkmale bei den Mädchen deutlich<br />
geringer ausgeprägt, als bei den eher zu einer Überschätzung ihrer Fähigkeiten neigenden<br />
Jungen (vgl. [TIM07]). Bei <strong>der</strong> nicht fachgebundenen Einschätzung <strong>der</strong> eigenen<br />
Leistungen lässt sich bei allen Altersstufen bis ins Erwachsenenalter hinein feststellen,<br />
dass Jungen bzw. Männer ihre Erfolge tendenziell eher auf ihre Fähigkeiten und<br />
Begabungen beziehen und ihre Misserfolge oft auf äußere Umstände wie Pech o<strong>der</strong><br />
aber auf mangelnde Anstrengung zurückführen. Bei Mädchen und Frauen erfolgt die<br />
Bewertung ihrer Leistungen eher umgekehrt, d.h. Erfolge werden auf Fleiß und glückliche<br />
äußere Umstände zurückgeführt, während die Ursachen <strong>der</strong> Misserfolge bei <strong>der</strong><br />
eigenen Begabung und Intelligenz gesucht werden (vgl. [Schü97: 30]).<br />
Die Bildung des Selbstkonzeptes geht bei jungen Menschen stets mit ihrer Sozialisation<br />
und Entwicklung einher. Durch die zunehmende Zahl an fehlenden männlichen<br />
Bezugspersonen und Vorbil<strong>der</strong>n vom Kleinkindalter an, über Kin<strong>der</strong>garten- und<br />
Grundschulzeit hinweg ergibt sich für die Jungen oft ein Sozialisationsdefizit, da sie<br />
sich nur in Abgrenzung zum Weiblichen sozialisieren können. Dies führt oft zu einer<br />
energischen Abwehr aller weiblichen Verhaltens- und Interessensbereiche und einer<br />
Verhärtung von Rollenklischees (vgl. [ISB96: 82]). Die Sozialisation junger Frauen<br />
erfolgt an<strong>der</strong>s. Sie haben ein eher gegenteiliges Problem, da sie sich auf eine Gratwan<strong>der</strong>ung<br />
begeben, in <strong>der</strong> sie einerseits den Erwartungen an sie als Frau bezüglich<br />
Attraktivität, Fürsorge und Weiblichkeit allgemein entsprechen sollen, an<strong>der</strong>erseits<br />
sich von klischeehaften Vorstellungen und Verhaltensweisen distanzieren und emanzipieren<br />
sollen (vgl. [ISB96: 79ff]).<br />
In puncto Computerkenntnisse und -fähigkeiten schätzen sich Jungen kompetent<br />
und aktiv ein. Mädchen betonen, dass sie gegenüber den Jungen nur wenig zurückstehen,<br />
schätzen sich dennoch aber selbst als eher vorsichtig und skeptisch ein. Auch<br />
die leistungsstarken Mädchen unterschätzen oftmals ihre Fähigkeiten und bringen sie<br />
nicht so offensiv in den Unterricht ein, was zur Folge hat, dass sie oft nicht erkannt<br />
werden und ihre Leistungen nicht entsprechend honoriert werden können (vgl. [Met91:<br />
83,85,118]).<br />
3.4 Kommunikation und Interaktion<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Interaktion zwischen Lehrkraft und Klasse lässt sich immer noch eine<br />
Dominanz <strong>der</strong> Jungen im Unterrichtsgeschehen erkennen. Die Schüler ziehen in diesem<br />
Zusammenhang mehr Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Lehrkraft – wenn auch oft in Form<br />
von Tadel und Ermahnung – auf sich. Daraus folgt nicht zwingend, dass die Mädchen<br />
sich brav und vorbildlich verhalten. Sie haben oft nur „leisere“ Formen <strong>der</strong> Ne-<br />
14
3 Geschlechtsspezifische Unterschiede und Stereotype in <strong>der</strong> Schule<br />
benbeschäftigung, wie z.B. Nachrichten schreiben, was nicht so schnell als Störung<br />
wahrgenommen wird. Das Akzeptieren dieser Verhaltensweisen wird von den Jungen<br />
meist als Bevorzugung <strong>der</strong> Mädchen interpretiert und löst schnell Aggressivität und<br />
Ablehnung ihnen gegenüber aus (vgl. [Voy07: 228]).<br />
Die Vorstellungen <strong>der</strong> Lehrkraft bezüglich Geschlechterstereotypen werden den<br />
Mädchen und Jungen meist unbewusst vermittelt. Es entsteht das Problem <strong>der</strong><br />
„Self-fulfilling Prophecy“, d.h. das Verhalten passt sich immer mehr den Erwartungen<br />
<strong>der</strong> Lehrkraft an, mit dem Resultat, dass die Kin<strong>der</strong> die stereotypen Verhaltensweisen<br />
noch mehr internalisieren und verfestigen. Dieses Phänomen lässt sich beispielhaft<br />
am Fach „Physik“ darstellen, in dem die Lehrkräfte oftmals eine hohe Leistungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Jungen als gegeben voraussetzen und schlechte Leistungen auf <strong>der</strong>en Faulheit<br />
und Unlust zurückführen, während gute Leistungen <strong>der</strong> Mädchen eher im Bezug auf<br />
die Anstrengung und den Fleiß gelobt und akzeptiert werden. Dies verfestigt oben<br />
dargestelltes Selbstkonzept und führt oftmals zu einer Motivations- und Leistungssteigerung<br />
bei den Jungen sowie zu einem Motivations- und Leistungsabfall bei den<br />
Mädchen (vgl. [ISB96: 82]).<br />
Beobachtet man die Kommunikation <strong>der</strong> Schülerinnen und Schülern untereinan<strong>der</strong>,<br />
so lässt sich oft feststellen, dass die verbalen Fähigkeiten bei den Mädchen stärker ausgeprägt<br />
sind, als bei den Jungen, was sich auch bei <strong>der</strong> Untersuchung von Referaten<br />
und Vorträgen bestätigt. In einer Studie von Metz-Göckel u.a. 1991, welche das Verhalten<br />
von Mädchen und Jungen in gemischten Gruppen und reinen Mädchengruppen<br />
bei <strong>der</strong> Arbeit am Computer untersuchte, stellte sich in gemischten Gruppen heraus,<br />
dass die Mädchen ihre Kommunikation eher auf Kooperation auslegten. Sie beantworteten<br />
sich gegenseitig Fragen, um weiterzuhelfen, während die Jungen oft ihren<br />
„Expertenstatus“ bekräftigen wollten, indem sie sehr diktierend Hilfestellungen gaben<br />
o<strong>der</strong> teilweise die Kooperation gänzlich verweigerten. Auffallend war, dass sich in<br />
den reinen Mädchengruppen oft ein kontraproduktives Verhalten innerhalb <strong>der</strong> Mädchenpaare<br />
beobachten ließ. Einige Mädchen stritten sich häufig und versuchten, sich<br />
gegenseitig bei <strong>der</strong> Arbeit zu behin<strong>der</strong>n. Da die Studie nur wenige Gruppen umfasste,<br />
ist sie nicht repräsentativ, was die Frage offen lässt, ob es sich in den reinen Mädchengruppen<br />
zufällig um recht temperamentvolle Mädchen handelte, o<strong>der</strong> ob in den<br />
gemischten Gruppen dieses Verhalten unterdrückt wurde, um sich von den Jungen<br />
abzuheben und dem Stereotyp <strong>der</strong> hohen Kooperationsbereitschaft von Mädchen zu<br />
entsprechen (vgl. [Met91]).<br />
3.5 Zugang und Arbeitsstrategien<br />
Generell geht man vom gleichen Fähigkeitspotential bei Mädchen und Jungen im Bezug<br />
auf naturwissenschaftlich-technische Lernbereiche und im Umgang mit dem Computer<br />
aus (vgl. [Met91: 39f]).<br />
Im Folgenden werden einige Beobachtungen dargestellt, die sich auf die Arbeits-<br />
15
3 Geschlechtsspezifische Unterschiede und Stereotype in <strong>der</strong> Schule<br />
strategien von Mädchen und Jungen konzentrieren. In schulischen Zusammenhängen<br />
lässt sich eine Bevorzugung kooperativer Arbeitsweisen bei Mädchen, wettbewerbsbezogener<br />
Arbeitsweisen bei Jungen, beobachten (vgl [Schi87: 35])<br />
Schwank stellte 1988 in einer Betrachtung von Mädchen und Jungen beim Lösen von<br />
Mathematikaufgaben fest, dass die Jungen schnell an die Aufgaben herangingen, viel<br />
probierten und insgesamt tendenziell zu einem funktionalen Denkstil tendierten, während<br />
die Mädchen eher zu einem prädikativen Denkstil neigten, somit im Vorfeld länger<br />
überlegten und zuerst versuchten, die Struktur <strong>der</strong> Aufgabe zu erfassen, bevor sie<br />
eine Lösung präsentierten (vgl. [Met91: 39]). Ähnliche Ergebnisse erlangte 1987 auch<br />
Schiersmann, die beobachtete, dass sich Mädchen bei <strong>der</strong> Bearbeitung von Aufgaben<br />
mit dem Computer mehr Transparenz und Überblick verschaffen und vorher sehr<br />
intensiv Fragen und Begriffe klären, bevor sie sich an die Bearbeitung einer Aufgabe<br />
wagen (vgl. [Met91: 40]). Bei <strong>der</strong> Arbeit mit dem Computer hielten Metz-Göckel u.a.<br />
1991 folgende Beobachtungen fest: Mädchen verlieren sich schnell und oft in Details,<br />
bringen aber, wenn man ihnen die Zeit zur Verfügung stellt, ideenreichere und vielfältigere<br />
Ergebnisse und arbeiten Fehler kreativ in das Programm mit ein (dies wurde bei<br />
<strong>der</strong> Arbeit mit dem Programm LOGO beobachtet). Jungen produzieren schnell und<br />
effektreich, also mit viel Farben, Bewegung, Tönen etc. und stellen den Anspruch <strong>der</strong><br />
Außergewöhnlichkeit an ihr Ergebnis. Bei auftretenden Fehlern werden diese nicht eingearbeitet,<br />
son<strong>der</strong>n rückgängig gemacht o<strong>der</strong>, falls dies nicht möglich ist, neu mit <strong>der</strong><br />
Arbeit begonnen (vgl. [Met91: 119,129f,165f]). Im Umgang mit dem Computer konnte<br />
bei Mädchen in verschiedenen Studien eine Vermenschlichung des Rechners beobachtet<br />
werden, während die Jungen meist ein großes Bedürfnis haben, den Computer als<br />
Maschine zu beherrschen (vgl. [Met91: 35ff]). Auffällig ist auch die größere Scheu <strong>der</strong><br />
Mädchen vor technischen Geräten und im Bezug auf den Computer oft die Angst,<br />
etwas kaputt zu machen, die bei den Jungen deutlich geringer ausgeprägt ist. Erklären<br />
lässt sich dies dadurch, dass Jungen häufiger bereits im privaten Bereich Zugang<br />
zu Computern haben, welcher sich jedoch meist auf Spiele, Internet/E-Mail und ein<br />
wenig Textverarbeitung beschränkt. Bei den Mädchen ist dieser Zugang eher seltener<br />
vorhanden, da sie mehr Wert auf persönliche Beziehungen legen und Spiele – vor allem<br />
gewaltverherrlichende – eher ablehnen. Sie nutzen den Computer gerne, um ihre<br />
persönlichen Kontakte durch E-Mails o<strong>der</strong> „Messengerprogramme“ zu pflegen (vgl.<br />
[Met91: 41,106ff]).<br />
Im Rahmen des schulischen <strong>Informatik</strong>unterricht kann davon ausgegangen werden,<br />
dass we<strong>der</strong> Jungen noch Mädchen Probleme im Umgang mit Maus und Tastatur<br />
und <strong>der</strong> Bedienung von Standardroutinen in Programmen, wie „Öffnen“, „Speichern“,<br />
„Schließen“ etc. haben. Allerdings besitzen die wenigsten Kin<strong>der</strong> Erfahrungen<br />
im Schreiben von langen Texten und brauchen daher zum Auffinden <strong>der</strong> einzelnen<br />
Buchstaben etwas länger Zeit (vgl. [Met91: 106ff]). Bei freier Wahl <strong>der</strong> Arbeitspartner<br />
werden tendenziell geschlechtshomogene Paare gebildet und es ist selten eine Interaktion<br />
zwischen den Mädchen- und Jungenpaaren zu beobachten (vgl. [Met91: 164]).<br />
16
4 Das Konzept <strong>der</strong> Reexiven<br />
Koedukation<br />
4.1 Idee<br />
Betrachtet man die Untersuchungen <strong>der</strong> geschlechtsspezifischen Unterschiede und ihre<br />
Auswirkung auf den schulischen Alltag, so drängt sich die Frage auf, ob nicht eine<br />
Wie<strong>der</strong>einführung des monoedukativen Schulsystems die daraus entstehenden Konflikte<br />
lösen könnte. Bei einer Analyse <strong>der</strong> Situation ergeben sich allerdings mehrere<br />
Gründe, welche gegen geschlechtsdifferenzierte Schulen sprechen. Dabei spielen organisatorische<br />
Probleme, die sich durch die Rückführung <strong>der</strong> koedukativen Schulen<br />
auf monoedukative Schulen ergeben würden, genauso eine Rolle wie gesellschaftliche<br />
Schwierigkeiten. Es ist zu erwarten, dass sich die gleichen Probleme ergäben, die in<br />
den 50er/60er Jahren den Ausschlag für die Abschaffung <strong>der</strong> reinen Mädchen- und<br />
Jungenschulen gaben. Als Beispiel sind die unterschiedliche Wertung <strong>der</strong> Abschlüsse<br />
und die damit verbundene Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu nennen.<br />
Eine umfassende Studie von Hannelore Faulstich-Wieland und Marianne<br />
Horstkemper aus dem Jahr 1995 ergab zudem, dass <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> Mädchen<br />
und Jungen die Schattenseiten <strong>der</strong> Koedukation zwar kennen und erleben, unter keinen<br />
Umständen jedoch zu einem monoedukativen Schulsystem zurückkehren möchten<br />
(vgl. hierzu [Fau95]).<br />
Was bleibt nun, wenn we<strong>der</strong> Koedukation, noch Monoedukation <strong>der</strong> ideale Weg ist?<br />
Um diese Frage zu beantworten, for<strong>der</strong>ten und för<strong>der</strong>ten die Autorinnen Faulstich-<br />
Wieland und Horstkemper das Konzept <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“:<br />
„Reflexive Koedukation heißt für uns, dass wir alle pädagogischen Gestaltungen<br />
daraufhin durchleuchten wollen, ob sie die bestehenden Geschlechterverhältnisse<br />
eher stabilisieren, o<strong>der</strong> ob sie eine Auseinan<strong>der</strong>setzung und<br />
damit ihre Verän<strong>der</strong>ung för<strong>der</strong>n“ [Leh02: 16]<br />
Sie legen dabei folgende Grundsätze fest (vgl. [ISB96: 100f]):<br />
• „Interessen berücksichtigen“: Bei <strong>der</strong> Wahl von Themengebiete und Arbeitsformen<br />
ist darauf zu achten, beide Interessensbereiche gleichermaßen anzusprechen.<br />
Da dies auch bei großem Bemühen nicht immer möglich ist, sollen die<br />
Mädchen und Jungen auch die Bereitschaft einüben, sich auf neue Erfahrungsbereiche<br />
einzulassen.<br />
17
4 Das Konzept <strong>der</strong> „Reflexiven Koedukation“<br />
• „Typisierungen vermeiden“: Auch bei bestehenden Unterschieden in Leistung,<br />
Interesse, Sozialisation und Selbstkonzept sollten diese nicht von <strong>der</strong> Lehrkraft<br />
zur Stereotypisierung eingesetzt werden. Dies würde zur Verfestigung <strong>der</strong> Stereotypen<br />
führen und mit einer Eingrenzung <strong>der</strong> Fähigkeits-, Interessens- o<strong>der</strong><br />
Verhaltensrepertoires einhergehen, da <strong>der</strong> Fokus nur noch auf den Teilbereichen<br />
läge, die dem Stereotyp entsprechen.<br />
• „Kooperation anregen“: Die Zusammenarbeit bei<strong>der</strong> Geschlechter soll durch geeignete<br />
Wahl <strong>der</strong> Arbeitsformen und Gruppenkonstellationen geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Die Umgangs- und Arbeitsweise ist hierbei zu analysieren, um durch die Hervorhebung<br />
und Verstärkung von erwünschtem sozialen Verhalten ein kooperatives<br />
Arbeiten einzuüben.<br />
• „Vorerfahrungen beachten“: Vorerfahrungen und -kenntnisse können und sollen<br />
in den Unterricht eingebunden werden, jedoch <strong>der</strong>art, dass sie nicht als Voraussetzung<br />
gelten o<strong>der</strong> abschrecken. Dabei ist es hilfreich, vorraussichtliche Vorerfahrungen<br />
bereits bei <strong>der</strong> Unterrichtsplanung zu berücksichtigen.<br />
• „Hierarchische Arbeitsteilung verhin<strong>der</strong>n“: Gerade bei <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit<br />
am Computer lässt sich oft eine „Chef-Sekretärin“-ähnliche Situation beobachten,<br />
in welcher <strong>der</strong> Junge diktiert und das Mädchen unhinterfragt eintippt o<strong>der</strong> mitprotokolliert.<br />
Ähnliche Situationen lassen sich in umgekehrter Konstellation in<br />
Fächern beobachten, in denen die Mädchen tendenziell stärker sind. Auch hier<br />
sollte bereits bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Aufgabenstellung überlegt werden, wie<br />
sich hierarchische Strukturen vermeiden lassen o<strong>der</strong> wie man ihnen begegnet,<br />
wenn sie doch auftreten.<br />
• „Aufmerksamkeit und Rückmeldungen bewusst einsetzen“: Da das subjektive<br />
Empfinden oft täuscht, sollte man sich – wenn möglich auch durch die Beurteilung<br />
von Kollegen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Klasse – bewusst machen, in welchen Bereichen<br />
man selbst eigenen geschlechterspezifischen Vorstellungen unterworfen ist. Fragen<br />
nach <strong>der</strong> Aufmerksamkeitsverteilung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zuschreibung von Lob und<br />
Tadel auf die Bereiche Talent und Fleiß sollten ständig reflektiert betrachtet werden.<br />
• „Geschlechterbeziehungen zum Thema machen“: Hier können die Geschlechterbeziehungen<br />
innerhalb <strong>der</strong> Klasse sowie innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft thematisiert<br />
werden. In beiden Fällen erfor<strong>der</strong>t dies beson<strong>der</strong>e Sensibiltät <strong>der</strong> Lehrkraft,<br />
um den Schülerinnen und Schülern einen natürlichen und vorurteilsfreien Umgang<br />
mit dem Thema zu ermöglichen. Es ist zu überdenken, ob dies nicht in<br />
geschlechtshomogenen Gruppen erfolgen sollte, da dort für viele Jugendliche –<br />
vor allem in <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Pubertät – <strong>der</strong> Umgang mit dieser Thematik einfacher<br />
ist und offener über Probleme gesprochen werden kann (vgl. hierzu auch [Fau87:<br />
15ff]).<br />
18
4 Das Konzept <strong>der</strong> „Reflexiven Koedukation“<br />
• „Zeitweise Trennung reflektiert erproben“: Die zeitweise Trennung <strong>der</strong> Mädchen<br />
und Jungen für einzelne Stunden, Fächer o<strong>der</strong> Projekte – auch „partielle Seedukation“<br />
genannt – ist ein Teilkonzept <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ und wird in<br />
Kapitel 4.3 näher erläutert. Dabei müssen die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt<br />
werden und das Konzept immer wie<strong>der</strong> kritisch reflektiert werden,<br />
da es zwar für viele Interessensgebiete und Entwicklungsbereiche <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
eine Bereicherung darstellt, aber durchaus auch Gefahren birgt.<br />
4.2 Umsetzung in <strong>der</strong> Schulpraxis<br />
Bei <strong>der</strong> Umsetzung einer „reflexiven Koedukation“ in <strong>der</strong> Schule unterscheidet das<br />
Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen folgende Handlungsebenen<br />
(vgl. [Leh02: 18ff]):<br />
• „Bewusstsein <strong>der</strong> Handelnden“: Dies beinhaltet eine Sensibilisierung des Lehrerkollegiums,<br />
<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler sowie <strong>der</strong> Eltern gegenüber „weitgehend<br />
unbewusste[n] stereotype[n] Einstellungen und Verhaltenszuschreibungen,<br />
die uns alle im Alltag unterlaufen“ [Leh02: 18].<br />
• „Alltäglicher Umgang“: Diese Ebene bezieht sich einerseits auf den Umgang <strong>der</strong><br />
Mädchen und Jungen sowie <strong>der</strong> Lehrerinnen und Lehrer untereinan<strong>der</strong>, als auch<br />
auf den Umgang zwischen Lehrkräften und Kin<strong>der</strong>n bzw. Jugendlichen. Hier<br />
sollen Benachteiligungen, Bevorzugungen, Abwertungen und För<strong>der</strong>ung von geschlechtsstereotyper<br />
Entwicklung innerhalb <strong>der</strong> Interaktionen aufgedeckt und<br />
überwunden werden.<br />
• „Curriculare Angebote“: Die curricularen Vorgaben sollen hierbei auf „geschlechtsrelevante<br />
Auffälligkeiten“ [Leh02: 19] untersucht werden und für beide Geschlechter<br />
ansprechend aufbereitet werden.<br />
• „Institutionelle und strukturelle Rahmenbedingungen“: Auf dieser Ebene werden<br />
Entscheidungsträger wie Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung<br />
angesprochen und die Tradierung von geschlechtsspezifischen Zuschreibungen<br />
auf institutioneller Ebene untersucht und zurückgedrängt.<br />
Diese Handlungsebenen beziehen sich auf alle Bereiche innerhalb <strong>der</strong> Schule, also auf<br />
die Zusammenarbeit innerhalb des Kollegiums, auf die Umsetzung von Unterricht und<br />
Schulleben sowie auf die Gestaltung des Schulhauses.<br />
Neben <strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> unterschiedlichen Interessen und Zugangsweisen<br />
und <strong>der</strong> Umgestaltung des Unterrichts, welche individuell von je<strong>der</strong> Lehrkraft vorgenommen<br />
werden kann, ist das große Ziel <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ ihre Einbindung<br />
in das Schulprogramm, welche in drei Phasen erfolgt (vgl. [Leh02: 21ff, 30ff],<br />
[ISB96: 102ff]):<br />
19
4 Das Konzept <strong>der</strong> „Reflexiven Koedukation“<br />
1. Mobilisierung, Bestandsaufnahme, Hinführung:<br />
Bei <strong>der</strong> Schulprogrammentwicklung sind meist mehrere Lehrerinnen und Lehrer<br />
zusammen mit Schulleitung, Elternbeirat und Schülervertretung beteiligt. Daher<br />
ist es im Vorfeld wichtig, einige Personen aus dem Kollegium und wenn möglich<br />
auch aus den an<strong>der</strong>en Gruppen für das Thema zu begeistern und einen kleinen<br />
Arbeitskreis zu gründen. Im Rahmen einer Bestandsaufnahme können sodann<br />
mittels Fragebögen, Unterrichtsbeobachtungen, Interviews und Selbsteinschätzungsbögen<br />
die Stärken und Schwächen <strong>der</strong> Schule herausgearbeitet werden und<br />
z.B. innerhalb eines pädagogischen Tags präsentiert werden. Da es sich um eine<br />
sehr sensible Thematik handelt, ist auf eine formale Hinführung mittels statistischer<br />
Daten zu achten. Übungen zur Sensibilisierung <strong>der</strong> eigenen Wahrnehmung<br />
als Frau bzw. Mann können helfen, sich auf die Thematik einzulassen<br />
2. Zielvereinbarung, Arbeitsplanung, Umsetzung:<br />
Sind alle Beteiligten, also Kollegium, Schulleitung, Elternbeirat und Schülervertretung<br />
bereit, das Konzept <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ in das Schulprogramm<br />
zu integrieren, erfolgt, basierend auf den Ergebnissen <strong>der</strong> Bestandsaufnahme, die<br />
Zielklärung. Dabei werden Ziele vereinbart und konkrete Maßnahmen zur Zielerreichung<br />
in überschaubaren Zeiträumen festgelegt, für welche auch bereits Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Evaluierung bedacht werden sollten. Zu den Maßnahmen können<br />
einerseits Lehrerfortbildungen, Workshops und Projekte gehören, an<strong>der</strong>erseits<br />
auch die Umgestaltung und Anpassung von Unterricht, Schulhaus und traditionellen<br />
Veranstaltungen (z.B. Tag <strong>der</strong> offenen Tür). Das erstellte Schulprogramm<br />
sollte in einfacher Sprache zusammengefasst und im Schulhaus veröffentlicht<br />
werden. Hier ein Vorschlag für ein Schulprogramm (aus [Leh02: 17]):<br />
„Wir wollen eine Schule für Mädchen und Jungen sein.<br />
Wir sind uns als Erwachsene bewusst, dass wir weibliche und männliche Vorbil<strong>der</strong><br />
sind.<br />
Wir wollen den heimlichen Lehrplan <strong>der</strong> Geschlechter aufdecken.<br />
Wir wollen Mädchen wie Jungen den gleichberechtigten, individuellen Zugang zu<br />
allen Inhalten und Fächern ermöglichen.<br />
Wir wollen ein Klima schaffen, in dem Sexismus und Gewalt keinen Platz finden.<br />
Wir wollen Kooperation und Kommunikation unter Kin<strong>der</strong>n, Jugendlichen, Erwachsenen<br />
för<strong>der</strong>n.<br />
Wie wollen Jungen und Mädchen stärken, geschlechterstereotype Rollenzuweisungen<br />
zu überwinden.<br />
Wir wollen Mädchen wie Jungen auf ein Leben vorbereiten, in dem Beruf und Familie<br />
für beide gleichberechtigt lebbar werden.<br />
Wir wollen die Inhalte und Ziele aller Lernbereiche und Fächer dahingehend überprüfen,<br />
ob sie Mädchen- und Jungeninteressen berücksichtigen.<br />
Wir wollen Materialien und Lehrbücher für die Unterrichtsgestaltung auswählen,<br />
die die Leistungen von Mädchen und Frauen sowie von Jungen und Männern angemessen<br />
berücksichtigen.<br />
Wir wollen Lehr- und Lernmethoden anwenden, die Mädchen und Jungen in gleichem<br />
Maße för<strong>der</strong>n.“<br />
20
4 Das Konzept <strong>der</strong> „Reflexiven Koedukation“<br />
3. Evaluation:<br />
In regelmäßigen Abständen sollte eine Evaluation erfolgen, welche prüft, ob geplante<br />
Maßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und ob damit auch die angestrebten<br />
Ziele erreicht wurden. Diese Evaluation soll helfen, die Maßnahmen<br />
zu verbessern und zu untersuchen, welche Bereiche den Zielvorstellungen bereits<br />
entsprechen und in welchen noch För<strong>der</strong>- bzw. Än<strong>der</strong>ungsbedarf besteht.<br />
4.3 Partielle Seedukation<br />
Ein Teilkonzept <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ ist die „partielle Seedukation“, also die<br />
stunden- o<strong>der</strong> fächerweise Trennung <strong>der</strong> Mädchen und Jungen im Unterricht. Erfolgt<br />
die Trennung für spezielle Fächer, so sind gemäß den Lehrplanvorgaben in beiden<br />
Gruppen dieselben Inhalte zu bearbeiten, wobei in Aufgaben- und Beispielwahl beson<strong>der</strong>s<br />
auf die geschlechtsspezifischen Zugangsweisen und Interessen eingegangen<br />
werden kann. Erfolgt die Trennung für offene Projekte, so können sogar ganz unterschiedliche<br />
Inhalte gewählt werden, bei <strong>der</strong>en Auswahl man die Schülerinnen und<br />
Schüler, wenn möglich, mitwirken lassen sollte. Neben <strong>der</strong> interessensspezifischen<br />
Auswahl von Inhalten bzw. Beispielen, bietet die „partielle Seedukation“ den Mädchen<br />
und Jungen durch den geringeren Druck, sich in Abgrenzung zum an<strong>der</strong>en<br />
