Psychotherapeutenjournal 2/2013 (.pdf)
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Editorial<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
wie entwickeln sich die Kammern und der<br />
Berufsstand weiter? Die politischen Veränderungen<br />
und die Implikationen für die<br />
Zukunft sind durch die aufgeworfenen Fragen<br />
angesichts der laufenden Diskussionen<br />
um eine mögliche Direktausbildung<br />
zum Psychotherapeuten und zur Psychotherapeutin<br />
zentral mit dem künftigen Berufsbild<br />
verbunden. Rainer Richter, Präsident<br />
der Bundespsychotherapeutenkammer,<br />
skizziert in seinem Beitrag über das<br />
Berufsbild von Psychotherapeutinnen und<br />
Psychotherapeuten Orte der Weiterentwicklung<br />
des Berufes. Er plädiert, dass das<br />
Bild von der Basis aller mitgestaltet wird<br />
und ruft alle Leserinnen und Leser auf, sich<br />
aktiv am Prozess zu beteiligen.<br />
Bereits am 12. November 2012 verstarb in<br />
Genf im Alter von 78 Jahren Daniel Stern,<br />
der bekannte Psychotherapeut, Forscher,<br />
Wissenschaftler und Verfasser zahlreicher<br />
Bücher. Sein interdisziplinäres Schaffen in<br />
der Verbindung von empirischen Beobachtungen,<br />
Erfahrungswissen und Konzeptualisierungen<br />
über das Selbst, seine kreative<br />
und humane Grundhaltung haben vielen<br />
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten<br />
neue Erfahrungen möglich gemacht.<br />
Christiane Ludwig-Körner hat ihm<br />
in diesem PTJ einen bewegenden und persönlichen<br />
Nachruf gewidmet.<br />
Auch andere Artikel haben Kernthesen des<br />
Werkes von Daniel Stern aufgegriffen und<br />
in eigene Gedanken eingewebt. So konzeptualisiert<br />
Thomas Fuchs in seinem Beitrag<br />
über Leib und Lebensraum das Selbsterleben<br />
und psychische Erkrankung als<br />
Einschränkung räumlichen Erlebens in der<br />
Interaktion. Sein Beitrag ermöglicht es,<br />
über die Raummetapher und seinen phänomenologischen<br />
Ansatz eine körperliche<br />
Dimension des Selbsterlebens anschaulich<br />
zu erfassen.<br />
Reinhard Plassmann gibt uns Einblick in<br />
prozessorientierte Psychotherapie. Auch<br />
seine Arbeit ist durch das Werk Daniel<br />
Sterns beeinflusst. Plassmann beschreibt<br />
uns ein Modell von Erfahrungsbildung im<br />
emotionalen Feld im Rahmen der psycho-<br />
therapeutischen Beziehung. Bei besonderer<br />
Beachtung und Kommentierung emotionaler<br />
Aspekte im Ablauf der Sitzungen<br />
zielt er auf Verarbeitung und Veränderung.<br />
Erfahrungen können „transformiert“ werden.<br />
Deutlich wird in seinem Beitrag, wie<br />
sich im Prozess des Behandelns und der<br />
Interventionen neue Gesichtspunkte ergeben,<br />
die geänderte Behandlungspfade<br />
und Umdenken ermöglichen und die über<br />
Reflexion erschlossen werden. Seine anschaulichen<br />
kasuistischen Beispiele verdeutlichen<br />
das Gemeinte.<br />
Rudolf Stark befasst sich mit der Frage, ob<br />
„sexuelle Sucht“ als eine eigenständige klinische<br />
Diagnose zu sehen ist. Er gibt differenzierten<br />
Einblick in den fachlichen und<br />
kontroversen Diskurs, fokussiert auf neurobiologische<br />
und verhaltenstherapeutische<br />
Sicht. In seinem Beitrag geht er sowohl auf<br />
Ätiologie wie auf Komorbidität ein und<br />
nennt Kriterien für die diagnostische Einordnung<br />
der sexuellen Sucht.<br />
Das Bild der seit 1999 bestehenden und<br />
sich entwickelnden Hochschulambulanzen<br />
an Psychologischen Instituten beschreiben<br />
Thomas Fydrich und Theresa<br />
Unger in ihrem Artikel. Sie stellen Ergebnisse<br />
und Gedanken aufgrund einer Umfrage<br />
an allen Psychologischen Instituten<br />
in Deutschland zusammen. Wir bekommen<br />
Einblick in die Verzahnung von Versorgungsschwerpunkten<br />
und Forschung in<br />
diesem Bereich, im Kern bezogen auf zumeist<br />
störungsspezifische Fragestellungen.<br />
Die verschiedenen auch rechtlichen Aspekte<br />
der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />
bilden einen weiteren Bezugspunkt<br />
im vorliegenden Heft. Bernd Rasehorn erläutert<br />
als Jurist zusammenfassend grundlegende<br />
Voraussetzungen für die Einwilligung<br />
der Sorgeberechtigten bei der Behandlung.<br />
Er betont, dass das Einverständnis<br />
über die Gesundheitsfürsorge eines<br />
Kindes anderen rechtlichen Kriterien unterliegt<br />
als beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht.<br />
Da wir in den Kammern<br />
zahlreiche Anfragen zu diesen Fragestellungen<br />
erhalten, glauben wir, dass ein<br />
Artikel zu diesem Thema besondere Aufmerksamkeit<br />
verdient.<br />
Insgesamt können wir in der Redaktion<br />
über die Einsendung der Beiträge feststellen,<br />
dass sich der Trend fortsetzt, die wichtige<br />
Rolle der interaktionellen Welt und<br />
den Einbezug kontextueller Faktoren verstärkt<br />
zu betonen. In diesem Sinne sind<br />
Studien zu systemischen Ansätzen, von<br />
denen Matthias Ochs in der Rubrik „Aktuelles<br />
aus der Forschung“ berichtet, einzuordnen.<br />
Zwei interessante Rezensionen, die eine<br />
zur Geschwisterproblematik, die andere<br />
zur angewandten Philosophie in zehn Berufsfeldern,<br />
u. a. des Feldes der Psychotherapie,<br />
komplettieren die Vielfalt dieses Heftes.<br />
Viele Leserinnen und Leser der Ausgabe<br />
1/<strong>2013</strong> des PTJ haben Leserbriefe zum Artikel<br />
von Bernd Ubben, „Der Bericht an<br />
den Gutachter als sinnvolles Qualitätssicherungsinstrument“,<br />
geschrieben. Der<br />
Redaktionsbeirat nimmt Stellung, veröffentlicht<br />
Leserbriefe und auch eine Replik<br />
des Autors in der Rubrik „Kommentare zu<br />
erschienenen PTJ-Artikeln“.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche<br />
Ihnen eine interessante und anregende<br />
Lektüre.<br />
Gertrud Corman-Bergau<br />
(Niedersachsen)<br />
Mitglied des Redaktionsbeirates<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
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