Geschlecht stereotyp verhalten zu müssen, die Möglichkeit, ihr persönliches Interessensspektrum<br />
und Verhaltensrepertoire zu erweitern. Dies kann zu einer För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Persönlichkeitsentwicklung beitragen (vgl. [ISB96: 96f]). Des weiteren empfiehlt<br />
es sich in verschiedenen Themenbereichen, wie z.B. <strong>der</strong> Sexualkunde in Biologie, die<br />
Mädchen und Jungen zu trennen, um eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen,<br />
in <strong>der</strong> offen über Probleme und spezielle Fragestellungen o<strong>der</strong> auch Rollenklischees<br />
und -erwartungen gesprochen werden kann (vgl. [Fau87: 15ff]).<br />
In verschiedenen Versuchen wurden gute Erfahrungen innerhalb des Physikanfangsunterrichts<br />
gemacht, die eine Steigerung des Selbstbewusstseins <strong>der</strong> Mädchen und<br />
eine bessere Entfaltung <strong>der</strong> Fähigkeiten durch den getrennten Unterricht bestätigen.<br />
Auf dieser Grundlage erwartet man sich bei <strong>der</strong> getrennten Unterrichtung in naturwissenschaftlichen<br />
Fächern vor allem bei den Mädchen eine gesteigerte Motivation und<br />
damit einhergehend auch eine Leistungssteigerung (vgl. [ISB96: 28,96]). Im Bereich<br />
<strong>der</strong> Jungenför<strong>der</strong>ung erhofft man sich durch die Abwesenheit <strong>der</strong> oft leistungsstärkeren<br />
Mädchen eine Entlastung <strong>der</strong> Jungen, die ihren Leistungsrückstand in gemischten<br />
Klassen oft durch auffälliges Verhalten zu kompensieren versuchen. Sie sollen so die<br />
Möglichkeit erhalten, auch Verhaltensweisen wie Kooperation, Teamfähigkeit, Hilfsbereitschaft<br />
etc. welche eher dem weiblichen Stereotyp zugeschrieben werden, jedoch<br />
in fast jedem beruflichen Anfor<strong>der</strong>ugsprofil des heutigen Arbeitsmarktes vorzufinden<br />
sind, einzuüben. Astrid Kaiser stellte 2005 ein Konzept <strong>der</strong> Jungenför<strong>der</strong>ung in<br />
homogenen Gruppen vor, welches durch Selbstsicherheitstraining (gegenseitiges Loben),<br />
Kommunikationstraining, Demontage traditioneller Männlichkeit (Geschlechter-<br />
21
4 Das Konzept <strong>der</strong> „Reflexiven Koedukation“<br />
verhältnis, Rollenverteilung), körperorientiertes Arbeiten (Austoben, Körperübungen<br />
wie Akrobatik, Massage, Meditation) und erlebnisorientiertes Arbeiten (Aktionen, Exkursionen)<br />
den Jungen ein vielfältiges Angebot von Verhaltensweisen zur Verfügung<br />
stellt und sie von starren Rollenzuschreibungen distanziert (vgl. [Kai05: 105]).<br />
Doch beinhaltet die „partielle Seedukation“ auch Schattenseiten. Neben eher oberflächlichen<br />
organisatorischen Problemen <strong>der</strong> Klassenteilung, die sich durch geschickte<br />
Raum- und Personalverteilung mit etwas Aufwand und „gutem Willen“ beheben lassen<br />
könnten (z.B. durch eine Parallellegung von <strong>Informatik</strong> und Sport), besteht die<br />
Gefahr, dass sich durch die Trennung <strong>der</strong> Mädchen und Jungen geschlechtsspezifische<br />
Konflikte verstärken und die Aggression gegenüber <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gruppe noch weiter<br />
zunimmt (vgl. [ISB96: 96f]). Neben diesen Schwierigkeiten ergibt sich von Seiten <strong>der</strong><br />
Schülerinnen und Schüler die Problematik, dass sie einem getrennten Unterricht oft<br />
sehr skeptisch gegenüberstehen. Während in den Klassen <strong>der</strong> Unterstufe die Befürchtungen<br />
noch groß sind, <strong>der</strong> Unterricht wäre ohne das an<strong>der</strong>e Geschlecht langweilig<br />
und mache keinen Spaß, so haben Klassen <strong>der</strong> Mittel- und Oberstufe tiefgreifen<strong>der</strong>e<br />
Bedenken. So gehen die Jungen von einer Bevorzugung <strong>der</strong> Mädchen in <strong>der</strong>en Kursen<br />
aus, während die Mädchen vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern oft befürchten,<br />
sie erhielten einen För<strong>der</strong>kurs zweiter Klasse, <strong>der</strong> nicht den Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Jungenkurses entsprechen könne (vgl. [Pfi88: 132f], [Fau95]).<br />
Aufgrund <strong>der</strong> aufgezeigten Probleme und Gefahren ist bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> „partiellen<br />
Seedukation“ darauf zu achten, dass beide Geschlechter von <strong>der</strong> Trennung profitieren<br />
und für alle beteiligten Mädchen und Jungen sowie für Kollegen, Schulleitung<br />
und Eltern deutlich erkennbar ist, dass die Leistungsanfor<strong>der</strong>ung und das gefor<strong>der</strong>te<br />
Unterrichtsniveau in beiden Gruppen gleich sind. Dies könnte man z.B. durch die<br />
Abwechslung von koedukativen und seedukativen Unterrichtseinheiten gewährleisten<br />
(vgl. [ISB96: 96]).<br />
22
5 Ziele einer För<strong>der</strong>ung für Mädchen<br />
und Jungen<br />
5.1 Unterricht für alle<br />
„Wenn man sich nach den Mädchen richtet, dann ist es auch für die Jungen richtig,<br />
umgekehrt aber nicht“ (zitiert nach [ISB96: 89]). Folgt man diesem Motto, das von<br />
Martin Wagenschein im Jahr 1979 festgehalten wurde, so verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass<br />
Mädchen inzwischen im Bereich <strong>der</strong> schulischen Leistungen Vorreiter sind und immer<br />
mehr Konzepte <strong>der</strong> schulischen und außerschulischen Jungenför<strong>der</strong>ung entstehen. Das<br />
vermeintlich „starke Geschlecht“ schien damals noch zu stark, um einer spezifischen<br />
För<strong>der</strong>ung zu bedürfen, aber die Zeit hat gezeigt, dass dies nicht den Realitätsansprüchen<br />
genügt. Neben allen Bereichen und Maßnahmen zur speziellen Mädchen- und<br />
Jungenför<strong>der</strong>ung gibt es jedoch Merkmale für einen Unterricht, <strong>der</strong> den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
bei<strong>der</strong> Geschlechter entspricht.<br />
Unterricht, <strong>der</strong> für beide Geschlechter gleichermaßen ansprechend ist, sollte in erster<br />
Linie ganzheitlich sein, d.h. die Themengebiete sollten in vollen Zusammenhängen<br />
und nicht isoliert betrachtet werden. Des weiteren för<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Bezug zu berühmten<br />
Frauen und Männern, zu Lebenssituationen bei<strong>der</strong> Geschlechter sowie direkte Lebensnähe<br />
zum Alltag <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen selbst, das Interesse an verschiedenen<br />
Themen. Die Schülerinnen und Schüler sollten innerhalb des Unterrichts die Möglichkeit<br />
bekommen, sich über geschlechtstypische Rollenverständnisse und Differenzierungen<br />
auszutauschen und für eine kritische Reflexion und gegenseitige Darstellung<br />
verschiedener Sichtweisen bereit sein. Auch die Thematisierung von geschlechtsdifferenten<br />
Interaktionen und Verhaltensweisen mithilfe von Videoaufzeichnungen o<strong>der</strong><br />
Rollenspielen kann den Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen helfen, ihre eigene Haltung zu beobachten<br />
und ihnen so Hilfestellung bezüglich ihrer Sozialisation geben (vgl. [ISB96:<br />
90f]).<br />
Mithilfe vielfältiger Variationen <strong>der</strong> Sozial- und Arbeitsformen innerhalb des Unterrichts,<br />
durch Einbindung von sozial-kommunikativen und kooperativen Lernformen,<br />
entdeckendem Lernen, Projektunterricht sowie Plan- und Rollenspielen sollte das Ziel<br />
eines für alle Schülerinnen und Schüler ansprechenden Unterrichts und einem insgesamt<br />
positiven und kooperativen Klassenklimas realisiert werden (vgl. [ISB96: 92f]).<br />
23
5 Ziele einer För<strong>der</strong>ung für Mädchen und Jungen<br />
5.2 Gratwan<strong>der</strong>ung zwischen Wollen und Sollen<br />
Betrachtet man die verschiedenen Interessen und Zugangsweisen von Mädchen und<br />
Jungen bezüglich unterschiedlicher Themenbereiche, so hat man als Lehrkraft generell<br />
zwei Möglichkeiten <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung. Die erste entspricht genau den Interessen und<br />
Arbeitsweisen und för<strong>der</strong>t dadurch die Motivation und im Idealfall auch die Leistung.<br />
Die an<strong>der</strong>e Betrachtungsweise bezieht sich auf die Defizite, die sich aus den<br />
spezifischen Interessen ergeben und versucht, diese durch komplementäre För<strong>der</strong>ungen<br />
zu kompensieren. Man geht zum Beispiel davon aus, dass sich Jungen im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
einem neuen Programm eher mithilfe des „Trial-and-Error“-Prinzips<br />
nähern, während die Mädchen eher eine analytische Vorgehensweise haben und sich<br />
vorab einen Überblick über die Gesamtthematik verschaffen möchten. Nun hat man<br />
die Möglichkeit, durch getrennte Aufgabenstellung je<strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> bevorzugten Arbeitsstrategie<br />
zu entsprechen, o<strong>der</strong> genau zu wi<strong>der</strong>sprechen, um so durch das Erlernen<br />
<strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en Strategie ihre Möglichkeiten zur Problemlösung zu erweitern. In<br />
Kapitel 7 werden verschiedene Konzeptvorschläge aufgezeigt, welche diesen Prinzipien<br />
folgen. Generell sollte stets zwischen den Prinzipien gewechselt werden, auch um<br />
die Mädchen und Jungen, welche nicht ihrem Stereotyp entsprechen, nicht zu benachteiligen.<br />
5.2.1 Mädchenför<strong>der</strong>ung<br />
Die schulische Mädchenför<strong>der</strong>ung, praktiziert seit Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre, bemüht sich,<br />
den Mädchen verschiedene Hilfestellungen innerhalb ihrer Sozialisation und Entwicklung<br />
zu geben und inzwischen vor allem auch ihr berufliches Spektrum zu erweitern.<br />
Zu diesem Zweck haben sich bereits einige offizielle Veranstaltungen, wie z.B. <strong>der</strong><br />
„Girlsday“ o<strong>der</strong> das Ferienprogramm „Mädchen machen Technik“ etabliert, welche<br />
den Mädchen ihre Möglichkeiten in männerdominierten Berufsfel<strong>der</strong>n aufzeigen und<br />
ihre Interessen in diesen Bereichen zu wecken versuchen 5 .<br />
Innerhalb des Unterrichts ist für Mädchen <strong>der</strong> Bezug zu ihrer Realität und eigenen<br />
Erfahrungswelt unabdingbar, um ihre Motivation zu för<strong>der</strong>n. Gerade im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
ist die praktische Arbeit am Computer ohne Lebensnähe für die Mädchen<br />
meist nicht Motivation genug, um Gefallen an <strong>der</strong> Thematik und dem Fach an sich zu<br />
finden. Dabei gilt es, in erster Linie die Scheu <strong>der</strong> Mädchen vor technischen Geräten<br />
zu min<strong>der</strong>n, indem man beispielsweise einen Computer öffnet und mit den Schülerinnen<br />
und Schülern über den Aufbau und die Funktionsweise des Gerätes spricht (vgl.<br />
[Met91: 104]).<br />
Im Allgemeinen unterschätzen Mädchen oft ihre Leistungen und Fähigkeiten in naturwissenschaftlichen<br />
Bereichen sowie ihre <strong>Informatik</strong>kenntnisse. Das Ziel einer Mädchenför<strong>der</strong>ung<br />
wäre somit die Steigerung des Selbstbewusstseins und -vertrauens in<br />
5 Für detailiertere Informationen wird auf http://www.girlsday.de und<br />
http://portal.mytum.de/am/mmt-ueberblick verwiesen.<br />
24
5 Ziele einer För<strong>der</strong>ung für Mädchen und Jungen<br />
ihre naturwissenschaftlichen Fähigkeiten ohne die Angst, ihre Weiblichkeit und Attraktivität<br />
aufs Spiel zu setzen.<br />
Möchte man den Arbeitsstrategien <strong>der</strong> Mädchen entgegenkommen, so wählt man<br />
eine kooperative Arbeitstechnik, meist in geschlechtshomogenen Paaren am PC, und<br />
ermöglicht ihnen eine analytische Vorgehensweise. Möchte man jedoch die an<strong>der</strong>e, für<br />
die Entwicklung von Informationssystemen durchaus nützliche Strategie <strong>der</strong> „Trialand-Error“-Arbeitsweise<br />
för<strong>der</strong>n, so wählt man diese Technik und versucht, durch<br />
geeignete Motivationsstrategien auch die Mädchen dafür zu begeistern.<br />
5.2.2 Jungenför<strong>der</strong>ung<br />
Seit Ende <strong>der</strong> 90er Jahre entwickeln sich immer mehr spezielle Jungenför<strong>der</strong>projekte,<br />
die sich allerdings im Gegensatz zu den Projekten für die Mädchen noch nicht so stark<br />
etabliert haben. Ziele dieser inner- und außerschulischen Projekte sind zum Beispiel<br />
die Erweiterung des Berufsspektrums, die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sozialkompetenz und die Reflexion<br />
und Erweiterung des männlichen Rollenbildes wie sie das Projekt „Neue Wege<br />
für Jungs“ vom Kompetenzzentrum Technik - Diversity - Chancengleichheit e.V. seit<br />
2005 durchzusetzen versucht 6 . Diese Ziele sollten auch weit möglichst in den schulischen<br />
Alltag eingebunden werden. Neben einer För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kooperations- und<br />
Kommunikationsfähigkeiten, sollen die Jungen in ihrem Entwicklungs- und Sozialisationsprozess<br />
unterstützt werden. Dabei spielt die Erweiterung ihres Handlungs- und<br />
Verhaltensrepertoires durch das Aufzeigen offenerer Rollenbil<strong>der</strong> und die Einübung<br />
des Umgangs mit Emotionen, Schwächen und Empathie eine große Rolle (vgl. [Schü97:<br />
184]).<br />
Im Bezug auf schulische Arbeitsstrategien findet man bei Jungen oft das „Trial-and-<br />
Error“-Prinzip vor, also das Lösen von Aufgaben durch die Anwendung verschiedener<br />
Versuche bis zur Zielerreichung. Konkurrierende Arbeitstechniken mit Wettbewerbscharakter<br />
sowie die Möglichkeit, Vorwissen einzubringen, för<strong>der</strong>n zumeist die Motivation<br />
und Aktivität <strong>der</strong> Jungen (vgl. [Schü97: 182ff]). Durch den Einsatz verschiedener<br />
Strategien erhalten die Jungen einerseits das Gefühl, in ihren Bedürfnissen ernst genommen<br />
und damit nicht benachteiligt zu werden, an<strong>der</strong>erseits üben sie Kompromissbereitschaft<br />
ein, sich auch auf die eher weiblich „gefärbten“ Arbeitsweisen einzulassen,<br />
auch wenn diese ihnen zu Beginn eventuell etwas schwerer fallen.<br />
6 Das Projekt wird unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Für<br />
weiterführende Informationen siehe http://www.neue-wege-fuer-jungs.de<br />
25
6 Umsetzung einer reexiven<br />
Koedukation im<br />
<strong>Informatik</strong>unterricht<br />
6.1 Grundkonzept des <strong>Informatik</strong>unterrichts<br />
Der <strong>Informatik</strong>unterricht ist nach dem neuen Lehrplan für das achtjährige Gymnasium<br />
in Bayern ein fester Bestandteil des Fächerkanons. Er ist als Teilbereich des Pflichtfaches<br />
„Natur und Technik“ in den Klassen 6 und 7 in allen Zweigen sowie als eigenständiges<br />
Fach in 9 und 10 am naturwissenschaftlich-technischen Gymnasium und<br />
geplant als Wahlpflichtfach in <strong>der</strong> Oberstufe in die Stundentafel integriert. Dabei soll<br />
er den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, den sicheren und kritischen<br />
Umgang mit dem Computer zu erlernen sowie ein grundsätzliches Verständnis von<br />
informationstechnischen Systemen zu erlangen. Allerdings sind keine Benutzerschulungen<br />
für spezielle Systeme o<strong>der</strong> Programme vorgesehen, da diese keinen allgemeinbildenden<br />
Charakter besitzen.<br />
Das Grundkonzept des <strong>Informatik</strong>unterrichts ist die Modellierung. Im Rahmen dessen<br />
werden verschiedene Modellierungsarten sowie die Umsetzung und Optimierung in<br />
Theorie und Praxis gelernt. Man unterscheidet zwischen<br />
• statischer Datenmodellierung, welche Daten und Bezeichnungen für bestimmte<br />
Objekte festlegt, ohne Verarbeitungsschritte o<strong>der</strong> Abläufe aufzuzeigen,<br />
• zustandsorientierter Modellierung, welche verschiedene Zustände und die Übergänge<br />
zwischen den Zuständen beschreibt,<br />
• algorithmischer Modellierung, welche Abläufe mithilfe von Anweisungsfolgen,<br />
Wie<strong>der</strong>holungen und bedingten Anweisungen formuliert und<br />
• funktionaler Modellierung, bei welcher das Gesamtsystem in einzelne Teilsysteme<br />
zerlegt wird, welche als sogenannte „Black Boxes“ nur auf ihre Funktion und<br />
nicht auf ihre innere Struktur hin untersucht werden.<br />
Für große Systeme verwendet man die objektorientierte Modellierung, welche sich aus<br />
den oben vorgestellten Arten zusammensetzt. Hierbei wird das System zuerst funktional<br />
modelliert, bevor die Teilsysteme mithilfe von Attributen (statisch und zustandsorientiert)<br />
und Operationen (algorithmisch) spezifiziert werden.<br />
26
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
Inhaltlich liegen die Schwerpunkte des <strong>Informatik</strong>unterrichts auf <strong>der</strong> Darstellung von<br />
Informationen und <strong>der</strong> objektorientierten Analyse (Darstellung <strong>der</strong> Wirklichkeit in<br />
strukturiertem Modell, Klassen- und Objektdiagramme, Bäume).<br />
(vgl. [ISB04])<br />
6.2 Realität des <strong>Informatik</strong>unterrichts<br />
Der Computerraum ist oft <strong>der</strong> einzige Raum in <strong>der</strong> Schule, in dem ein Videobeamer<br />
fest installiert ist. Dies ermöglicht <strong>der</strong> Lehrkraft den schnellen und unkomplizierten<br />
Einsatz von Multimediapräsentationen. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, die Klasse<br />
durch zu viele Informationen zu überfor<strong>der</strong>n. Außerdem werden die innovativen<br />
Ideen eines offenen Unterrichts so durch eine verstärkte Form des Frontalunterrichts<br />
zurückgedrängt.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite beinhaltet <strong>der</strong> <strong>Informatik</strong>unterricht durch die Arbeit am Computer<br />
einen hohen praktischen Teil, <strong>der</strong> durch Aufbau und Ausstattung des Computerraumes<br />
meist Partnerarbeit erfor<strong>der</strong>t, da nicht für jede Schülerin bzw. jeden Schüler ein<br />
Rechner zur Verfügung steht. Die Computerarbeitsplätze sollten in U-Form angeordnet<br />
sein, so dass alle Bildschirme zur Raummitte zeigen und die Lehrkraft je<strong>der</strong>zeit<br />
einen Blick auf die Arbeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> werfen kann (vgl. [Schü97: 102]). Im Idealfall<br />
stehen zusätzlich zu den Computerarbeitsplätzen in <strong>der</strong> Mitte des Raumes normale<br />
Pultarbeitsplätze zur Verfügung, um die theoretische und praktische Arbeit auch<br />
räumlich etwas zu trennen und zu entzerren. Dabei ergibt sich zudem <strong>der</strong> Vorteil,<br />
dass sich die Kin<strong>der</strong> während <strong>der</strong> theoretischen Arbeit o<strong>der</strong> dem Lehrervortrag nicht<br />
so leicht von den Bildschirmen ablenken lassen. Bei <strong>der</strong> Bildung von Zweiergruppen<br />
sollte man zum einen darauf achten, dass nicht immer die gleichen Paare zusammenarbeiten<br />
und zum an<strong>der</strong>en, dass sich nicht nur sehr schwache bzw. sehr starke Schülerinnen<br />
und Schüler zusammentun, was die Leistungsdifferenzen noch vergrößern<br />
würde. Ein großes Problem, vor allem innerhalb des <strong>Informatik</strong>anfangsunterrichts, ist<br />
ohnehin die große Heterogenität bei den Vorkenntnissen und Interessen <strong>der</strong> Schülerschaft.<br />
Um diesem Umstand entgegen zu wirken ist es ratsam, die Vorkenntnisse <strong>der</strong><br />
Schülerinnen und Schüler zu Beginn des <strong>Informatik</strong>unterrichts mithilfe eines kurzen<br />
Fragebogens zu ermitteln und dann im Laufe des Schuljahres die verschiedenen Leistungsniveaus<br />
anzugleichen. Da sich das Vorwissen zum größten Teil auf technische<br />
Kenntnisse im Umgang mit Hard- o<strong>der</strong> Software beschränkt, kann eine hohe Betonung<br />
<strong>der</strong> theoretischen Inhalte helfen, dieses zu relativieren. Dies wirkt auch dem<br />
Irrglauben <strong>der</strong> „Computerfreaks“ entgegen, sie könnten den <strong>Informatik</strong>unterricht in<br />
<strong>der</strong> Schule ohne Aufmerksamkeit, Beteiligung und Lernen meistern (vgl. [ISB04]).<br />
Basierend auf dieser Grundkonzeption sowie den schulischen Rahmenbedingungen<br />
des <strong>Informatik</strong>unterrichts werden im Folgenden Umsetzungsmöglichkeiten für eine<br />
„reflexive Koedukation“ dargestellt.<br />
27
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
6.3 Reexive Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
Die folgenden Anregungen zur Gestaltung einer „reflexiven Koedukation“ im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
erfolgen auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Vorschläge zur Unterrichtsplanung<br />
aus [RIE04: 86-109] und [DIL99: 119-144] wobei, um den Rahmen <strong>der</strong> Arbeit nicht<br />
zu sprengen, nur ein kurzer Einblick in die einzelnen Grundkonzepte gegeben wird.<br />
Zur Vertiefung und ausführlichen Darstellung zur Unterrichtsplanung im Allgemeinen<br />
wird auf o.g. Literatur verwiesen. Die Vorgehensweise ist <strong>der</strong>art gestaltet, dass<br />
sie von einer einzelnen Lehrkraft praktisch umgesetzt werden kann. Es ist jedoch dennoch<br />
zu empfehlen, dass sie von Versuchen begleitet wird, auch an<strong>der</strong>e Kolleginnen<br />
und Kollegen für <strong>der</strong>artige Konzepte zu gewinnen (vgl. hierzu auch Kapitel 4). Bei<br />
<strong>der</strong> Konzeptumsetzung sollte auf eine ausführliche Thematisierung <strong>der</strong> „reflexiven<br />
Koedukation“ und ihrer Hintergründe in <strong>der</strong> Klasse weitestgehend verzichtet werden.<br />
So werden ausschweifende Diskussionen und eine mögliche Verstärkung <strong>der</strong> Konflikte<br />
zwischen Mädchen und Jungen vermieden. Die Lehrkraft hat dabei die Aufgabe,<br />
die Schülerinnen und Schüler bei <strong>der</strong> Konzeptumsetzung zu beobachten und ihre Einstellung<br />
und Arbeitshaltung zu analysieren. Anhand dieser Analyse wird über eine<br />
Weiterführung <strong>der</strong>artiger Konzepte entschieden. Eine intensive Thematisierung von<br />
Geschlechtsunterschieden und spezifischen Fö<strong>der</strong>möglichkeiten mit den Schülerinnen<br />
und Schülern kann bei Bedarf im Rahmen eines außerschulischen Projektes stattfinden.<br />
6.3.1 Zielplanung<br />
Analyse <strong>der</strong> Klassensituation<br />
Neben <strong>der</strong> grundsätzlichen Analyse <strong>der</strong> Vorgeschichte, Lernvoraussetzungen, Leistungsstand<br />
und Arbeitsbedingungen sind im Bezug auf eine „reflexive Koedukation“<br />
Schwerpunkte auf die Analyse <strong>der</strong> Klassenzusammensetzung, des sozialen Klimas<br />
und <strong>der</strong> Arbeitsweisen und -haltungen <strong>der</strong> Klasse zu legen. Nur wenn innerhalb<br />
<strong>der</strong> Klasse ein insgesamt kooperatives und im Bezug auf die Lehrkraft vertrauensbasiertes<br />
Klima herrscht, ist es möglich einen Unterrichtsversuch im Rahmen einer<br />
„reflexiven Koedukation“ durchzuführen. Ist auf Seiten <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler<br />
keine Bereitschaft vorhanden, geschlechtsspezifische Unterschiede zu akzeptieren und<br />
als Bereicherung des Selbstkonzeptes wahrzunehmen, so ist von solch einem Versuch<br />
abzuraten, da dies zu einer Verstärkung <strong>der</strong> Konflikte o<strong>der</strong> zu einer destruktiven Arbeitshaltung<br />
führen kann.<br />
Folgende Fragestellungen können bei <strong>der</strong> Analyse hilfreich sein:<br />
• Wie groß ist <strong>der</strong> jeweilige Anteil <strong>der</strong> Mädchen und Jungen in <strong>der</strong> Klasse?<br />
• Wie ist das allgemeine Klassenklima? Herrscht eine Bereitschaft zur gegenseitigen<br />
Hilfe und Zusammenarbeit? Wie ist <strong>der</strong> Umgang miteinan<strong>der</strong>?<br />
28
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
• Ist eine klare Trennung in Mädchen- und Jungengruppe in <strong>der</strong> Klasse bemerkbar?<br />
Wenn ja, ist das Verhältnis <strong>der</strong> beiden Gruppen zueinan<strong>der</strong> kooperativ, aggressiv,<br />
ignorant, usw.?<br />
• Werden Einzelne von einer Mädchengruppe o<strong>der</strong> einer Jungengruppe gemobbt,<br />
schikaniert, körperlich attackiert, usw.?<br />
• Gibt es Außenseiter, die durch „geschlechtsuntypisches“ Verhalten auffallen?<br />
Wenn ja, wie können diese Kin<strong>der</strong> bzw. Jugendlichen in die Gemeinschaft integriert<br />
werden?<br />
Didaktische Analyse und Festlegung <strong>der</strong> fachlichen Lernziele<br />
Bei <strong>der</strong> didaktischen Analyse werden die vom Lehrplan vorgegebenen Inhalte untersucht<br />
und „die bildenden Momente eines Inhalts, also das, was zur Bildung werden<br />
kann o<strong>der</strong> sollte, gilt es herauszuarbeiten“ [Dil99: 129].<br />
Dabei folgt man folgenden fünf Grundsätzen:<br />
• Exemplarischen Bedeutung, also die Frage nach dem allgemeinen Sinn- und<br />
Sachzusammenhang, <strong>der</strong> durch den exemplarisch bearbeiteten Inhalt erschlossen<br />
werden soll. So gilt generell für den <strong>Informatik</strong>unterricht, dass <strong>der</strong> Umgang<br />
mit Programmen zwar an konkreten Produkten erlernt wird, dies aber exemplarisch<br />
erfolgen soll und die Schülerin bzw. <strong>der</strong> Schüler auch in <strong>der</strong> Lage sein<br />
sollte, ein ähnliches Programm eines an<strong>der</strong>en Herstellers ohne Schwierigkeiten<br />
zu bedienen. Auch die Theorie über Aufbau und Struktur von informationstechnischen<br />
Systemen wird anhand von Beispielen aus praktischen Themenbereich<br />
erarbeitet.<br />
• Gegenwartsbedeutung, also inwiefern sich die Inhalte auf die Lebenswirklichkeit<br />
<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler beziehen, was vor allem für die Motivation <strong>der</strong><br />
Mädchen von großer Bedeutung ist.<br />
• Zukunftsbedeutung für private und berufliche Bereiche analysiert die Frage, inwieweit<br />
die Lehrinhalte zu einer Erweiterung <strong>der</strong> jeweiligen Berufspektren beitragen<br />
und die Persönlichkeitsentwicklung unterstützen können.<br />
• Struktur des Inhalts, also <strong>der</strong> Aufbau und die logische Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Inhaltsmomente. Dabei erfolgt zudem eine Analyse darüber, ob sich <strong>der</strong><br />
Stoff für ein Unterrichtsprojekt im Sinne einer „reflexiven Koedukation“ eignet,<br />
was den Schülerinnen und Schülern voraussichtlich Probleme bereitet und<br />
welches „Mindestwissen“ nach Abschluss <strong>der</strong> Unterrichtseinheit vorhanden sein<br />
sollte.<br />
• Unterrichtliche Zugänglichkeit beschäftigt sich mit voraussichtlichen Schwierigkeiten<br />
und Zugangsproblemen <strong>der</strong> Klasse. Daraufhin kann <strong>der</strong> Unterricht im<br />
29
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
Sinne einer „reflexiven Koedukation“ an die verschiedenen Interessen und Arbeitsweisen<br />
von Mädchen und Jungen angepasst werden.<br />
Erweiterte Zielsetzung im Sinne einer reexiven Koedukation<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> erweiterten Zielsetzung werden neben den fachlichen Lernzielen die<br />
Stärken und Schwächen <strong>der</strong> Mädchen und Jungen analysiert und die Methoden und<br />
Inhalte des Unterrichts so angepasst, dass sie vorhandene Kompetenzen för<strong>der</strong>n und<br />
Defizite kompensieren. Dabei hat man zum einen die Möglichkeit, wie in Kapitel 5<br />
bereits angedeutet, den spezifischen Interessen und Zugangsweisen zu entsprechen,<br />
um eine positive Arbeitshaltung zu erzeugen und die Motivation aufrecht zu erhalten.<br />
Die an<strong>der</strong>e Möglichkeit ist, „geschlechtsuntypische“ Darstellungen und Arbeitsweisen<br />
zu för<strong>der</strong>n, wodurch die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen lernen können, sich für Inhalten zu<br />
interessieren, die sie nicht auf Anhieb ansprechen. Diese Strategie führt idealerweise<br />
zu einer Erweiterung des Interessens- und Verhaltensspektrums bei<strong>der</strong> Geschlechter.<br />
6.3.2 Vorbereitung<br />
Die Vorbereitung <strong>der</strong> ersten Unterrichtsversuche wird noch ein wenig mehr Zeit in<br />
Anspruch nehmen, als eine normale Unterrichtsvorbereitung, da für Mädchen und<br />
Jungen teilweise unterschiedliche Arbeitsmaterialien erstellt werden müssen und offenere<br />
Unterrichtsformen meist eine arbeitsintensivere Vorbereitung erfor<strong>der</strong>n als ein<br />
lehrerzentrierter Unterricht. Schon nach kurzer Zeit wird man aber ein Gespür für<br />
die wesentlichen Anfor<strong>der</strong>ungen entwickeln. Das relativiert die Vorbereitungszeit und<br />
die erstellten Materialien können wie<strong>der</strong>holt eingesetzt werden. Gerade aufgrund <strong>der</strong><br />
Tatsache, dass <strong>der</strong> <strong>Informatik</strong>unterricht in seiner Form als Pflichtunterricht ein relativ<br />
neues Fach ist, bietet es sich an, im Kollegium eine Sammlung von Materialien anzulegen,<br />
welche auch an<strong>der</strong>e Kollegen zu einer „reflexiven Koedukation“ motivieren<br />
könnte.<br />
Die Unterrichtsvorbereitung erfolgt in vier Phasen, welche im Folgenden ausführlich<br />
erläutert werden.<br />
1. Erarbeitung des Rahmenkonzepts<br />
Im Rahmenkonzept wird ein grober Ablauf <strong>der</strong> Unterrichtseinheit festgelegt. Entscheidungen<br />
über koedukative o<strong>der</strong> seedukative Umsetzung werden getroffen und die Aufteilung<br />
von Computer- und Schreibtischarbeit geplant.<br />
2. Festlegung <strong>der</strong> Sozialform<br />
Die verschiedenen klassischen Sozialformen Frontalunterricht, Einzelarbeit und Gruppenarbeit<br />
besitzen im Bezug auf eine „reflexive Koedukation“ unterschiedliche Vorzüge<br />
sowie Nachteile, welche im folgenden Abschnitt aufgezeigt werden:<br />
30
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
Frontalunterricht Beim Frontalunterricht werden Sachverhalte entwe<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Lehrkraft, einer Schülerin o<strong>der</strong> einem Schüler vorgetragen, wobei wenig bis gar keine<br />
Aktivität <strong>der</strong> Klasse erfolgt. Alternativ werden innerhalb eines, meist von <strong>der</strong> Lehrkraft<br />
gelenkten, Unterrichtsgesprächs die verschiedenen Inhalte in Interaktion mit <strong>der</strong> Klasse<br />
erarbeitet. Bei beiden Varianten ist darauf zu achten, dass <strong>der</strong> Stoff nicht zu schnell<br />
präsentiert wird und die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen damit nicht überfor<strong>der</strong>t werden.<br />
Eindeutige Nachteile des Frontalunterrichts sind zum einen, dass diese Aktionsform<br />
we<strong>der</strong> die Sozial-, noch die Kommunikationskompetenz <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> för<strong>der</strong>t. Die För<strong>der</strong>ung<br />
dieser Kompetenzen wäre jedoch vor allem für die Jungen von Bedeutung.<br />
Zum an<strong>der</strong>en wi<strong>der</strong>strebt die Vorgehensweise des fragend-entwickelnden Unterrichtsgesprächs<br />
den Denkprozessen <strong>der</strong> Mädchen, welche tendenziell zuerst den ganzen<br />
Sachverhalt <strong>der</strong> Problemstellung kennen lernen möchten, bevor sie eine Gesamtlösung<br />
erarbeiten. Gerade im <strong>Informatik</strong>unterricht ergibt sich oft das Problem, dass sich die<br />
Jungen, die in <strong>der</strong> Klasse meist als die Computer- und <strong>Informatik</strong>erfahrenen gelten,<br />
bei Problemen nicht melden und fragen, da sie damit den Verlust dieses „Experten-<br />
Status“ befürchten, während sich die Mädchen häufig nicht trauen, Fragen zu stellen<br />
aus Angst, von den Jungen ausgelacht zu werden (vgl. [Schü97: 82ff]). Aus diesen<br />
Gründen und <strong>der</strong> Tatsache, dass <strong>der</strong> <strong>Informatik</strong>unterricht einen relativ großen Teil an<br />
praktischer Arbeit an den Rechnern vorsieht, sollte <strong>der</strong> Frontalunterricht zeitlich relativ<br />
gering gehalten werden.<br />
Von Vorteil ist er jedoch bei Präsentationen, welche in ein neues Thema einführen und<br />
den Kin<strong>der</strong>n einen ersten Überblick über den neuen Lernbereich geben sollen o<strong>der</strong><br />
innerhalb einer Ergebnissicherung bei <strong>der</strong> die verschiedenen, von <strong>der</strong> Klasse erarbeiteten,<br />
Ergebnisse im Plenum von <strong>der</strong> Lehrkraft o<strong>der</strong> den Kin<strong>der</strong>n selbst vorgestellt<br />
werden. Dabei sollte man darauf achten, dass bei <strong>der</strong> Verwendung von Multimediapräsentationen,<br />
die Durchführung und Gestaltung nicht den Lehrinhalten <strong>der</strong> Unterrichtseinheit<br />
„Multimediapräsentation“ aus Jahrgangsstufe 6 wi<strong>der</strong>sprechen.<br />
Einzelarbeit/Alleinarbeit Die Einzel- o<strong>der</strong> Alleinarbeit sieht vor, dass jede Schülerin<br />
und je<strong>der</strong> Schüler alleine für sich selbst eine Aufgabe bearbeitet. Der Vorteil dieser<br />
Aktionsform ist, dass in eigenem Tempo gearbeitet werden kann und eine noch<br />
explizitere Leistungsför<strong>der</strong>ung durch verschiedene Grade <strong>der</strong> Aufgabenschwierigkeit<br />
erreicht werden kann. In wenigen Schulen bieten die Computerräume allen Schülerinnen<br />
und Schülern einer Klasse einen eigenen Rechnerarbeitsplatz. In diesen Fällen<br />
ist <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> Alleinarbeit durchaus empfehlenswert, solange sie nicht die einzige<br />
bzw. vorherrschende Sozialform ist. Bei zu häufigem Einsatz <strong>der</strong> Einzelarbeit ist<br />
die Gefahr groß, dass sich die Kluft zwischen den Leistungsniveaus noch weiter vergrößert.<br />
Sieht <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> Räume Partnerarbeit an den Rechnern vor, so hat man die Möglichkeit<br />
die Einzelarbeit in zwei Phasen zu teilen, wobei im ersten Durchgang eine<br />
Hälfte <strong>der</strong> Klasse am Computer, die an<strong>der</strong>e Hälfte an den Schreibtischen in <strong>der</strong> Mitte<br />
31
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
arbeitet und im zweiten getauscht wird. Dabei sollten die Phasen gleich lang sein und<br />
nicht aufeinan<strong>der</strong> aufbauen. Bei dieser Vorgehensweise kann die Aufgabenbearbeitung<br />
an den Tischen auch als Gruppenarbeit durchgeführt werden, welche im Folgenden<br />
vorgestellt wird.<br />
Gruppenarbeit Bei <strong>der</strong> Gruppenarbeit wird die Klasse in Gruppen von 2–6 Personen<br />
aufgeteilt, die sich mit Arbeitsaufträgen beschäftigen. Diese Sozialform wird durch<br />
eine vorhergehende Eröffnungs- und eine nachfolgende Abschlussphase ergänzt, bei<br />
denen sich meist Frontalunterricht eignet. In <strong>der</strong> Eröffnungsphase erfolgt eine kurze<br />
Einführung in den Themenbereich, die Klarstellung des organisatorischen Rahmens<br />
und <strong>der</strong> Arbeits- und Umgangsweisen, die Gruppenbildung (frei o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehrkraft<br />
vorgegeben) und die Verteilung <strong>der</strong> Arbeitsaufträge. In <strong>der</strong> Abschlussphase finden<br />
die Präsentationen statt und eventuelle Korrekturen und Ergänzungen <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
werden vorgenommen.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> Gruppenarbeit gibt es verschiedene Organisationsformen. Zum einen<br />
können die Gruppen gleiche (arbeitsgleich) o<strong>der</strong> unterschiedliche (arbeitsteilig) Arbeitsaufträge<br />
bearbeiten, zum an<strong>der</strong>en behandeln die einzelnen Gruppenmitglie<strong>der</strong><br />
alle die gleichen (aufgabengleich) o<strong>der</strong> verschiedene (aufgabenverschieden) Aufgaben.<br />
Innerhalb einer Konzeption, die um „reflexive Koedukation“ bemüht ist, bietet es sich<br />
oft an, geschlechtshomogene Gruppen zu bilden, welche unterschiedliche, dem Geschlecht<br />
„angepasste“ Arbeitsaufträge erhalten.<br />
Bei <strong>der</strong> Arbeit am Computer empfiehlt sich Partnerarbeit, da bei größeren Gruppen die<br />
optimale Sicht auf den Monitor nicht gegeben ist und es nicht für alle Gruppenmitglie<strong>der</strong><br />
möglich ist, die Bedienung <strong>der</strong> einzelnen Programme zu erproben. Bei theoretischen<br />
Aufgaben, welche an den Tischen bearbeitet werden, können die Gruppen<br />
durchaus etwas größer sein, sollten jedoch eine Mitglie<strong>der</strong>anzahl von maximal 6 Personen<br />
nicht überschreiten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Einzelne zurückziehen<br />
und sich nicht an <strong>der</strong> Bearbeitung <strong>der</strong> Aufgaben beteiligen.<br />
Vorteil <strong>der</strong> Gruppenarbeit ist zum einen eine hohe För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sozial- und Kommunikationskompetenz,<br />
welche vor allem für die Jungen sehr wichtig ist und oft zu einer<br />
Verbesserung des Klassenklimas führt. Zum an<strong>der</strong>en ist es für die Lehrkraft leichter,<br />
die verschiedenen Gruppen gemäß ihren Leistungen, Zugangsweisen und Interessen<br />
anzusprechen und zu för<strong>der</strong>n. Durch die Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse im Plenum wird<br />
das freie Sprechen vor Publikum eingeübt.<br />
Spezialform Expertenpuzzle (vgl. [Fre94], [Schü97: 197ff])<br />
Das Expertenpuzzle (auch Gruppenpuzzle genannt) ist eine spezielle Form <strong>der</strong> Gruppenarbeit,<br />
die zur Bearbeitung von verschiedenen gleichwertigen Aufgaben zu einem<br />
Themenbereich geeignet ist. Das Prinzip basiert darauf, die Schülerinnen und Schüler<br />
in einer sogenannten Expertenrunde je eine Aufgabe pro Gruppe bearbeiten zu lassen.<br />
Im Anschluss wird in <strong>der</strong> sogenannten Unterrichtsrunde die Gruppenkonstellation so<br />
verän<strong>der</strong>t, dass in je<strong>der</strong> Gruppe mindestens ein „Experte“ vertreten ist. Diese stellen<br />
32
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
sich dann gegenseitig die Ergebnisse vor und erklären sie. Nach den beiden Runden<br />
erfolgt eine Lernkontrolle, die nicht unbedingt mit einer Benotung in Verbindung stehen<br />
muss, um zu prüfen, ob alle Beteiligten das Lernziel erreicht haben. Dies kann<br />
zum Beispiel durch eine Abschlusspräsentation, die Bearbeitung eines Arbeitsblattes,<br />
die Erstellung von Hefteinträgen o<strong>der</strong> die Anfertigung eines Lernplakats erfolgen.<br />
Beim Einsatz des Expertenpuzzles im <strong>Informatik</strong>unterricht bietet es sich bei Grup-<br />
Abbildung 6.1: In <strong>der</strong> Expertenrunde werden die Aufgaben A,B,C und D bearbeitet<br />
und danach in <strong>der</strong> Unterrichtsrunde gegenseitig vorgestellt.<br />
pen von mehr als zwei Personen an, die Expertenrunde geschlechtshomogen, die Unterrichtsrunde<br />
gemischt zusammenzustellen, z.B. beim Entwurf einzelner Teilprojekte<br />
innerhalb eines Programmierprojektes. Hierbei können vor allem die Mädchen ihre<br />
Fähigkeiten besser entwickeln und sich gegenüber den Jungen als kompetente Teammitglie<strong>der</strong><br />
behaupten (vgl. [Schü97: 196]).<br />
Soll die Arbeit am Computer miteinbezogen werden, empfiehlt es sich, das Expertenpuzzle<br />
in Zweiergruppen zu organisieren. Zur Bearbeitung werden zwei ähnliche<br />
Themenbereiche gleichen Umfangs gewählt. In <strong>der</strong> Expertenrunde wird die Klasse in<br />
Abbildung 6.2: Gruppenpuzzle im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
33
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
zwei Gruppen (A und B) aufgeteilt, wobei die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gruppe A die Aufgabe<br />
A und die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gruppe B entsprechend die Aufgabe B jeweils in Partnerarbeit<br />
bearbeiten. In <strong>der</strong> Unterrichtsrunde bilden sich neue Paare, in denen sich je eine<br />
Person aus Gruppe A und eine Person aus Gruppe B zusammenfinden und sich gegenseitig<br />
die Ergebnisse aus <strong>der</strong> ersten Runde vorstellen und gemeinsam am Rechner<br />
umsetzen o<strong>der</strong> überprüfen.<br />
3. Auswahl <strong>der</strong> Medien<br />
Prinzipiell lassen sich Medien in <strong>der</strong> Schule in zwei Gruppen kategorisieren:<br />
• Präsentationsmedien wie Tafel, Tageslichtprojektor, Multimediapräsentation,<br />
Pinnwand, usw.<br />
• Arbeitsmedien wie Arbeitsblatt, Computerprogramme, digitale Dokumente, usw.<br />
Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Medien sind die Kriterien Gegenstandsnähe (symbolisch, bildhaft,<br />
modellhaft, real), Isomorphie (Struktur des Mediums entspricht <strong>der</strong> Struktur des<br />
Inhalts), Polyvalenz (Erreichung mehrerer Lernziele) – Monovalenz (Erreichung eines<br />
Lernziels), Effektivität, Attraktivität, Fasslichkeit, Anreiz zur Auseinan<strong>der</strong>setzung und<br />
Funktion im Unterricht zu berücksichtigen.<br />
4. Erstellung <strong>der</strong> Arbeitsmaterialien<br />
Oft empfiehlt es sich, für die Mädchen und Jungen unterschiedliche Arbeitsmedien zu<br />
erstellen, die sich auf die spezifischen Interessen und Arbeitsweisen beziehen. Bei <strong>der</strong><br />
Erstellung <strong>der</strong> Materialien sollten im Rahmen von knappen Notizen die Begründungen<br />
für die spezielle Aufgaben- und Materialwahl festgehalten werden. Diese können<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Stundenauswertung in <strong>der</strong> Klasse vorgebracht werden und zur eigenen<br />
Stundenreflexion und Weiterentwicklung des Konzepts dienen sowie eventuellen<br />
Vorwürfen bezüglich Benachteiligungen o<strong>der</strong> Bevorzugungen vorbeugen.<br />
6.3.3 Struktur des Stundenverlaufs<br />
Die Durchführung sollte primär von <strong>der</strong> Schülertätigkeit gelenkt werden. Vor allem die<br />
praktische Arbeit am Computer sollte selbstgesteuert und selbstständig erfolgen. Dabei<br />
ist darauf zu achten, dass alle Schülerinnen und Schüler mit den Aufgaben zurecht<br />
kommen, auch wenn sie sich mit ihren Problemen nicht an die Lehrkraft wenden.<br />
Nach Abschluss <strong>der</strong> Arbeitsaufträge sollte zum einen eine fachliche Ergebnissicherung<br />
erfolgen, zum an<strong>der</strong>en sollten die Erfahrungen und Eindrücke <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> aufgenommen<br />
und ausgewertet werden, welche dann in neue Unterrichtsprojekte einfließen<br />
können.<br />
34
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
Einstieg<br />
Die Funktionen des Unterrichtseinstiegs sind die Herstellung eines lernfreudigen, aber<br />
auch disziplinierten Arbeitsklimas und <strong>der</strong> Motivation. Dabei gibt es verschiedene<br />
Möglichkeiten:<br />
• Im Rahmen <strong>der</strong> Motivationsphase sollten die Interessen <strong>der</strong> Mädchen und Jungen<br />
gleichermaßen angesprochen werden.<br />
• Die Darstellung eines allgemeinen Überblicks über das neue Thema und den geplanten<br />
Unterrichtsverlauf hilft vor allem den Mädchen die Struktur des Inhalts<br />
ganzheitlich zu erfassen und kommende Problemstellungen besser bearbeiten zu<br />
können. Bei <strong>der</strong> Darstellung des Überblicks ist allerdings darauf zu achten, dass<br />
nicht bereits die Lösung für folgende Aufgaben verraten wird.<br />
• Die Sammlung von Vorkenntnissen för<strong>der</strong>t voraussichtlich vor allem bei den Jungen<br />
eine aktive Mitarbeit. Durch die Hinterfragung <strong>der</strong> Vorkenntnisse können<br />
sie ihre Fähigkeiten in Sprache und Kommunikation stärken. Zudem kann durch<br />
diese detaillierten Erklärungen einer Verunsicherung <strong>der</strong> Mädchen entgegengewirkt<br />
werden.<br />
Erarbeitung<br />
Während <strong>der</strong> Erarbeitungsphase sollen die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen durch möglichst<br />
viel selbstständiges Arbeiten nicht nur Fach- und Sachkompetenz erwerben, son<strong>der</strong>n<br />
auch die methodischen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen trainieren.<br />
Ergebnissicherung<br />
Innerhalb <strong>der</strong> Ergebnissicherung während und am Ende <strong>der</strong> Unterrichtseinheit können<br />
Lerninhalte festgehalten, ausgewertet und reflektiert werden. Ergebnisse von Gruppenarbeiten<br />
sollten präsentiert und im Plenum o<strong>der</strong> durch die Lehrkraft korrigiert,<br />
ergänzt und vervollständigt werden. In jedem Fall werden dabei die wichtigen Aspekte<br />
durch eine nochmalige Wie<strong>der</strong>holung betont und gefestigt. Die Ergebnissicherung<br />
kann aber auch mittels eines Lehrervortrags, eines Hefteintrags o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bearbeitung<br />
eines Arbeitsblattes erfolgen.<br />
6.3.4 Vorüberlegungen zur Auswertung<br />
Die Auswertung <strong>der</strong> Unterrichtseinheit soll eine Reflexion über das Erreichen <strong>der</strong> inhaltlichen<br />
als auch <strong>der</strong> erweiterten Ziele beinhalten und eine Grundlage zur Verbesserung<br />
des gerade durchgeführten sowie folgen<strong>der</strong> Unterrichtskonzepte bieten. Als<br />
hilfreich erweist sich hierbei ein vorbereiteter Fragenkatalog, <strong>der</strong> relativ zeitnah nach<br />
35
6 Umsetzung einer reflexiven Koedukation im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
Abschluss <strong>der</strong> Unterrichtseinheit beantwortet werden sollte. Mögliche Fragen könnten<br />
dabei folgende sein:<br />
• Sind die Lernziele erreicht worden?<br />
• Haben die Schülerinnen und Schüler konzentriert gearbeitet und sind mit <strong>der</strong><br />
Aufgabe fertig geworden?<br />
• Gab es Konflikte, offene o<strong>der</strong> verdeckte Aggressionen o<strong>der</strong> sonstige Unstimmigkeiten<br />
zwischen den Mädchen und den Jungen?<br />
• Fühlte sich eine Gruppe o<strong>der</strong> einzelne Schülerinnen bzw. Schüler durch die Aufgabendifferenzierung<br />
benachteiligt, über- o<strong>der</strong> unterfor<strong>der</strong>t?<br />
• Ist die Bereitschaft <strong>der</strong> Klasse für weitere Unterrichtskonzepte im Sinne einer<br />
„reflexiven Koedukation“ gegeben?<br />
Diese Vorgaben zur Unterrichtsgestaltung sowie die folgenden Konzeptvorschläge zu<br />
ausgewählten Unterrichtsthemen sollen als offene Hilfestellungen interpretiert werden<br />
und müssen je nach Bedarf auf die konkrete Klasse und Unterrichtssituation abgestimmt<br />
und variiert werden.<br />
36
7 Konkrete Vorschläge zu<br />
ausgewählten Themen<br />
In diesem Kapitel werden Konzeptvorschläge zu ausgewählten Themen des <strong>Informatik</strong>anfangsunterrichts<br />
im Rahmen des Faches „Natur und Technik“ <strong>der</strong> 6. und 7. Klasse<br />
vorgestellt. Als Grundlage zur Erarbeitung <strong>der</strong> Konzepte diente in erster Linie <strong>der</strong> genehmigte<br />
Lehrplan des achtstufigen Gymnasiums in Bayern für o.g. Fach (vgl. [NuT6]<br />
und [NuT7]) sowie <strong>der</strong> Handreichungsentwurf „<strong>Informatik</strong> in Fach Natur und Technik“[ISB04].<br />
Als Anregung für die Konzepte diente zusätzlich das Schulbuch „<strong>Informatik</strong><br />
1 – Objekte, Strukturen, Algorithmen“ [Fre04].<br />
Zusammenfassung <strong>der</strong> Inhalte des Lehrplans:<br />
6. Jahrgangsstufe<br />
„Natur und Technik“ setzt sich in dieser Jahrgangsstufe aus ca. 28 Stunden <strong>Informatik</strong><br />
und 56 Stunden Biologie zusammen. Dabei sollten die <strong>Informatik</strong>stunden auf folgende<br />
Themenbereiche aufgeteilt werden:<br />
• „Information und ihre Darstellung“ (ca. 2 Std.)<br />
• „Informationsdarstellung mit Graphikdokumenten - Graphiksoftware“ (ca. 8 Std.)<br />
• „Informationsdarstellung mit Textdokumenten - Textverarbeitungssoftware“<br />
(ca. 8 Std.)<br />
• „Informationsdarstellung mit einfachen Multimediadokumenten - Präsentationssoftware“<br />
(ca. 5 Std.)<br />
• „Hierarchische Informationsstrukturen - Dateisystem“ (ca. 5 Std.)<br />
Innerhalb des Themenbereichs Multimediadokumente ist ein Projekt vorgesehen,<br />
welches die beiden Themenbereiche <strong>Informatik</strong> und Biologie durch die Erstellung einer<br />
Multimediapräsentation über den Themenkomplex „Wirbeltiere“ verknüpft.<br />
7. Jahrgangsstufe<br />
In dieser Jahrgangsstufe teilt sich „Natur und Technik“ mit 28 Stunden auf den Themenbereich<br />
<strong>Informatik</strong> und mit 56 Stunden auf den Themenbereich Physik auf. Dabei<br />
sollen in <strong>Informatik</strong> folgende Themen behandelt werden:<br />
37
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
• „Vernetzte Informationsstrukturen - Internet“ (ca. 12 Std.)<br />
• „Austausch von Informationen - E-Mail“ (ca. 4 Std.)<br />
• „Beschreibung von Abläufen durch Algorithmen“ (ca. 12 Std.)<br />
Auch in dieser Jahrgangsstufe soll ein übergreifendes Projekt im Themenbereich Internet<br />
stattfinden.<br />
Die im Folgenden vorgestellten Konzeptvorschläge wurden in Anlehnung an die<br />
Ausführung zur Unterrichtsgestaltung aus Kapitel 6 erstellt. Sie können einzeln eingesetzt<br />
werden, da sie nicht aufeinan<strong>der</strong> aufbauen. Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass es<br />
sich um theoretische Konzepte handelt, ist eine Analyse <strong>der</strong> Klasse nicht möglich. Aus<br />
diesem Grund wird jeweils zuerst kurz das geplante Rahmenkonzept dargestellt und<br />
daran erläutert, welche Bedingungen zur Umsetzung gegeben sein sollten, d.h. welche<br />
Ergebnisse die Klassenanalyse für einen optimalen Einsatz liefern sollte.<br />
In einigen Vorschlägen wurden Beispielaufgaben dargestellt, welche exemplarisch<br />
die Interessen <strong>der</strong> Mädchen und Jungen wie<strong>der</strong>spiegeln sollen. Bei <strong>der</strong> konkreten Umsetzung<br />
sollte <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> Aufgaben eine Interessensanalyse <strong>der</strong> Schülerinnen<br />
und Schüler vorausgehen, um einer Verstärkung von Rollenklischees, durch ungeschickte<br />
Beispielwahl, entgegenzuwirken. Generell wurde darauf geachtet, dass im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Vorschläge möglichst viele verschiedene Beispiele und Umsetzungsstrategien<br />
aufgezeigt werden.<br />
38
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
7.1 Die erste Stunde - Informationen und ihre<br />
Darstellung<br />
Rahmenkonzept<br />
Da eine Voranalyse des Klassenklimas kaum möglich ist und für ein Konzept im Sinne<br />
einer „reflexiven Koedukation“ zuerst ein kooperatives Arbeitsklima und eine gegenseitige<br />
Vertrauensbasis zwischen Lehrkraft und Klasse sichergestellt werden sollte,<br />
erfolgt die erste Stunde koedukativ. Nach einem kurzen Überblick über die Inhalte<br />
des <strong>Informatik</strong>unterrichts und einer Einführung in das Thema „Informationen und ihre<br />
Darstellung“ erfolgt eine selbstständige Erarbeitung <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler<br />
des Themas „Was wünsche o<strong>der</strong> erwarte ich mir vom <strong>Informatik</strong>unterricht“ mittels<br />
verschiedener Medien mit anschließen<strong>der</strong> Präsentation und Zusammenfassung.<br />
Zielplanung<br />
Analyse <strong>der</strong> Klassensituation<br />
Die Zusammensetzung <strong>der</strong> Klasse, also <strong>der</strong> Mädchen- und Jungenanteil, kann vorab<br />
über die Klassenliste analysiert werden. Ist eine Gruppe stark unterrepräsentiert, sollte<br />
man dies bei <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> ersten <strong>Informatik</strong>stunde mitberücksichtigen. Eine Klassenanalysen<br />
über Arbeitshaltung und Sozialklima ist eigentlich nicht möglich. Selbst<br />
dann, wenn man die Klasse schon im Vorjahr in einem an<strong>der</strong>en Fach o<strong>der</strong> außerunterichtlichen<br />
Zusammenhang (z.B. Projekt) kennenlernen konnte, lassen sich aufgrund<br />
des erstmaligen Auftretens des Faches „<strong>Informatik</strong>“ in <strong>der</strong> Stundentafel kaum<br />
Voraussagen über Einstellung und Haltung treffen. Auch Eindrücke über Klima und<br />
Sozialstruktur innerhalb <strong>der</strong> Klasse können sich über den Zeitraum <strong>der</strong> Sommerferien<br />
sehr verän<strong>der</strong>t haben.<br />
Didaktische Analyse und Festlegung <strong>der</strong> fachlichen Lernziele<br />
Aus [NuT6]:<br />
„NT 6.2.1 Information und ihre Darstellung (ca. 2 Std.)<br />
Anhand von Beispielen aus ihrer Erfahrungswelt wird den Schülern deutlich, dass<br />
Information auf ganz unterschiedliche Weise (z. B. Text, Bild, Diagramm, Ton) dargestellt<br />
werden kann. Sie stellen fest, dass es stark von <strong>der</strong> gewählten Darstellungsform<br />
abhängt, wie gut bzw. genau sich die ursprüngliche Information durch Interpretation<br />
wie<strong>der</strong>gewinnen lässt. Diese grundsätzliche Erkenntnis wird im Lauf<br />
des Schuljahres an verschiedenartigen Dokumenten - unterstützt durch die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Software - weiter vertieft.“<br />
Die Klasse soll mithilfe <strong>der</strong> Einführung in das Thema „Information und ihre Darstellung“<br />
die Idee des <strong>Informatik</strong>unterrichts (vgl. Kapitel 6.1) erkennen, um sie in darauffolgenden<br />
Themen realisieren zu können.<br />
39
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Der Bezug zur Gegenwart ergibt sich für die Schülerinnen und Schüler direkt über<br />
Referate und Vorstellungen von Gruppenarbeitsergebnissen, welche sie aus an<strong>der</strong>en<br />
Fächern bereits kennen, und indirekt über die Wirkung von Informationen, z.B. durch<br />
Werbung. Im Bezug auf das spätere berufliche Leben ist das Thema bereits bei <strong>der</strong><br />
„Bewerbung“, also <strong>der</strong> Darstellung von persönlichen Informationen wichtig und zieht<br />
sich bei vielen Berufen kontinuierlich durch den Arbeitsalltag.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> Darstellung von Informationen folgt man folgen<strong>der</strong> Struktur: Nach <strong>der</strong><br />
Analyse, welche Inhalte man zu welchem Zweck darstellen möchte erfolgt das Sammeln<br />
und Auswählen <strong>der</strong> zugehörigen Informationen. Darauf basierend wird sodann<br />
die Art <strong>der</strong> Darstellung (z.B. Text, Bild, Diagramm, . . . ) bestimmt und das Darstellungsmedium<br />
gestaltet. Dies wird durch die Präsentation <strong>der</strong> Informationen abgeschlossen.<br />
Der Darstellung folgen die Verarbeitung und Interpretation seitens <strong>der</strong> Informationsempfänger.<br />
In <strong>der</strong> Umsetzungsphase werden die Kin<strong>der</strong> voraussichtlich im Bereich <strong>der</strong> Beschaffung<br />
und Auswahl, sowie <strong>der</strong> Wirkanalyse <strong>der</strong> Informationen mehr Schwierigkeiten<br />
haben als bei <strong>der</strong> kreativen Umsetzung und Erstellung <strong>der</strong> Medien. Bei <strong>der</strong> Präsentation<br />
werden voraussichtlich einige Kin<strong>der</strong> große Probleme haben, wohingegen an<strong>der</strong>e<br />
diese Aufgabe souverän lösen werden.<br />
Erweiterte Ziele im Sinne einer reexiven Koedukation<br />
Ein positives Klassenklima und eine offene Einstellung gegenüber dem neuen Fach<br />
sind Voraussetzung für guten Unterricht und vor allem für eine „reflexive Koedukation“.<br />
Somit sollte das Primärziel <strong>der</strong> ersten Stunde darin bestehen, die gesamte<br />
Klasse positiv auf den neuen Themenbereich „<strong>Informatik</strong>“ einzustimmen. Eventuelle<br />
Ängste, die vor allem von Seiten <strong>der</strong> Mädchen zu erwarten sind, gilt es in <strong>der</strong> ersten<br />
Stunde abzubauen. Dabei ist es wichtig, Vorkenntnisse und Interessen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> herauszuarbeiten,<br />
ohne jedoch durch eine kommentarlose Sammlung von Vorwissen die<br />
unerfahrenen Schülerinnen und Schüler abzuschrecken. Im Rahmen einer gemeinsamen<br />
kreativen praktischen Arbeit ohne Computereinsatz sollen geschlechtsbezogene<br />
Vorurteile im Bezug auf <strong>Informatik</strong> gemin<strong>der</strong>t werden, da sich alle gleichermaßen einbringen<br />
können. Zudem wird durch die kooperative Arbeitsform das soziale Klima<br />
<strong>der</strong> Klasse verstärkt.<br />
Vorbereitung<br />
Festlegung <strong>der</strong> Sozialform<br />
Der anfängliche Überblick und die abschließende Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse erfolgen<br />
mittels Frontalunterricht. Die Erarbeitung <strong>der</strong> Wünsche und Erwartungen an den <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
wird in geschlechtshomogenen Kleingruppen von je 4-5 Personen<br />
ausgeführt.<br />
40
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Auswahl <strong>der</strong> Medien<br />
Der Unterrichtseinstieg geschieht mithilfe einer Multimediapräsentation. Für die<br />
Gruppenarbeit sollten, je nach Ausstattung, unterschiedliche Medien zur Verfügung<br />
gestellt werden, wie z.B. Tafel, Tageslichtprojektor, Pinnwand, Flip-Chart, Plakat, usw.<br />
und <strong>der</strong>en zugehörige Materialien.<br />
Checkliste für die Arbeitsmaterialien<br />
• Multimediafolien für den Unterrichtseinstieg<br />
• Material für Gruppenarbeit: Folien, Kreide, Plakate, Folienstifte, Filzstifte, Kleber,<br />
Schere, usw.<br />
Struktur des Stundenverlaufs<br />
Einstieg<br />
Das Einführungsthema „Information und ihre Darstellung“, das einhergeht mit einem<br />
kurzen allgemeinen Überblick über die Themen des <strong>Informatik</strong>unterrichts, soll vor<br />
allem den Mädchen die eventuelle Scheu vor dem neuen Fach nehmen. Die Aufbereitung<br />
<strong>der</strong> Präsentation soll für beide Geschlechter ansprechend sein. So erhalten die<br />
Kin<strong>der</strong> einen Überblick über verschiedene Formen <strong>der</strong> Informationsdarstellung, wie<br />
Texte, statisch und animierte Bil<strong>der</strong> und Diagramme, Geräusche und Tonaufzeichnungen<br />
mit den jeweiligen Hinweisen, welche Themenbereiche sie im kommenden Schuljahr<br />
noch näher kennenlernen werden. Anhand von verschiedenen Beispielen aus <strong>der</strong><br />
Werbung wird <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> Darstellungsform auf die Interpretation angesprochen.<br />
Erarbeitung<br />
Nach <strong>der</strong> Einführungsphase werden geschlechtshomogene Gruppen von 4-5 Kin<strong>der</strong>n<br />
gebildet und den verschiedenen vorbereiteten Medien zugeteilt. Im Anschluss daran<br />
innerhalb <strong>der</strong> Gruppen die Wünsche und Erwartungen an den <strong>Informatik</strong>unterricht<br />
gesammelt und mithilfe <strong>der</strong> Medien aufbereitet. Der zeitliche Rahmen sollte etwa 20<br />
Minuten betragen. Vor allem die Jungen sollen durch die Gruppenarbeit profitieren<br />
und die Möglichkeit bekommen, dort ihre Sozialkompetenz zu för<strong>der</strong>n und ihre Vorkenntnisse<br />
miteinzubringen. Die Lehrkraft unterstützt die Schülerinnen und Schüler<br />
bei Fragen und <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Zeitvorgabe.<br />
Ergebnissicherung<br />
Nach <strong>der</strong> Fertigstellung <strong>der</strong> Gruppenarbeit werden die Ergebnisse im Plenum präsentiert<br />
und zum Anlass genommen, Vor- und Nachteile verschiedener Medien und<br />
Darstellungsweisen von Informationen zu besprechen. Zudem sollte die Lehrkraft die<br />
41
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Wünsche und Erwartungen bezüglich ihrer Realisierbarkeit kurz kommentieren. Die<br />
Präsentationen können sich je nach Arbeitsweise <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in die zweite Stunde hineinziehen.<br />
Es sollte jedoch darauf geachtet werden, die Vorträge in einem Rahmen von<br />
3–5 Minuten zu halten.<br />
Vorüberlegungen zur Auswertung<br />
Die spielerische Einführung in den <strong>Informatik</strong>unterricht soll eine positive Arbeitshaltung<br />
dem Fach gegenüber wecken und ein angenehmes Sozialklima erwirken. Anhand<br />
<strong>der</strong> Präsentationen kann ein erster Eindruck über die Erwartungen und Wünsche <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> an den <strong>Informatik</strong>unterricht gewonnen werden. Diese können dann in die weitere<br />
Unterrichtsplanung einfließen.<br />
42
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
7.2 Pixel- und Vektorgraphiken<br />
Rahmenkonzept<br />
Die Unterrichtseinheit ist auf drei Stunden ausgelegt. Die Kin<strong>der</strong> sollen den Unterschied<br />
zwischen Pixel- und Vektorgraphiken erkennen, indem sie sich einerseits mit<br />
einem Mal- sowie einem Zeichenprogramm 7 auseinan<strong>der</strong>setzen und an<strong>der</strong>erseits spielerisch<br />
durch praktische Übungen einen Zugang zur abstrakten Vorstellung erhalten.<br />
Im Anschluss werden sie mit den Begriffen „Objekt“, „Attribut“ und „Attributwert“<br />
vertraut gemacht, erlernen die korrekte Schreibweise und wenden diese auf vorher<br />
erarbeitete Beispiele an.<br />
Zielplanung<br />
Analyse <strong>der</strong> Klassensituation<br />
Das Konzept ist geeignet für kleine bis mittelstarke Klassen, in denen <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Mädchen und Jungen relativ ausgeglichen ist. Im Vorgespräch ist die Kooperationsbereitschaft<br />
und Experimentierfreude <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zu ermitteln.<br />
Der Computerraum muss neben den Rechnerarbeitsplätzen mindestens ebenso viele<br />
Pultarbeitsplätze bereitstellen, da parallel in beiden Bereichen gearbeitet wird.<br />
Didaktische Analyse und Festlegung <strong>der</strong> fachlichen Lernziele<br />
„NT 6.2.2 Informationsdarstellung mit Graphikdokumenten - Graphiksoftware<br />
(ca. 8 Std.)<br />
Den Schülern wird bewusst, dass man mittels Graphiken einfach und effektiv Information<br />
darstellen kann. Spielerisch und intuitiv gelingt es ihnen, reale Situationen<br />
zielgerichtet in Graphiken abzubilden. Überlegungen zur Struktur von Graphiken<br />
führen zur objektorientierten Sichtweise. Die Schüler erkennen, dass jedes<br />
Objekt <strong>der</strong> Graphik bestimmte Eigenschaften hat und einer Klasse gleichartiger<br />
Objekte zugeordnet ist. Bei <strong>der</strong> praktischen Arbeit mit Graphikprogrammen wird<br />
ihnen auch die Notwendigkeit einer einfachen, einheitlichen Beschreibungssprache<br />
zur eindeutigen und effektiven Verständigung deutlich.<br />
• Objekte als Informationseinheiten in Graphiken<br />
• Objekte einer Vektorgraphik: Attribut, Attributwert und Methode<br />
• Beschreibung gleichartiger Objekte durch Klassen: Rechteck, Ellipse, Textfeld,<br />
Linie“<br />
Die Kin<strong>der</strong> haben bereits die theoretischen Grundlagen über Informationen und ihre<br />
Darstellung erworben. Diese sollen nun durch praktische Anwendung umgesetzt und<br />
7 Als Malprogramm bezeichnet man Programme zur Erzeugung von Pixelgraphiken, als Zeichenprogramm<br />
die zur Erzeugung von Vektorgraphiken<br />
43
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
dadurch vertieft werden. Durch den wachsenden Markt von Farbdruckern, Scannern,<br />
Digitalkameras und vor allem Handys mit integrierten Kameras steigt das Interesse<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen auch im Themenbereich „Bildbearbeitung“. Gerade für<br />
den schulischen Bereich ist im Bezug auf die Ausarbeitung von Referaten o<strong>der</strong> Hausarbeiten<br />
in verschiedenen Fächern ein sicherer Umgang mit Mal- und Zeichenprogrammen<br />
unabdingbar. Für den <strong>Informatik</strong>unterricht sind die Begriffe „Objekt“, „Attribut“<br />
und „Attributwert“ zentrale Grundlage für das Verständnis informationstechnischer<br />
Systeme und Strukturen, auf denen später die Begriffe „Klasse“ und „Methode“ sowie<br />
alle weiteren damit verbundenen Zusammenhänge aufgebaut werden. Daher werden<br />
für diese Unterrichtseinheit mehrere verschiedene Lernziele festgehalten: Zum einen<br />
<strong>der</strong> Umgang mit <strong>der</strong> Software und damit verbunden die Erarbeitung <strong>der</strong> Merkmale<br />
und Unterschiede von Pixel- und Vektorgraphiken. Zum an<strong>der</strong>en das Herausarbeiten<br />
<strong>der</strong> Objekte von Vektorgraphiken samt <strong>der</strong>en Attribute und Attributwerte. Diese<br />
Abstraktion, wie auch <strong>der</strong> genaue Aufbau und Unterschied von Pixel- und Vektorgraphiken,<br />
wird den Kin<strong>der</strong>n voraussichtlich schwerer fallen als <strong>der</strong> Umgang mit <strong>der</strong><br />
Software. Daher sollten die Jungen und Mädchen genügend Zeit, aber auch verschiedene<br />
Zugangsmöglichkeiten für diese abstrakten Denkvorgänge erhalten.<br />
Erweiterte Ziele im Sinne einer reexiven Koedukation<br />
Vor allem zu Beginn des <strong>Informatik</strong>unterrichts möchten die meisten Jungen verstärkt<br />
ihre Vorkenntnisse einbringen und ausgiebig selbstständig am PC experimentieren.<br />
Diesen Bedürfnissen soll in dieser Unterrichtseinheit entgegen gekommen werden.<br />
Allerdings soll auch die Bereitschaft und Fähigkeit zur Kompromissbildung dabei eingeübt<br />
werden. Den Mädchen soll einerseits durch praktisch-kreativen Zugang ohne<br />
Computereinsatz ein Überblick und Grundverständnis <strong>der</strong> Thematik ermöglicht werden.<br />
An<strong>der</strong>erseits soll durch Einzelarbeit am PC, die ihnen zu Beginn voraussichtlich<br />
eher schwer fallen wird, <strong>der</strong> Mut und das Vertrauen in die eigenen informationstechnischen<br />
Fähigkeiten gestärkt werden, indem sie erkennen, dass sie die Aufgaben selbstständig<br />
lösen können.<br />
Vorbereitung<br />
Festlegung <strong>der</strong> Sozialform<br />
Die Klasse wird in Mädchen und Jungen geteilt. Je eine Gruppe arbeitet in Einzelarbeit<br />
an den Rechnern, während die an<strong>der</strong>e Gruppe in Gruppenarbeit einen Lernzirkel<br />
durchläuft. Mädchen und Jungen sind somit eine Stunde mit dem Computer und eine<br />
Stunde mit <strong>der</strong> Gruppenarbeit beschäftigt. Die Einzelarbeit bietet den Vorteil, dass alle<br />
in ihrem eigenen Arbeitstempo arbeiten können und Vorkenntnisse gut eingebracht<br />
werden können. Im Anschluss werden die theoretischen Hintergründe anhand <strong>der</strong><br />
Ergebnisse innerhalb eines Unterrichtsgesprächs erarbeitet.<br />
44
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Auswahl <strong>der</strong> Medien<br />
Am Computer arbeiten die Kin<strong>der</strong> mithilfe eines Arbeitsblattes. Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong><br />
Software sollte ein sehr einfaches Zeichenprogramm ohne Entwicklungsumgebung<br />
gewählt werden, da die Kin<strong>der</strong> sich die Handhabung <strong>der</strong> Software selbstständig erarbeiten<br />
sollen. In anschließenden Unterrichtseinheiten ist jedoch <strong>der</strong> Einsatz eines<br />
erweiterten Zeichenprogamms, wie z.B. EOS durchaus zu empfehlen. Innerhalb des<br />
Lernzirkels folgen die Kin<strong>der</strong> den Anweisungen <strong>der</strong> Stationen. Die Erarbeitung <strong>der</strong><br />
neuen Inhalte wird durch eine Multimediapräsentation begleitet, erfolgt jedoch primär<br />
an <strong>der</strong> Tafel. Als Hilfestellung sollte eine Zusammenstellung von Erklärungen <strong>der</strong><br />
Grundfunktionen und <strong>der</strong>en Bedienung für beide Programme ausgeteilt werden.<br />
Checkliste für die Arbeitsmaterialien<br />
• Arbeitsblätter für die Computerarbeit für Mädchen und Jungen (siehe Anhang<br />
A)<br />
• Anweisungen <strong>der</strong> Stationen für Mädchen und Jungen (siehe Anhang A)<br />
• „Hilfezettel“<br />
• „Hämmerchenspiel“ und „Steckspiel“, wenn möglich in mehrfacher Ausführung<br />
Abbildung 7.1: Hämmerchenspiel und Steckspiel<br />
Struktur des Stundenverlaufs<br />
Einstieg<br />
Zu Beginn erfolgt ein kurz gehaltener Überblick über Organisation und Ablauf <strong>der</strong><br />
folgenden drei Unterrichtsstunden, um den Befürchtungen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, sie könnten<br />
durch die Arbeitsteilung wichtige Inhalte verpassen, entgegen zu wirken. Danach verteilen<br />
sich die Jungen auf die Computerarbeitsplätze, die Mädchen finden sich in drei<br />
Gruppen an den Pultarbeitsplätzen zusammen.<br />
45
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Erarbeitung<br />
Durch die Klassenteilung können die Jungen allein an den Rechnern arbeiten und so<br />
ihre Vorkenntnisse voll ausschöpfen. Ihre Aufgabe ist nun, zuerst mit einem Malprogramm,<br />
dann mit einem Zeichenprogramm das Bild eines Autos zu erzeugen und zu<br />
speichern. Hierbei sollen je 10 Minuten auf die Aufgaben verwandt werden. Trotz Zeitangabe<br />
auf dem Arbeitsblatt sollte auch die Lehrkraft auf die Einhaltung des zeitlichen<br />
Rahmens achten. Danach werden bis zum Ende <strong>der</strong> Stunde beide Bil<strong>der</strong> im Rahmen eines<br />
„Auto-Tunings“ verän<strong>der</strong>t (Objekte vergrößern/verkleinern, Farben än<strong>der</strong>n, etc.).<br />
Daran werden zum einen die Vor- und Nachteile für bestimmte Funktionen, zum an<strong>der</strong>en<br />
die Unterschiede in den beiden Bildarten erkannt und teilweise festgehalten.<br />
Diese Aufgaben för<strong>der</strong>n die Arbeitsweise <strong>der</strong> Jungen und ermöglichen ihnen einen<br />
Zugang durch „Versuch und Irrtum“.<br />
Die Mädchen durchlaufen in <strong>der</strong> Zwischenzeit im Lernzirkel drei nicht aufeinan<strong>der</strong><br />
aufbauende Stationen, wobei pro Station etwa 10 Minuten Bearbeitungszeit angesetzt<br />
sind. An Station 1 wird mithilfe des Hämmerchenspiels das Bild einer Landschaft<br />
(Häuschen, Baum, Sonne, . . . ) zusammengestellt und die Einzelteile gezählt. Danach<br />
wird untersucht, wie sich die Anzahl <strong>der</strong> Teile nach <strong>der</strong> Vergrößerung, bzw. Verkleinerung<br />
eines Objektes än<strong>der</strong>t. An <strong>der</strong> zweiten Station übertragen die Mädchen das<br />
vorgegebene Bild in ihr Heft.<br />
Abbildung 7.2: Vorlage für Station 2<br />
An <strong>der</strong> dritten Station „malen“ die Mädchen durch Verwendung des Steckspiels ein<br />
Haus. Auch hier werden danach die Einzelteile gezählt und es wird analysiert, wie sich<br />
<strong>der</strong>en Anzahl bei <strong>der</strong> Größenverän<strong>der</strong>ung eines Objekts verhält. Im Vergleich <strong>der</strong> Stationen<br />
sollen die Mädchen erkennen, dass sich beim Hämmerchenspiel, im Gegensatz<br />
zum Steckspiel, die Anzahl <strong>der</strong> Einzelteile bei Vergrößerung eines Objektes kaum än<strong>der</strong>t.<br />
Im Bezug auf die Smileys sollten sie erkennen, dass <strong>der</strong> linke Smiley <strong>der</strong> Technik<br />
des Steckspiels, <strong>der</strong> rechte eher <strong>der</strong> des Hämmerchenspiels entspricht.<br />
In <strong>der</strong> zweiten Stunde arbeiten die Mädchen mit dem Mal- und dem Zeichenprogramm.<br />
Pro Programm sollen sie je 10 Minuten darauf verwenden, das Bild eines<br />
Schmetterlings zu erzeugen. Durch den „Hilfezettel“ und den Bezug zur praktischen<br />
Übung <strong>der</strong> Vorstunde soll eine eventuelle Unsicherheit bezüglich <strong>der</strong> Alleinarbeit ge-<br />
46
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
min<strong>der</strong>t werden. Da Mädchen oftmals dazu neigen, sich bei <strong>der</strong> Arbeit am Computer<br />
in Details zu verlieren, soll auch hier die Einhaltung <strong>der</strong> Zeitvorgaben überwacht werden.<br />
Die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit beiden Programmen ist wichtiger als ein sehr detailliertes<br />
Ergebnis in nur einem Bereich. Auch die Jungen bearbeiten den Lernzirkel in<br />
drei Gruppen. Während Station 2 identisch <strong>der</strong>er im Lernzirkel <strong>der</strong> Mädchen ist, sind<br />
Station 1 und 3 etwas abgewandelt und bauen auf den Ergebnissen <strong>der</strong> Mädchen auf.<br />
Die Jungen stellen dabei den Bezug zwischen den Programmen <strong>der</strong> Vorstunde und<br />
den Spielen her. An den Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Mädchen werden Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommen,<br />
anhand <strong>der</strong>er die Vorteile und Schwierigkeiten <strong>der</strong> jeweiligen Spiele erkannt werden<br />
sollen. Um die sprachlichen Fähigkeiten <strong>der</strong> Jungen zu för<strong>der</strong>n sollen die Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Beobachtungen schriftlich festgehalten werden.<br />
Die dritte Stunde beginnt mit <strong>der</strong> Sammlung <strong>der</strong> Ergebnisse aus den Vorstunden.<br />
Einleitend durch Bil<strong>der</strong> von berühmten Mosaiken kann Motivation erzeugt werden.<br />
Durch die intensive Vorarbeit mit den unterschiedlichen Beispielen (Autos und Schmetterlinge)<br />
können sich alle Kin<strong>der</strong> gleichermaßen einbringen. Bei dieser Zusammenfassung<br />
ist es wichtig, den Mädchen und Jungen aufzuzeigen, dass alle die gleichen Inhalte<br />
auf gleicher Niveaustufe vorbereitet haben. (Empfinden einige Kin<strong>der</strong> eine Benachteiligung<br />
o<strong>der</strong> Bevorzugung einer Gruppe o<strong>der</strong> Differenzen im Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Aufgaben, so werden folgenden Versuche im Sinne einer „reflexiven<br />
Koedukation“ erheblich erschwert.) Die Begriffe „Pixel- und Vektorgraphik“ werden<br />
konkretisiert, die Eigenschaften und Unterschiede gemeinsam erarbeitet und in einem<br />
Hefteintrag festgehalten. Der Hefteintrag könnte (in Anlehnung an [ISB04]) folgen<strong>der</strong>maßen<br />
aussehen: Anhand genauerer Betrachtungen <strong>der</strong> Objekte in Vektorgraphiken<br />
Pixelgraphik<br />
Vektorgraphik<br />
Software Malprogramm<br />
(z.B. „Name des eingesetzten<br />
Programms“)<br />
Zeichenprogamm<br />
(z.B. „Name des eingesetzten<br />
Programms“)<br />
Aufbau besteht aus einzelnen Bildpunkten,<br />
besteht aus Grundelementen,<br />
den Pixeln<br />
z.B. Rechteck, Linie, Ellipse,. . .<br />
Vorteile Freihandzeichnung leichter, . . . Verän<strong>der</strong>n von Position, Größe<br />
und Farbe leichter, . . .<br />
Tabelle 7.1: Vorschlag für Hefteintrag<br />
werden im allgemeinen Beispiel eines Hauses die Begriffe „Objekt“, „Attribut“ und<br />
„Attributwert“ eingeführt und die dazugehörige Schreibweise erlernt. Zum Beispiel:<br />
Objekte: Dach, Fenster1, Fenster2, Tür, usw.<br />
Attribute: Füllfarbe, Position, Höhe, Breite, Linienfarbe, usw.<br />
Attributwerte: Dach.Füllfarbe=rot, Fenster1.Höhe=3cm, Türe.Linienfarbe=blau, usw.<br />
In diesem Zusammenhang kann auch über vorteilhafte Bezeichnung <strong>der</strong> Objekte<br />
diskutiert werden. Um zukünftigen Verständnisschwierigkeiten vorzubeugen, gilt es<br />
sich am Ende <strong>der</strong> Diskussion auf eine Konvention zu einigen. Als erste Übung und<br />
47
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Verinnerlichung sollten die Kin<strong>der</strong> die Möglichkeit bekommen, die Objekte mit ihren<br />
zugehörigen Attributen und Attributwerten zu ihren eigenen Beispielen herauszuarbeiten.<br />
Ergebnissicherung<br />
Zur Gewährleistung einer fehlerfreien Definition <strong>der</strong> theoretischen Begriffe werden<br />
die Ergebnisse innerhalb eines einheitlichen Hefteintrages festgehalten. Aufgrund <strong>der</strong><br />
hohen Priorität dieser zentralen Begriffe, sollten diese in den Folgestunden weiterhin<br />
gründlich wie<strong>der</strong>holt und eingeübt werden.<br />
Vorüberlegungen zur Auswertung<br />
Bei <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Unterrichtseinheit sollte <strong>der</strong> Fokus auf den erweiterten Zielen<br />
liegen und eine Analyse beinhalten, die Auskunft darüber gibt, ob weitere Konzepte<br />
im Sinne einer „reflexiven Koedukation“ in dieser Klasse sinnvoll erscheinen. Dabei<br />
wird untersucht, wie die allgemeine Stimmung dem Thema gegenüber in <strong>der</strong> Klasse<br />
war, ob die Mädchen und Jungen bereit waren, sich auf die Arbeitsteilung einzulassen<br />
und ob Vorwürfe – Benachteiligungen o<strong>der</strong> Bevorzugungen betreffend – auftraten.<br />
48
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
7.3 Multimediapräsentationen<br />
Rahmenkonzept<br />
Dieser Konzeptvorschlag eignet sich beson<strong>der</strong>s gut für einen ersten Versuch, den Unterricht<br />
gemäß <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ zu gestalten und bedarf keiner geson<strong>der</strong>ten<br />
Organisation. Die Kin<strong>der</strong> erlernen den Umgang mit <strong>der</strong> Präsentationssoftware<br />
durch die Bearbeitung eines Arbeitsblattes in Kombination mit einem bereitgestellten<br />
Foliensatz, welcher im Laufe <strong>der</strong> Unterrichtseinheit verän<strong>der</strong>t bzw. erweitert wird. Als<br />
zeitlicher Rahmen ist je nach Leistungsstärke <strong>der</strong> Klasse eine bis maximal zwei Unterrichtsstunden<br />
vorgesehen.<br />
Zielplanung<br />
Analyse <strong>der</strong> Klassensituation<br />
Da sich diese Stunde auf die Arbeit mit <strong>der</strong> Präsentationssoftware beschränkt, halten<br />
sich die Kin<strong>der</strong> nur an den Computerarbeitsplätzen auf. Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass<br />
sich Mädchen und Jungen in dieser Altersgruppe bei Wahlmöglichkeit fast immer automatisch<br />
zu geschlechtshomogenen Paaren zusammenfinden, müssen hier keine beson<strong>der</strong>en<br />
Voraussetzungen innerhalb <strong>der</strong> Klassensituation vorherrschen (vgl. [Met91:<br />
68]).<br />
Didaktische Analyse und Festlegung <strong>der</strong> fachlichen Lernziele<br />
Aus [NuT6]:<br />
„NT 6.2.4 Informationsdarstellung mit einfachen Multimediadokumenten -<br />
Präsentationssoftware (ca. 5 Std.)<br />
Durch Kombination verschiedener, schon bekannter Darstellungsarten von Information<br />
erstellen die Schüler Multimediadokumente und erkennen <strong>der</strong>en Nutzen.<br />
Dabei bewähren sich erneut die bereits erlernten Begriffe <strong>der</strong> objektorientierten<br />
Betrachtungsweise. Verschiedenartige Animationen, wie sie Präsentationssoftware<br />
zur Gestaltung bietet, helfen den Schülern, das Prinzip <strong>der</strong> Methoden von Objekten<br />
besser zu verstehen. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Schwerpunkt Biologie<br />
erstellen sie eine Präsentation zum Themenbereich Wirbeltiere [→ NT 6.1.1].<br />
Dabei lernen sie auch Kriterien für die Qualität von Präsentationen kennen.<br />
• die Klasse „Folie“ (Zusammenspiel von Text, Graphik, Bild, Ton)<br />
• Verbesserung <strong>der</strong> Informationsdarstellung durch geeignete Animation <strong>der</strong><br />
Objekte“<br />
Die Erstellung und <strong>der</strong> Einsatz von Multimediapräsentationen, wie auch <strong>der</strong> sichere<br />
Umgang mit zugehöriger Software ist für die Schülerinnen und Schüler sehr interessant,<br />
da sie diese danach auch in an<strong>der</strong>en Fächern o<strong>der</strong> im privaten Bereich<br />
49
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
für Referate, Vorträge, etc. nutzen können. Vor allem im späteren beruflichen Leben<br />
sind Kenntnisse in diesem Bereich in vielen Berufssparten unabdingbar. Durch die<br />
vorausgegangene Bearbeitung <strong>der</strong> Themen im Bereich <strong>der</strong> Text- und Bildbearbeitung<br />
wird <strong>der</strong> Umgang mit Präsentationssoftware den Kin<strong>der</strong>n voraussichtlich keine großen<br />
Schwierigkeiten bereiten. Da allerdings Kin<strong>der</strong> oft dazu tendieren, Präsentationsfolien<br />
mit Inhalt und Animation zu überladen, sollten neben <strong>der</strong> reinen Funktionalität auch<br />
Qualitätskriterien behandelt werden.<br />
Erweiterte Ziele im Sinne einer reexiven Koedukation<br />
Ist dieser Unterrichtsversuch <strong>der</strong> erste im Bereich <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“, so<br />
sollte er in erster Linie die Sensibilisierung und Heranführung an die Thematik zum<br />
Ziel haben. Die Kin<strong>der</strong> sollen die Vorteile erkennen ohne eine Benachteiligung bzw.<br />
Bevorzugung einer Gruppe zu befürchten und die Bereitschaft erlangen, sich auch<br />
weiterhin auf Unterrichtsversuche dieser Art einzulassen. Durch geringfügig unterschiedliche<br />
Aufgabenstellungen für Mädchen und Jungen können die verschiedenen<br />
Interessengebiete und Arbeitsweisen angesprochen werden und die Kin<strong>der</strong> langsam<br />
an <strong>der</strong>artige Konzepte herangeführt werden.<br />
Vorbereitung<br />
Festlegung <strong>der</strong> Sozialform<br />
Die Aufgaben werden in geschlechtshomogenen Paaren bearbeitet und die Ergebnisse<br />
nach Fertigstellung frontal im Plenum vorgestellt. Eindrücke und Erfahrung zum<br />
neuen Unterrichtskonzept werden innerhalb eines lockeren Unterrichtsgesprächs ausgetauscht.<br />
Auswahl <strong>der</strong> Medien<br />
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten hauptsächlich mit ihrem Arbeitsblatt und dem<br />
Computer. Zur Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse empfiehlt sich zusätzlich die Bereitstellung<br />
eines Videobeamers.<br />
Checkliste für die Arbeitsmaterialien<br />
• Arbeitsblätter für Mädchen und Jungen (siehe Anhang B)<br />
• Foliensätze für Mädchen und Jungen<br />
50
Struktur des Stundenverlaufs<br />
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Einstieg<br />
Beim Einstieg in die Stunde kann man die Kin<strong>der</strong> entwe<strong>der</strong> vorher über den Unterrichtsversuch<br />
informieren o<strong>der</strong> aber im Laufe <strong>der</strong> Stunde beobachten, ob ihnen die<br />
spezielle Aufgabenstellung auffällt.<br />
Erarbeitung<br />
In <strong>der</strong> Erarbeitungsphase sollten die Kin<strong>der</strong> in geschlechtshomogenen Paaren selbstständig<br />
am Computer arbeiten, während die Lehrkraft sich weitestgehend im Hintergrund<br />
hält und nur bei Bedarf Hilfestellungen gibt. Die erste Aufgabe des Arbeitsblattes<br />
hilft den Kin<strong>der</strong>n, durch Suche nach möglichen praktischen Anwendungen einen<br />
Realitätsbezug herzustellen, was vor allem für die Mädchen ein wichtiger motivieren<strong>der</strong><br />
Aspekt ist. Für die Jungen ist dabei von Vorteil, dass sie ihre Vorkenntnisse<br />
einbringen können.<br />
In <strong>der</strong> Folgeaufgabe werden die verschiedenen Ansichten von Folien erprobt. Den<br />
Jungen wird durch knappe Anweisungen die Möglichkeit gegeben, die Aufgabe durch<br />
„Suchen und Probieren“ zu lösen, während bei den Mädchen durch ausführlichere<br />
Anweisungen einer möglichen Überfor<strong>der</strong>ung und dem damit einhergehenden Motivationsverlust<br />
entgegengewirkt werden soll.<br />
Nach einer kurzen Übung zum Umgang mit <strong>der</strong> Sortierungsansicht, setzen sich Mädchen<br />
und Jungen auf <strong>der</strong> Grundlage von vorgegebenen Negativbeispielen mit den<br />
Qualitätskriterien für Präsentationsfolien auseinan<strong>der</strong>. Dabei liegt <strong>der</strong> Fokus bei den<br />
Mädchen, die sich oftmals in Details verlieren auf <strong>der</strong> dezenten und übersichtlichen<br />
Gestaltung, während die meist computerfaszinierten Jungen erkennen sollen, dass die<br />
Multimediapräsentation nur als Unterstützung und nicht als Ersatz des Referenten<br />
dienen soll.<br />
Im Zuge <strong>der</strong> letzten Aufgabe sollen die Kin<strong>der</strong> ihren Interessenbereichen entsprechend<br />
eine eigene Folie erstellen, wobei bei den Jungen die Aufgabenstellung auf den<br />
Themenbereich Sport, bei den Mädchen auf den Themenbereich Lyrik und Poesie bezogen<br />
ist. Dabei sind die Aufgaben relativ offen zu halten (nicht alle Jungen mögen<br />
Fußball!).<br />
Am Ende <strong>der</strong> Stunde sollten die Kin<strong>der</strong> die Möglichkeit bekommen, ihre zuletzt<br />
erstellte Folie präsentieren zu dürfen. Spätestens hier erkennen sie die unterschiedlichen<br />
Aufgabenstellungen, welche direkt zum Anlass genommen werden kann, über<br />
Eindrücke und Empfindungen zu sprechen und die Bereitschaft über weitere <strong>der</strong>artige<br />
Unterrichtsversuche geklärt werden.<br />
51
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Ergebnissicherung<br />
Die Lehrkraft sollte während <strong>der</strong> Partnerarbeit beobachten, ob die Kin<strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />
Bearbeitung <strong>der</strong> Aufgaben zurecht kommen. Da die ersten vier Aufgaben als Vorübung<br />
und Hinführung zur letzten Aufgabe konzipiert sind, sollte man etwaige Defizite bei<br />
<strong>der</strong> Ergebnispräsentation erkennen können und für diese zusammen mit <strong>der</strong> Klasse<br />
Verbesserungsvorschläge sammeln.<br />
Vorüberlegungen zur Auswertung<br />
Durch ein Unterrichtsgespräch am Ende <strong>der</strong> Stunde kann <strong>der</strong> allgemeine Eindruck <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> bezüglich des Unterrichtsversuchs aufgefangen werden. Bei positiver Resonanz<br />
können <strong>der</strong>artige Versuche fortgesetzt und gesteigert werden.<br />
52
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
7.4 Internet<br />
Rahmenkonzept<br />
Die Unterrichtseinheit besteht aus fünf Stunden und folgt dem Prinzip <strong>der</strong> „partiellen<br />
Seedukation“. Dabei werden vier Stunden geschlechtsdifferenziert und eine Stunde<br />
koedukativ abgehalten. Der Arbeitsablauf <strong>der</strong> beiden Gruppen ist gleich. Nach <strong>der</strong><br />
Erabeitung eines Informationsnetzwerkes mittels Pinnwänden erfolgt die Übertragung<br />
und Abstraktion auf Hypertextstrukturen. Dabei werden auch Aspekte wie Urheberrechte<br />
und die kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Informationen aus dem Internet behandelt.<br />
Die Unterrichtseinheit wird durch die Erstellung eines „Schüler-Wikis“ abgerundet.<br />
Zielplanung<br />
Analyse <strong>der</strong> Klassensituation<br />
Für eine „partielle Seedukation“ sollte <strong>der</strong> Mädchen- und Jungenanteil <strong>der</strong> Klasse<br />
ausgewogen sein. Um das Problem <strong>der</strong> doppelten Stundenanzahl zu verhin<strong>der</strong>n, können<br />
jeweils die Mädchen und Jungen zweier Parallelklassen zusammengelegt werden.<br />
Die Klassen müssen gut auf den Versuch vorbereitet werden. Die Bereitschaft, mit Jugendlichen<br />
<strong>der</strong> Parallelklasse zusammen zu arbeiten ist dabei genauso wichtig, wie<br />
das Vertrauen in die Lehrkraft, den folgenden Unterricht für beide Geschlechter gerecht<br />
und qualitativ gleichwertig zu gestalten.<br />
Didaktische Analyse und Festlegung <strong>der</strong> fachlichen Lernziele<br />
Aus [NuT7]:<br />
„Vernetzte Informationsstrukturen - Internet (ca. 12 Std.) Die Schüler erfahren,<br />
dass inhaltliche Zusammenhänge zwischen Dokumenten zu vernetzten Strukturen<br />
führen können, für die eine hierarchische Darstellung nicht ausreicht. An Beispielen<br />
aus dem Internet sammeln sie Erfahrungen mit dem Hypertext-Konzept, das<br />
sich beson<strong>der</strong>s gut zur Darstellung solcher Strukturen eignet und die Zusammenhänge<br />
einfach verfolgen lässt. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Schwerpunkt<br />
Physik vertiefen sie die neu gewonnenen Kenntnisse, indem sie selbst Hypertexte<br />
beispielsweise zum Thema „optische Geräte“ erstellen. Ihr Wissen über<br />
die Informationsstruktur des Internets macht ihnen die Notwendigkeit geeigneter<br />
Suchstrategien deutlich, um die erfor<strong>der</strong>lichen Informationen zu beschaffen. In<br />
diesem Rahmen werden auch rechtliche Aspekte des Interneteinsatzes angesprochen.<br />
• das Vernetzungsprinzip von Hypertexten, insbeson<strong>der</strong>e im Internet<br />
• die Klassen „Verweis“ und „Verweisziel“, Adressen als Attributwerte von<br />
Verweisen<br />
53
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
• die Beziehung „verweist auf“ zwischen Objekten<br />
• Analysieren und Erstellen von Hypertextstrukturen; Informationsbeschaffung<br />
im Internet“<br />
Zusammen mit dem Computer hält auch das Internet verstärkt Einzug in deutsche<br />
Kin<strong>der</strong>- und Jugendzimmer. Das Internet gewinnt so als Informations- und Kommunikationsmedium<br />
immer mehr Bedeutung. Im Bezug auf die berufliche und private<br />
Zukunft spielt es eine sehr große Rolle. Bei <strong>der</strong> Suche nach Ausbildungsstellen o<strong>der</strong><br />
Studienplätzen ist das Internet inzwischen eine <strong>der</strong> wichtigsten Bezugsquellen. Auch<br />
im weiteren beruflichen Leben o<strong>der</strong> Studium wird <strong>der</strong> sichere Umgang mit Internetbrowsern<br />
sowie die Fähigkeit, Informationen schnell zu finden und zu analysieren,<br />
oft vorausgesetzt. Wichtig ist hierbei, dass die Jugendlichen nicht nur den Umgang<br />
mit <strong>der</strong> Software und den strukturellen Aufbau von Hypertextsystemen kennenlernen,<br />
son<strong>der</strong>n sich auch kritisch mit den Informationen auseinan<strong>der</strong>setzen. Die Prüfung<br />
auf fachliche Korrektheit und die Analyse <strong>der</strong> Urheberrechte vor einer weiteren<br />
Verwendung spielen dabei eine entscheidende Rolle. Um die Theorie zu verinnerlichen<br />
und einzuüben, sollen die Schülerinnen und Schüler mithilfe eines hypertextfähigen<br />
Editors eine Struktur von eigenen HTML-Seiten erstellen. Das Erlernen <strong>der</strong> Sprache<br />
„HTML“ ist dabei nicht notwendig. Da das Hypertextprinzip den Jugendlichen voraussichtlich<br />
schwerer fallen wird, als <strong>der</strong> Umgang mit <strong>der</strong> Software, soll dies durch<br />
praktische Übungen ohne Computer kennengelernt werden und erst dann auf dem<br />
nötigen Abstraktionsgrad mit dem Computersystem in Verbindung gebracht werden.<br />
Erweiterte Ziele im Sinne einer reexiven Koedukation<br />
Bei diesem Konzept kommen vor allem die Vorteile, die eine „partielle Seedukation“<br />
mit sich bringt, zum tragen (vgl. Kapitel 4.3). Des weiteren erhalten die Mädchen die<br />
Möglichkeit, ihr Interesse und Selbstvertrauen im Fach Physik durch eigene Wahl <strong>der</strong><br />
Themenbereiche zu steigern. Die Jungen können durch die freie Organisation <strong>der</strong> Arbeit<br />
ihre Kooperationsfähigkeit för<strong>der</strong>n und Konfliktlösestrategien einüben. Durch die<br />
Trennung <strong>der</strong> Mädchen und Jungen entsteht eine Wettbewerbssituation, die durch die<br />
abschließende Zusammenführung aller Ergebnisse relativiert wird und somit das Klima<br />
innerhalb <strong>der</strong> beiden Klassen und das Zusammengehörigkeitsgefühl för<strong>der</strong>t.<br />
Vorbereitung<br />
Festlegung <strong>der</strong> Sozialform<br />
Die Informationsrecherche und -auswahl erfolgt durch entdeckendes Lernen. Die<br />
Jugendlichen organisieren sich dabei selbst, können also Kleingruppen bilden o<strong>der</strong><br />
einzeln arbeiten. In Form eines Unterrichtsgesprächs wird das Hypertextkonzept erarbeitet.<br />
Die Erstellung <strong>der</strong> HTML-Seiten geschieht durch Zweiergruppen am Computer.<br />
54
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Bei <strong>der</strong> Präsentation werden die Ergebnisse von den Mädchen und Jungen selbst frontal<br />
vorgestellt und danach gemeinsam zusammengeführt und verknüpft.<br />
Auswahl <strong>der</strong> Medien<br />
Für die Informationssuche und -darstellung müssen mehrere verschiedene Lexika und<br />
Schulbücher sowie eine Pinnwand mit Kärtchen zur Verfügung gestellt werden. Die Erarbeitung<br />
<strong>der</strong> Theorie und Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse erfolgt mithilfe von Videobeamer<br />
und Tafel. Für die Erstellung <strong>der</strong> HTML-Seiten soll ein einfacher hypertextfähiger<br />
Editor gewählt werden.<br />
Checkliste für die Arbeitsmaterialien<br />
• Lexika<br />
• Pinnwand mit Kärtchen und Wolle<br />
Struktur des Stundenverlaufs<br />
Einstieg<br />
Die Unterrichtseinheit erfolgt in enger Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Lehrkraft für das Fach<br />
Physik. Die Mädchen- und Jungengruppe sollte sich im Vorfeld auf je einen Themenkomplex<br />
des Physikanfangsunterrichts – also „Optik“, „Der elektrische Strom“ o<strong>der</strong><br />
„Kräfte in <strong>der</strong> Natur und Technik“ – festlegen. Um Überschneidungen und Redundanzen<br />
zu vermeiden, sollten die beiden Gruppen unterschiedliche Themenbereiche<br />
wählen. Je nach Planung und Organisation des Physikunterrichts kann die Physiklehrkraft<br />
auch spezielle Inhalte o<strong>der</strong> einen ganzen Themenbereich ausschließen. In<br />
<strong>der</strong> ersten Stunde <strong>der</strong> Unterrichtseinheit erhalten die Jugendlichen den Arbeitsauftrag,<br />
wichtige Begriffe und <strong>der</strong>en Definitionen aus ihrem gewählten Themenkomplex<br />
mithilfe <strong>der</strong> Lexika herauszuarbeiten.<br />
Erarbeitung<br />
Im Sinne einer För<strong>der</strong>ung von Kooperations- und Kompromissbereitschaft werden die<br />
Schülerinnen und Schüler angehalten, sich selbst zu organisieren. Hierbei sollte die<br />
Lehrkraft nur bei Ausartung <strong>der</strong> Diskussion eingreifen. Durch die offene Aufgabenstellung<br />
arbeiten sie sich von einem Begriff zum nächsten durch die verschiedenen Lexika<br />
und können sich von ihren Interessen lenken lassen. Die Begriffe und ihre Erklärungen<br />
werden zusammen mit <strong>der</strong> Quellenangabe auf Kärtchen festgehalten und auf <strong>der</strong><br />
Pinnwand mit Wollfäden zu einem Netzwerk verbunden. In <strong>der</strong> Folgestunde wird anhand<br />
<strong>der</strong> Kärtchenstruktur das Hypertextprinzip erarbeitet. Im Anschluss werden im<br />
Internet Suchmaschinen und freie Online-Enzyklopädien erprobt. In diesem Zusammenhang<br />
werden wichtige Aspekte zum Copyright erarbeitet und die Jugendlichen<br />
55
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
für eine kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Informationen aus dem Internet sensibilisiert.<br />
In <strong>der</strong> zweiten und dritten Stunde übertragen die Schülerinnen und Schüler die<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> Kärtchen mittels eines hypertextfähigen Editors auf HTML-Seiten und<br />
ergänzen sie mit „freien“ Bil<strong>der</strong>n aus dem Internet. Durch Verknüpfungen entsteht ein<br />
„Schüler-Wiki“, welches in einen vorgegebenen Rahmen eingebunden wird, <strong>der</strong> eine<br />
Startseite und Suchfunktion bietet.<br />
Ergebnissicherung<br />
Für die fünfte Stunde finden sich die ursprünglichen Klassen wie<strong>der</strong> zusammen und<br />
stellen sich gegenseitig ihre Ergebnisse vor. Bei dieser Präsentation wird versucht die<br />
beiden Systeme an geeigneten Stellen zu verknüpfen. Das erstellte „Schüler-Wiki“<br />
kann im Laufe <strong>der</strong> Zeit um weitere Inhalte und Fächer ergänzt werden und eignet<br />
sich gut für eine Präsentation am „Tag <strong>der</strong> offenen Tür“.<br />
Vorüberlegungen zur Auswertung<br />
Nach Abschluss <strong>der</strong> Unterrichtseinheit gilt es zu prüfen, ob das Klassenklima durch<br />
die zeitweise Trennung geför<strong>der</strong>t wurde o<strong>der</strong> sich eher negativ entwickelt hat. Zudem<br />
sollte eine Beobachtung o<strong>der</strong> Befragung angestellt werden, wie die Schülerinnen und<br />
Schüler die Unterrichtseinheit empfunden haben und ob sie für weiter Versuche bereit<br />
wären.<br />
56
7.5 Algorithmen<br />
Rahmenkonzept<br />
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Die Unterrichtseinheit umfasst zwei Stunden und erfolgt koedukativ. In <strong>der</strong> ersten<br />
Stunde werden verschiedene Berufsprofile unter dem Aspekt des Computereinsatzes<br />
erarbeitet und eine erste Ablaufbeschreibung einer Aufgabe erstellt. Nach <strong>der</strong> Vorstellung<br />
<strong>der</strong> Ablaufbeschreibungen am Ende <strong>der</strong> ersten, bzw. am Anfang <strong>der</strong> zweiten<br />
Stunde werden diese analysiert und die Grundbausteine eines Algorithmus herausgearbeitet.<br />
Im Anschluss daran erhalten die Schülerinnen und Schüler nochmals ausreichend<br />
Zeit, um ihre Ablaufbeschreibungen zu optimieren.<br />
Zielplanung<br />
Analyse <strong>der</strong> Klassensituation<br />
Das Thema „Algorithmen“ wird zumeist am Ende des Schuljahres bearbeitet. Somit<br />
sollte man sich auf eine eventuell gemin<strong>der</strong>te Leistungsbereitschaft und -fähigkeit <strong>der</strong><br />
Schülerinnen und Schüler einstellen und verstärkt den Aspekt <strong>der</strong> Motivation fokussieren.<br />
Für den folgenden Konzeptvorschlag ist eine grundlegend kooperative Arbeitsatmosphäre<br />
in <strong>der</strong> Klasse unabdingbar. Des weiteren empfiehlt es sich, wenn die<br />
Jugendlichen bereits Erfahrungen mit Unterrichtsversuchen zur „reflexiven Koedukation“<br />
gemacht haben und eine generelle Bereitschaft vorliegt, sich auf weitere einzulassen.<br />
Didaktische Analyse und Festlegung <strong>der</strong> fachlichen Lernziele<br />
Aus [NuT7]:<br />
„NT 7.2.3 Beschreibung von Abläufen durch Algorithmen (ca. 12 Std.)<br />
Die Schüler lernen eines <strong>der</strong> wichtigsten Grundprinzipien <strong>der</strong> automatischen Informationsverarbeitung<br />
kennen und erhalten einen ersten Einblick in seine Anwendung.<br />
Sie lernen, dass sich ganz allgemein mit Algorithmen Abläufe präzise und<br />
verständlich beschreiben lassen, und üben an konkreten Sachverhalten, insbeson<strong>der</strong>e<br />
naturwissenschaftlichen Experimenten, Vorgänge aus einfachen Bausteinen<br />
aufzubauen. Dabei arbeiten sie mit einem Programmiersystem, mit dem sie die<br />
Algorithmen intuitiv umsetzen können und bei dem die Einzelschritte des Ablaufs<br />
altersgemäß visualisiert werden.<br />
• Formulieren von Verarbeitungsvorschriften und Versuchsabläufen in Alltagssprache<br />
[→ D 6.2, D 7.1 Vorgänge beschreiben; NT 7.1]<br />
• Bausteine von Algorithmen: Anweisung, Sequenz, Bedingte Anweisung, Wie<strong>der</strong>holung<br />
• Programmieren eines einfachen <strong>Informatik</strong>systems unter Verwendung dieser<br />
Bausteine“<br />
57
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Die Jugendlichen sollen anhand <strong>der</strong> Beschreibung von Alltagsabläufen in natürlicher<br />
Sprache das Prinzip von Algorithmen – eine <strong>der</strong> wichtigsten Grundlagen von <strong>Informatik</strong>systemen<br />
– verstehen. Durch die Einführung über Beispiele aus <strong>der</strong> Realität soll<br />
<strong>der</strong> Gegenwartsbezug hergestellt und betont werden, da die Zukunftsbedeutung für<br />
alle Schülerinnen und Schüler, die nicht das naturwissenschaftlich-technische Gymnasium<br />
besuchen und somit <strong>Informatik</strong> nach dieser Jahrgangsstufe ablegen, schwer<br />
herzustellen ist. Das Prinzip eines Algorithmus kann erst dann als verstanden angesehen<br />
werden, wenn die Schülerin bzw. <strong>der</strong> Schüler die Struktur verinnerlicht hat<br />
und die Grundbausteine „Anweisung“, „Sequenz“, „Bedingte Anweisung“ und „Wie<strong>der</strong>holung“<br />
in Abläufen selbst erkennt und umsetzt. Dies wird einigen Jugendlichen<br />
voraussichtlich Schwierigkeiten bereiten. Daher ist darauf zu achten, dass genug Zeit<br />
zur Verfügung steht, eigene Algorithmen zu entwerfen, zu testen und in mehreren<br />
Schritten zu optimieren.<br />
Erweiterte Ziele im Sinne einer reexiven Koedukation<br />
In dieser Unterrichtseinheit sollen durch Auseinan<strong>der</strong>setzung mit „geschlechtsuntypischen“<br />
Berufsfel<strong>der</strong>n die Berufsspektren <strong>der</strong> Mädchen und Jungen erweitert werden.<br />
Innerhalb von Gruppenarbeiten soll die Kooperation geför<strong>der</strong>t werden und die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit ethischen Fragen bezüglich des Ersatzes menschlicher Arbeitskraft<br />
durch Computersysteme erfolgen.<br />
Vorbereitung<br />
Festlegung <strong>der</strong> Sozialform<br />
Die Erarbeitung <strong>der</strong> Aufgaben zu den Berufsprofilen, sowie die Optimierung <strong>der</strong> Ablaufbeschreibungen<br />
in <strong>der</strong> zweiten Stunde erfolgen innerhalb geschlechtshomogener<br />
Gruppen von 4-5 Personen. Innerhalb eines Unterrichtsgesprächs werden anhand von<br />
im Plenum „nachgestellten“ Ablaufbeschreibungen die Grundbausteine von Algorithmen<br />
gemeinsam erarbeitet.<br />
Auswahl <strong>der</strong> Medien<br />
Die Jugendlichen arbeiten selbstständig mit den Beschreibungen <strong>der</strong> Berufsprofile und<br />
den dazugehörigen Arbeitsblättern. Zur Hinführung an die Erstellung <strong>der</strong> Ablaufbeschreibungen<br />
wird eine kurze Filmsequenz vorbereitet, in <strong>der</strong> ein Roboter menschliche,<br />
jedoch nicht gewalttätige, Verhaltensweisen zeigt, z.B. aus dem Film „Nummer 5<br />
lebt“. Die Ablaufbeschreibungen werden als Ergebnisse <strong>der</strong> Gruppenarbeiten mithilfe<br />
von Tageslichtprojektorfolien festgehalten.<br />
58
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Checkliste für die Arbeitsmaterialien<br />
• Berufsprofile für die Mädchengruppen: „Elektriker/-in“, „Mechatroniker/-in“,<br />
„<strong>Technische</strong>(r) Zeichner/-in“, „Forstwirt/-in“ (siehe Anhang C)<br />
• Berufsprofile für die Jungengruppen: „Arzthelfer/-in“, „Florist/-in“,<br />
„Ergotherapeut/-in“, „Diätassistent/-in“ (siehe Anhang C)<br />
• Arbeitsanweisungen (siehe Anhang C)<br />
• linierte Folien und Stifte<br />
• Filmsequenz<br />
• Exemplarische Ablaufbeschreibung für eventuelle Hilfestellung<br />
(siehe Anhang C)<br />
Struktur des Stundenverlaufs<br />
Einstieg<br />
In <strong>der</strong> Einstiegsphase werden die Schülerinnen und Schüler mit dem organisatorischen<br />
Rahmen <strong>der</strong> Unterrichtseinheit vertraut gemacht. Geschlechtshomogene Gruppen werden<br />
gebildet und vorbereitete Aufgaben durch die Lehrkraft zugeteilt. Dabei erhalten<br />
die Gruppen Berufsprofile, die nicht ihrem Geschlechterstereotyp entsprechen, um<br />
durch diese Konfrontation ihr Interessenspektrum zu erweitern und die Bereitschaft<br />
zur Auseinan<strong>der</strong>setzung mit „untypischen“ Interessensbereichen zu trainieren.<br />
Erarbeitung<br />
Während dieser Phase arbeiten die Gruppen die typischen Aufgabenbereiche in den<br />
ihnen zugeteilten Berufen heraus und überlegen, wie durch den Einsatz von Computersystemen<br />
die Arbeit in diesem Bereich erleichtert werden könnte. Danach erfolgt<br />
die Einspielung <strong>der</strong> Filmsequenz aus dem Film „Nr. 5 lebt“. So wird die Erstellung<br />
von Arbeitsabläufen in den Gruppen motiviert. Hierbei können sich die Jugendlichen<br />
Aufgaben aus den jeweiligen Berufsfel<strong>der</strong>n selbst wählen, wobei darauf geachtet werden<br />
muss, dass diese nicht zu umfangreich sind. Orientierungslosen Gruppen kann<br />
als Anregung <strong>der</strong> Beispielablauf als Hilfestellung gegeben werden. Die Ausarbeitung<br />
<strong>der</strong> Ablaufbeschreibungen sollte je nach Arbeitsweise <strong>der</strong> Gruppen etwa 20–30 Minuten<br />
in Anspruch nehmen. Die fertigen Ablaufbeschreibungen werden auf Folien<br />
für den Tageslichtprojektor festgehalten. Im Anschluss werden die Aufgaben auf <strong>der</strong><br />
Grundlage <strong>der</strong> Anweisungen von einem Mitglied einer an<strong>der</strong>en Gruppe vor <strong>der</strong> Klasse<br />
pantomimisch nachgestellt und zu erraten versucht, welche Aufgabe ausgeführt wird.<br />
Anhand dieser Übung sollen die Jugendlichen zum einen die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong><br />
59
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
Erstellung eines Algorithmus erkennen, zum an<strong>der</strong>en im Rahmen eines Unterrichtsgesprächs<br />
zusammen mit <strong>der</strong> Lehrkraft die Grundbausteine „Anweisung“, „Sequenz“,<br />
„Bedingte Anweisung“ und „Wie<strong>der</strong>holung“ herausarbeiten, welche in späteren Unterrichtseinheiten<br />
formal festgehalten werden. Nachdem die Schülerinnen und Schüler<br />
diese Erkenntnisse gewonnen haben, finden sie sich wie<strong>der</strong> in den Gruppen zusammen<br />
und versuchen ihre Algorithmen zu optimieren.<br />
Ergebnissicherung<br />
Durch die nochmalige Überarbeitung <strong>der</strong> Algorithmen in den Gruppen und die anschließende<br />
Überprüfung <strong>der</strong> fertigen Ergebnisse durch die Lehrkraft erfolgt die Ergebnissicherung<br />
und die Analyse, welche Bereiche den Jugendlichen noch schwer fallen<br />
und in folgenden Stunden nochmals wie<strong>der</strong>holt und eingeübt werden müssen.<br />
Vorüberlegungen zur Auswertung<br />
Die Auswertung muss sehr sorgfältig durchgeführt werden, um sicher zu gehen, dass<br />
wirklich alle Schülerinnen und Schüler das Prinzip eines Algorithmus verstanden haben.<br />
Bei Unklarheiten muss in Folgestunden nochmals vertieft auf die Behebung von<br />
Schwierigkeiten und Verständnisproblemen eingegangen werden.<br />
60
7.6 Ideen und Anregungen<br />
7.6.1 Textverarbeitung<br />
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
In einer Unterrichtseinheit im Umfang von 1–2 Stunden werden auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />
Vorstunden, in welcher <strong>der</strong> Umgang mit einem Textverarbeitungsprogramm eingeübt<br />
wurde, im Rahmen eines Expertenpuzzles die Attribute und Methoden <strong>der</strong> Klassen<br />
ZEICHEN und ABSATZ erarbeitet. Die Expertenrunde besteht aus vier geschlechtshomogenen<br />
Gruppen. Die Aufgabenstellung und -verteilung könnte dabei folgen<strong>der</strong>maßen<br />
aussehen:<br />
• Gruppe A (Mädchengruppe): Welche Attribute enthält die Klasse ZEICHEN?<br />
Lösungsvorschlag: Inhalt, Schriftart, Schriftgrad, Schriftfarbe, Fett, Kursiv,<br />
Unterstreichung, Markiert, usw.<br />
• Gruppe B (Jungengruppe): Welche Methoden enthält die Klasse ZEICHEN?<br />
Lösungsvorschlag: SchriftartSetzen(), InhaltSetzen(), SichZeichnen(),<br />
Markieren(), usw.<br />
• Gruppe C (Jungengruppe): Welche Attribute enthält die Klasse ABSATZ?<br />
Lösungsvorschlag: Ausrichtung, EinzugLinks, EinzugRechts, AbstandVor,<br />
AbstandNach, Zeilenabstand, Rahmen, Markiert, usw.<br />
• Gruppe D (Mädchengruppe): Welche Methoden enthält die Klasse ABSATZ?<br />
Lösungsvorschlag: AusrichtungSetzen(), ZeilenabstandSetzen(), EinzugLinksSetzen(),<br />
usw.<br />
In <strong>der</strong> Unterrichtsrunde werden die Ergebnisse in den neuen Gruppen zusammengetragen.<br />
Die Kin<strong>der</strong> prüfen, ob ihre Attribute und Methoden <strong>der</strong> jeweiligen Klassen<br />
zusammenpassen und gleichen sie bei Bedarf an. Des weiteren stellen sie einen Vergleich<br />
bei<strong>der</strong> Klassen an. Dieser soll ihnen im folgenden Unterrichtsgespräch helfen,<br />
die Verbindung <strong>der</strong> beiden Klassen durch die „Enthält“-Beziehung herauszuarbeiten.<br />
Während <strong>der</strong> Unterrichtsrunde sollte die Lehrkraft darauf achten, dass sich alle Kin<strong>der</strong><br />
in ihren Gruppen einbringen könnte.<br />
7.6.2 Objektorientierte Modellierung<br />
Die Umsetzung dieses Vorschlags dient einer vertiefenden Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> objektorientierten<br />
Modellierung am Ende <strong>der</strong> Jahrgangsstufe 6 o<strong>der</strong> einer auffrischenden<br />
Wie<strong>der</strong>holung zu Beginn <strong>der</strong> 7. Jahrgangsstufe. Die Schülerinnen und Schüler entwerfen<br />
dabei Fankarten wahlweise für eine Musikgruppe o<strong>der</strong> eine Sportmannschaft. So<br />
erfolgt spielerisch die Herausarbeitung <strong>der</strong> Beziehungen <strong>der</strong> Klassen MUSIKGRUP-<br />
PE, SÄNGER und MUSIKER bzw. MANNSCHAFT, TRAINER und SPIELER mit ihren<br />
61
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
zugehörigen Attributen und Methoden. Anhand <strong>der</strong> Erstellung einer Fankartenvorlage<br />
und einer konkreten Fankarte mithilfe <strong>der</strong> Software für Multimediapräsentationen<br />
kann <strong>der</strong> Unterschied zwischen Klassen- und Objektdiagramm thematisiert werden.<br />
Abbildung 7.3: Klassendiagramm FUSSBALLMANNSCHAFT<br />
7.6.3 E-Mail<br />
Die Unterrichtseinheit ist auf zwei Stunden ausgelegt und verfolgt das Lernziel, die<br />
Klasse NACHRICHT kennenzulernen und den Umgang mit Software zum Senden<br />
und Empfangen elektronischer Nachrichten einzuüben. In <strong>der</strong> ersten Stunde erarbeiten<br />
die Mädchen in Gruppenarbeit (z.B. durch ein Expertenpuzzle) die Attribute und<br />
Methoden <strong>der</strong> Klasse NACHRICHT. Die Lehrkraft hat im Vorfeld aus Themenbereichen<br />
<strong>der</strong> Physik verschiedene Rätsel ausgewählt und jedes in vier Teile zerlegt. Jedem<br />
Jungen wird ein Teil via E-Mail zugeschickt. In <strong>der</strong> Unterrichtsstunde haben sie nun<br />
die Aufgabe, ausschließlich durch E-Mailkommunikation die restlichen Teile ihres Rätsels<br />
zu finden und es gemeinsam zu lösen.<br />
In <strong>der</strong> Folgestunde wird getauscht und während die Jungen die Attribute und Methoden<br />
<strong>der</strong> Klasse NACHRICHT in Gruppen erarbeiten, versuchen die Mädchen durch<br />
Kommunikation via E-Mail die Rätsel zu lösen.<br />
7.6.4 Projekt Gefahren im Internet<br />
Im Zusammenhang mit dem zunehmenden Einfluss des Internets auf Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
wird vorgeschlagen, das Thema „Gefahren im Internet“ im Rahmen eines<br />
62
7 Konkrete Vorschläge zu ausgewählten Themen<br />
außerunterrichtlichen Projekts zu behandeln, da dies den Rahmen des <strong>Informatik</strong>unterrichts<br />
sprengen würde. Hilfestellungen für <strong>der</strong>artige Projekte bietet die Organisation<br />
„Klicksafe“ 8 , die sich mit Themen wie Rechtsradikalismus, Pornographie, Gewaltdarstellung<br />
und Pädosexualität im Internet beschäftigt. Dabei werden nicht nur die<br />
Gefahren selbst, son<strong>der</strong>n vor allem auch Möglichkeiten zum Schutz vor diesen aufgezeigt.<br />
Im Rahmen ihrer Aufklärungsarbeit erschien 2005 <strong>der</strong> inzwischen recht populäre Fernsehspot<br />
„Wo ist Klaus?“ 9 .<br />
8 http://www.klicksafe.de<br />
9 http://www.klicksafe.de/common/presse.php?site=spot<br />
63
8 Fazit und Ausblick<br />
Die Geschichte <strong>der</strong> Koedukation und ihrer Debatte gibt einen Überblick über Ursachen<br />
und Hintergründe <strong>der</strong> aktuellen Kritik am koedukativen Schulsystem. Die unterschiedliche<br />
Entwicklung <strong>der</strong> höheren Mädchen- und Knabenbildung und die wenig<br />
reflektierte Einführung <strong>der</strong> Koedukation in den 1960er Jahren beeinflussen bis heute<br />
Probleme und Missstände an Gymnasien. Zur Behebung dieser Missstände ist eine<br />
Nivellierung o<strong>der</strong> Unterdrückung geschlechtsspezifischer Unterschiede nicht för<strong>der</strong>lich.<br />
Deshalb gilt es diese zu analysieren, bevor <strong>der</strong> Versuch einer Verbesserung gelingen<br />
kann. Die Untersuchung spezifischer Unterschiede und Stereotypen gestaltet<br />
sich aufgrund <strong>der</strong> Individualtät <strong>der</strong> Heranwachsenden und <strong>der</strong> geringen Anzahl repräsentativer<br />
Studien oft schwierig. Das Ergebnis dieser Analysen liefert Aussagen<br />
über Verhaltens- und Interessenstendenzen von Mädchen und Jungen. Grob zusammengefasst<br />
können bei den Mädchen bessere allgemeine schulische Leistungen, eine<br />
Interessenskonzentration auf den Bereich <strong>der</strong> Sprachen in <strong>der</strong> Schule, kooperative Arbeitsweisen<br />
und die Tendenz zur Unterschätzung <strong>der</strong> eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse<br />
beobachtet werden. Bei den Jungen stechen bessere Leistungen und stärkeres<br />
Interesse in naturwissenschaftlich-technischen Lernbereichen, eine leistungs- und motivationsför<strong>der</strong>nde<br />
Selbsteinschätzung – Erfolge und Misserfolge betreffend – sowie<br />
wettbewerbsorientierte Arbeitsweisen heraus. Des weiteren wurden bei beiden Geschlechtern<br />
spezifische Probleme, teils auch Defizite, im Bereich <strong>der</strong> Sozialisation und<br />
Entwicklung beobachtet. Diese Ergebnisse bieten einen Ausgangspunkt und eine erste<br />
Grundlage für eine „geschlechtssensible“ Umgestaltung des koedukativen Schulsystems.<br />
Sie stellen jedoch den Anspruch einer ständigen Reflexion und Anpassung<br />
bezüglich konkreter Schulen bzw. Klassen. Gelenkt wird die Umgestaltung durch das<br />
Konzept <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“. Einerseits kann diese im großen Rahmen durch<br />
die Einbindung in das Schulprogramm, an<strong>der</strong>erseits auf Ebene einzelner Fächer durch<br />
schrittweise Umgestaltung des Unterrichts erfolgen. In beiden Fällen ist ein sensibler<br />
Umgang mit <strong>der</strong> Thematik erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Der <strong>Informatik</strong>unterricht bietet aufgrund seiner Konzeption verschiedene Realisierungsmöglichkeiten,<br />
wie anhand einiger Konzeptvorschläge aufgezeigt wurde. So<br />
kann beispielsweise einer unbewussten Vermittlung von Geschlechterstereotypen<br />
durch die Lehrkraft mit dem verstärkten Einsatz kooperativer, schülerzentrierter Arbeitsweisen<br />
entgegengewirkt werden. Mit dem Wechsel von praktischen und theoretischen<br />
Inhalten sowie <strong>der</strong> Arbeit mit und ohne Computer werden den Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen verschiedene Zugangsweisen ermöglicht und das Verhaltensrepertoire<br />
erweitert. Die Lehrkraft hat somit die Möglichkeit, Interessen differenziert anzuspre-<br />
64
8 Fazit und Ausblick<br />
chen, das Klassenklima zu verbessern und das Selbstbewusstsein <strong>der</strong> Schülerinnen<br />
und Schüler bezüglich ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse in „<strong>Informatik</strong>“ zu stärken.<br />
Eine Thematisierung <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ im Rahmen eines Großprojekts und<br />
die Einbindung in das Schulprogramm ist hierbei zwar för<strong>der</strong>lich, jedoch nicht zwingend<br />
notwendig.<br />
Ähnlich dem <strong>Informatik</strong>unterricht gibt es in den an<strong>der</strong>en Fächern Möglichkeiten<br />
zur „geschlechtssensiblen“ Umgestaltung. Die Ziele <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ sind<br />
dann erreicht, wenn Mädchen und Jungen an <strong>der</strong> Schule die Möglichkeit einer maximalen<br />
spezifischen För<strong>der</strong>ung haben, ihre Verhaltensrepertoires und Interessensspektren<br />
voll entfalten können und Vorurteile sowie Rollenzuschreibungen gegenüber dem<br />
an<strong>der</strong>en Geschlecht minimiert sind. Die Ausarbeitungen haben gezeigt, dass es zur Erreichung<br />
<strong>der</strong> Ziele verschiedene Möglichkeiten gibt. Eine gänzlich erfolgreiche Durchsetzung<br />
dieser ist jedoch kaum zu realisieren. Dennoch ist es wichtig, die Zielsetzungen<br />
weiterhin zu verfolgen und im Rahmen „reflexiver Koedukation“ eine „geschlechtssensible“<br />
Gestaltung des Schullebens anzustreben.<br />
65
Glossar<br />
Geschlechterstereotyp Geschlechterstereotypen sind „die in einem Schema vereinigten<br />
Charakteristika <strong>der</strong> Geschlechterrolle [...], da sie vereinfacht und überakzentuiert<br />
das jeweilige Geschlecht kennzeichnen“. [Oer95: 273]<br />
Geschlechtsrolle „Geschlechtsrollen sind Verhaltensmuster, die man in einer bestimmten<br />
Gesellschaft jeweils für Männer und Frauen für angemessen hält. Sie liefern<br />
die grundlegenden Definitionen für Männlichkeit (Maskulinität) und Weiblichkeit (Femininität)“<br />
[Zim92: 79].<br />
Koedukation Der Begriff <strong>der</strong> Koedukation wird wie im allgemeinen Sprachgebrauch<br />
verwendet und beschreibt somit die gemeinsame Erziehung und Bildung von Mädchen<br />
und Jungen an <strong>der</strong> Schule.<br />
Partielle Seedukation Die Autorin versteht unter dem Begriff <strong>der</strong> „partiellen Seedukation“<br />
die zeitweise Trennung <strong>der</strong> Mädchen und Junge für einzelne Fächer, Stunden<br />
o<strong>der</strong> Projekte in einer koedukativen Schule.<br />
Reexive Koedukation Der Begriff <strong>der</strong> „reflexiven Koedukation“ wird im Sinne <strong>der</strong><br />
Definition <strong>der</strong> Autorinnen Faulstich-Wieland und Horstkemper verwendet:<br />
„Reflexive Koedukation heißt für uns, dass wir alle pädagogischen Gestaltungen daraufhin<br />
durchleuchten wollen, ob sie die bestehenden Geschlechterverhältnisse eher<br />
stabilisieren, o<strong>der</strong> ob sie eine Auseinan<strong>der</strong>setzung und damit ihre Verän<strong>der</strong>ung för<strong>der</strong>n“<br />
[Leh02: 16]<br />
Stereotyp Unter Stereotypen versteht man im Allgemeinen die Reflexion von Überzeugungen,<br />
„die Menschen in Bezug auf die Persönlichkeitseigenschaften und Fähigkeiten<br />
hegen, die üblicherweise bei einzelnen Mitglie<strong>der</strong>n einer bestimmten Gruppe<br />
zu finden sind“ [Zim92: 570].<br />
66
Literaturverzeichnis<br />
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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung: Natur und Technik Jgst. 7 (G8).<br />
München 2004<br />
Bezugsquelle (Stand Juni 2007):<br />
http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1/g8.de/index.php?StoryID=26436<br />
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Zimbardo, Philip: Psychologie. Augsburg 1992, 5. Auflage<br />
69
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 6.1<br />
Abbildung aus: Frey, Karl; Schleich, Robert; Frey-Eiling, Angela: Manual für die<br />
Semesterarbeit „Gruppenunterricht nach <strong>der</strong> Puzzle-Methode“. Zürich 1994<br />
Abbildung 6.2<br />
Abbildung in Anlehnung an ebenda.<br />
Abbildung 7.1<br />
Bild links: Holzfarm Folker Schrade, Heidmoor.<br />
Bezugsquelle (Stand Juli 2007):<br />
http://www.holzfarm.de/catalog/images/58990Hammerspiel.jpg<br />
Bild rechts: JAKO-O GmbH, Bad Rodach.<br />
Bezugsquelle (Stand Juli 2007):<br />
http://www.jako-o.de/bil<strong>der</strong>/produkt/250/668794_1.jpg<br />
Abbildung 7.2<br />
Smileys. Vorlage zu Station 2.<br />
70
Anhang<br />
71
A. Pixel- und Vektorgraphiken<br />
Arbeitsblatt Mädchen<br />
Lernzirkel Mädchengruppen<br />
Arbeitsblatt Jungen<br />
Lernzirkel Jungengruppen
Arbeitsblatt: Bildbearbeitung (Gruppe M)<br />
Aufgabe 1:<br />
Öffne das Programm „Name des Malprogramms“.<br />
Zeichne einen Schmetterling und speichere ihn in Deinem Ordner ab.<br />
Mit welchem Spiel des Lernzirkels könnte man dieses Malprogramm<br />
vergleichen? Antwort: ___________________________<br />
Nimm Dir für diese Aufgabe maximal 10 Minuten Zeit.<br />
Aufgabe 2:<br />
Öffne das Programm „Name des Zeichenprogramms“.<br />
Zeichne einen Schmetterling und speichere ihn in Deinem Ordner ab.<br />
Mit welchem Spiel des Lernzirkels könnte man dieses Zeichenprogramm<br />
vergleichen? Antwort: ___________________________<br />
Nimm Dir auch für diese Aufgabe maximal 10 Minuten Zeit.<br />
Aufgabe 3:<br />
Nun sollen sich Deine Schmetterlinge bewegen.<br />
Sie breiten die Flügel aus, strecken die Fühler o<strong>der</strong> än<strong>der</strong>n vielleicht sogar<br />
ihr Muster. Lass Deiner Phantasie freien Lauf.<br />
Notiere kurz, welche Än<strong>der</strong>ungen Dir leichter fielen und welche Dir<br />
Probleme bereiteten.<br />
Malprogramm:<br />
Zeichenprogramm:
Lernzirkel: Bildbearbeitung (Gruppe M)<br />
Station 1: Hämmerchenspiel<br />
1. Nimm Dir eine Korkplatte und gestalte darauf eine kleine Landschaft<br />
(Häuschen, Baum, Sonne, …)!<br />
2. Zähle die Einzelteile und notiere die Anzahl in Dein Heft!<br />
3. Wie verän<strong>der</strong>t sich die Anzahl <strong>der</strong> Teile, wenn einzelne Objekte<br />
(z.B. Hausdach, Baumkrone, Sonne, …) vergrößert bzw. verkleinert<br />
werden? Notiere auch dieses Ergebnis in Dein Heft!<br />
Zeit: 10 Minuten<br />
Station 2: Smileys<br />
Übertrage folgende Gesichter in Dein Heft!<br />
Zeit: 10 Minuten<br />
Station 3: Steckspiel<br />
1. Nimm Dir eine Steckplatte und gestalte mit den Steckern ein Haus!<br />
2. Zähle die Einzelteile und notiere die Anzahl in Dein Heft!<br />
3. Wie verän<strong>der</strong>t sich die Anzahl <strong>der</strong> Teile, wenn das Dach vergrößert<br />
bzw. verkleinert wird? Notiere auch dieses Ergebnis in Dein Heft!<br />
Zeit: 10 Minuten
Arbeitsblatt: Bildbearbeitung (Gruppe J)<br />
Aufgabe 1:<br />
Öffne das Programm „Name des Malprogramms“.<br />
Zeichne ein Auto und speichere es in Deinem Ordner ab.<br />
Nimm Dir für diese Aufgabe maximal 10 Minuten Zeit.<br />
Aufgabe 2:<br />
Öffne das Programm „Name des Zeichenprogramms“.<br />
Zeichne ein Auto und speichere es in Deinem Ordner ab.<br />
Nimm Dir auch für diese Aufgabe maximal 10 Minuten Zeit.<br />
Aufgabe 3:<br />
Nun sollen Deine Autos getunt werden.<br />
Spoiler, Alufelgen, Sportauspuff, eine neue Lackierung o<strong>der</strong> Tieferlegen…<br />
lass Deiner Phantasie freien Lauf.<br />
Notiere kurz, welche Än<strong>der</strong>ungen Dir leichter fielen und welche Dir<br />
Probleme bereiteten.<br />
Malprogramm:<br />
Zeichenprogramm:
Lernzirkel: Bildbearbeitung (Gruppe J)<br />
Station 1: Hämmerchenspiel<br />
1. Such Dir eine „Korkplattenlandschaft“ aus. Än<strong>der</strong>e bei drei<br />
Objekten (Hausdach, Baumstamm, Baumkrone, Sonne, …) die Farbe!<br />
2. Mit welchem Programm könnte man dieses Spiel vergleichen?<br />
Antwort: ___________________________<br />
3. Än<strong>der</strong>e bei einem Objekt die Größe! Wie verän<strong>der</strong>t sich die Anzahl<br />
<strong>der</strong> Einzelteile? Notiere dieses Ergebnis in Dein Heft!<br />
Zeit: 10 Minuten<br />
Station 2: Smileys<br />
Übertrage folgende Gesichter in Dein Heft!<br />
Zeit: 10 Minuten<br />
Station 3: Steckspiel<br />
1. Such Dir ein „Steckerhäuschen“ aus. Än<strong>der</strong>e die Farbe des Daches!<br />
2. Mit welchem Programm könnte man dieses Spiel vergleichen?<br />
Antwort: ___________________________<br />
3. Wie verän<strong>der</strong>t sich die Anzahl <strong>der</strong> Teile, wenn das Dach vergrößert<br />
bzw. verkleinert wird? Notiere dieses Ergebnis in Dein Heft!<br />
Zeit: 10 Minuten
B. Multimediapräsentation<br />
Arbeitsblatt Mädchen<br />
Arbeitsblatt Jungen
Arbeitsblatt Multimediapräsentation (Mädchen)<br />
UAufgabe 1:<br />
Wofür Multimediapräsentationen?<br />
Bei welchen Gelegenheiten würdest du eine Multimediapräsentation einsetzen und<br />
was könnten dabei deiner Meinung nach die Vorteile sein?<br />
Besprich dich kurz mit deiner Nachbarin und notiere knapp deine Antworten.<br />
UAufgabe 2:<br />
„Ansichtssache“<br />
Im linken unteren Bereich findest du folgende Symbole, die verschiedene Ansichten <strong>der</strong><br />
Folien ermöglichen:<br />
(Alternativ findest du sie auch unter <strong>der</strong> Rubrik „Ansicht“ in <strong>der</strong> Menüleiste.)<br />
Probiere sie kurz aus und benenne sie!<br />
UAufgabe 3:<br />
Buntes Durcheinan<strong>der</strong><br />
Auf den Folien 3-5 ist ein Comic durcheinan<strong>der</strong> geraten.<br />
Bringe die Bil<strong>der</strong> mithilfe <strong>der</strong> „Foliensortierungsansicht“ in die richtige Reihenfolge.<br />
Füge direkt hinter dem Comic eine neue Folie mit <strong>der</strong> Aufschrift „ENDE“ ein.<br />
Folgende Tipps können dir bei Problemen weiterhelfen:<br />
Tipp 1: Eine neue Folie wird mit „Einfügen“ “Neue Folie“ erzeugt.<br />
Tipp 2: Um einen Text auf die Folie zu schreiben benötigst du ein Textfeld.<br />
UAufgabe 4:<br />
Was ist eine schöne Folie?<br />
Sieh dir Folie Nr. „..“ im Präsentationsmodus an.<br />
Überlege, was das Motto im Bezug auf eine Multimediapräsentationen bedeuten könnte und<br />
notiere deine Überlegungen stichpunktartig!<br />
UAufgabe 5:<br />
Aktiv & Kreativ<br />
Suche dir zusammen mit deiner Nachbarin einen netten Spruch (Poesiealbumspruch, Witz,<br />
SMS-Spruch, Weisheit, o<strong>der</strong> ähnliches) aus und versucht gemeinsam, den Spruch auf Folie 9<br />
ansprechend darzustellen.<br />
Im Verzeichnis „.../Bil<strong>der</strong>sammlung“ stehen dir verschiedene Bil<strong>der</strong> zur Verfügung.<br />
Entscheide dich dabei im Vorfeld für ein Unterverzeichnis!<br />
Auf <strong>der</strong> Rückseite kannst du dir vorher eine kleine Skizze anfertigen.
Arbeitsblatt Multimediapräsentation (Jungen)<br />
UAufgabe 1:<br />
Wofür Multimediapräsentationen?<br />
Bei welchen Gelegenheiten hast du schon einmal eine Multimediapräsentation eingesetzt,<br />
bzw. würdest du gerne einmal eine einsetzen?<br />
Was waren bzw. wären dabei deiner Meinung nach die Vorteile?<br />
Besprich dich kurz mit deinem Nachbarn und notiere knapp deine Antworten.<br />
UAufgabe 2:<br />
„Ansichtssache“<br />
Welche drei verschiedenen Ansichtmöglichkeiten für Folien gibt es?<br />
Probiere sie kurz aus und benenne sie!<br />
UAufgabe 3:<br />
Buntes Durcheinan<strong>der</strong><br />
Auf den Folien 3-5 ist ein Comic durcheinan<strong>der</strong> geraten.<br />
Bringe die Bil<strong>der</strong> mithilfe <strong>der</strong> „Foliensortierungsansicht“ in die richtige Reihenfolge.<br />
Füge direkt hinter dem Comic eine neue Folie mit <strong>der</strong> Aufschrift „ENDE“ ein.<br />
Folgende Tipps können dir bei Problemen weiterhelfen:<br />
Tipp 1: Eine neue Folie wird mit „Einfügen““Neue Folie“ erzeugt.<br />
Tipp 2: Um einen Text auf die Folie zu schreiben benötigst du ein Textfeld.<br />
UAufgabe 4:<br />
Was ist eine schöne Folie?<br />
Sieh dir die Präsentation auf Folie Nr. „...“ an.<br />
Überlege, was bei <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> Folie nicht optimal gelaufen ist und was du verbessern<br />
würdest. Notiere deine Überlegungen stichpunktartig!<br />
UAufgabe 5:U<br />
Aktiv & Kreativ<br />
Beim Spiel deiner Lieblingsmannschaft erscheint auf den Leinwänden im Stadion ein<br />
Anfeuerungsspruch für deine Mannschaft.<br />
Überlege zusammen mit deinem Nachbarn, wie <strong>der</strong> Spruch lauten könnte und versucht<br />
gemeinsam, den Spruch auf Folie 9 ansprechend darzustellen.<br />
Im Verzeichnis „.../Bil<strong>der</strong>sammlung“ stehen dir verschiedene Bil<strong>der</strong> zur Verfügung.<br />
In diesem Rahmen kannst du dir vorher eine kleine Skizze anfertigen.
C. Algorithmen<br />
Berufsprol Elektriker/-in<br />
Berufsprol Mechatroniker/-in<br />
Berufsprol <strong>Technische</strong>(r) Zeichner/-in<br />
Berufsprol Forstwirt/-in<br />
Berufsprol Arzthelfer/-in<br />
Berufsprol Florist/-in<br />
Berufsprol Ergotherapeut/-in<br />
Berufsprol Diätassistent/-in<br />
Arbeitsanweisungen<br />
Exemplarische Ablaufbeschreibung
Elektroniker/in für Automatisierungstechnik<br />
Worum geht es?<br />
Elektroniker/innen für Automatisierungstechnik richten hochkomplexe, rechner-gesteuerte<br />
Anlagen ein, z.B. Produktionsautomaten und Fertigungsstraßen, Verkehrsleitsysteme o<strong>der</strong><br />
Anlagen <strong>der</strong> Verfahrenstechnik. Sie sorgen dafür, dass die jeweiligen Einzelkomponenten<br />
schließlich ein automatisch arbeitendes Gesamt-system bilden, programmieren und testen<br />
die Anlagen, nehmen sie in Betrieb und halten sie instand.<br />
Die Maschinerie am Laufen halten<br />
Automatisierungssysteme falten Kartons und bestücken sie mit eingeschweißten Tabletten,<br />
füllen Kaffee in Portionen zu je einem Kilo ab o<strong>der</strong> steuern Straßenampeln so, dass sie<br />
rechtzeitig auf Rot springen. Die Befehle dazu geben Programme, die von einem Computer<br />
zu den jeweiligen Maschinen o<strong>der</strong> Geräten gelangen. Sensoren messen beispielsweise<br />
Füllstände in Kaffeedosen, Aktoren wie Pumpen und Ventile regeln den Druck. Einmal<br />
programmiert und installiert, laufen die Anlagen automatisch. Alle Anlagenteile müssen<br />
daher zu einem Gesamtsystem integriert sein, das sich im Wesentlichen selbst regelt und bei<br />
Problemen z.B. selbsttätig Alarm auslöst o<strong>der</strong> sich selbst abschaltet.<br />
Wird eine neue Maschine geplant, analysieren Elektroniker/innen für<br />
Automatisierungstechnik zunächst Funktionszusammenhänge und Prozessabläufe. Auch<br />
beim Bau o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Erweiterung automatisch arbeiten<strong>der</strong> Anlagen sind sie dabei:<br />
Baugruppen <strong>der</strong> elektrischen Steuerungs- und Regelungstechnik montieren sie ebenso wie<br />
pneumatische, hydraulische und elektrische Antriebssysteme. Nach Vorgaben von<br />
Ingenieuren und <strong>Informatik</strong>ern programmieren sie die Anlage, geben Einstellwerte ein,<br />
konfigurieren und parametrieren Komponenten und schließen sie über Bussysteme und<br />
Netzwerke zu einem Gesamtsystem zusammen. Sie sorgen dafür, dass die Betreiber <strong>der</strong><br />
Anlage sich am Leitstand je<strong>der</strong>zeit über einzelne Einstellungen und Betriebszustände <strong>der</strong><br />
Anlage informieren und im Notfall auch eingreifen können. Wenn die Anlage beim Kunden in<br />
Betrieb genommen wird, weisen sie die Anwen<strong>der</strong> in die Funktionen und die Bedienung ein.<br />
Steuern und Warten<br />
Ferner warten, steuern und überwachen sie die unterschiedlichsten<br />
Automatisierungssysteme. Das können Hochregallager o<strong>der</strong> Lackieranlagen, aber auch<br />
gebäudetechnische Anlagen sein. Sie nehmen Störungsmeldungen entgegen, grenzen<br />
Fehler mit Hilfe von Testsoftware und Diagnosesysteme ein, analysieren Störungsursachen<br />
und setzen die Anlagen unter Beachtung <strong>der</strong> einschlägigen Vorschriften und<br />
Sicherheitsbestimmungen in Stand.<br />
Bei Wartungsarbeiten führen sie regelmäßige Prüfungen durch und optimieren die<br />
Regelkreise. Dabei orientieren sie sich an Schaltplänen, Herstellerangaben,<br />
Dokumentationen und Messprotokollen - zum Teil haben sie auch mit englischsprachigen<br />
Unterlagen zu tun. Ihre Arbeit stimmen sie mit vor- und nachgelagerten Bereichen ab.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Mechatroniker/in<br />
Worum geht es?<br />
Mechatroniker/innen bauen mechanische und elektronische Komponenten zu komplexen<br />
Systemen zusammen, installieren Steuerungssoftware und halten die Systeme instand.<br />
Drei in einem: Metallbau, Elektrotechnik und EDV<br />
Mo<strong>der</strong>ne Maschinen und Anlagen enthalten nicht nur mechanische, son<strong>der</strong>n immer mehr elektronische,<br />
oft auch computergesteuerte Bauteile. Alles muss bis ins Kleinste harmonisch zusammenspielen.<br />
Mechatronische Systeme bestehen aus einem mechanischen Grundsystem, das elektronisch<br />
und mittels Software gesteuert und geregelt wird. Immer mehr werden dabei Funktionen von<br />
<strong>der</strong> Mechanik in die Elektronik und Informationsverarbeitung verlagert. Der Autopilot im Flugzeug,<br />
die Werkzeugmaschine o<strong>der</strong> Verpackungsanlage in <strong>der</strong> Fabrik o<strong>der</strong> die programmierbare Waschmaschine<br />
- sie alle basieren auf einer solchen Verzahnung <strong>der</strong> Technik. Wer aber kennt sich mit<br />
<strong>der</strong>art komplexen Systemen aus? Ein Team aus Mechanikern und Mechanikerinnen, Elektronikern<br />
und Elektronikerinnen o<strong>der</strong> gar EDV-Spezialisten und -Spezialistinnen? Nein, denn Mechatroniker/innen<br />
sind in allen drei Gebie-ten zu Hause. Erst bei sehr komplizierten Aufgaben o<strong>der</strong><br />
Schäden müssen Spezialisten <strong>der</strong> einzelnen <strong>Fachgebiet</strong>e herbeigezogen werden.<br />
Komplexes Puzzle: Bauen und montieren<br />
Eine automatisierte Produktionsanlage o<strong>der</strong> Fertigungsstraße besteht aus vielfältigen Einzelteilen -<br />
mechanischen, elektrischen und elektronischen Komponenten. Bevor Mechatroniker/innen mit <strong>der</strong><br />
Arbeit an einer solchen Anlage beginnen, müssen sie genau verstehen, was das fertige System<br />
leisten soll und wie die Teile zusammenspielen. Dazu lesen sie Schaltpläne, Konstruktionszeichnungen<br />
und Bedienungsanleitungen, die häufig in technischem Englisch geschrieben sind.<br />
Dann erst bauen sie die Komponenten in <strong>der</strong> Werkstatt o<strong>der</strong> vor Ort beim Kunden zu mechatronischen<br />
Systemen zusammen. Sie verbinden elektronische Bauelemente o<strong>der</strong> Baugruppen mit<br />
mechanischen Bauteilen, mit Ventilen, Pumpen und Schlauchleitungen und bauen Antriebe und<br />
<strong>der</strong>en Steuerung in die Anlagen ein, die sie dann mit Blechen o<strong>der</strong> Kunststoffteilen verkleiden.<br />
Dabei bearbeiten sie auch beispielsweise Metalle von Hand o<strong>der</strong> maschinell und verdrahten<br />
Leitungen. Mit Hydraulikflüssigkeiten, Ölen und Fetten, Lacken und Klebern kommen sie häufig in<br />
Berührung - das sollte ihnen nichts ausmachen! Die Sicherheitsbestimmungen beachten sie sorgfältig,<br />
damit sie sich an scharfen Metallkanten o<strong>der</strong> Strom führenden Bauteilen nicht verletzen.<br />
Wenn sie mit dem Schweißgerät arbeiten, tragen sie beispielsweise Schutzbrillen.<br />
Strom an: Programmieren und in Betrieb nehmen<br />
Die fertigen Systeme nehmen sie in Betrieb, installieren und testen sie. Sie prüfen ihre Arbeit<br />
sorgfältig mit speziellen elektrotechnischen und mechanischen Diagnosegeräten, beispielsweise<br />
mit Druckprüfern o<strong>der</strong> Mikrometerschrauben. Schließlich müssen alle Teile genau wie in den<br />
Konstruktionsplänen vorgegeben zusammenpassen, damit die Anlage einwandfrei funktioniert.<br />
Doch nicht nur um die Hardware kümmern sie sich, son<strong>der</strong>n auch um die zugehörige Steuerungssoftware,<br />
die sie installieren. Gegebenenfalls programmieren sie die Produktionsanlagen und<br />
stellen beispielsweise die Sollwerte einer Steuerungs- o<strong>der</strong> Überwachungseinrichtung ein. Sie<br />
installieren und konfigurieren Netzwerke und Bussysteme und führen Versionswechsel von Software<br />
durch. Wenn die Anlage geprüft und alles in Ordnung ist, übergeben sie sie an ihre Kunden<br />
und unterweisen diese in <strong>der</strong> Bedienung.<br />
Anlagenservice: Lange Zeit gut in Schuss<br />
Mechatroniker/innen warten und reparieren die Systeme auch. Tritt ein Fehler auf, stellen sie<br />
fachmännisch mit geeigneten Diagnoseverfahren fest, wo <strong>der</strong> Fehler liegt: Ist die Software o<strong>der</strong><br />
Hardware betroffen? Ist es ein mechanisches o<strong>der</strong> ein elektrisches Problem? Sie kennen sich aus<br />
und reparieren die beschädigten Bauteile, setzen wenn nötig Ersatzteile ein und tauschen<br />
Verschleißteile aus. Doch sie wissen auch ein gutes Verhältnis zu den Kunden aufzubauen. Liegt<br />
etwa ein Bedienungsfehler vor, erklären sie ihnen freundlich und kompetent, wie man richtig mit<br />
<strong>der</strong> Anlage umgeht. Mechatroniker/innen rüsten darüber hinaus Anlagen um und erweitern sie<br />
o<strong>der</strong> tauschen technisch überholte Komponenten aus.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
<strong>Technische</strong>/r Zeichner/in, Fachrichtung Stahl- und Metallbautechnik<br />
Worum geht es?<br />
<strong>Technische</strong> Zeichner/innen <strong>der</strong> Fachrichtung Stahl- und Metallbautechnik setzen die<br />
Vorgaben von Konstrukteuren und Konstrukteurinnen in Pläne und technische Unterlagen<br />
um. Sie fertigen vor allem technische Zeichnungen, nach denen Stahl- und Metallbauteile in<br />
<strong>der</strong> Werkstatt hergestellt und auf <strong>der</strong> Baustelle errichtet werden können.<br />
Pläne für Brücken und Kräne<br />
Eine technische Zeichnung ist eine Art Bauanleitung: Man erkennt daran die genaue Größe<br />
<strong>der</strong> einzelnen Bauteile, die Lage von Elektro- und Wasserleitungen und alle an<strong>der</strong>en<br />
wichtigen Bauelemente. <strong>Technische</strong> Zeichner/innen <strong>der</strong> Fachrichtung Stahl- und<br />
Metallbautechnik fertigen Zeichnungen, Skizzen und Pläne für Neu-, Umbau- o<strong>der</strong><br />
Verschönerungsmaßnahmen an den verschiedensten Stahl- und Metallbauten an. Für die<br />
Darstellung von Stahlmasten, Schornsteinen, Fahrzeugaufbauten, Kränen, Brücken o<strong>der</strong><br />
verkehrstechnischen Anlagen kommt ihnen ihr technisches Verständnis zugute.<br />
Alle Unterlagen parat?<br />
Sie nehmen ihre Arbeitsaufträge von Konstrukteuren und Konstrukteurinnen entgegen.<br />
Dabei kann es sich um mündliche o<strong>der</strong> schriftliche Anweisungen handeln, um Skizzen,<br />
handschriftlich geän<strong>der</strong>te Zeichnungen o<strong>der</strong> Entwurfszeichnungen. Diesen Aufträgen<br />
entnehmen <strong>Technische</strong> Zeichner/innen alle technischen Details, die für die Erstellung einer<br />
präzisen Zeichnung wichtig sind und wählen danach ihre Arbeitsunterlagen aus. Dazu zählen<br />
Zeichnungs- und Werkstoffnormen, Lagerlisten, Tabellen o<strong>der</strong> Konstruktionsrichtlinien.<br />
Eine maßgenaue Zeichnung<br />
<strong>Technische</strong> Zeichner/innen arbeiten in Zeichen- o<strong>der</strong> Konstruktionsbüros. Ihre Zeichnungen<br />
fertigen sie meist mit CAD-Systemen am Computer an. Dennoch müssen sie auch mit<br />
Schablonen, Zirkeln, Winkelmessern und Linealen umgehen können, denn vereinzelt<br />
kommen noch Zeichenbretter und Zeichenmaschinen zum Einsatz. <strong>Technische</strong><br />
Zeichner/innen stellen ein Bauwerk zunächst im montierten Zustand dar, um aufzuzeigen,<br />
wie die einzelnen Teile funktionieren und zusammenspielen. In Montageplänen zeichnen sie<br />
auf, wie die Bauteile zu montieren sind. Zeichnungen für die Fertigung von Bauteilen<br />
versehen sie mit allen notwendigen Angaben wie z.B. Maße, Toleranzen und<br />
Oberflächenbeschaffenheiten. Auch Hinweise zu Energiespar- und<br />
Schallschutzmaßnahmen, zum Korrosionsschutz o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en bauphysikalischen<br />
Beson<strong>der</strong>heiten können in einer technischen Zeichnung enthalten sein.<br />
Stahl- und Metallbautechnik auf den Punkt gebracht<br />
In <strong>der</strong> Fachrichtung Stahl- und Metallbautechnik fertigen <strong>Technische</strong> Zeichner/innen<br />
perspektivische Darstellungen bzw. Schnitte von Bauelementen an, zeichnen Anker- und<br />
Schweißfolgepläne und erstellen Aufmaße. Dabei muss äußerst konzentriert und präzise<br />
gearbeitet werden, auch wenn es bei Terminengpässen hektisch zugeht o<strong>der</strong> Überstunden<br />
zu leisten sind! <strong>Technische</strong> Zeichnungen sind komplex und müssen bis ins kleinste Detail<br />
stimmen, damit die Bauteile später genau zusammenpassen. <strong>Technische</strong> Zeichner/innen<br />
bemaßen und kennzeichnen die Zeichnungen, indem sie entsprechende technische<br />
Angaben wie z.B. Maßtoleranzen und Oberflächenbeschaffenheiten eintragen o<strong>der</strong><br />
Baustellenmesspunkte festlegen. Außerdem erstellen sie technische Begleitunterlagen für<br />
Werkstatt und Baustelle, darunter Teil- und Gesamtübersichtszeichnungen. Am Computer<br />
berechnen sie Glasmaße und Fachwerke ebenso wie Linien- und Flächenschwerpunkte,<br />
Trägeranschlüsse o<strong>der</strong> Bauteilbefestigungen. Wurde ein Auftrag fertig gestellt, drucken sie<br />
die Pläne und Zeichnungen am Plotter aus, überprüfen sie nochmals, übergeben sie dem<br />
Auftraggeber und präsentieren ihre Arbeit. Sie sichern und pflegen die entsprechenden<br />
Dateien. So haben sie stets Zugriff auf die aktuelle Version einer Zeichnung.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Forstwirt/in<br />
Worum geht es?<br />
Forstwirte und Forstwirtinnen begründen, schützen und pflegen Waldbestände, ernten Holz,<br />
sortieren und lagern es. Sie führen alle Aufgaben aus, die zur Erhaltung und Nutzung des<br />
Waldes erfor<strong>der</strong>lich sind.<br />
Rund um die "grüne Lunge"<br />
Der Wald erfüllt für Mensch und Umwelt wichtige Aufgaben: Bäume binden z.B. das<br />
Treibhausgas Kohlendioxid, filtern Schadstoffe und verbessern so die Luft. Wäl<strong>der</strong> und Parks<br />
sind wichtige Sauerstoff-Reservoire - nicht umsonst spricht man von <strong>der</strong> "grünen Lunge". Mit<br />
gut gepflegten Waldwegen, Bänken, Tischen o<strong>der</strong> Waldspielplätzen für Kin<strong>der</strong> bieten sie<br />
einen willkommenen Erholungsraum für die Menschen. Natürlich dienen Wäl<strong>der</strong> auch <strong>der</strong><br />
Holzproduktion. Doch vor allem bilden sie den Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Sie<br />
pflegen und erhalten die Wäl<strong>der</strong> und berücksichtigen bei ihrer Arbeit wirtschaftliche<br />
Interessen ebenso wie den Naturschutz<br />
Junge Bäume für den Wald<br />
Jahreszeit und Lebensrhythmus <strong>der</strong> Bäume bestimmen ihre Arbeiten. Ihre<br />
Arbeitsanweisungen bekommen sie von Förstern bzw. Försterinnen o<strong>der</strong> Waldbesitzern und<br />
Waldbesitzerinnen, aber ihre Tätigkeiten führen sie selbstständig aus, meist in kleinen<br />
Teams von mindestens drei Personen. Das Frühjahr, die so genannte Kulturzeit, ist die<br />
Hauptsaison für die Begründung <strong>der</strong> Waldbestände. Sie bearbeiten den Boden in so<br />
genannten Pflanzschulen, graben Pflanzgräben und säen aus. Das Saatgut haben sie selbst<br />
gewonnen - aus Zapfen und Früchten, die sie gepflückt o<strong>der</strong> eingesammelt haben. Sind aus<br />
den Sämereien Sämlinge entsprossen, setzen sie diese von Hand in größere Abstände<br />
zueinan<strong>der</strong>, damit sie sich beim Wachsen nicht gegenseitig behin<strong>der</strong>n. Dieses Umpflanzen<br />
bezeichnet man als "verschulen". Nach einem o<strong>der</strong> mehreren Jahren pflanzen sie die jungen<br />
Bäumchen dann in natürlichen Waldboden ein. Im Spätsommer, im Herbst und an trockenen,<br />
schneefreien Wintertagen sind Forstwirte und Forstwirtinnen damit beschäftigt, die<br />
Waldbestände zu pflegen und zu schützen. Sie bauen zum Beispiel Zäune, bringen<br />
Schutzvorrichtungen an den jungen Bäumen an und schützen die Knospen mit chemischen<br />
Mitteln. So verhin<strong>der</strong>n sie Schäden durch Wildverbiss. Auch gegen Pilze, Insekten o<strong>der</strong><br />
schädigende Witterungseinflüsse müssen die Bäumchen geschützt werden. Forstwirte und<br />
Forstwirtinnen schneiden das Gras und Wildkraut um die Jungbäume herum aus, beseitigen<br />
Windbruch, also Wind- und Sturmschäden, und entfernen Bäume, die krank sind o<strong>der</strong> zu<br />
dicht stehen. Das ganze Jahr über haben sie im Freien an ständig wechselnden<br />
Arbeitsplätzen zu tun - bei sommerlicher Hitze, winterlicher Kälte, Regen und Wind.<br />
Holz für die Zukunft<br />
Das Hauptarbeitsgebiet von Forstwirten und Forstwirtinnen ist die Holzernte. Doch schon<br />
Jahre bevor ein Baum gefällt und dann zu einem Regal o<strong>der</strong> als Furnier verarbeitet werden<br />
kann, muss er entsprechend gepflegt werden: Wenn man Äste entfernt, steigt durch diese so<br />
genannte "Wertästung" <strong>der</strong> Anteil an astreinem Holz, und das erhöht den Wert des Stammes<br />
bei <strong>der</strong> Ernte. Deshalb gehen Forstwirte und Forstwirtinnen regelmäßig mit <strong>der</strong> Leiter auf <strong>der</strong><br />
Schulter, mit Säge, Helm, Gehör- und Gesichtsschutz im Gepäck in den Wald. Farbige<br />
Markierungen an den Stämmen zeigen ihnen an, welche Bäume es zu bearbeiten gilt. Die<br />
Leiter in den Boden gestoßen und hinaufgestiegen: Nun nimmt <strong>der</strong> Forstwirt o<strong>der</strong> die<br />
Forstwirtin die Säge zur Hand und sägt die dünnen Äste direkt am Stamm ab. Das ist<br />
körperlich ganz schön anstrengend! Eine gute Kondition muss man dafür haben. Fertig?<br />
Dann kommt <strong>der</strong> nächste Baum an die Reihe.<br />
Erntezeit!<br />
Ist es dann soweit, dass ein Baum geerntet werden kann - das ist meist nicht<br />
jahreszeitabhängig -, bringen die Forstwirte und Forstwirtinnen die benötigten Maschinen<br />
und Geräte an den Arbeitsort. Die Markierung am Baumstamm zeigt an, dass dieser für die
Ernte vorgesehen ist. Und dann geht es mit <strong>der</strong> Motorsäge an die Arbeit. Die Forstwirte<br />
setzen die Säge in Gang und schneiden waagerecht einen Holzkeil heraus. Noch einmal die<br />
Fallrichtung überprüfen - dann durchtrennen sie das Holz, und <strong>der</strong> Baum fällt zu Boden. Ein<br />
sauberer Schnitt, eine schmale Bruchleiste: Gute Arbeit. Jetzt sägen die Forstwirte und<br />
Forstwirtinnen noch die Bruchkante ab, zeichnen den Baum aus und messen ihn ab.<br />
Nadelbäume entrinden sie mit Stammholzentrindungsmaschinen. Entastungsmaschinen<br />
helfen ihnen bei <strong>der</strong> Arbeit. Forstwirte und Forstwirtinnen kennen die Eigenheiten des Holzes<br />
genau und zerlegen die Stämme und starken Äste fachmännisch in Holzsorten.<br />
Doch nicht immer werden Bäume mit <strong>der</strong> Motorsäge gefällt. Freilich ist die Arbeit mit <strong>der</strong> Axt<br />
heutzutage selten geworden, aber wenn das Gelände es zulässt, kann die Holzernte mit<br />
mo<strong>der</strong>nen Harvestern durchgeführt werden. Das sind Vollernter, die die Bäume maschinell<br />
fällen, entasten, vermessen und auf bestimmte Längen abtrennen. Beson<strong>der</strong>s bei Nadelholz-<br />
Monokulturen werden sie oft eingesetzt. Sind die Bäume gefällt, entastet und zugeschnitten,<br />
muss das Holz noch aus dem Wald gebracht werden. Beispielsweise mit so genannten<br />
Forwar<strong>der</strong>n, speziellen Fahrzeugen, die die Stämme zu den von Lkws befahrbaren Wegen<br />
transportieren. Forstwirte und Forstwirtinnen sorgen außerdem für die fachgerechte<br />
Lagerung des Holzes, vermessen es, sortieren es und kennzeichnen es nach<br />
Verwendungszweck, Abmessungen und Qualitätsmerkmalen für den Verkauf.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Medizinische/r Fachangestellte/r (früher: Arzthelfer/in)<br />
Worum geht es?<br />
Medizinische Fachangestellte assistieren Ärzten und Ärztinnen bei <strong>der</strong> Untersuchung und<br />
Behandlung, Betreuung und Beratung von Patienten und führen organisatorische und<br />
Verwaltungsarbeiten durch.<br />
Organisation und Ordnung in <strong>der</strong> Praxis<br />
Ob beim Empfang o<strong>der</strong> im Behandlungszimmer - ohne Medizinische Fachangestellte wäre<br />
ein reibungsloser Praxisbetrieb unvorstellbar. Noch bevor die ersten Patienten eintreffen,<br />
überprüfen sie, ob in den Behandlungsräumen und im Labor die benötigten Instrumente,<br />
Arzneimittel und Formulare vorhanden sind und am richtigen Platz liegen. Dabei achten sie<br />
auf Hygiene im gesamten Praxisbereich und tragen Praxiskleidung, z.B. Kittel. Wenn sie am<br />
Empfangsschalter tätig sind, begrüßen sie die Patienten und bereiten den weiteren<br />
Praxisablauf vor. Freundlichkeit und Verständnis sind hierbei unverzichtbar, da Medizinische<br />
Fachangestellte oft die ersten Ansprechpartner sind. Sie nehmen über Computer und<br />
Chipkarte persönliche Daten in die elektronische Patientenkartei auf und achten dabei auf<br />
den Datenschutz.<br />
Die Organisation und Verwaltung <strong>der</strong> ärztlichen Praxis nimmt einen großen Teil <strong>der</strong> Arbeit<br />
<strong>der</strong> Medizinischen Fachangestellten ein: Sie schreiben Arztbriefe sowie Überweisungen an<br />
Fachärzte o<strong>der</strong> Kliniken und nehmen Abrechnung mit Krankenkassen und Privatpatienten<br />
vor. Sie wickeln den Schriftverkehr mit Patienten, Behörden, Firmen und Trägern <strong>der</strong><br />
Sozialversicherung ab, bereiten Atteste vor und heften Akten ab. Bei ihrer Arbeit wenden sie<br />
die einschlägigen Rechtsvorschriften an. Insbeson<strong>der</strong>e die Beachtung <strong>der</strong> ärztlichen<br />
Schweigepflicht ist für das Personal in <strong>der</strong> Arztpraxis selbstverständlich.<br />
Betreuen und assistieren<br />
Medizinische Fachangestellte müssen den Überblick behalten, auch wenn gleichzeitig das<br />
Telefon läutet, ein Patient dringend ein Rezept, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e eine Krankschreibung braucht.<br />
Sie müssen Notfälle erkennen und in <strong>der</strong> Terminplanung berücksichtigen. Dazu ist auch<br />
medizinisches Fachwissen gefragt. Zu ihren Aufgaben gehört ebenfalls die Betreuung <strong>der</strong><br />
Patienten während einer Behandlung. Sie assistieren dem Arzt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ärztin, nehmen Blut<br />
ab, legen Verbände an und verabreichen Medikamente. Medizinische Fachangestellte führen<br />
viele ihrer Aufgaben nach Anweisung des Arztes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ärztin weitgehend selbstständig<br />
durch.<br />
Assistieren sie Arzt o<strong>der</strong> Ärztin bei <strong>der</strong> Behandlung tragen sie Schutzkleidung, wie z.B.<br />
Einweghandschuhe. Dabei darf sie <strong>der</strong> Anblick von Blut, Körperausscheidungen o<strong>der</strong><br />
Verletzungen natürlich nicht aus <strong>der</strong> Fassung bringen. Nach <strong>der</strong> Behandlung desinfizieren<br />
sie die Instrumente, trocknen sie und legen sie in den Sterilisator. Im Labor führen<br />
Medizinische Fachangestellte mittels Geräten wie Mikroskopen Untersuchungen an Blut,<br />
Stuhl o<strong>der</strong> Harn durch und dokumentieren die Ergebnisse. Nicht nur hierbei sind<br />
Sachverstand, Sorgfalt und Präzision gefragt.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Florist/in<br />
Worum geht es?<br />
Floristen und Floristinnen gestalten und verkaufen Blumen- und Pflanzenschmuck. Sie<br />
beraten ihre Kunden, pflegen die Pflanzen im Laden und bearbeiten Bestellungen des<br />
Blumenversands.<br />
Blumen in bunter Vielfalt<br />
Rosen, Gerbera und Hyazinthen - mit Blumen kennen sie sich aus. Floristen und Floristinnen<br />
verstehen es, für alle denkbaren Anlässe die passenden Blumengebinde zu kreieren und<br />
überraschen ihre Kunden mit neuen dekorativen Ideen.<br />
Ihr Tag fängt damit an, dass sie über den Blumengroßhandel o<strong>der</strong> in aller Frühe auf dem<br />
Blumengroßmarkt Standardware wie Rosen, Lilien und Gerbera und Saisonpflanzen wie<br />
Sonnenblumen, Tulpen o<strong>der</strong> Hyazinthen einkaufen. Auch verschiedene Topfpflanzen<br />
gehören zum Repertoire eines Blumenladens. Ein Blick in das Auftragsbuch verrät den<br />
Floristen und Floristinnen, ob ein Brautstrauß, Tisch- o<strong>der</strong> Tafelschmuck o<strong>der</strong> vielleicht ein<br />
Trauerkranz anzufertigen ist. Diese Bestellungen und Kundenwünsche berücksichtigen sie<br />
bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Blumen ebenso wie die neuesten Markttrends.<br />
Ganz nach Kundenwunsch<br />
Floristen und Floristinnen arrangieren die frische Ware in Vasen und dekorieren sie im<br />
Verkaufsraum und im Schaufenster. Um dem Blumenladen ein einzigartiges Flair zu<br />
verleihen und damit möglichst viele Kunden anzulocken, nehmen sie sich viel Zeit, ihn stilvoll<br />
zu gestalten. Bizarre Trockengestecke, wirkungsvoller Wandschmuck und viele dekorative<br />
Vasen, Kerzenleuchter, Körbe o<strong>der</strong> Schalen gehören zum Inventar eines Blumengeschäfts<br />
und stehen teilweise auch zum Verkauf.<br />
Vor Ladenöffnung haben Floristen und Floristinnen bereits eine bestimmte Anzahl an<br />
Blumensträußen, Arrangements, Gestecken o<strong>der</strong> Kränzen angefertigt, die sie zum Verkauf<br />
ausstellen. Doch häufig haben die Kunden ganz eigene Vorstellungen von <strong>der</strong><br />
Zusammenstellung <strong>der</strong> Blumen und zumeist auch einen Preis im Kopf, <strong>der</strong> nicht<br />
überschritten werden soll. Im Verkaufsraum beraten Floristen und Floristinnen ihre Kunden<br />
bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Blumen und behalten auch in schwierigen Verkaufssituationen ihre<br />
Nerven. Beson<strong>der</strong>s zum Muttertag o<strong>der</strong> Valentinstag ist mit großem Kundenandrang im<br />
Laden zu rechnen.<br />
Je<strong>der</strong> Strauß ein Kunstwerk<br />
Ob für ein familiäres Ereignis, eine Geschäftseröffnung o<strong>der</strong> ein Konzert - die<br />
Gestaltungsmöglichkeiten durch Blumenschmuck sind vielfältig. Je nach Jahreszeit wählen<br />
Floristen und Floristinnen Blumen, Gräser und manchmal auch künstliches Beiwerk aus und<br />
binden die floralen Arrangements mit geschickten und flinken Händen.<br />
Kranzbindemaschinen o<strong>der</strong> Klebepistolen gehören beim Herrichten <strong>der</strong> Blumen und<br />
Pflanzen zu den wenigen Maschinen, die Floristen und Floristinnen die Handarbeit<br />
erleichtern können. Verständnis und Feingefühl für die Zusammenstellung von Formen und<br />
Farben sind dabei ebenso gefor<strong>der</strong>t wie Ideenreichtum. Floristen und Floristinnen wissen,<br />
dass die Tulpe für Frische o<strong>der</strong> die Sonnenblume für Dankbarkeit steht und Farben die<br />
verschiedensten Stimmungen transportieren können. So können bunte Sträuße Freude<br />
verkörpern, rote Sträuße Liebe und weiße Trauer. Beim Zusammenstellen <strong>der</strong> Blumen<br />
achten Floristen und Floristinnen darauf, den vom Kunden vorgegebenen Preis einzuhalten<br />
und berücksichtigen, dass die Blumen auch in ihren Pflegeansprüchen zueinan<strong>der</strong> passen<br />
müssen. Hat sich <strong>der</strong> Kunde für ein Blumenarrangement o<strong>der</strong> eine Topfpflanze entschieden,<br />
geben Floristen und Floristinnen entsprechende Pflegehinweise und bieten zu den Pflanzen<br />
passende Gefäße an, etwa Blumentöpfe, Vasen o<strong>der</strong> Körbe. Abschließend verpacken sie die<br />
Ware und bedienen die Verkaufskasse.<br />
Zwischen Rosenstrauß und Rechner<br />
Neben <strong>der</strong> Herstellung von Sträußen und an<strong>der</strong>en Blumenarrangements versorgen und
pflegen Floristen und Floristinnen die Schnittblumen und Pflanzen im Laden. So gießen und<br />
düngen sie die Topfpflanzen, setzen Pflanzenschutzmittel ein, entfernen Dornen und<br />
sortieren verwelkte Blumen aus. Damit ihre Ware möglichst lange frisch bleibt, lagern sie sie<br />
in Kühlräumen. Doch je besser Floristen und Floristinnen ihren Warenbedarf kalkuliert<br />
haben, desto weniger Blumen verblühen, ohne verkauft worden zu sein. So gehören auch<br />
kaufmännische Arbeiten am Schreibtisch zum Berufsalltag. Floristen und Floristinnen<br />
erledigen Verwaltungs- und Abrechnungsarbeiten, ermitteln den Materialverbrauch,<br />
kalkulieren Preise und holen Angebote ein. Außerdem nehmen sie Anfragen und<br />
Bestellungen entgegen, die sie termingerecht bearbeiten.<br />
Blumengrüße frei Haus<br />
Der Beruf Florist/in hat sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit vom reinen Blumenverkäufer zum<br />
Dienstleistungs- und Serviceanbieter gewandelt. Viele Blumenläden kooperieren mit<br />
Blumenversandhäusern o<strong>der</strong> Onlineblumenshops, die den Blumenversand über das Internet<br />
anbieten. Weil ein Blumenstrauß natürlich nicht per Post versandt werden kann, geben die<br />
Versandhäuser o<strong>der</strong> Onlineshops Bestellungen an örtliche Floristen und Floristinnen weiter,<br />
die die Blumengrüße dann ausliefern.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Ergotherapeut/in<br />
Worum geht es?<br />
Ergotherapeuten und -therapeutinnen unterstützen und för<strong>der</strong>n Menschen jeden Alters, die<br />
in ihrer alltäglichen Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind. Ziel <strong>der</strong> Ergotherapie ist es, die<br />
motorischen, kognitiven, psychischen und sozialen Fähigkeiten <strong>der</strong> Patienten zu erhalten<br />
o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> zu erlangen.<br />
Für Körper und Geist<br />
"Ergotherapie" setzt sich aus dem griechischen "to ergon" ("Werk") sowie "therapeia"<br />
("Dienst, Behandlung") zusammen und kommt auf verschiedenen medizinischen Gebieten<br />
zum Einsatz, z.B. in <strong>der</strong> Neurologie, Psychiatrie, Pädiatrie, Orthopädie o<strong>der</strong> Rheumatologie.<br />
In ergotherapeutischen Praxen, Krankenhäusern, aber auch Pflegeheimen o<strong>der</strong><br />
Rehabilitationskliniken verfolgen Ergotherapeuten und -therapeutinnen den ganzheitlichen<br />
Ansatz, dass Aktivität sich positiv auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirkt und<br />
greifen hierfür auf umfeldgerechte, handlungsorientierte Beschäftigungs- und<br />
Übungsmaßnahmen zurück. Dabei stimmen sie sich mit Ärzten und Ärztinnen,<br />
Physiotherapeuten und -therapeutinnen sowie Pflegefachkräften ab. Viel Einfühlungsvermögen<br />
und psychologisches Basiswissen setzen sie für die Motivation von Patienten<br />
während einer Behandlung ein, auch wenn es nur in kleinen Schritten voran geht. Ist <strong>der</strong><br />
ausschlaggebende Faktor für den Erfolg einer Therapie doch die innere Einstellung <strong>der</strong><br />
Patienten.<br />
Mit Spiel und Tanz zum Ziel<br />
Mit <strong>der</strong> Absicht, die größtmögliche Selbstständigkeit ihrer Patienten zu erreichen, betreuen<br />
sie diese oft über einen längeren Zeitraum hinweg. Der Ergotherapeut widmet sich etwa<br />
Kin<strong>der</strong>n, denen es schwerfällt, zu basteln und zu malen o<strong>der</strong> die eine Lernschwäche zeigen.<br />
Dabei berücksichtigt er die geistigen, seelischen wie körperlichen Fähigkeiten des Kindes<br />
und bezieht auch die Eltern mit ein. Liegt eine Entwicklungsstörung vor? Mitunter kann das<br />
Gleichgewichtsempfinden o<strong>der</strong> die zentrale Reizverarbeitung beeinträchtigt sein. Gezielt<br />
setzt <strong>der</strong> Ergotherapeut spielerische Aktivitäten ein, die neben <strong>der</strong> Bewegung auch<br />
Erfolgserlebnisse mit einbeziehen; beispielsweise soll ein Haus aus Schaumstoffklötzen<br />
gebaut werden. Jugendliche, Erwachsene o<strong>der</strong> Senioren werden von Ergotherapeuten und -<br />
therapeutinnen gefor<strong>der</strong>t und geför<strong>der</strong>t. Oft sind dabei handwerkliche, gestalterische o<strong>der</strong><br />
musische Betätigungen <strong>der</strong> Patienten von entscheiden<strong>der</strong> Wichtigkeit, damit sie sich selbst<br />
bei <strong>der</strong> Arbeit mit unterschiedlichen Materialien, aber auch mit Musik und Tanz besser<br />
wahrnehmen können. Ergotherapeuten und -therapeutinnen kennen keine Berührungsängste,<br />
wenn sie mit mit Patienten arbeiten, die z.B. durch einen Unfall versehrt wurden o<strong>der</strong><br />
an Demenz erkrankt sind. Auch körperlichen Einsatz zeigen sie, z.B. führen sie gemeinsam<br />
mit den Patienten motorisch-funktionelle Übungen aus, trainieren <strong>der</strong>en Koordinationsfähigkeit<br />
und Muskelkraft o<strong>der</strong> üben gemeinsam mit ihnen den Einsatz <strong>der</strong> neuen Prothese.<br />
Fit im Alltag<br />
Abhängig von Diagnose und Erkrankung kann es für einige Patienten auch in erster Linie<br />
darum gehen, körperlich wie<strong>der</strong> so fit zu werden, dass sie sich im eigenen Haushalt selbst<br />
versorgen können: Dazu zählen Waschen, Ankleiden, Essenszubereitung, Hausarbeit,<br />
Einkaufen und an<strong>der</strong>e Aktivitäten des täglichen Lebens. Insbeson<strong>der</strong>e bei orthopädischen<br />
o<strong>der</strong> rheumatischen Erkrankungen sowie bei Amputationen sollen die Patienten wie<strong>der</strong> so<br />
mobil werden, dass sie Alltagssituationen trotz ihres jeweiligen Handicaps bewältigen<br />
können . Auch Fragen <strong>der</strong> beruflichen Neuorientierung o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung gehören<br />
zum Aufgabenfeld <strong>der</strong> Ergotherapeuten und -therapeutinnen, die oft Kontakte zu den<br />
entsprechenden Ämtern, Selbsthilfegruppen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Hilfsorganisationen knüpfen bzw.<br />
vermitteln.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Diätassistent/in<br />
Worum geht es?<br />
Diätassistenten und -assistentinnen sind Fachleute für die Ernährung und Verpflegung von<br />
Patienten, die aufgrund ihrer Krankheit eine bestimmte Diät einhalten müssen. Sie setzen<br />
ärztliche Diätverordnungen in die Praxis um, erstellen Speise- und Diätpläne, bereiten<br />
Diätkost zu und beraten in Ernährungsfragen.<br />
Experten in Sachen Ernährung<br />
Bei dem Wort "Diät" denkt man meist an Rohkost und den Verzicht auf Süßigkeiten, um <strong>der</strong><br />
vermeintlichen Idealfigur nahe zu kommen - häufig müssen aber Menschen wegen einer<br />
Erkrankung ihre Ernährung umstellen. So können die falschen Nahrungsmittel<br />
beispielsweise für Diabetiker lebensgefährlich sein. Diätassistenten und -assistentinnen<br />
wissen, mit welchen Diäten solche Stoffwechselerkrankungen behandelt werden können. Sie<br />
kennen die verschiedenen Nahrungsmittel, ihre Inhaltsstoffe und Zusammensetzung sowie<br />
ihre Auswirkungen bei bestimmten Erkrankungen. Und sie kennen die Patienten mit ihren<br />
Krankengeschichten und beson<strong>der</strong>en Bedürfnissen. Um einen individuell passenden<br />
Speiseplan zu erstellen, stimmen sie sich zunächst mit den Patienten ab, häufig auch mit<br />
den behandelnden Ärzten und Ärztinnen bzw. dem Pflegepersonal. Danach berechnen sie<br />
anhand von Tabellen den Nährstoffgehalt <strong>der</strong> Speisen. Schließlich müssen die Patienten<br />
zum einen mit genügend Nährstoffen versorgt werden, zum an<strong>der</strong>en sollen sie z.B.<br />
kalorienreduziert essen, wegen Allergien bestimmte Nahrungsbestandteile meiden o<strong>der</strong> nur<br />
in begrenzten Mengen zu sich nehmen.<br />
Diätkost richtig zubereiten<br />
In <strong>der</strong> Groß- o<strong>der</strong> Diätküche, die z.B. einem Krankenhaus, einem Kur- o<strong>der</strong> einem<br />
Pflegeheim angeglie<strong>der</strong>t ist, sorgen Diätassistenten und -assistentinnen für die Zubereitung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Diätkostformen. Das kann bedeuten, dass sie die Zubereitung<br />
überwachen o<strong>der</strong> auch bestimmte - häufig kompliziertere - Diätgerichte selbst anfertigen. Da<br />
in <strong>der</strong> Regel viele Personen zu verpflegen sind, werden zumeist große Mengen an<br />
Lebensmitteln verarbeitet und dazu Großkochgeräte genutzt. Die Arbeit in <strong>der</strong> Küche ist<br />
meist anstrengend, Hektik dabei an <strong>der</strong> Tagesordnung, da die verschiedenen Gerichte<br />
gleichzeitig zum vorgegebenen Essenstermin fertig sein müssen. Diätassistenten und -<br />
assistentinnen sind dafür verantwortlich, dass auch unter Zeitdruck die richtige Menge und<br />
Zusammensetzung <strong>der</strong> einzelnen Speisen gewährleistet sind, da die Gesundheit und das<br />
Wohlbefinden <strong>der</strong> Patienten wesentlich davon abhängen. Außerdem müssen die Mahlzeiten<br />
pünktlich beim richtigen "Empfänger" ankommen. Da die Patienten durchgängig versorgt<br />
werden müssen, sind Schichtarbeit sowie Wochenend- und Feiertagsdienst üblich. Im<br />
Küchenbereich wird Arbeitskleidung getragen; die strikte Einhaltung von Hygienevorschriften<br />
spielt hier eine entscheidende Rolle.<br />
Gesund und schmackhaft<br />
Für die Beschaffung <strong>der</strong> benötigten Nahrungsmittel sind Diätassistenten und -assistentinnen<br />
ebenfalls zuständig. Bei <strong>der</strong> Kalkulation des Lebensmittelbedarfs ist die ständig wechselnde<br />
Anzahl <strong>der</strong> Patienten mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen zu beachten. Diätassistenten<br />
und -assistentinnen müssen mit den finanziellen Mitteln auskommen, die durch den<br />
festgelegten Verpflegungssatz begrenzt sind. Dennoch sollen sie gesunde und<br />
abwechslungsreiche, aber auch wohlschmeckende Mahlzeiten anbieten, damit die Patienten<br />
die Diätkost annehmen. Dabei müssen sie in zunehmendem Maße berücksichtigen, dass<br />
Menschen an<strong>der</strong>er Religionen und Kulturen bestimmte Nahrungsmittel nicht essen (dürfen).<br />
Hier ist also Kreativität gefragt - sei es bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Nahrungsmittel, dem Erfinden<br />
neuer Rezepte o<strong>der</strong> beim Zusammenstellen des Speiseplans.<br />
Informieren, beraten, schulen<br />
Diätassistenten und -assistentinnen beraten und schulen Patienten, um ihnen die verordnete<br />
Diät verständlich zu machen und die Auswirkungen falscher und richtiger Ernährung auf die
Gesundheit aufzuzeigen. Dabei sind Einfühlungsvermögen und Motivationsfähigkeit<br />
erfor<strong>der</strong>lich, sollen die Patienten sich nach dem stationären Aufenthalt doch auch zu Hause<br />
richtig ernähren. Teilweise muss erst Überzeugungsarbeit geleistet werden, da nicht je<strong>der</strong><br />
die Notwendigkeit einer Ernährungsumstellung einsieht. Diätassistenten und -assistentinnen<br />
beraten Personen einzeln, z.B. im Krankenzimmer, o<strong>der</strong> in Gruppen. Neben schriftlichem<br />
Informationsmaterial setzen sie verstärkt auf praktische Vorführungen o<strong>der</strong> gemeinsame<br />
Kochübungen. Dabei müssen sie sich auf sehr unterschiedliche Menschen einstellen, ihre<br />
Zielgruppe sind nicht nur Erwachsene: Bereits Grundschüler bringen zu viele Pfunde auf die<br />
Waage, Jugendliche leiden unter Essstörungen. Um hier vorzubeugen, bieten<br />
Diätassistenten und -assistentinnen Kurse an, in denen sie mit den Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen ein natürliches Essverhalten einüben, damit diese lernen: Gemüse kann lecker<br />
sein und gemeinsames Essen macht Spaß.<br />
(aus http://interesse-beruf.de © Herausgegeben von <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg)
Arbeitsanweisungen (Arbeitsblatt o<strong>der</strong> Folie)<br />
Aufgabe 1:<br />
Lies Dir das Berufsprofil durch und unterstreiche die Aufgaben, die<br />
Dir beson<strong>der</strong>s wichtig erscheinen.<br />
Aufgabe 2:<br />
Überlegt in <strong>der</strong> Gruppe:<br />
1. Wie kann die Arbeit in diesem Beruf durch den Einsatz von<br />
Computersystemen erleichtert werden?<br />
2. In welchen Bereichen kann die menschliche Arbeit in diesem Beruf<br />
nicht durch den Computer ersetzt werden?<br />
Einschub: Filmausschnitt<br />
Aufgabe 3:<br />
Der Roboter „Nr. 5“ möchte in dem von Euch bearbeiteten Beruf<br />
mithelfen.<br />
1. Überlegt Euch eine kleine Aufgabe, die er übernehmen könnte.<br />
2. „Nr. 5“ kann sprechen, hören, greifen, fahren, lesen und schreiben.<br />
Allerdings weiß er nicht, wie er die von Euch ausgewählte Aufgabe<br />
bearbeiten soll. Fertigt gemeinsam für „Nr. 5“ eine Anleitung für<br />
diese Aufgabe an. Achtet darauf, die einzelnen Schritte so<br />
ausführlich wie möglich zu beschreiben. Überlegt auch, welche<br />
Hilfsmittel er eventuell dazu benötigt und was zu tun ist, wenn<br />
etwas fehlt.
Beispiel: „Nr. 5 will ein Schnitzel essen“<br />
Hilfsmittel: Teller mit Schnitzel, Messer, Gabel.<br />
Das tut Nr. 5, wenn etwas fehlt:<br />
Sage: Gib mir bitte ein Schnitzel, bzw. eine Gabel, bzw. ein Messer.<br />
Schritte:<br />
1. Nimm die Gabel in die linke Hand.<br />
2. Nimm das Messer in die rechte Hand.<br />
3. Steche mit <strong>der</strong> Gabel in das Schnitzel.<br />
4. Schneide mit dem Messer (scharfe Seite nach unten haltend) ein Stück<br />
Schnitzel ab.<br />
5. Öffne deinen Mund.<br />
6. Führe die Gabel mit dem Schnitzelstückchen zum Mund und steck es in den<br />
Mund.<br />
7. Kaue solange, bis das Schnitzelstückchen weich ist.<br />
8. Schlucke das Schnitzel runter.<br />
9. Wie<strong>der</strong>hole Schritte 3-8 solange bis das Schnitzel aufgegessen ist.